Das Wochenende steht aus und mir drei mich ganz und gar einnehmende Tage bevor. Nein, es handelt sich hier nicht um rohe Arbeit an den Tagen der Ruhe, Besinnung und geistlich-körperlichen Erholung, sondern etwas anderes, ich möchte sagen: etwas weitaus gefährlicheres. Als Jungpianist (verzeiht, das ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, die bloße Einbildung allerdings auch sehr aufbauend) bin ich zeit meines Lebens spieltechnisch noch nicht direkt mit Bach beschäftigt gewesen, abgesehen vom Standarttitel 'Präludium in C-Dur' aus WTK I. "Merkwürdig eigentlich", dachte ich mir vor wenigen Tagen, so höre ich die Musik doch leidenschaftlich gerne und doch kam mir entweder nie der Gedanke, mich Bachs Musik anzuvertrauen oder eine mir unbekannte innere Stimme hielt mich davon ab. Es wuchs in mir also der Wunsch, mir den Weg zu Bachs Klavierwerken zu ebnen. Meine Zielvorstellung, das Wohltemperierte Klavier in beiden Bänden, legte ich sowohl meinem Klavierlehrer als auch dem Besitzer des Musikaliengeschäfts meines Vertrauens dar, worauf mir beide empfiehlen, zunächst die Inventionen und Sinfonien zu spielen, denn diese seien - auf diese Formulierung stieß ich bei beiden - der 'Schlüssel zu Bachs Seele'.
Ich erwarb also den Inventionen und Sinfonien Doppelband im wohlbekannten und deshalb schon beinahe vertrauenserweckenden Urtexteinband des G. Henle Verlags. Bevor ich mit Stücken ähnlichen Schwierigkeitesgrades eines bestimmten Zyklus beginne, mache ich mich zunächst mit ihnen vertraut, indem ich eine der großen Interpretationen anhöre und so eine Auswahl treffe. Da ich von Glenn Gould weiß, dass sein Bach zwar wundervoll, aber dennoch stellenweise experimentell ist bzw. nicht die Form besitzt, die ich spontan wiedergeben würde, versuchte ich es mit Angela Hewitt. Diese Interpretation ist sicher nicht der Gipfel der Musikkunst, aber reicht völlig aus, um sich ein Bild zu machen. Invention I kam mir spontan bekannt vor, natürlich war sie das auch, so ist sie doch oft selbst Klassiklaien vertraut. Ich war bereits entschlossen bei I zu beginnen, aber hörte doch noch etwas weiter. Bis zu Invention 13 (a-Moll) und war hin und weg von ihrer wundersamen, reizvollen Melodik.
Die Entscheidung war gefällt, es sollte Invention XIII sein. Ich begann also das Spiel und war fasziniert, die lineare Stimmführung erstmals am eigenen Leib zu erleben, sie selbst herzustellen, umzusetzen. Bachs Stil über den ich einmal im Zusammenhang mit dem WTK gesprochen habe ging mir unmittelbar derart nahe, dass ich über der Musik allerlei Dinge vergaß und den Tag komplett mit Musizieren ausfüllte, das war vorgestern.
Mittlerweile beherrsche ich gut drei Viertel des Stücks fließend und arbeite an der Optimierung, den restlichen Teil werde ich wohl morgen in Angriff nehmen und mich demnächst, nachdem ich ausreichend Interpretation im Stück verarbeitet habe, um eine Aufnahme bemühen, um Euch um Eure geschätzte Meinung bitten zu können. Die Invention in a-Moll ist bereits in vielerlei Formen erschienen. In der Klaviermusik (ja, es gibt tatsächlich unzählige Übertragungen auf ähnliche bis sehr fremde Instrumente) sind mir nun Glenn Gould
sowie Angela Hewitt
bekannt. Während Glenn Goulds Interpretation besagter Invention in seinem rasantem Tempo etwas von dem abweicht, was mir schlussendlich vorschwebt, aber deshalb nicht weniger interessant und hörbar ist, bilde ich mir ein, bei Angela Hewitt einige Mängel herauszuhören, Akzentuierungen und Tempi, die mich persönlich stören, obwohl ihr Tempo im Allgemeinen auch meine Richtung darstellt.
So, diese kleine Hymne auf die Inventionen und meine spielerische Entdeckung Bachs musste raus, da ich mit meiner lieben Liebsten, einer Musikbanausin und Gehörlosen, nie das teilen kann, was ich gerne teilen möchte (zu ihrer Verteidung: begeisterte Kunstliebhaberin mit Hang zu eigenen Malereiversuchen).
Speziell an die Klavierspieler möchte ich die Frage richten, wie sie die Invention 13 empfinden, gibt es vielleicht Stellen an denen man mir bestimmte Fingerkombinationen empfehlen möchte, Spielweisen vorschlägt oder sonstiges mit auf den Weg geben möchte. Und (dies richtet sich natürlich auch an Nicht-Piansten) welche Interpretationen schlagt Ihr vor? Wie steht es mit der Meinung zu Glenn Goulds prestoartiger Ausführung und wie erlebt ihr diese Gruseligkeiten hier (siehe Bild)?
Gruß aus Wiesbaden,
Thomas