Die großen Regisseure der Vergangenheit - ihre Bühnenbildner - ihre Ausstatter

  • Darum ist auch für mich mittlerweile der Begriff der "Werkgerechtigkeit" viel treffender und dienlicher als derjenige der "Werktreue"

    Werkgerechtigkeit ist ein häufig vorkommender Begriff, der aber hier im Forum fast immer vollkommen unreflektiert und meistens falsch benutzt wird.

    Werkgerechtigkeit ist ein theologischer Begriff der Rechtfertigungslehre und bedeutet eben nicht, dass einem Werk Gerechtigkeit widerfährt, sondern er steht für die Ansicht, man könne vor Gott gerechtfertigt sein, wenn man gute Werke tut.


    https://www.duden.de/rechtschreibung/Werkgerechtigkeit

    https://de.m.wikipedia.org/wik…man%20gute%20Werke%20tut.

    https://rundfunk.evangelisch.d…ie-werkgerechtigkeit-7802

    https://www.schwabeonline.ch/s…w.werkgerechtigkeit%27%5D


    Die Übersetzung in Englisch macht das deutlich = justification by works


    Witzig ist, dass besonders gerne die Gegner des Regietheaters, die jede angeblich sinnentstellende Deutung eines künstlerischen Werks ablehnen, dieses Wort ständig entgegen seinem eigentlichen Sinnes benutzen.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Werkgerechtigkeit ist ein häufig vorkommender Begriff, der aber hier im Forum fast immer vollkommen unreflektiert und meistens falsch benutzt wird.

    Mit Wittgenstein: Die Bedeutung ist keine Bedeutung an sich, sondern ergibt sich aus dem Sprachspiel, in dem das Wort jeweils verwendet wird. Das Sprachspiel ist hier schlicht ein anderes als das theologische.

  • Witzig ist, dass besonders gerne die Gegner des Regietheaters, die jede angeblich sinnentstellende Deutung eines künstlerischen Werks ablehnen, dieses Wort ständig entgegen seinem eigentlichen Sinnes benutzen.


    Wenn man gutwillig ist, sollte klar sein, was mit "Werkgerechtigkeit" im Zusammenhang mit Oper gemeint ist: Die Intention des Werkschöpfers sollte erhalten bleiben und nicht parodiert, verdreht, verfälscht oder gar ins Gegenteil verkehrt werden.


    Dass Theologen und andere denselben Begriff für ihre Arbeit und Lehre ebenfalls verwenden, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.


    (Die letzten ca. 10 Beiträge könnten eventuell auch in einen anderen Thread verschoben werden, wenn die Moderation derselben Meinung ist.)


    :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Es wird nur leider nicht gesagt, warum das so sein soll. Oder eben doch: In die ästhetische Diskussion wird ein moralischer Aspekt hineingemanscht, indem ein ästhetischer und ein moralischen Begriff zusammenkleistert werden. Es liegt auf der Hand, dass dabei nur Murx herauskommen kann. Und es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise nicht versteckt werden kann, dass es darum geht, eine moralische Forderung zu erheben, für die es keine Begründung gibt und deren Unbegründbarkeit auch nicht versteckt werden kann. Es handelt sich, um es mit dem schönen und zu 100% passenden Wort des Hauptpastors Goeze zu sagen um einen »Machtspruch«. Diesem freilich kann man, der Empfehlung des klugen Pastors folgend, einfach ein »negatur, ergo probetur« entgegensetzen – und die Sache ist vom Tisch. (Denn die diese Forderung aufstellen, haben gar nicht die Macht, ihre Einhaltung zu erzwingen. Das macht sie ja so aggressiv und die ganze Angelegenheit so lustig.)

  • Hier wird auf Worten und deren Bedeutung herumgeredet, umd vom eigentlichen Kern abzulenken

    Nennen wir es "Werktreue" oder "Werkgerechtigkeit" oder sonstwie.

    Ich erwarte von einem Regisseur, daß er sich an die Regieanweisungen des Librettisten ölt, die ofrt erstaunlich präzise ausgearbeitet waren.

    Im Mindestfall aber:

    Einhaltung der im Libretto angegeben Zeit , in der das Stück spielt

    Einhaltung des angegebenen Ortes

    Originaltext - oder beste Übersetzung

    Beibehaltung der Identität der Charaktäre

    Idealerweise ein möglichst Idealistisches Bühnenbild


    Damit ist eigentlich alles gesagt - da brauch es keine verbalen Spitzfindigkeiten.


    Das sind bitte Mindestanforderungen !!!

    Werden die nicht eingehalten, dann kann man sich als Publikum nicht wehren ?

    Doch

    Boykottieren und nicht hingehen.

    Nun wird immer wieder gesagt, man müsse sich eine Inszenierung erst ansehen, bvor man ein Urteil abgeben könne

    Das ist nicht wahr.

    Regisseuere bekommen recht schnell einen gewisse Ruf

    Und einige sind "gezeichnet", wie einst Tätowierte, die man den Kriminellen und Prostituierten zugeordnet hat

    (Wirklich Oberschicht ist ja bis heute nicht tätowiert....;))


    Und den Inszenierungen eines derart "stigmatisierten" weiche man am Besten a priori aus

    Das ist die Waffe des Publikums, bzw des Konsumenten



    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Die Diskussion hier im Forum um das Regietheater ist neulich zu einem -aus meiner Sicht- vorläufigem Ende gekommmen.

    Bertarido hat die gegensätzlichen Haltungen gut zusammengefasst:


    Weil beide Seiten -wie richtig gesagt- schon von völlig unterschiedlichen Prämissen ausgehen, wird man nie zusammenkommen oder den anderen von derr Stichhaltigkeit seiner Argumentation überzeugen können.


    Holger wird man noch 100mal auffordern, Werkgerechtigkeit und Verbindlichkeiten zu begründen und er würde sich noch so abstrampeln können, seinen (aus meiner persönlichen Sicht viel logischeren und vernünftigeren) Ansatz zu verteidigen, es würde niemals- auch in hunderttausend Jahren nicht-von der Gegenseite anerkannt werden.


    Umgekehrt genauso.


    Man dreht sich im Kreise und könnte es eigentlich sein lassen.


    Wenn es doch klammheimlich nicht so einen verdammten Spaß machen würde, aufeinander einzudreschen.:jubel:


    :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Nein, Werkgerechtigkeit, dem Werk gerecht zu werden hat nichts aber auch rein gar nichts mit Moral zu tun. Genauso wenig wie der berühmte "goldene Schnitt" als Maßstab, an dem sich eine Bildkomposition orientiert, kein moralischer Maßstab ist. Es gibt moralische Maßstäbe und es gibt ästhetische Maßstäbe. Ein ästhetischer Maßstab ist und bleibt ein ästhetischer Maßstab. Und auch mit einem "Machtspruch" hat das nicht das Allergeringste zu tun. Wenn man den Werkcharakter eines Werkes nicht berücksichtigt bei seiner Aufführung, dann bedeutet dies schlicht einen Sinnverlust - und zwar zwangsläufig. Und der ist eben ein spezifisch ästhetischer Sinnverlust und also kein bloß theoretisches Problem oder etwa nur eine willkürliche subjektive Meinung, weil er sich entsprechend auch in der ästhetischen Wahrnehmung zeigt (Ästhetik kommt von griech. aisthesis und heißt wörtlich "Wahnehmung") damit, welche Wirkung er hervorruft: dass dieser Sinnverlust oder die aus der Nichtberücksichtigung des Werkcharakters entstehende Sinnwidrigkeit eben z.B. lächerlich wirkt.

  • Es gibt keine Möglichkeit, die Forderung zu begründen, dass das Thester dem, was man so »das Werk« nennt, gerecht werden soll. Jedenfalls habe ich noch nie eine Begründung gehört. »Ich erwarte« oder »Dr. XYZ« sagt es so, sind nur vollkommen bedeutungslose Machtworte. Und mehr ist weit und breit nicht zu sehen.

  • Es gibt Dinge, die man einsehen muss. Wenn man die nicht einzusehen bereit ist, bekundet man damit nur, dass man unfähig ist zu denken.


    Natürlich kann man immer sagen: Das Werk, was es ist und was der Autor damit dem Publikum sagen wollte, interessiert mich einfach nicht. Und deswegen auch keine Werkgerechtigkeit. Dann ist das Ignoranz. Die kann natürlich auch eine ästhetische Begründung haben. Nur bleibt sie dann eine Begründung begründet durch Ignoranz. Die Voraussetzung dafür ist ein ästhetisches Interesse bzw. Desinteresse, wiederum gründend in einer bestimmten Rezeptionshaltung. Es gibt unterschiedlich Rezeptionshaltungen natürlich. Aber ein Werk mit Werkcharakter fordert eben eine Rezeptionshaltung, die das auch Ernst nimmt, dass ein Werk ein Werk ist. Wenn das nicht so ist, dann zieht eine Rezeptionshaltung, die so etwas ignoriert, auch die ästhetische Kritik nach sich, eben die, dass sie zur Event-Kultur unserer Zeit passt, wo nur noch das Spektakel auf der Bühne interessiert und man nach einem Sinn gar nicht mehr fragt. Prost Mahlzeit, kann man da nur sagen! :saint:

  • Du hast das missverstanden. »Negatur, ergo probetur« heißt »es wird bestritten, also muss es bewiesen werden«, nicht »... also muss es wiederholt werden«. Es gibt nichts, was jemand einsehen muss, ohne dass ihm der Grund gezeigt wird, weshalb er es einsehen muss. »Weil Dr. Holger Kaletha es so sagt und nicht in der Lage ist, es zu begründen« reicht nicht aus. Denn mit demselben Recht könnte ich verlangen, dass Du mir ohne weitere Begründung glaubst. Ich verlange das freilich nicht. Kunststück! Ich habe ja auch Argumente.

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  • Es ist unsinnig, nach einer Begründung zu fragen, wo einfach keine (zusätzliche) Begründung erforderlich ist, nur weil man die Begründungsstruktur nicht erfasst.


    Über die rote Ampel zu gehen ist nicht einfach deshalb verboten, nur weil es verboten ist. Genauso ist es nicht verboten, sich um Werkgerechtigkeit einfach nicht zu scheren, nur weil es verboten ist. Wenn man in dem Gebot der Werkgerechtigkeit immer nur das Gebotene sehen will und mehr nicht, hat man einfach grundsätzlich etwas nicht verstanden in der Sache und was den Begründungszusammenhang in der Sache angeht.

  • Mal konkret:


    Wenn Jemand eine Prüfungsarbeit einreicht mit dem Thema Spinozas Ethik, die aufgebaut ist als ein streng logisches System more geometrico, sie aber in der Interpretation so behandelt wird wie die Aphorismensammlung von Montaigne, dann steht hinterher im Gutachten: Note Mangelhaft, weil die Arbeit unverzeihliche Mängel im methodischen Denken aufweist, weil man eben ein Werk, das aufgebaut ist als ein geschlossenes System, nicht behandeln kann wie eine lose Aneinanderreihung von Aphorismen. Wenn die Prüfungsarbeit nun die Inszenierung eines Wagnerstückes ist, das aber nicht als ein geschlossenes Werk aufgeführt wird sondern nur als das, was Wagner ausdrücklich kritisiert, eine "Nummernoper" von lose aneinandergereihten Szenen, dann darf der Professor hinterher nicht sagen: Prüfungsleistung wird nicht akzeptiert wegen der fehlenden Bemühung, dem Werk Wagners in seiner Struktur einer dramatisch geschlossenen Form, die es nunmal hat, gerecht zu werden? Mit welchem Recht nimmt man sich hier heraus, dass Kriterium "Werkgerechtigkeit" einfach für Null und Nichtig zu erklären? Was ist dafür die Begründung?

  • Bei Rot über die Ampel zu gehen oder zu fahren, ist verboten, weil es verboten ist. Da bedarf es keiner weiteren Begründung. Und es ist auch vollkommen gleichgültig, ob ich das einsehe oder nicht. Ich bin verpflichtet, mich an die Straßenberkehrsordnung zu halten, weil ich verpflichtet bin, mich an die Gesetze zu halten, die in dem Land gelten, in dem ich mich aufhalte.


    Aber hier geht es nicht um rote Ampeln und auch nicht um Gesetze, die von einer gewalthabenden Institition erlassen werden. Oder Du müsstest diese Institition nennen. Du bist es nicht. Gott auch nicht. Wer bleibt noch?


    Noch einmal, weil es anscheinend so schwer ist: Niemand, absolut niemand ist verpflichtet, irgendetwas unwidersprochen als Wahrheit hinzunehmen, was Du sagst. Es sei denn Du hast die Macht, ihn dazu zu zwingen. Die Macht hast Du nicht, also musst Du überzeugen. Und das geht nicht mit Aufstampfen, Kreischen usw., das geht auch nicht mit »du musst mir glauben, weil ich so klug bin« (weil diese Satz genau das Gegenteil beweist), es geht nur mit Argumenten. Bisher hast Du keine vorgetragen.


    Ich habe, wenn ich es mit Studenten zu tun hatte, bei der ersten Begegnung immer an das Prinzip des Buddha erinnert, der seinen Schülern ausdrücklich verboten hat, irgendeine seiner Aussagen einfach so hinzunehmen, sondern jede so lange zu befragen und zu prüfen, bis er sie entweder widerlegen kann oder von den Argumenten überzeugt wurde. Das hatte zur Folge, dass ich so manches Mal ordentlich ins Schwitzen kam und auch durchaus mal eine Position aufgeben oder deutlich modifizieren musste. Ich glaube, das ist der Sinn des Meinungsstreits. Das scheint Dir bisher entgangen zu sein.


    Ich freue mich immer, wenn mir jemand zeugt, dass ich irgendeinen Punkt noch besser durchdenken muss. Aber ich mache das nicht, weil sich einer wie ein verwöhntes Kind vor dem Süßigkeitenregal im Supermarkt schreiend und strampelnd auf die Erde wirft. Das ist nur lächerlich.


    (Und ganz nebenbei: Ich würde mich schon deshalb Deiner Meinung nicht einfach auf Treu und Glauben anschließen (und bezöge sie sich auf die banalste Banalität), weil ich ja nicht wissen kann, ob Du nicht heute Nacht einen weiteren Abstecher nach Damaskus machst und mich morgen dafür beschimpfst, dass ich für richtig erkläre, was Du noch heute als absolut unbezweifelbare Wahrheit verkündet hast. Das erste Mal wäre es ja nicht.)

  • Muß hier schon schon wieder über RT diskutiert werden ? Da haben wir doch schon genug Threads. Sollten hier nicht nur Regisseure und ihre Inszenierungen anhand von Bildern vorgestellt werden?

  • Zitat

    Noch einmal, weil es anscheinend so schwer ist: Niemand, absolut niemand ist verpflichtet, irgendetwas unwidersprochen als Wahrheit hinzunehmen, was Du sagst.

    In früheren Jahren des Forums wurde, wenn ich mich richtig an mein Nachlesen erinnere, einmal über eine "Schreibpflicht" der Mitglieder nachgedacht oder es gab diese sogar und wurde dann wieder abgeschafft. Bitte um Korrektur, wenn ich mich irre.


    Meine Frage ist nun, ob es im Forum auch eine "Lesepflicht" gibt?

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Meine Frage ist nun, ob es im Forum auch eine "Lesepflicht" gibt

    Vor allem gibt es keine Pflicht zu jedem Beitrag einen Kommentar abgeben zu müssen.


    Ich störe jetzt einfach mal die Kombattenten mit einem Beitrag zum eigentlichen Thema "Die großen Regisseure der Vergangenheit - ihre Bühnenbildner - ihre Ausstatter", dauert auch nicht lange, dann könnt Ihr weitermachen.


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    Für die Dresdner Rosenkavalier-Inszenierung 1911 fertigte Alfred Roller in enger Zusammenarbeit mit Hofmannsthal äußerst detaillierte Szenen-Entwürfe an, die zu dieser Zeit auf dem Gebiet der Oper ohne Beispiel waren und an denen sich nachfolgende Inszenierungen über Jahrzente hinweg orientierten.

    Max Reinhardt hingegen war zunächst nur als beratender Regisseur zugelassen. Er durfte die Bühne nicht betreten, sondern musste seine Regieanweisungen aus der Kulisse heraus erteilen. Strauss setzte alles daran, Reinhardt gegen offenbar vorhandene antisemitische Ressentiments an der Dresdner Hofoper als Regisseur durchzusetzen, was ihm schließlich auch gelang. Dennoch wurde Reinhardts Name im Programmheft nicht erwähnt.



    Der Rosenkavalier, Dresden 1911. Entwürfe von Aldred Roller





    Fotos der Uraufführung von „Der Rosenkavalier“ am 26. Januar 1911 im Königlichen Opernhaus Dresden

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Bei Rot über die Ampel zu gehen oder zu fahren, ist verboten, weil es verboten ist. Da bedarf es keiner weiteren Begründung. Und es ist auch vollkommen gleichgültig, ob ich das einsehe oder nicht. Ich bin verpflichtet, mich an die Straßenberkehrsordnung zu halten, weil ich verpflichtet bin, mich an die Gesetze zu halten, die in dem Land gelten, in dem ich mich aufhalte.

    Das ist einfach so nicht richtig bzw. nicht der springende Punkt. Denn kein normaler Mensch akzeptiert Regeln und Gebote oder Verbote, wenn er ihren Sinn nicht einsieht. Dann werden sie nämlich regelmäßig übertreten. Sinnlose Verbote sind nutzlos oder ein Ärgernis, was die Bereitschaft abbaut, sich daran zu halten. Bei der roten Ampel ist es so, dass das Verbot verhindert, dass eine verkehrsgefährdende Situation ensteht. Der Sinn des Verbots ist die Vermeidung einer verkehrsgefährdenden Situation und nicht das Verbot als Verbot. Nun gibt es die Fälle von mehr oder weniger sinnlosen Ampelschaltungen, etwa wenn die Fußgänger und die Autos 2 Minuten beide Rot haben (das gibt es in Recklinghausen), nur weil zwei Ampeln parallel geschaltet sind. Was passiert? Die Leute gehen über die Straße. Oder früh morgens, wenn kein Auto fährt, wartet auch kaum Jemand vor der roten Ampel. Warum tun sie das? Nicht, weil sie das Verbot missachten, sondern weil sie keinen Sinn mehr in dem Verbot sehen: Wenn offensichtlich keine gefährsgefährdende Situation entsteht durch das Überqueren der Ampel, dann ist der Sinn nicht mehr einsichtig, vor der roten Ampel zu warten und eventuell am Bahnhof den Zug zu verpassen.


    Wenn es um den Sinn geht, geht es eben nicht nur um das Verbot an sich. "Werkgerecht" zu sein, ist kein Gebot, an dass man sich nur hält, weil es geboten ist. Ich habe das Beispiel gebracht, was für einen Hermeneutiker "werkgerecht" interpretieren heißt: Eben z.B. die Form, den Aufbau und die Struktur eines Werkes zu beachten und die Interpretation danach auszurichten. Man berücksichtigt den Aufbau more geometrico bei Spinoza nicht etwa, weil es ein Verbotsschild gibt "sei in Deiner Interpretation immer werkgerecht", sondern weil anders vorzugehen einfach den Sinn zerstören würde. Man geht nicht über die rote Ampel zur Hauptverkehrszeit durchaus aus Überzeugung und nicht nur aus Angst vor Strafe, weil man weiß, dass das Zuwiderhandeln eine verkehrsgefährdende Situation heraufbeschwört. Wer sich nicht daran hält, hat deshalb die Beweislast, dass er nicht nur das Verbot, sondern auch den Sinn des Verbots missachtet, eine gefährliche Situation zu verhindern. Der, welcher meint, die zum Werk Wagners gehörenden Züge einer dramatisch-geschlossenen Form in seiner Inszenierung einfach zu missachten, also sich das Recht herausnimmt, nicht werkgerecht zu sein, hat deshalb die Beweislast zu zeigen, dass das nicht sinnwidrig und sinnzerstörend ist. Und das dürfte hier ausgeschlossen sein. Genau das ist der springende Punkt. Deswegen ist es einfach sinnlos und willkürlich, das Kritierium der Werkgerechtigkeit zu ignorieren. Denn wo liegt dann der Sinn darin? Ein Verbot zu befolgen ist genauso wenig an sich sinnvoll wie ein Verbot zu ignorieren.


    Noch einmal, weil es anscheinend so schwer ist: Niemand, absolut niemand ist verpflichtet, irgendetwas unwidersprochen als Wahrheit hinzunehmen, was Du sagst. Es sei denn Du hast die Macht, ihn dazu zu zwingen. Die Macht hast Du nicht, also musst Du überzeugen. Und das geht nicht mit Aufstampfen, Kreischen usw., das geht auch nicht mit »du musst mir glauben, weil ich so klug bin« (weil diese Satz genau das Gegenteil beweist), es geht nur mit Argumenten. Bisher hast Du keine vorgetragen.

    Es gibt aber so etwas wie den Zwang des Gedankens, ihm folgen zu müssen. Wenn man weiß und erfahren hat, was das ist, erst dann ist man ein Philosoph. Dagegen wird auch Buddha wohl kaum etwas einzuwenden haben.

  • Es gibt keinen Zwang, Deinem Gedanken als richtig zu folgen und die damit verbundene Forderung zu erfüllen. Da könnte Dir so passen. Ist aber nicht der Fall. Wenn Du mich von Deinem Gedanken nicht überzeugen kannst, werde ich ihn als unbegründet ablehnen und nur dann nach ihm handeln, wenn Du das anderweitig erzwingen kannst. Wäre es anders, könnte ich genauso gut von Dir verlangen, dass Du meine Ideen unbefragt als richtig hinnimmst. Tatsächlich könnte das dann jeder verlangen. Das gäbe ein ganz schönes Chaos.

  • Für die Dresdner Rosenkavalier-Inszenierung 1911 fertigte Alfred Roller

    Auf Rollers wegweisende Arbeit kann man gar nicht oft genug hinweisen, auch wegen seiner Zusammenarbeit mit Mahler.

    Orfeo hat kurz gestört, nun ich auch - aber ist auch schon beendet...


    BR-KLASSIK
    https://www.br-klassik.de/audio/neuinszenierung-des-tristan-unter...



    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Übrigens ging es dem gepriesenen Wieland Wagner eben nicht um das Zeitlose, wie das Zitat deutlich genug sagt:



    Zitat von Wieland Wagner

    Das lebendige Theater kennt nur einen Stil, den seiner eigenen und aktuellen Epoche.

    Verwechselst Du da nicht aktuell mit neu?


    Zeitlos ist nun mal zeitlos.

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  • Ihr versteht den Thread glaube ich nicht. Hier soll nicht über RT diskutiert werden, sondern nur Inszenierungen anhand von Bildern vorgestellt werden.

  • Es gibt keinen Zwang, Deinem Gedanken als richtig zu folgen und die damit verbundene Forderung zu erfüllen. Da könnte Dir so passen. Ist aber nicht der Fall. Wenn Du mich von Deinem Gedanken nicht überzeugen kannst, werde ich ihn als unbegründet ablehnen und nur dann nach ihm handeln, wenn Du das anderweitig erzwingen kannst. Wäre es anders, könnte ich genauso gut von Dir verlangen, dass Du meine Ideen unbefragt als richtig hinnimmst. Tatsächlich könnte das dann jeder verlangen. Das gäbe ein ganz schönes Chaos.

    Entschuldigung. Aber jetzt redest Du oberflächlich über das, worum es geht, hinweg. Ich hatte mit der Analogie der roten Ampel zu zeigen versucht, dass es bei einem Gebot und einer Regel nicht nur um die Regelbefolgung geht, sondern um den Sinn, der damit verbunden ist. Die Nichteinhaltung der Regel führt zu einer gefährlichen Situation - das Unfallrisiko steigt (bei der Ampel) oder es droht bei der Textauslegung der Sinnverlust, dass man den Sinnzusammenhang nicht mehr erkennt. Deshalb hält man sich an die Regel mit Überzeugung, weil man in diese Gefahr nicht geraten und das vermeiden will. Zuerst kommt der Sinn, und dann die Regel. Das Sich-halten an die Regel ist nur der Ausdruck davon, an der Bemühung um Sinnhaftigkeit seines Tuns festzuhalten. Diesen Fundierungszusammenhang hast Du schlicht nicht begriffen und denkst wieder einmal die Sache nicht mit. Mein Lehrer Wolfgang Janke sagte immer zu uns Studenten mit Fichte ermahnend "energisch denken" - eben nicht draußen zu bleiben und von außen über die Sachen zu räsonnieren, sondern in die Denkbewegung hineinzukommen. Und dann erführt man, dass man anders nicht denken kann.

  • Ich lese/höre so etwas ja nicht zum ersten Mal, aber ich verstehe es weiterhin nicht.

    Ist denn das Entscheidende an einer Oper, wo sie spielt oder wann sie spielt?

    Geht es nicht um die Geschichte, um das Miteinander der Figuren? Ist das nicht der eigentliche Bezugspunkt für mich als Publikum? Ist es nicht so, dass alles, was mir deren Schicksal nachvollziehbar, nachempfindbar werden lässt, "richtig"?


    Ist es entscheidend, dass ich in der Schlussszene des "Tannhäuser" eine gemalte Burg auf einem entfernten Berg sehe (laut Wikipedia Inszenierung Bayreuth 1930?

    Bundesarchiv_Bild_183-2004-0512-501%2C_Bayreuth%2C_Festspiele%2C_%22Tannhäuser%22%2C_Schluss.jpg


    Warum kann es nicht auch eine im Wortsinn trostlose Autobahnlandschaft sein (Regie: Tobias Kratzer, Bühnenbild: Rainer Sellmaier. Bayreuth seit 2019)?

    Tan_Tot_190721_130_©EnricoNawrath_press-e1627453884652-1200x752.jpg


    Letztgenanntes Szenenbild kann mir die Ausweglosigkeit der Situation für Elisabeth und Tannhäuser jedenfalls deutlich klarer vor Augen führen. Und ist das Mitfühlen, Nachempfinden nicht eigentlich das Ziel?


    Insofern verstehe ich auch nicht, was ein "möglichst idealistisches Bühnenbild" sein könnte.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Du kannst ja mal versuchen, einem Polizisten, der Dich anhält, weil Du bei Rot über die Kreuzung gegangen oder gefahren bist, zu überzeugen, dass die Regel für Dich nicht gilt, weil Du sie nicht einsiehst, denn es sei ja kein Auto in der Nähe gewesen. Er wird Dir sicher erklären, dass es vollkommen irrelevant ist, ob Du das einsiehst, und dass Du Dich, wenn Du am Straßenverkehr teilnimmst, an die Straßenverkehrsordnung zu halten hast.


    Das nur nebenbei, denn die Analogie ist natürlich Blödsinn. Es gibt keine Regel, die irgendetwas wie »Werkgerechtigkeit«, oder wie Du es immer nennen willst, zur Pflicht macht. Das ist ja eben das Problem, dass Du diese Regel nicht zeigen kannst. Darum bleibt Dir ja nur, die Forderung, dass man Dir zu glauben hat, weil Du so ungeheuer klug bist. Und auf diese Weise erreichst Du natürlich gar nichts. Denn sonst könnte jeder verlangen, dass man sich nach seinen Einfällen zu richten hat. Das würde wohl kaum gehen. Und warum ich Dir in Bezug auf die Theatertheorie und -praxis mehr glauben soll als z. B. Brecht oder Wachtangow oder Heiner Müller oder Fiebach oder Fischer-Lichte oder meinetwegen auch wirst Du wohl schwerlich erklären können.


    Ist denn das Entscheidende an einer Oper, wo sie spielt oder wann sie spielt?

    Geht es nicht um die Geschichte, um das Miteinander der Figuren? Ist das nicht der eigentliche Bezugspunkt für mich als Publikum?

    Gut gefragt. Das läuft auf die Frage hinaus, warum eigentlich bei der Polemik gegen das Regietheater so gut wie nie von Regie und Theater, sondern fast immer nur von der Ausstattung die Rede ist. Es liegt wohl daran, dass jeder erkennen kann, dass ein Hammer kein Speer ist, aber doch nicht sehr viele, was gutes Theaterspiel ist.


    Übrigens gilt auch in diesen Sachen der Spruch des Predigers, den man so adaptieren kann: »Alles hat seine Zeit. Flügelhelme haben ihre Zeit, Abendanzüge haben ihre Zeit. Burgen haben ihre Zeit, Autobahnen haben ihre Zeit. Und so weiter.« Das geht alles vorüber, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Entwicklung an einem bestimmten Punkt stehenbleiben soll. Zumindest der so hoch verehrte Wieland Wagner hat dieser Auffassung, wie man weiter oben nachlesen kann, nachdrücklich widersprochen.

  • ...wenn das mal kein Bühnenbild ist!

    (zur Ablenkung mal schauen und hören, dauert auch nicht lang...)


    Bayerische Staatsoper 2010


    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

  • Einhaltung der im Libretto angegeben Zeit , in der das Stück spielt

    Einhaltung des angegebenen Ortes

    Originaltext - oder beste Übersetzung

    Beibehaltung der Identität der Charaktäre

    Idealerweise ein möglichst Idealistisches Bühnenbild

    Ich übertrage das für mich auf Cembalowerke von J.-Ph.Rameau. Werkgerechtigkeit bestünde dann für mich darin, dass es auf einem Cembalo erklingen muss, am besten eines aus der Zeit und dann noch möglichst französisch. Nichts anderes hatte der Komponist im Sinne. Wer das auf dem Klavier spielt, begeht ein Sakrileg ...


    Das hatte ich allerdings mal wirklich geglaubt, als ich die Einspielung von Chorzempa hörte. Nichts anderes wollte mir mehr gefallen ....


    Solche Kriterien haben die Eigenschaft, leicht nachvollziehbar zu sein. Man kann sofort entscheiden, ob man das hören will oder nicht. Das ist ja völlig legitim. Irgendwann hörte ich die Aufnahmen von Marcelle Meyer und es war um mich geschehen. Ein moderner Konzertflügel ... Meyer phrasiert völlig anders und man hört wundervolle Musik. (Die Einspielungen von Kenneth Gilbert trete ich dagegen gerne in die Tonne (auf einem korrekten Cembalo zelebriert)). Für mich heißt das:


    a) Jeder kann hören wollen, was er will. Ich missioniere nicht

    b) Hätte ich Meyer nicht gehört, wäre mir ein musikalischer Kosmos, der in diesen Werken steckt, verborgen geblieben. Keiner muss ihn hören wollen, aber ich bin dankbar dafür.


    Der einfache Transfer auf die Oper macht doch klar. Genausowenig wie ich jemandem vorschreiben kann, wie er Rameau spielen soll, kann ich das bei der Oper. Keine Ästhetik kann einem Künstler vorschreiben, wie er das Werk zu verstehen hat. Im Normalfall folgt die Ästhetik den künstlerischen Werken, wenn sie relevant sind. Hegels berühmte Eule der Minerva.

    Das ist doch wirklich ein tolles Bühnenbild. Wer da lieber in die Augburger Puppenkiste schauen will, kann das natürlich wollen. Wir leben heute in Zeiten wo alles möglich ist. Und ja... als Augsburger Puppenkiste könnte mir der Fidelio ja auch gefallen ...:)

  • ...wenn das mal kein Bühnenbild ist!

    Die Produktion ist aber noch sehr jung und hat absolut nichts mit der Vergangenheit -siehe Threadtitel- zu tun.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Rebecca Ringst hat viele großartige und sehr ungewöhnliche Bühnenbilder entworfen. Noch besser wäre es, wenn darin auch etwas Interessantes stattfände, was in der Regel leider nicht der Fall ist.

  • Jeder kann hören wollen, was er will. Ich missioniere nicht.

    Absolut. Die Frage ist hier ja nur, ob jeder auch aufführen darf, was er/sie will. Meine Meinung dazu hatte ich vergangene Woche bereits gesagt. Solange z.B. bei der Oper die Musik nicht verfremdet wird, sage ich: Ja, das muss erlaubt sein. Ich möchte es nur vorher wissen, was auf mich zukommt, damit ich entscheiden kann, ob ich hingehe oder wegbleibe (wie gesagt, das beziehe ich nur auf die Oper). Dein Beispiel zeigt sehr schön, dass dies bei einem Konzert nicht gelten kann. Aber in der Form, wie Du es beschrieben hast, natürlich schon. Beethoven und die Augsburger Puppenkiste - sehr schön: In der Tat wird man daran erinnert bei diesem Bühnenbild:)

    "Von Herzen - Möge es wieder zu Herzen gehen"

    (Ludwig van Beethoven über den Beginn des "Kyrie" seiner "Missa Solemnis")

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