DON GIOVANNI - Royal Opera Covent Garden London, September 2008

  • Mit Mozart’s Don Giovanni eröffnete die Royal Opera London ihre neue Saison. Die Produktion, die von Francesca Zambello stammt, wird von manchen Kritikern als langweilig beschrieben. Ich jedoch finde sie ungeheuer spannend. Was vielleicht auch an dem tollen Sänger- und Darstellerensemble gelegen hat. Mit Sängern die über weniger Bühnenpräsenz und Darstellungskunst verfügen sieht man die gleiche Produktion vielleicht mit anderen Augen.
    Obwohl die Sängerriege allgemein sehr gut ist muß man drei Personen besonders hervorheben und die heißen, Mackerras, Keenlyside und DiDonato.


    Doch bevor ich auf die Sängerleistungen eingehe möchte ich die Produktion an sich beschreiben.
    Fast die ganze Oper hindurch sieht man eine gebogene, sich drehende Wand, die ein kachelförmiges Muster hat. Aus mir unerklärlichen Gründen sieht man am linken oberen Ende die Jungfrau Maria. Über die Wand verteilt sieht man Kruzifixe die als Sprossen dienen, wenn zum Beispiel Giovanni zu Beginn aus dem Zimmer der Donna Anna flieht, deren Zimmer sich hinter der Wand verbirgt. Die Wand ist zudem mit Handflächen übersät, ähnlich wie wenn man seine Handflächen in Ton drückt. Was das bedeuten soll? Vielleicht die Handabdrücke des Don Giovanni, der seine Hände wohl schon überall hatte. ;)


    Wenn sich diese Wand dreht, dann gibt sie einen Treppenaufgang frei, der von den Protagonisten genutzt wird, und auf das enge Dach dieser Wand führt. Auf dieser können sich die Figuren der Oper drapieren und dieses Dach ergibt einen geschickten Aussichtspunkt.


    Wenn man die Wand um 180° dreht, befindet man sich im Inneren eines Palastes im 17. Jahrhundert. Dies geschieht gegen Ende des ersten Aktes als Giovanni zum Fest einlädt. Hier korrespondieren zum ersten mal wirklich die Kostüme der Protagonisten mit der kargen Ausstattung. Das ist nun wirklich das 17. Jahrhundert.


    Bei den Farben der Kleidung der einzelnen Charaktere steckt offensichtlich eine Idee dahinter. Don Giovanni ist stets in prägnanten Rottönen zu sehen – von einem teuflischen Rot bis zu violetten Tönen. In starkem Kontrast dazu steht sein Diener Leporello der in grauen Kleidern herumläuft. Anna, Elvira und Ottavio werden in blauen und türkisen Kostümen gekleidet während die Bauern in weiß gekleidet sind.
    Im abschließenden Sextett erscheinen überraschenderweise alle weiß gekleidet.


    Die großartigste Szene war zweifellos die Höllenfahrt des Don Giovanni. Als der Komtur ihn in die Hölle mitnehmen will, schießen an verschiedenen Orten auf der Bühne Flammen aus dem Boden. Diese Szene ist von ungemeiner Kraft, überall auf der Bühne das Feuer. Don Giovanni scheint sich mehr vor den Flammen zu fürchten als vor dem Komtur, dem er mit Nonchalance entgegentritt. Die Hitze, die da von der Bühne kommt, wird auch für Besucher in den ersten Reihen und den bühnennahen Logen spürbar. Was das erst für die Sänger bedeuten muß.


    Die musikalische Darbietung ist von beeindruckender Qualität. Sir Charles Mackerras gilt als Mozartspezialist und sein Gefühl für Mozart ist legendär. Sein Dirigat ist lebendig und seine Tempi sind beispielhaft. Er gibt den Sängern gleichzeitig den Raum ihre Figuren vokal auszufüllen, nimmt Rücksicht in den langsameren Passagen und fordert sie in den schnelleren, ohne sie zu überfordern. Ein großartig dirigierter Don Giovanni. :yes:


    In der Rolle des Don Giovanni liefert Simon Keenlyside wieder einmal eine, wie ein Kritiker es beschrieb, Tour de Force. Sein Giovanni ist ein gefährlicher Jäger der seiner Libido völlig ausgeliefert ist. Innerhalb einer Sekunde kann er vom eleganten, zärtlichen Verführer zum gefährlichen, groben, ja, teuflischen Verführer mutieren. Den Frauenhelden nimmt man ihm auch vom Typ her ab. Mit seinem attraktiven Äußeren und seiner schlanken Gestalt sieht er wahrlich charismatisch aus. Dazu trägt er eine langhaarige Perücke, mit der er echt klasse aussieht. :yes:


    Darstellerisch ist er einfach zum Niederknien. Gerade in diesem Bereich wird viel von ihm gefordert. Nicht jeder Sänger könnte das was Keenlyside hier vollbringt.
    Ein betörendes Deh vieni alla finestra singt er hängend von dieser Wand, während er genauso beeindruckend zu singen vermag als er Donna Elvira mit ihrem gesamten Gewicht in die Höhe stemmt und sie dabei auch noch etwas in die Höhe wirft. Unglaublich!
    Am Ende des ersten Aktes auf dem Fest flieht er vor den anderen in dem er sich an einem Seil an der Wand seines Palastes in die Höhe rettet – also in einem Winkel von 90°. Da sitzt man bangend im Publikum und hofft nur, daß das auch gut geht. Der Mann ist ungeheuer athletisch und ich glaube das zeigt er auch gerne. Keenlyside fordert einfach viel von sich selbst. Zum Vergnügen des Publikums. :jubel::jubel::jubel:




    In der finalen Szene mit dem Komtur entledigt sich Keenlyside dem Großteil seiner Kleidung – sehr zur Freude des weiblichen Publikums. Nur in knielangen Hosen bekleidet liefert er sich mit dem Komtur eine eindringliche Konfrontation, die zu einem Höhepunkt der Aufführung wird.


    Beim letzten Ton, der die Oper beendet, erhellt sich noch einmal ganz kurz ein Teil der Bühne und man sieht den fast nackten Don Giovanni in der Unterwelt mit einer jungen, nackten Frau in seinen Armen liegend. Also auch in der Hölle läuft für unseren Helden alles wie gehabt….. :hahahaha:



    Gesanglich hat Keenlyside sich in den letzten Jahren zu einem wunderbaren Don Giovanni entwickelt. Seine Stimme ist etwas dünkler geworden, obwohl man ihn noch immer als hellen Bariton bezeichnen muß. Seine stärksten Momente hat er bei La ci darem la mano, in dem Mackerras sehr rücksichtsvoll begleitet, und in einem der Highlights der Aufführung, Deh vieni alla finestra. Da ist eine ungemeine Wärme in seiner Stimme und er gestaltet die Serenade mit langen innigen Phrasen. Da wünschte man diese Nummer würde etwas länger dauern.
    Auch die schwierige Champagner-Arie gelingt sehr gut, denn Sänger und Dirigent sind bestens aufeinander abgestimmt.
    Keenlyside’s Diktion muß noch besonders erwähnt werden und seine Wortdeutlichkeit auch in den Rezitativen ist sehr lobenswert.


    Neben Keenlyside ist Joyce DiDonato der Star der Aufführung. Sie singt in ihrem Rollendebüt eine fast hysterische aber auch sehr empfindsame Donna Elvira. Sie ist hin- und hergerissen zwischen Verachtung und Verliebtheit die sie für Giovanni empfindet. Man muß sich eigentlich Sorgen um ihre Figur machen, derart seelisch ist sie mitgenommen. Während ihrer Arie im zweiten Akt läuft sie mit einem Messer in der Hand herum und es hat den Anschein als wolle sie Selbstmord begehen. Dies können die herbeikommenden Anna und Zerlina allerdings noch verhindern.
    Schon in ihrer Auftrittsarie ist die in dieser Aufführung schwarzhaarige DiDonato vokal sehr präsent und sie steigert sich noch im Laufe der Aufführung. Mit ihrer Arie Mi tradi quell'alma ingrata hat sie – obwohl ein Mezzo – keine Schwierigkeiten mit der Tessitura und ist schlichtweg fantastisch. Und trotzdem – für Mozart ist ihre Stimme eigentlich schon einen Tick zu dramatisch. Aber bei derartiger Hingabe an diese Rolle - vokal als auch darstellerisch - ist das nur nebensächlich.


    Aber auch die restlichen Sänger sind sehr gut. Vor allem der mächtige Komtur des Eric Halfvarson, der stimmlich ganz großartig und einer der besten Komture seit langem ist. Gerade im Finale mit Don Giovanni liefern sich die beiden Sänger eine intensive Auseinandersetzung die schlichtweg packend ist. :jubel:


    Kyle Ketelsen gibt einen sehr guten Leporello und ist auch vokal eine gute Kontrastfigur zu Keenlyside’s Giovanni. Die Katalog Arie gelingt ihm wunderbar, dank auch des wunderbaren Dirigats von Mackerras. Auch darstellerisch verleitet er zu Lachern, wie wenn er sich vor Donna Elvira als ihr Giovanni ausgibt. Da ist auch DiDonato sehr amüsant.


    Eine sehr würdevolle Donna Anna begegnet einem in Marina Poplavskaya, ein eher dunkel timbrierter Sopran, die sich etwas mit der Rachearie müht, was sicher auch auf eine Halsinfektion zurückzuführen ist, mit der die Sängerin in jenen Tagen zu kämpfen hatte. So ist ihre Höhe vielleicht auch deshalb in den höher liegenden Passagen bei Non mi dir alles andere als ideal. Dafür entschädigt sie mit wunderschön lang gesungenen Phrasen und einer beeindruckenden Atemtechnik.


    Der Don Ottavio von Ramon Vargas ist besser als ursprünglich anzunehmen, denn den Sänger verbindet man ja nicht unbedingt mit Mozartpartien, obwohl er ja immer wieder dieses Repertoire singt.
    Natürlich ist das was er singt kein Mozartgesang, aber dafür macht er seine Sache gar nicht schlecht. Ihm gelingen die Arien ordentlich, auch wenn es halt nicht wirklich nach Mozart klingt. Darstellung findet bei ihm praktisch nicht statt. Er spielt so langweilig wie er aussieht. Aber der Don Ottavio ist ja sowieso ein Fall für sich was die schauspielerische Herausforderung betrifft.


    Die Zerlina von Miah Persson ist gesanglich ausgezeichnet wenn auch schon etwas opulent. Dazu ist sie charmant und sehr hübsch. Kein Wunder das dem Don Giovanni beinahe die Augen aus dem Kopf fallen als er sie zum ersten mal sieht.
    Robert Gleadow ist ein guter Masetto mit charakterstarkem Timbre.



    Ein gelungener Auftakt der neuen Saison für die Royal Opera mit Mozart der auch aus dem Orchestergraben und mit kleinen Einschränkungen auch vokal wie Mozart klang.
    Großer Jubel für die Protagonisten, ganz besonders für Keenlyside und DiDonato.




    Curtain Call: Sir Charles Mackerras und Simon Keenlyside


    Die erste und dritte Vorstellung wurden mitgefilmt. Die DVD dazu soll 2009 auf den Markt kommen.


    Don Gregorio

  • Lieber Gregor,


    vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Simon Keenlyside als Don Giovanni trifft so weit mir bekannt ist, nicht jedermanns Geschmack. Schon weil er ein Bariton ist. Ich hingegen mag seinen Don Giovanni in der Züricher Inszenierung sehr. Natürlich bin ich nun auf diese Inszenierung sehr gespannt.


    Das er gern hemdlose Einlagen gibt, ist ja mittlerweile hinlänglich bekannt. :D Nicht das mich das stören würde, :pfeif: dennoch ist mir seine gesangliche Leistung selbstverständlich am wichtigsten.


    Deine Schilderung der Inszenierung liest sich gut und wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat sie Dir gefallen.


    Ich werde leider warten müssen bis die DVD auf dem Markt ist. Ich bin gespannt ob ich Deine Begeisterung teilen werde.


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Maggie
    Simon Keenlyside als Don Giovanni trifft so weit mir bekannt ist, nicht jedermanns Geschmack. Schon weil er ein Bariton ist.



    Liebe Maggie,


    warum das?


    Der Giovanni ist eine originäre Bariton-Rolle, auch wenn sie oft vom Bassbariton verkörpert wird.



    LG, Elisabeth


  • Als Mozart den "Don Giovanni" komponierte, gab es den Begriff "Bariton" als Stimmfach noch gar nicht!


    Diese Bezeichnung wurde erst später eingeführt.


    Der Don Giovanni ist meines Wissens eine Baßrolle.


    LG :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Maggie
    vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Simon Keenlyside als Don Giovanni trifft so weit mir bekannt ist, nicht jedermanns Geschmack. Schon weil er ein Bariton ist. Ich hingegen mag seinen Don Giovanni in der Züricher Inszenierung sehr. Natürlich bin ich nun auf diese Inszenierung sehr gespannt.


    Deine Schilderung der Inszenierung liest sich gut und wenn ich Dich richtig verstanden habe, hat sie Dir gefallen.


    Ich weiß, daß viele einen Baßbariton in der Rolle bevorzugen, aber ich finde ein Bariton kann mir den Verführer besser vermitteln als ein Baß.
    Ja, dieser Don Giovanni hat mir sehr gut gefallen. Ehrlich gesagt, war es bis dato der beste den ich gesehen habe.




    Stimmt, wir sind es aus der Aufführungspraxis gewohnt einen Baßbariton in dieser Rolle zu hören und vielen fällt es schwer dann einen Bariton zu akzeptieren. Wie Elisabeth schon sagt, ist es aber eine Baritonpartie.


    Don Gregorio


    P.S.
    Das ist wie mit dem Manrico. Lange wurde der hauptsächlich von Spintotenören gesungen und heute greift man gerne wieder zu lyrischen Tenören. Viele regen sich auf, bedenken aber nicht, daß Verdi diese Rolle für einen lyrischen Tenor geschrieben hat.

  • Lieber Harald,


    das dürfte wohl eine Frage für unsere praktizierenden Sänger sein, und vielleicht sollten wir einen Mod später bitten, diese Diskussion in den allgemeinen Giovannithread zu verschieben.


    Die Tessitura der Rolle klingt für mich eher danach, dass sich ein Bariton dort viel wohler fühlt, unabhängig davon, ob es diesen Begriff bzw das Stimmfach zu Mozarts Zeit schon gab. Mozart schrieb ja gewöhnlich für einen bestimmten Sänger und diesem die Rolle sozusagen in die Kehle.


    Für die Bühnenpraxis entscheidend ist mW Kloiber-Kornold, Handbuch der Oper. Dort wird der Giovanni als "Kavalierbariton, auch Heldenbariton" geführt.



    LG, Elisabeth

  • Zitat

    original Harald
    Der Don Giovanni ist meines Wissens eine Baßrolle.


    Soweit ich bis eben wußte bzw annahm auch, habe aber gerade noch einmal gegoogelt und lese. "Bassbariton oder Bariton".


    Allerdings ist einer der bekanntesten Interpret dieser Rolle ein Bass, nämlich Cesare Siepi.


    Hier ein kurzer Meinungswechsel bezüglich der Besetzung dieser Rolle mit einem in Keenlysides Fall, hellem Bariton.


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Maggie
    .... Besetzung dieser Rolle mit einem in Keenlysides Fall, hellem Bariton.



    Liebe Maggie,


    ich glaube, damit haben wirs auf dem Punkt - manche Hörgewohnheiten sind von Keenlysides sehr heller Stimmfarbe irritiert.


    Ich persönlich schätze ihn sehr in dieser Rolle, seit ich die DVD aus Zürich sah, und bin nun gespannt auf die Londoner Inszenierung!


    Dank an Gregor für die detailllierte Schilderung.


    LG, Elisabeth

  • Zitat


    Original von Maggie
    Allerdings ist einer der bekanntesten Interpret dieser Rolle ein Bass, nämlich Cesare Siepi.


    Ich denke, dass es hier auf persönliche Vorlieben ankommt. Wenn auch die Rolle meist mit Bass-Bariton oder Bass besetzt wird, so gibt es doch auch berühmte Vertreter des Baritonfachs. Elisabeth schreibt ja schon, dass Mozart die Rolle für einen Bariton schrieb, der allerdings den bezeichnenden Namen Luigi Bassi hatte. Dann denke man an Francisco D'Andrade, einen berühmten Bariton-Giovanni, den Max Slevogt in seinem Bild verewigt hat. Allerdings ist Keenlyside tatsächlich von allen Giovannis, die ich bisher hörte, der hellste Bariton. Das ist wohl nicht jedermanns Geschmack. Hat man sich aber einmal darauf eingestellt, ist es eine ganz neue Erfahrung, zumal bei Keenlyside noch die enorme schauspielerische Gestaltung der Rolle hinzu kommt.


    LG


    Emotione

  • Hallo,
    ich glaube den Don Giovanni als Bariton zu besetzen macht Sinn.
    Dadurch bekommen die Bässe, Leporello, Komptur und der 2.Bariton (Masetto), die richtige Gewichtung - auch das gilt es zu beachten.
    LG rugero

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.

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  • Der Don Giovanni wird doch in den Opernführern immer als Bariton oder auch Baßbariton genannt. Aber doch niemals als Baß. Woher kommt denn dann die Unart :stumm: ihn mit Bässen zu besetzen?
    Es gibt ein paar bekannte Bässe, die den Giovanni gesungen haben. Meistens waren es aber doch Baritone. Man braucht sich nur die Diskographie ansehen.


    Gregor

  • Mein gemeinsam mit Keenlyside liebster DG ist ebenfalls Bariton, nämlich Thomas Hampson. Ich finde auch, dass dieses Stimmfach den Verführer besser kennzeichnet als ein schwarzer Bass oder Bassbariton. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht,waren eigentlich fast alle meiner Live-DGs Baritone, Ausnahme ist Ruggero Raimondi, der ein ganz wunderbarer Interpret dieser Rolle war.
    Nach Gregors Schilderung freue ich mich auch auf die DVD! :]
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Maggie
    Allerdings ist einer der bekanntesten Interpreten dieser Rolle ein Bass, nämlich Cesare Siepi.


    Liebe Maggie,


    Siepi hat zwar etliche Basspartien gesungen und, soviel ich weiß , als Sparafucile begonnen, aber seine größten Triumphe als Baßbariton errungen (Don Giovanni, Figaro...). Er war der klassische Fall einer nicht schwarzen, sondern warmkräftigen, sonoren und zugleich sinnlichen Stimme (die letztgenannte Eigenschaft hat bei "richtigen" Bässen üblicherweise nichts verloren), die zwischen den Fächern angesiedelt doch beide umfaßte.
    Man kann den Don Giovanni zwar auch mit einer hellen Baritonstimme interpretieren (klassisches Beispiel heute eben Keenlyside, früher Eberhard Wächter), aber nimmt ihm - wenigstens für mich - damit ein bißchen das Dämonisch-Nachtschwarze. Im Idealfall gehört er zwischen Komtur und Masetto, aber näher zum Komtur, dem er ja zunächst Paroli bietet.


    LG


    Waldi



  • Liebe Elisabeth! - Lieber Harald!



    Ganz richtig der Original "Don Giovanni" ist eine Baßrolle und es haben genügend Bäße auch der junge Gottlob Frick den "Don Giovanni" gesungen.


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:


  • Lieber Waldi!


    Recht hast Du, aber Eberhard Wächter hätte sich in so einer Inszenierung nicht so gezeigt, Siepi schon gar nicht.


    Diese Inszenierung und die, für den Giovanni fast nicht vorhandenen Kostüme, mögen zwar originell sein,


    aber sie sind falsch, jetzt kannn man mich wieder als Staubi schimpfen, aber hat Keenlyside nicht Angst um seine, strähnigen, Haare, beim Feuer zum Schluss.


    Hoffentlich kommt diese Inszenierung nicht nach Wien, da haben wir schon eine miese, wo sich doch Edita Gruberova weigerte, in dieser Inszenierung in Japan zu spielen, und die vorherige verlangte, und bekam.


    Liebe Grüße Peter :hello: :hello:


  • Hallo Peter,


    ich glaube die von dir erwähnten Sänger hätten sich deshalb nicht so gezeigt, weil es nicht dem damaligen Zeitgeist entsprach.


    Was die Londoner Inszenierung betrifft muß ich wohl klarstellen, daß Keenlyside ja nicht die ganze Zeit halbnackt herumlief. Erst in der großen Szene mit dem Komtur singt er mit nacktem Oberkörper in nur knielangen Hosen, und im allerletzten Moment sieht man ihn für einen kurzen Augenblick fast ganz nackt. Einige meinten er sei da völlig nackt gewesen. Aber wie auch immer, warum sollte das falsch sein? Ist Nacktheit nur Personen ab dem 20. Jahrhundert vorbehalten?


    Aber im Großen und Ganzen ist diese Inszenierung recht konventionell gewesen, allerdings mit dem ein oder anderen modernen Touch.
    Ich hätte nichts dagegen diese Inszenierung in Wien zu sehen, denn die Wiener Inszenierung ist ja recht langweilig. Aber soviel Glück werden wir wohl nicht haben.....


    Nach einigen Recherchen habe ich erfahren, daß der Don Giovanni eine Rolle für Bariton oder Baßbariton ist. Dabei wird im Bereich Bariton noch unterschieden zwischen Kavalier-, Helden- und Charakterbariton. Die Rolle ist aber eindeutig KEINE Baßpartie. Es waren ja auch meistens Baritone die diese Rolle gesungen haben.


    Gregor

  • Lieber Gregor!


    In dem gebe ich Dir Recht, die jetzige Wiener Inszenierung ist wirklich fad und mies.


    Aber ich habe in meiner Jugend schon Bässe gehört, die den Giovanni sangen,


    Siepi war zum Beispiel ein Bassbariton, der auch Tiefe gehabt hat.


    Kann mich erinnern, dass sogar Gottlob Frick, irgendwo den Giovanni gesungen hat, bitte es muss nicht stimmen, in meinen Aufzeichnungen steht nichts drin.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :hello: :hello: :hello:

  • Mir ist vollkommen egal, ob der Giovanni von einem Bariton oder Bassbariton gesungen wird, solange er seine Rolle stimmlich und als Persönlichkeit und Bühnenfigur glaubhaft vermitteln kann. Das ist dasselbe wie bei einer Carmen.
    Ob sie nun Sopran oder Mezzo ist, spielt doch keine Rolle mehr, wenn sie überzeugt-oder?


    Ruggiezro Raimondi und Cesare Siepi sind für mich phantastsiche Don Giovannis, aber auch Baritone wie Hampson oder eben Kennlyside bringen die Figur in jeder Hinsciht glaubwürdig auf die Bühne.
    Wo ist denn da das Problem? ?(


    Was Nacktheit eines Don Giovanni auf der Bühne angeht:
    Habt ihr schonmal einen notorischen Erotomanen gesehen, der immer seine Hosen anbehält?
    Ich jedenfalls nciht.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Mir ist vollkommen egal, ob der Giovanni von einem Bariton oder Bassbariton gesungen wird, solange er seine Rolle stimmlich und als Persönlichkeit und Bühnenfigur glaubhaft vermitteln kann. Das ist dasselbe wie bei einer Carmen.
    Ob sie nun Sopran oder Mezzo ist, spielt doch keine Rolle mehr, wenn sie überzeugt-oder?


    Ruggiezro Raimondi und Cesare Siepi sind für mich phantastsiche Don Giovannis, aber auch Baritone wie Hampson oder eben Kennlyside bringen die Figur in jeder Hinsciht glaubwürdig auf die Bühne.
    Wo ist denn da das Problem?
    F.Q.


    Liebe Fairy Queen,


    Du sprichst mir aus der Seele, ich bevorzuge zwar bei weitem Bässe in dieser Rolle, aber wenn's ein Bariton genauso glaubwürdig rüberbringt, soll es mir recht sein.


    Liebe Grüße aus München


    Kristin

  • Liebe Fairy,
    sehe ich genauso, Raimondi war jahrelang unangefochten mein Nr.1-Giovanni, bis ihm Hampson den Rang streitig machte. Wenn ich allerdings meine Aufzeichnungen so durchsehe, habe ich überwiegend Baritone als DG gehört.
    Und natürlich passt ein entblößter Oberkörper vorzüglich zu dieser Rolle!! Dass sich frühere Sänger nicht derart exponiert haben, lag wohl auch daran, dass sie in der Regel über keine Waschbrettbäuche wie die moderne Sängergeneration verfügt haben. Da wäre der Effekt wohl eher ein gegenteiliger gewesen..... :pfeif:
    lg Severina :hello:

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Liebe Severina, ich denke, das schon auch die grössere öffentliche "Schamhaftigkeit" unserer Vorgänger-Generationen dabei eine Rolle spielte und nicht nur die nicht vorhandenen Model-Figuren der Ex-Giovannis.... ;)


    Auch Nicht-Waschbrett-Typen können sehr erotisch sein, wenn die Gesamtausstrahlung stimmt.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Liebe Severina, ich denke, das schon auch die grössere öffentliche "Schamhaftigkeit" unserer Vorgänger-Generationen dabei eine Rolle spielte und nicht nur die nicht vorhandenen Model-Figuren der Ex-Giovannis.... ;)


    Auch Nicht-Waschbrett-Typen können sehr erotisch sein, wenn die Gesamtausstrahlung stimmt.


    F.Q.


    Liebe Fairy Queen!


    Cesare Siepi und Raimondi strahlten schon mit der Typisierung etwas aus, das einen Waschbrettbauch nicht brauchte.


    Ich habe seit 1951/52 genug Giovannis gesehen und gehört, Siepi und Raimondi waren die Spitze, aber auch Eberhard Wächter und George London waren schon in ihrer vornehmen Erscheinung, denke ich, für Damen anziehend, obwohl sie auch bis zum Schluss angezogen blieben (anders hätten sie es auch nie gemacht!)


    Mir persönlich ist ein Bassbariton lieber, als ein Bariton. Aber ein Bariton kann es auch, Eberhard Wächter war aber ein Bariton und er hat den Verführer sehr gut "rübergebracht" auch stimmlich!


    Da ich, zugegeben, ein "Staubi" bin, denke ich wie die Guberová, dass sie in der jetzigen Inszenierung, bei der Tournee, diese nicht gewollt hat, sondern in der alten Inszenierung, in Japan, gesungen hat.


    Liebe Grüße an Dich liebe Fairy Queen, mit den Handküssen, sendet Dir Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Ich glaube kaum, daß der "Waschbrettbauch" ein Privileg der heutigen Sängergeneration ist. So lange es "Don Giovanni" gibt, wird er mal von dicken und mal von dünnen Sänger interpretiert. Hier einige schlanke Sänger der Vergangenheit: Ezio Pinza, Cesare Siepi, Tito Gobbi, George London, Hermann Prey, u.v.a. Es gab allerdings eine Zeit, da kam es mehr auf die Stimme, auf die Gestaltung und auf das Charisma eines Sängers an, als auf den Bauch. ;)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    Zitat

    Es gab allerdings eine Zeit, da kam es mehr auf die Stimme, auf die Gestaltung und auf das Charisma eines Sängers an, als auf den Bauch. ;)


    Natürlich kommt es in erster Linie auf die Stimme und die Gestaltung der Rolle und ebenso auf das Charisma an. Keenlyside ist mE nach ein hervorragender Sänger und ein großartiger charismatischer Schauspieler. Das er nebenher auch noch ansehnlich ist, ist nur das Tüpfelchen auf dem "i".


    Zudem denke ich, bei einer in sich stimmigen Inszenierung ist eine freizügige Garderobe für einen Frauenverführer keine schlechte Wahl. Wie geschrieben, es muss alles zusammenpassen. Ob das bei dieser Inszenierung der Fall ist vermag ich leider noch nicht einzuschätzen, da ich wie die meisten von uns auf die DVD warten muss.


    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Ich glaube kaum, daß der "Waschbrettbauch" ein Privileg der heutigen Sängergeneration ist. So lange es "Don Giovanni" gibt, wird er mal von dicken und mal von dünnen Sänger interpretiert. Hier einige schlanke Sänger der Vergangenheit: Ezio Pinza, Cesare Siepi, Tito Gobbi, George London, Hermann Prey, u.v.a. Es gab allerdings eine Zeit, da kam es mehr auf die Stimme, auf die Gestaltung und auf das Charisma eines Sängers an, als auf den Bauch. ;)


    :hello:Herbert.


    Lieber Herbert,
    diese Zeit ist nicht vorüber, oder warum, glaubst du, gehe ich in die Oper? Wenn ich nur Waschbrettbäuche sehen wollte, würde ich die Chippendales vorziehen ;) Aber gerade die Figur des Don Giovanni ist absolut zeitlos und kann daher ohne jeden Substanzverlust im 21. Jhdt. angesiedelt werden (Mit und ohne Hemd ;) ). Die von Peter diskreditierte Inszenierung an der WSO (Die mir übrigens auch nicht gefällt) ist überhaupt nicht modern, im Gegenteil, die Kostüme sind wesentlich "altmodischer" als in der Vorgängerinszenierung. Das ist kein Regietheater, sondern einfach eine schlechte Regie.
    Die von Gregor geschilderte Londoner Aufführung sähe ich hingegen sehr gerne.
    lg Severina :hello:

  • Liebe Severina!


    Was Du über den Wiener "Don Giovanni" schreibst trifft den Nagel auf den Kopf, ein Hin- und Hergeschiebe der einzenen Personen ist noch lange kein Regie-Theater.


    Du weißt bestimmt schon, dass ich ein"Staubi" bin, aber ich gebe offen zu, wenn etwas wie im jetzigen "Giovanni" verläuft, dann muss ich der Gruberová Recht geben, wenn es ihr mißfällt, denn es mißfällt mir auch.


    Liebe Grüße und nicht für ungut, Du weißt schon. Peter :hello: :hello:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Was Nacktheit eines Don Giovanni auf der Bühne angeht:
    Habt ihr schonmal einen notorischen Erotomanen gesehen, der immer seine Hosen anbehält?


    Das ist ein Argument :yes: Ich verstehe auch nicht, warum man aus Nacktheit auf der Bühne so eine große Sache macht. Im Sprechtheater hat das auch schon längst Einzug gehalten. Wenn es passend ist und Sinn macht, kann das doch nicht stören. Nur der Provokation wegen brauche ich es auch nicht.


    Meine Bekannte aus London hat mich übrigens wissen lassen, daß sie in der letzen Vorstellung in London gesehen hat, daß Keenlyside zum Schluß tatsächlich splitterfasernackt gewesen ist. Ich selbst habe da nicht so genau hingesehen, schließlich hat er ja diese nackte Frau im Arm und verdeckt sich selbst zum Teil. Aber Frauen achten auf sowas wohl eher ;)


    Ich fand das einen gelungenen Gag. Man nimmt zwar an, daß Don Giovanni in der Hölle schmoren wird, aber in der Londoner Produktion wird damit festgehalten, daß der Spaß für ihn dort weitergeht.


    Nacktheit auf der Opernbühne ist heute gar nicht so ungewöhnlich, kommt aber in der Regel von Statisten oder Nebenfiguren und nicht von den Sängern. Es ist eher eine Neuheit, daß die Stars der Opernszene die Hüllen fallen lassen. Neben Keenlyside fällt mir derzeit nur Karita Mattila ein, die als Salome nach dem Tanz der sieben Schleier ebenfalls für einen kurzen Augenblick nackt zu sehen war.


    Gregor

  • Lieber Gregor,
    dass SK tatsächlich nackt war, wundert mich insofern, als ich defintiv weiß, dass er sich beim Züricher Faust geweigert hat, alle Hüllen fallen zu lassen, und Regisseur Hermann Nitsch sich etwas anderes einfallen lassen musste. Gut, in dieser Szene wäre er auch wirklich frontal zum Publikum gestanden, also ohne "kaschierende" Schöne. Und natürlich macht ein nackter Giovanni dramaturgisch mehr Sinn als ein nackter Faust, und speziell Keenlyside ist ein Singschauspieler, der sich sicher nichts einreden lässt, von dem er nicht überzeugt ist. Im Übrigen verstehe ich ebenso wenig wie du die künstliche Aufregung über Nacktheit auf der Bühne, sofern sie Teil einer überzeugenden Dramaturgie und nicht bloß vordergründige Effekthascherei ist. Da ist es dann Sache der Künstler, schlicht und einfach Nein zu sagen.
    lg Severina :hello:

  • Hallo severina,
    meine Bekannte sagte so etwas wie 'He was baring all and was proud of it' ;) Wie gesagt, war er ja durch die nackte Frau in seinen Armen teilweise verdeckt und sie ist sozusagen im Vordergrund, aber ich erinnere mich auch, daß man seine nackten Schenkel gesehen hat. Also war die knielange Hose, die er noch zuvor anhatte, weg. Ich war der Meinung er hätte noch ein wenig Stoff um die Hüften gehabt, aber Augenzeugen und auch eine Zeitungskritik berichteten, daß er tatsächlich nichts anhatte. Dies war von den Seitenlogen offensichtlich besser zu sehen als vom Parkett aus.


    Er hätte also auch beim Züricher Faust nackt auftreten sollen? Vielleicht schien Keenlyside das nicht sinnvoll und nachvollziehbar. Aber Nitsch hätte sicher eine frontale Nacktheit gewollt und wahrscheinlich hätte er sich auch noch mit Blut beschmieren lassen müssen. Ich weiß, daß Keenlyside Probleme mit der Inszenierung hatte. Er sagte, daß die Arbeit nicht einfach für ihn war.


    Wahrscheinlich verhält es sich bei Keenlyside genauso wie wir beide denken. Nackt sein ok, aber nur dann wenn es Sinn macht. Beim Don Giovanni hat es für mich gepaßt und es war ein Supergag zum Schluß. Das Publikum konnte sich das Lachen nicht verkneifen.


    Gregor


  • Hallo Gregor,
    es wäre im Anschluss an die Szene gewesen, wo Keenlyside ein Schwein ausweidet (Ich habe es in meiner Kritik genau beschrieben). Fausts Kleidung (das typische T-förmige Nitschhemd) ist anschließend blutdurchtränkt, er wird von einigen Mädchen ausgezogen und mit Schwämmen abgewaschen (Und es geht dabei nicht nur um die Reinigung....), und dabei hätte er am Ende völlig nackt auf ein Kreuz geschnallt werden sollen, das anschließend emporgezogen wurde. Da nun bestand Keenlyside auf der Unterhose. (Da sie aber durch den Waschvorgang ziemlich nass war, war der Unterschied nicht allzu groß :stumm: :pfeif: )
    lg Severina :hello:

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