Liebe Operettaminoisten,
Zwar wird über Franz von Suppé (Spalato/Split 1819-1895 Wien, eigentl. Francesco Suppé-Demelli) anderswo im Forum sehr anregend diskutiert, aber wenn es speziell um seine Bühnenwerke geht, ist doch hier der Platz für die Diskussion und nicht drüben, wo ihn viele Foristen vielleicht auch gar nicht vermuten.
Suppés Ouvertüren tönen alle Augenblicke aus dem Radio und bei diversen Konzerten, das Angebot vollständiger Operettenaufnahmen ist aber ziemlich mager. Auch auf den Spielplänen findet man ihn nicht so oft, wie er es verdiente. Bei der sehr attraktiven "Schönen Galathée" mag das damit zusammenhängen, daß man damit keinen ganzen Abend füllen kann. Da nützt auch der Vorteil, daß man mit nur vier Darstellern/innen auskommt, nur wenig. "Boccaccio" hingegen erfordert nicht nur ein ziemlich großes Ensemble, sondern ist auch musikalisch etc. ein ausgesprochen anspruchsvolles Stück, das mehr für größere Bühnen geeignet ist und einigen Aufwand verlangt. Ich möchte mich heute beschränken und nur auf eine Aufnahme hinweisen.
Von der "Galathée" liegt bei Membran jetzt wieder die Kölner Rundfunkproduktion von 1965 vor. Wahrscheinlich stellen sich mißtrauische Wiener Chauvinisten die Frage: Schafft man das außerhalb Wiens überhaupt? Franz Marszalek mit dem Kölner Rundfunkorchester beweist, daß das geht - es ist klarerweise keine Spitzenware, aber Marszalek war nicht umsonst als Operettenspezialist bekannt und berühmt. Er vermittelt Schwung und Brio, geht steifleinener Interpretation aus dem Weg und schafft absolut Stimmung. Insgesamt eine sehr ordentliche und hörenswerte Wiedergabe. Auch die Besetzung - halb deutsch, halb wienerisch - ist über dem Durchschnitt, und die Dialogbearbeitung witzig und treffsicher. Der mir bisher unbekannte Reinhold Bartel (1926-1996) verkörpert den schon etwas überwuzelten (ich hoffe, ich muß das nicht "übersetzen") Pylargon-Pygmalion fast ideal (dazu paßt auch sein etwas trockeneres, aber nicht fades Timbre sehr gut), Ferry Gruber als Gérard-Ganymed ist sowieso immer ein Genuß in Dienerrollen, Kurt Großkurth ergänzt als Midou-Mydas das Herrentrio in ergötzlicher Weise (obwohl man sich bei ihm am besten das Spiel dazu vorstellt; daß dieser 1975 leider tödlich verunglückte Komiker ein Niveau-Blödler war, beweist er u.a. auch im "Gräfin Mariza"-Film mit Schock und Görner [nix für strenge Ansprüche, aber innerhalb der Gattung gar nicht so übel, sieht man von diversen aufgesetzten Scherzchen und Einlagen ab]). Renate Holm in der Titelpartie ist natürlich gut, aber nicht so gut wie sonst. Die Galathée ist keine wirkliche Soubrettenrolle und wäre meiner Ansicht nach eher etwas für die Rothenberger gewesen.
Da es sich um einen 2 CD-Set handelt und die "Galathée" nur eine CD füllt, gibt es auf der zweiten außer einigen Ouvertüren einen Querschnitt durch Offenbachs "Schöne Helena". Zu dem Preis (9-10 Euro in Wien) ein Schnäppchen.
Bei "Boccaccio" gilt die forenbekannte Boskovsky-Aufnahme mit Hermann Prey als das Maß der Dinge - einerseits mit Recht, andererseits macht sie mich nicht restlos glücklich. Membran hat jetzt in der "Traumland der Operette"-Serie auch einen "Boccaccio" inkludiert, der zwar keine Herausforderung für die Nr.1 ist, aber in manchen Details trotzdem besser. Dazu hoffe ich aber, das nächste Mal mehr zu sagen.
LG
Waldi