Lebende Legenden - einst und jetzt

  • Es mag sein, daß dies mit meinem Alter zusammenhängt - aber irgendwie sind all diese Namen - Brendel vielleicht ausgenommen - doch jene von "Künstlern unserer Zeit".
    Eine lebende Legende war beispielsweise (zu seiner Zeit) Paganini , ditto Caruso, die Callas, Karajan. Hier verschmolzen schon zu Lebzeiten die Reaslfiguren mit ihrem "überhöhten Ich", welches natürlich mit der Person an sich nur wenig zu tun hatte. Die genannten Personen- auch Badura Skoda- sind allenfalls "Grenzfälle"
    Brendel entspricht noch am ehesten der "lebenden Legende" - ein Pianist, welcher "als bester Mozartinterpret" gehandelt wird, und als "schwierig" beschrieben wird - allerdings nur implizit. Brendels Bücher jedoch - soweit ich sie kenne - sprechen hier eine andere Sprache. Hohe analytisch orientierte Intelligenz, gepaart mit feinem, trockenen Humor...


    mit freundlichen Grüßen
    aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zu den lebenden Legenden würde ich noch Agnes Baltsa und Christa Ludwig zählen und bei den Dirigenten Nello Santi bzw. James Levine.

  • So wie heutzutage jedes Grillfest zum Event hochstilisiert wird, ist es auch mit so genannten „Kultfilmen“ und ähnlichen Dingen; es besteht grundsätzlich die Gefahr, dass das inflationär gehandhabt wird.
    Zu Beginn dieses Threads hätte man zwingend Dietrich Fischer-Dieskau nennen müssen, denn dieser setzte tatsächlich Maßstäbe in seinem Genre, und auch in fünfzig Jahren wird man sich nicht über Liedinterpretationen unterhalten können ohne seinen Namen zu nennen.
    Dass es neben ihm in der gleichen Zeit noch einige ganz hervorragende Sängerinnen und Sänger gab – das ist ein ganz anderes Thema …

  • Eine sehr sinnvolle Bemerkung!


    Mit sind einige Namen auch zu beliebig. Weder die Albanese noch die Baltsa würde ich legendären Status zubilligen. Christa Ludwig unbedingt. Sie hat in Lied, Oratorium und Oper Maßstäbe gesetzt, die bisher niemand hat übertreffen können. Eine Stilistikerin ist sie von hohen Gnaden. Mit scheint, Mahler und Brahms hätten erst in ihr eine Stimme gefunden. So und nicht anders! Legendär ist die Einmaligkeit, die Unersetzlichkeit. Ich kenne keine Sängerin, die man als Nachfolgerin der Ludwig würde bezeichnen dürfen.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Ja CHRISTA LUDWIG ist eine Legende wird im März 85 Jahre alt!
    Ich hab sie besucht in Wien vor einem Monat und sie war wie immer wunderbar!
    :hello:

    mucaxel

  • Es ist 11 Jahre gher, seit dieser Thread "pausiert"

    In der Zwischenzeit hat sich viel geändert.

    Kaum eine der "Lebenden Legenden" wird mehr diesem Namen gerecht - die meist von ihnen sind inzwischen verstorben. Von den einst in diesem Thread tätigen Mitgliedern ist allenfalls noch ein Viertel im Forum Mitglied.

    Und ich würde jetzt den Inhalt des Threads gern umfunktionieren und die Frage erörtern, wie es denn um die HEUTIGEN Interpreten steht.

    Die Idee zu diesem Thread kam, mir, als ich am Thread

    Next Generation Mozart Soloists - Ein Projekt des Labels "alpha" und "Stiftung "Orpheum"

    arbeitete. Die Leistungen der jungen Solisten sind beeindruckend.

    Die Einschaltquote ist es indes (bisher ?) nicht

    Und da habe ich mich gefragt wie der Stellenwert dieser "next Generation" überhaupt ist - zumindest im Forum und bei den Internet-Nutzern

    Denn die Konzertbesucher - insbesondere jene, die Wettbewerbe besuchen - das ist eine andere Welt.

    Karajan,Bernstein, Callas, Caruso, Wunderlich, Pavarotti, Brendel, Horowitz, Heifetz, das waren Stars, die Aufsehen erregten, die "gottähnlich" angebetet wurden (DIVA, bei Sängerinnen bedeutet ja "Göttin") Und ich frage mich, ob der kommenden Generation solch ein Ruhm zuteil wird - oder ob diese (teilweise kritiklose) Star-Verehrung nicht doch schon überholt ist.

    Im Forum ehrt man vorzugsweise verstorbene "Legenden", gelegentlich lobt, selten bewundert man lebende Interpreten, aber im allgemeinen geniessen sie kein "öffentliches Interesse., wie beispiels weis heute noch Caruso oder Adelina Patt, die sogar in "Bildnis des Dorian GRay" von Oscar Wilde namentlich erwähnt wurde, oder Nellie Melba, für die einst der berühmte Meisterkoch Auguste Escoffier ein Dessert kreiirte, das er "Pfirsich Melba" nannte und das heute auch jenen noch ein Begriff ist, die weder mit Oper was am Hut haben, noch weshalb das Dessert so heisst.Toscanini derwährend eines Tobsuchtsanfalles ein Plattenstudio kurz und klein schlug, weil die Aufnahmequalität nicht seinen Anforderungen entsprach. Er hatte eigenlich nicht aufnehmen wollen, wegen der schlechten Technik jener Tage, aber man redete ihm ein, das seine längst überwundene Kinderkrankheiten gewesen die neu Aufnahmetechnik

    sei "naturgetreu" Das war natürlich gelogen.......

    Heutige Interpreten könne sich sowas nicht mehr erlauben - und wollen es vielleicht auch gar nicht.

    Hängt das vielleicht doch mit dem Schwund an Bedeutung der Klassischen Musik im "öffentlichen Bewusstsein" zusammen ?


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Eine lebende Legende, die in diesem Thread bisher mit keinem Wort erwähnt wurde, aber bereits bei der Eröffnung desselben vor 18 Jahren fast achtzig war und heute, mit 96 Jahren (!!!) immer noch aktiv künstlerisch tätig ist: Der Dirigent Herbert Blomstedt. Damit müsste er mittlerweile im Guinness-Buch der Rekorde stehen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine lebende Legende, die in diesem Thread bisher mit keinem Wort erwähnt wurde, aber bereits bei der Eröffnung desselben vor 18 Jahren fast achtzig war und heute, mit 96 Jahren (!!!) immer noch aktiv künstlerisch tätig ist: Der Dirigent Herbert Blomstedt. Damit müsste er mittlerweile im Guinness-Buch der Rekorde stehen.

    Und die Auftritte die ich per Video bzw. vor einigen Jahren auch Live in Berlin gesehen habe, waren keinesfalls beeinträchtigt durch das Alter. Blomstedt ist in meinen Augen keiner, der den Absprung nicht geschafft hat. Ähnlich wie das bei Haitink am Ende war, finde ich ihn immer noch auf der Höhe. Freilich ändert sich die Leitung, wird minimalistischer etc. Aber dieser künstlerische Erfahrungsschatz solcher Legenden ist mit Worten kaum zu ermessen!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Und die Auftritte die ich per Video bzw. vor einigen Jahren auch Live in Berlin gesehen habe, waren keinesfalls beeinträchtigt durch das Alter. Blomstedt ist in meinen Augen keiner, der den Absprung nicht geschafft hat. Ähnlich wie das bei Haitink am Ende war, finde ich ihn immer noch auf der Höhe. Freilich ändert sich die Leitung, wird minimalistischer etc. Aber dieser künstlerische Erfahrungsschatz solcher Legenden ist mit Worten kaum zu ermessen!

    Gut gesagt, lieber Tristan. Ich durfte Blomstedt vor bereits etlicher Zeit mit "jugendlichen" 89 Jahren live mit den Bamberger Symphonikern in Wien erleben. Es gab Schuberts "Unvollendete" und Bruckners Siebente. Gerne hätte ich diesem Dirigenten auch ein Wiener Neujahrskonzert vergönnt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Ich habe ihn in seiner Leipziger Zeit mehrfach gehört, war auch bei seinem Abschiedskonzert 2005 mit Bruckner (7?). zugegen. Auch danach trat er als Gast mehrfach in Leipzig auf. Möge er noch lange agil bleiben.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Blomstedt ist offensichtlich derzeid DIE lebende Legende, nachdem Brendel ja - fast könnte man sagen "vorzeitig" seinen Abschied genommen hat. Ansonsten sehe ich derzeit einige sehr gute und interessante Interpreten, aber allen fehlt das Charisma, das eine "lebende Legende" ausmacht. Vielleicht aber ist es so, daß "lebende" aber auch sonstige Legenden lediglich eine Projektion der Hörer sind und das Fehlen solcher "Heilsgestalten" lediglich die fehlende Bereitschaft ist solche "Projektionen " zu erzeugen, bzw zuzulassen. So ist es schwierig hier heute ige Interpreten vorzustellen, über die dan begeistert oder hitzig diskutiert wird. Man nimmt deren Existenz allenfalls mit wohlwollender Gleichgültigkeit wahr. Was ists (vielleicht) fehlt ist die Begeisterungsfähigkeit.

    Für meine These, daß "Legenden" lediglich eine Projektion ist, die eigentlich keiner Rrealpersonen bedarf, spricht die Tatsache, daß es "Legenden" in der Geschichte gibt, die bewundert werden und zu Ikonen oder Legenden hochstilisert, wo man ahnt, oder sogar weiß, daß sie nie existiert haben, Wilhelm Tell, Konig Artus und seine Tafelrunde, zahlreiche Figuren aus der griechischen und römischen Mythologie. Nicht zu vergessen "Der liebe Augustin" aus Wien. Das gilt sogar für die Heiligenfiguren der christlichen Religionen, und sogar die reale Existenz eines William Shakespeare wurde einige Zeit in Zweifel gezogen. Haben es dadurch die kommenden Interpreten schwerer ?


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Mit den Legenden hat es so eine Bewandnis, dass es Zeit braucht, bis sie sich bilden können. Am Ende leben dann manchmal doch einige nicht mehr und wie @Alfred schon sagte, ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass das Publikum mehr Interesse an den Legenden hat, als diese selbst ;)


    Für meine These, daß "Legenden" lediglich eine Projektion ist, die eigentlich keiner Rrealpersonen bedarf, spricht die Tatsache, daß es "Legenden" in der Geschichte gibt, die bewundert werden und zu Ikonen oder Legenden hochstilisert, wo man ahnt, oder sogar weiß, daß sie nie existiert haben,


    Ich denke auch, dass die Legendenbildung eher mit denen zusammenhängt, die sie sich bilden als mit dem dahinterstehenden Subjekt. Man bekommt vielleicht schon mit, dass ich mit Legenden nicht viel anfangen kann. Trotzdem gibt es für meine Begriffe außergewöhnliche lebende Künstler, die die Musik und das Repertoire um Meilensteine weitergebracht haben.


    In diesem Sinne erinnere an den kanadischen Pianisten Marc-.André Hamelin. Ich lernte ihn kennen auf der Suche nach Einspielungen der Godowsky Etüden. Es gab zu der Zeit genau zwei Sammlungen. Eine ältere von Jorge Bolet, einem Schüler Godowskys und eben die Einspielung von Hamelin, die auch noch eine Passacaglia über Schuberts Unvollendete für Klavier solo enthält. Kurz danach erschien noch eine Einspielung mit ausgewählten Etüden von Ian Hobson für das Label Arabesque.


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    Jeder darf ausprobieren, ob er hier den Klang des schönen Flügels heraushören kann, den Hamelin spielt. Kurz danach kamen Werke von Bolcom, Wolpe, Sorabji, Eckhardt-Gramatté und Alkan heraus. Es war ein wenig, wie eine Wundertüte, hier kam ein Pianist, der sich nicht zu schade war, diese vergessenen Werke einzuspielen und das mit einer stupenden Virtuosität, so dass man eigentlich erstmalig in den Genuss kam, diese Werke ernsthaft hören zu können.


    Im Verlaufe seiner mittlerweile doch nun schon deutlich über 30 Jahre dauernden Schlallplattenkarriere gabe es Einspielungen von Henselt, Grainger, Roslawez, Rzewski, Reger, Korngold, Catoire, Godowsky (vollständige Einspielung der Etüden), Kapustin, Ornstein, Dukas, Busoni .... die Reihe bricht nicht wirklich ab. Demnächst kommt eine weitere Scheibe mit Eigenkompositionen heraus. Ein ausgesprochen selektiertes und exquisites Repertoire, der Nicht-Eigentlichen-Moderne. ;) höchster pianistischer Ansprüche.


    Hamelin zeigt uns nicht nur wunderbare vergessene Musik, sondern scheint für meinen Eindruck auch einen gewissen Einfluss auf die jüngere Generation zu haben. Es gibt immer mehr junge Pianisten, die sich mit der Klaviermusik von Alkan beschäftigen, eine Mühe, die durch Hamelin einen Kontext bekommen hat.


    In diesem kleinen Video spielt er einige dieser selten aufgeführten Werke an



    In diesem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk gib er preis, wieso er so wenig Gegenwartsmusik spielt ;)


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  • Meine Lieblings-Einspielung von Hameling ist diese (erschienen am 1. April dieses Jahres):


    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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