Komische Oper Berlin wieder zum Opernhaus des Jahres gewählt (!!??!!)

  • Und wieviel Prozent des Opernpublikums haben überhaupt die nötigen Kenntnisse, die Leistung eines Regisseurs bzw. die ästhetischen Qualitäten einer Inszenierung wirklich fach- und sachkundig beurteilen zu könen? Auch wohl die wenigsten. Trotzdem gebärden sie sich selber als die einzig Ernst zu nehmenden Autoritäten auf diesem Gebiet.


    Demzufolge sind also die meisten von uns, wie ich hier so zwischen den Zeilen heraus lese, alle ein bischen doof, um es gleich mal ganz drastisch zu formulieren. Bis auf einen natürlich...
    Allerdings, was mich und meinen Geschmack und meine Ansichten betrifft, da bin und bleibe ich gerne ein "bischen doof und positiv bekloppt", oder wie der Wiener so schön sagt "a bisser´l deppert"!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Tastenwolf, lieber Caruso,


    hier sehe ich aber doch einen fundamentalen Unterschied zu dem, was hier- auch in meinem Sinne - entstellendes Regietheater genannt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die von euch hier angeführten Mängel dem Publikum vorsätzlich zugemutet werden. ........
    Dem Werk und dem Publikum allerdings eine absurde Sichtweise aufzudrücken wird ja wohl kaum auf Fahrlässigkeit oder Unabsichtlichkeit zurückzuführen sein.

    Liebe Madame Cortese, schön dass wir mal wieder ins Gespräch kommen!
    Dein Argument ist auf den ersten Blick natürlich nicht von der Hand zu weisen. Andererseits sehe ich schon einige Einwände dagegen.
    Zunächst: ich halte es für schwierig, einfach pauschal zu unterstellen, dass jede Inszenierung, die sich nicht streng an die Anweisungen des Librettos und an die Konventionen hält, vorsätzlich entstellt! Darüber wird ja nun in jedem zweiten Thread gestritten. Ich habe mir vorgenommen, mich da nicht mehr einzuschalten. Trotzdem finde ich es ungeheuerlich, Künstlern, die ein Werk neu sehen und deuten wollen, vorzuwerfen, ihnen ginge es allein um Entstellung und Zerstörung. Was haben nicht ein Wieland Wagner, ein Patrice Cherau oder ein Stefan Herheim unsere Begegnung mit Wagner bereichert!!!


    Ein anderer Einwand ist mir aber auch wichtig: wenn ein Sänger nicht mehr in der Lage ist, die in der Partitur festgeschriebenen Noten ordentlich zu singen und trotzdem - aus welchen Gründen auch immer - ein Engagement annimmt, dann ist das doch nichts anderes als eine vorsätzliche Beschädigung des Kunstwerkes!


    Als sich Elisabeth Grümmer von der Bühne zurück zog und alle jammerten, weil sie ja noch in vorzüglicher stimmlicher Verfassung war, sagte sie zwei bedenkenswerte Sätze:


    "Mir ist lieber, die Leute sagen: <warum singt denn die Grümmer nicht mehr?>, als wenn sie sagen: <Die Grümmer singt ja immer noch>!" und


    "Ich würde mich schämen, wenn ich den Anforderungen der Partien nicht wirklich gerecht werden könnte!"


    So ganz abwegig ist also unser Argument, gegen das Du Einwände erhebst, vielleicht doch nicht?


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat


    Zitat von »Dr. Holger Kaletha«



    Und wieviel Prozent des Opernpublikums haben überhaupt die nötigen Kenntnisse, die Leistung eines Regisseurs bzw. die ästhetischen Qualitäten einer Inszenierung wirklich fach- und sachkundig beurteilen zu könen? Auch wohl die wenigsten. Trotzdem gebärden sie sich selber als die einzig Ernst zu nehmenden Autoritäten auf diesem Gebiet.

    Hallo, Holger!


    Ich möchte nur noch kurz erwähnen, daß hier in der Opposition auch ehemalige Sänger sind und Leute mit vielen Jahren Bühnenerfahrung. Also nicht nur dummschwätzende Laien!






    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Demzufolge sind also die meisten von uns, wie ich hier so zwischen den Zeilen heraus lese, alle ein bischen doof, um es gleich mal ganz drastisch zu formulieren. Bis auf einen natürlich...
    Allerdings, was mich und meinen Geschmack und meine Ansichten betrifft, da bin und bleibe ich gerne ein "bischen doof und positiv bekloppt", oder wie der Wiener so schön sagt "a bisser´l deppert"!

    Ich möchte nur noch kurz erwähnen, daß hier in der Opposition auch ehemalige Sänger sind und Leute mit vielen Jahren Bühnenerfahrung. Also nicht nur dummschwätzende Laien!

    Ich unterstelle Niemandem etwas - das ist auch nicht meine Art. Ich halte mich einzig und allein an das, was hier geäußert wird und wie es geäußert wird. Vieles von dem wirkt auf einen Leser wie mich schlicht polemisch, unsachlich, pauschalisierend, viel zu oft ziemlich klischeehaft und zeugt von mangelnder Bereitschaft, sich mit den zugegebener Maßen nicht ganz einfachen ästhetischen Fragen, die eine Inszenierung betreffen, gründlich oder zumindest in Ansätzen auseinanderzusetzen. Wer sich da beschweren will, der soll bitte einmal darüber nachdenken, vielleicht einen anderen - klägeren, vernünftigeren, verbindlicheren, differenzierteren - Stil zu wählen statt immer nur immer wieder polemisch und affektiert eine totale Verweigerungshaltung kundzutun. Wenn man sich in einem Forum befindet, dann sollte man wohl wissen, daß Äußerungen, so wie sie gemacht werden, eine bestimmte Wirkung haben und sie entsprechend auch so wählen, daß der Andere richtig ins Bild gesetzt wird über einen selbst und was man denkt.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hier wird einfach verwechselt, daß die schlichte Wahrnehmung und die ästhetische Beurteilung des Sinnes zwei völlig verschiedene Dinge sind.

    Ja, Holger, da hast Du Recht!
    Aber diese Unterscheidung nachzuvollziehen, bedarf es schon einer gewissen Auseinandersetzung mit Kunsttheorie und Ästhetik!
    Die von jedem Opernbesucher zu verlangen ist genau so unsinnig wie die Forderung, jeder Opernbesucher müsse Partituren lesen können.
    Das Publikum wird immer eine Sammlung von Menschen sein, die sehr unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen, Ansprüche und Kriterien haben und das Erlebte auf durchaus unterschiedlichen Ebenen aufnehmen, reflektieren und beurteilen.


    Es wäre unbillig, hier im Forum zu erwarten, dass alle die gleiche Art und die gleiche Qualität von Expertise besitzen.
    Worauf es ankäme, wäre vielmehr, dass alle Teilnehmer eines so breiten Forums Argumente von anderen gegenüber offen bleiben und auch versuchen, zu verstehen, was da gesagt wird.
    Ich fände es gut, wenn wir eine gemeinsame Lernkultur entfalten könnten, von der alle profitieren!

    Demzufolge sind also die meisten von uns, wie ich hier so zwischen den Zeilen heraus lese, alle ein bischen doof, um es gleich mal ganz drastisch zu formulieren. Bis auf einen natürlich...

    Ja, Chrissy, solche Reaktionen sind verständlich aber die hast Du nun wirklich nicht nötig!
    Holger und Tastenwolf haben doch sehr sachlich über Perzeptionsprobleme und Fragen der künstlerischen Ästhetik geschrieben!
    Da kann man sich doch drauf einlassen ohne gleich bockig zu werden! Oder nicht?
    Niemnand hier im Forum ist allwissend! Aber jede und jeder kann aus einer spezifischen Perspektive etwas beitragen, was auch für andere bedenkenswert ist!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ja, Holger, da hast Du Recht!
    Aber diese Unterscheidung nachzuvollziehen, bedarf es schon einer gewissen Auseinandersetzung mit Kunsttheorie und Ästhetik!
    Die von jedem Opernbesucher zu verlangen ist genau so unsinnig wie die Forderung, jeder Opernbesucher müsse Partituren lesen können.
    Das Publikum wird immer eine Sammlung von Menschen sein, die sehr unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen, Ansprüche und Kriterien haben und das Erlebte auf durchaus unterschiedlichen Ebenen aufnehmen, reflektieren und beurteilen.


    Lieber Caruso,


    was ich da vermisse, ist ein bisschen "Querdenken", die verschiedenen Erfahrungen, die wir alle mitbringen, miteinander zu vernetzen. Ich habe nicht zufällig das Beispiel des Expressionismus gebracht, der mal für die NS-Diktatur ein Paradebeispiel für entartete Kunst war. Das hat doch jeder im Hinterkopf und wird heute wohl kaum einen Picasso mit seinen doppelten verdrehten Gesichtern oder Ernst Ludwig Kirchner mit seinen holzschnittartigen Gesichtszügen so betrachten. Wir haben also längst alle gelernt, solche Verzerrungen zu deuten. Warum soll es also nicht möglich sein, auch in der Oper auf dieselbe Weise mit diesen Dingen umzugehen? Dafür brauche ich doch kein Fachwissen über Ästhetik, sondern nur meine Erfahrungen mit diversen Erfahrungen der Kunst richtig zu nutzen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Wenn man sich in einem Forum befindet, dann sollte man wohl wissen, daß Äußerungen, so wie sie gemacht werden, eine bestimmte Wirkung haben und sie entsprechend auch so wählen, daß der Andere richtig ins Bild gesetzt wird über einen selbst und was man denkt.


    Vollkommen richtig! Dies erwarte ich aber auch von der Gegenseite!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Weil die kritische Vernunft sagt, dass eine Oper von Mozart keine moderne Kunst des 20. Jahrhunderts ist.
    z.B.


    Meine kritische Vernunft sagt, daß ich z.B. eine Mozart-Klaviersonate nicht als mir "fremder" empfinde als eine von Prokofieff. Die Aussage, das sei keine Musik des 20. Jhd., macht für mich demnach wenig Sinn - sie spielt für meine "Liebe" zu dieser Musik einfach gar keine Rolle. Ein Stück Instrumentalmusik wird gespielt, weil es offenbar eine gewisse Zeitlosigkeit hat, was seine emotionale Ausdrucksqualität angeht. Bei der Oper soll das nun auf einmal ganz anders sein? Hier haben wir eine Opernstoff, ein Sujet, dessen Wahl sehr zeitbedingt ist. Warum darf eine Inszenierung nicht dasselbe schaffen wie ein Pianist - Mozart so zu interpretieren, daß jegliche Zeitdistanz verschwindet und ich mich damit voll und ganz identifiziere? Bei der Oper soll der Stoff historisch bleiben wie er ist. Wieso eigentlich? Das ist erst einmal wenig einleuchtend und zumindest sehr erklärungsbedürftig.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Weil die kritische Vernunft sagt, dass eine Oper von Mozart keine moderne Kunst des 20. Jahrhunderts ist.
    z.B.

    Die Oper nicht, aber die Inszenierung der Oper heute in der Jetztzeit sehr wohl. Wir fordern doch von den Museen auch nicht die Mona Lisa im Kerzenschein im Barocksaal zu präsentieren, sondern akzeptieren ein supermodernes Museum mit LEDs als Ausstellungsort.

  • Die Oper nicht, aber die Inszenierung der Oper heute in der Jetztzeit sehr wohl. Wir fordern doch von den Museen auch nicht die Mona Lisa im Kerzenschein im Barocksaal zu präsentieren, sondern akzeptieren ein supermodernes Museum mit LEDs als Ausstellungsort.


    Ja und? Gegen futuristische Theaterbauten habe ich auch nichts - sie müssen mir nicht gefallen. Entscheidend ist das, was ich auf der Bühne zu sehen bekomme. Und da nützt mir auch kein klassizistischer Musentempel, wenn sich Bieito und Konsorten darin austoben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Liebe Strano
    sorry, ich habe mich mißverständlich ausgedruckt, das Analogbeispiel war schlecht gewählt. Lassen wir es einfach so stehen:


    Die Oper des Mozart ist keine (moderne) Kunst des 20. Jahrhunderts, aber die Inszenierung dieser Oper heute in der Jetztzeit sehr wohl. Mal abgesehen davon, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert leben und dass das auch nur meine persönliche Meinung ist.


  • Meine kritische Vernunft sagt, daß ich z.B. eine Mozart-Klaviersonate nicht als mir "fremder" empfinde als eine von Prokofieff. Die Aussage, das sei keine Musik des 20. Jhd., macht für mich demnach wenig Sinn - sie spielt für meine "Liebe" zu dieser Musik einfach gar keine Rolle. Ein Stück Instrumentalmusik wird gespielt, weil es offenbar eine gewisse Zeitlosigkeit hat, was seine emotionale Ausdrucksqualität angeht. Bei der Oper soll das nun auf einmal ganz anders sein?


    Nein, da ist nichts anders, eine Mozart-Sonate ist auch kein expressionistisches Musikstück aus der Zeitgenossenschaft Kirchners und Picassos.

  • Lieber Kurzstückmeister,


    wenn ich das Forum aufmache, steht unter Deinem Avatar, Du würdest hier als Moderator wirken! Wenn Du Moderator bist, hast Du eine Veranstwortung für den im Forum geführten Diskussionsprozess!


    Deshalb lass doch bitte endlich mal die flappsigen kurzen Einwürfe, die oft rätselhaft, meist aber provozierend aggressiv sind! Die sind absolut kontraproduktiv!


    Wenn Du keine Zeit hast, Beiträge zu schreiben, die einen Gedanken auch mal richtig ausführen, dann ist es auch akzeptabel, dass Du einfach ganz darauf verzichtest, etwas zu schreiben! Ich bin es leid, ständig von einem Moderator etwas lesen zu müssen, was der Auseinandersetzung mit den diskutierten Fragen alles andere als förderlich ist!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Die Oper nicht, aber die Inszenierung der Oper heute in der Jetztzeit sehr wohl. Wir fordern doch von den Museen auch nicht die Mona Lisa im Kerzenschein im Barocksaal zu präsentieren, sondern akzeptieren ein supermodernes Museum mit LEDs als Ausstellungsort.

    Das mit der Beleuchtung im Museum ist durchaus ein Punkt, über den man diskutieren kann. Tageslicht wird heute eher vermieden, da man befürchtet, dass das der Haltbarkeit der Bilder abträglich ist.
    Vorbildlich ist für mich das Wallraff Museum in Köln:

    Zitat

    Lichtdecken schaffen ein gleichmässiges Oberlicht, das an Tageslicht erinnert.

    Es ist dabei ja auch zu bedenken, dass die Bilder an farblicher Leuchtkraft im Laufe der Jahrhunderte eingebüßt haben. Um zur Musik zurückzufinden, müsste man das mit den Problemen bei Verwendung eines historischen Flügels bei Mozart-Sonaten vergleichen. Oder mit dem Verbot von Feuer auf der Bühne (Drottningholm verfügt über künstliche Beleuchtungsmittel, die Kerzenschein sehr gut imitieren).

  • Deshalb lass doch bitte endlich mal die flappsigen kurzen Einwürfe, die oft rätselhaft, meist aber provozierend aggressiv sind! Die sind absolut kontraproduktiv!


    Finde ich gar nicht. Die Einwürfe KSMs sind alles andere als rätselhaft, sondern klar und deutlich - was mir schon mal sehr sympathisch ist.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • BEGINN OFF TOPIC

    Zitat

    Zitat von »kurzstueckmeister«
    Weil die kritische Vernunft sagt, dass eine Oper von Mozart keine moderne Kunst des 20. Jahrhunderts ist.


    die Komposition nicht, aber die Interpretation sehr wohl... wie trennt man das?


    ich halte es für einen der seltsamsten Irrtümer der HIP Bewegung, auch nur den Eindruck zu erwecken, dass historisch informiertes Spiel mit all seinen Erkenntnissen irgendetwas mit echten Gefühlen dieser Zeit zu tun hat.
    Interpreten drücken in der Musik immer nur ihre eigenen Gefühle aus... mit den Mitteln der Komposition.


    die Musik Mozarts - mit allen Verzerrungen moderner Interpretationen - {und hier meine ich ausschliesslich musikalische Verzerrungen. (also z.B. auch die dynamischen oder tempomässigen Vorstellungen von Karl Böhm...)} ist insofern Musik unserer Zeit


    ich habe erfolglos versucht, im Mozartforum das Problem der musikalischen Sichtweisen bei Mozart anzusprechen


    die HIP Bewegung hat kein Patent auf Authentizität, sie ist in einiger Hinsicht näher am Original dran. Aber auch diese Musiker sind Menschen unserer Zeit...
    und umgekehrt ist keine Aufführung mit modernen Instrumenten automatisch Werkuntreu...


    Prüfet und das Gute behaltet... ein schöner biblischer Spruch... andere nennen das selektive Wahrnehmung
    OFF TOPIC ENDE

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Also eine Aufführung einer Mozartsonate als "Musik unserer Zeit" zu bezeichnen, kommt mir zumindest etwas schräg vor.
    Man könnte so auch argumentieren, dass die Mona Lisa, so, wie wir sie heute sehen, ein Bild unserer Zeit sei. Vor ein paar hundert Jahren haben nämlich die Farben noch anders ausgeschaut. Und außerdem sind wir heutigen Menschen es, die das Bild heute betrachten, also ist es heutige Kunst.
    Ist doch total logisch, oder?

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Holla! Ihr Streiter in Apoll!
    Ihr kennt ja die Worte des La Roche alle.
    Daran will ich nicht anknüpfen, auch wenn da
    einige erhellende Bezüge zu unserem Thema bestehen. Ich leihe mir nur
    seine Eröffnung und seine Intention, die Bedeutung der Ausführenden ins
    Bewusstsein zu bringen!


    In der Kunsttheorie hat man gelernt, zwischen Architektur, Bildender Kunst
    und Malerei auf der einen Seite und Musik auf der anderen Seite zu
    unterscheiden. Diese Unterscheidung ist nötig, weil die einen vom
    schaffenden Künstler fertiggestellt werden, jedes musikalische
    Kunstwerk hingegen prinzipiell nicht abgeschlossen werden kann. Seine
    Vollendung liegt immer in den Händen seiner Interpreten und in
    den Köpfen und Herzen seines Publikums und: sie geschah und sie geschieht in
    jeder Zeit neu. Damit wird die Geschichte des Publikums mit musikalischen
    Kunstwerken nie zu Eindeutigkeiten und Gewissheiten kommen können, nie
    abgeschlossen sein, weil die Werke selbst nicht vollendet sind – immer
    auch über sich selbst hinausweisen!



    Wenn wir uns mit einem musikalischen Kunstwerk wirklich intensiv beschäftigen , also Text und
    Partitur studieren, Einführungen und Analysen lesen, Aufführungen hören
    und so weiter und so fort, werden wir doch nie alles über die Absichten
    und Vorstellungen des Komponisten sowie über das Werk selbst erfahren
    können. Die ganze Tiefe dessen, was in den Noten und hinter den Noten steht, welche "message"
    ihnen eingeschrieben ist, enthüllt sich offenkundig immer nur in Teilen.
    Die Frage nach dem Wesen, Charakter und Sinngehalt einer Komposition greift
    deshalb einfach zu kurz, wenn sie nicht darauf rechnet, dass in der
    Komposition ein offenes Sinnpotential enthalten ist, von dem sich erst in der Aufführung der
    Partitur durch die Musiker und im Hören jedes einzelnen Zuhörers etwas offenbart.


    Das genau ist der Zusammenhang, auf den Tastenwolf und Holger Kaletha rekurieren!
    Eine Debatte über Aufführungen musikalischer Kunstwerke, die das nicht in
    betracht zieht, erscheint mir schlicht unsinnig. Wie Mozart seine
    Es-Dur-Sinfonie verstanden hat und aufgeführt hören wollte, wissen wir
    nicht. Aber wir wissen, dass er sich in seinen wildesten Träumen nicht
    hätte vorstellen können, dass die von ihm notierte Sinfonie mal so
    klingt, wie sie heute das Chicago Symphony spielt oder die Deutsche
    Kammerphilharmonie Bremen! Und: Richard Wagner hat sich ja viel und
    detailliert darüber geäussert, was er von Aufführungen seiner Werke
    erwartete, aber zugleich wissen wir, dass er mit dem, was zu seiner Zeit
    auf die Bühnen kam, absolut nicht einverstanden war. Es gehört nicht
    viel Phantasie dazu, sich klar zu machen, dass er mit der Bayreuther
    Aufführungspraxis in der Cosima-Aera noch weniger einverstanden gewesen
    wäre. Niemand kann sagen ob er den Tannhäuser von Götz Friedrich und den
    Mannheimer Ring von Achim Freyer akzeptiert hätte!
    ABER
    eines wissen wir ganz sicher: Er hat immer um das Problem gewusst, dass
    sein Wille und sein Werk in den Händen von Ausführenden lag und dass
    erst die Interpretation dieser Ausführenden sein Werk vollenden!



    Natürlich gibt es eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit! Gerade bei Kunstwerken. Wir
    wüssten zu gerne, wie es gemeint ist und wie es aufgeführt werden soll!
    Und dabei werden diese Kunstwerke auch zur Projektionsfläche eigener
    Wünsche Gefühle, Sehnsüchte und Hoffnungen. Dagegen ist überhaupt nichts
    zu sagen.
    Wenn wir allerdings die Komponisten und ihre Werke ernst
    nehmen, dürfen wir uns nicht in eine Dogmatik angeblicher Authentizität
    flüchten. Wir müssen lernen, damit zu leben, dass die musikalischen
    Kunstwerke der Interpreten bedürfen und wir sind gut beraten, uns
    Interpreten zu wünschen, die sich nicht der Illusion hingeben, sie
    hätten einfach nur zu vollziehen, was die Komponisten wollten.
    Das wäre der Tod aller Kunst!


    Caruso41
    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Die Frage nach dem Wesen, Charakter und Sinngehalt einer Komposition greift deshalb einfach zu kurz, wenn sie nicht darauf rechnet, dass in der Komposition ein offenes Sinnpotential enthalten ist, von dem sich erst in der Aufführung der Partitur durch die Musiker und im Hören jedes einzelnen Zuhörers etwas offenbart.

    Tut mir leid, aber da kann ich Dir nicht folgen. Du meinst also, dass eine Komposition in ihrer Erscheinungsform als Notentext von ihrem Sinnpotential nichts verrät? Jetzt kränkst Du aber alle, die des Notenlesens tüchtig sind.
    :no:
    Das Sinnpotential ist jedenfalls auch ohne Ausführende vorhanden.

    Zitat

    Niemand kann sagen ob [Wagner] den Tannhäuser von Götz Friedrich und den Mannheimer Ring von Achim Freyer akzeptiert hätte!

    Doch, das kann wohl jeder sagen, der eine grobe Vorstellung davon hat, was zu Wagners Zeiten auf den Bühnen so stattfand.

    Zitat

    Natürlich gibt es eine Sehnsucht nach Eindeutigkeit! Gerade bei Kunstwerken. Wir wüssten zu gerne, wie es gemeint ist und wie es aufgeführt werden soll!

    Die Eindeutigkeit gibt es natürlich nicht, aber einen Rahmen, der durch die Aufführungspraxis der Entstehungszeit und (darauf bezugnehmend) Anmerkungen der Schöpfer definiert ist.
    :hello:

  • Lieber Kurzstückmeister,
    danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, mal in etwas ausführlicher Form Deine Einwände zu formulieren!
    Deshalb antworte ich auch noch schnell, obwohl ich eigentlich keine Zeit mehr habe!

    Doch, das kann wohl jeder sagen, der eine grobe Vorstellung davon hat, was zu Wagners Zeiten auf den Bühnen so stattfand.

    ...und was Wagner "unerträglich" fand


    Tut mir leid, aber da kann ich Dir nicht folgen. Du meinst also, dass eine Komposition in ihrer Erscheinungsform als Notentext von ihrem Sinnpotential nichts verrät? Jetzt kränkst Du aber alle, die des Notenlesens tüchtig sind.


    Vor dem Satz, den Du zitierst, habe ich gesagt:


    Die ganze Tiefe dessen, was in den Noten und hinter den Noten steht, welche "message"
    ihnen eingeschrieben ist, enthüllt sich offenkundig immer nur in Teilen.


    Ein grosser Teil wird sich vielleicht schon dem kundigen und geübten Leser der Partitur enthüllen.
    Aber Musik ist auf das Erklingen angewiesen! Und dafür sind Ausführende vonnöten!
    Sicher wirst Du zugestehen, dass jeder Ausführende die Partitur anders verstehen und deuten wird. Und kannst Du ihm verweigern, auch seine Individualität als Künstler einzubringen, wenn er dann die Partitur in Klang übersetzt?
    Das aber ist nun mal essentiell für alle komponierte Musik. Erst im Erklingen ist vollendet, was mit dem Niederschreiben der Noten begann! Deshalb habe ich von einem offenen Sinnpotential geredet! Die Aufführung ist Teil des Kunstwerkes selber! Und ein Teil dessen, was der Hörer als Wesen und Sinn des Kunstwerkes erfährt, verdankt sich der Kunst des Interpreten!
    Ich hoffe, dass Du nun mein Argument verstehst. Ob Du es teilen magst, ist eine andere Sache!


    Was mit alle dem die Wahl der Komischen Oper Berlin zum Opernhaus des Jahres zu tun hat, lasse ich mal dahingestellt sein. Aber debatten gehen halt oft eigene Wege!


    Ich gehe jetzt nach Berlin und freue mich auf eine Reihe von interessanten Abenden in Opernhäusern und Konzertsälen der Stadt!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Erst einmal möchte ich doch Dir, Caruso für Deinen wunderbaren Beitrag danken!!!! :hello:

    Tut mir leid, aber da kann ich Dir nicht folgen. Du meinst also, dass eine Komposition in ihrer Erscheinungsform als Notentext von ihrem Sinnpotential nichts verrät? Jetzt kränkst Du aber alle, die des Notenlesens tüchtig sind.

    "Ein Werk wird von denen vollständig gemacht, die es betrachten oder lesen und es durch ihren Beifall oder sogar durch ihr Verwerfen bedauern lassen."


    (Marcel Duchamp)


    Was Caruso sehr schön zum Ausdruck bringen wollte ist, daß die Rezeption, Interpretation eines Werks ein sinnschöpferischer Prozeß und das Werk darauf angewiesen ist, weil es ohne das ein Unfertiges und Unabgeschlossenes bleibt. Das Werk ist nicht identisch mit dem, was in der Partitur steht. Denn dann müßte man behaupten, daß man alles notieren kann, so wie man es spielen, fühlen oder empfinden kann. Nein, die Noten sind eine Art Gerüst oder Skelett, um das man einen lebenden Körper erst bauen muß.


    Das Sinnpotential ist jedenfalls auch ohne Ausführende vorhanden.

    Ich kann auch sagen: In jedem Menschen steckt ein Genie. Doch solange sich dieses Genie nicht irgendwie zeigt (Caruso sagte: offenbart), bleibt das eine völlig nutzlose Spekulation. Was in einem Werk wirklich an Sinnpotential steckt, enthüllen erst die verschiedenen Interpretationen. Wenn es alle immer auf dieselbe Weise einfach reproduzieren würden wie Klonschaf Dolly, bekämen wir keinerlei Ahnung von einem verborgenen Sinnpotential.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger, lieber Caruso
    Ich lese eure Ausführungen in der Regel mit Gewinn, stelle aber in der laufenden Diskussion einige (vermeintlich?) argumentative Schwächen fest, die es mir schwer machen, das Geschriebene nachzuvollziehen, geschweige denn zu verstehen.


    Wie Mozart seine Es-Dur-Sinfonie verstanden hat und aufgeführt hören wollte, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass er sich in seinen wildesten Träumen nicht hätte vorstellen können, dass die von ihm notierte Sinfonie mal so klingt, wie sie heute das Chicago Symphony spielt oder die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen!

    Ich gehe davon aus, dass Mozart jedoch - unabhängig des Inhalts seiner wildesten Träume - erkennen würde, dass es sich um die Interpretation einer seiner Kompositionen handelt. Und äußere zudem die spekulative Vermutung, dass es dazu keiner übermäßigen Überlegung seinerseits bedürfte. Angenommen aber, er sähe eine Cosi-Inszenierung (tonlos), etwa die im Thread zu den absurden Inszenierungsideen gestern angesprochene, würde er dann ebenfalls seine Oper erkennen?
    Andererseits, vielleicht interessierte ihn die Inszenierung auch garnicht, solange seine Musik erkennbar bleibt. Wie aber steht es dann um da Ponte? Darf er sein Werk nicht erkennen oder gilt prima la musica e poi le parole?


    Ich kann auch sagen: In jedem Menschen steckt ein Genie. Doch solange sich dieses Genie nicht irgendwie zeigt (Caruso sagte: offenbart), bleibt das eine völlig nutzlose Spekulation.

    Also mit dieser Entgegnung scheint mir nun wahrhaft kein Stich zu machen. Ich glaube mich zu erinnern, dass so mancher Kritiker anhand des Notentextes die Genialität einer Komposition erkannt hat, ohne diese erst aufgeführt gehört zu haben.

    "Geduld und Gelassenheit des Gemüts tragen mehr zur Heilung unserer Krankheiten bei, als alle Kunst der Medizin." (W.A. Mozart)