Was soll eine Inszenierung eigentlich leisten ?

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Hier sehe ich einen interessante Möglichkeit , einmal darüber zu diskutieren, ob es möglich ist , neue Bahnen zu gehen , um ein Requiem oder ein Oratorium auch mit den modernen Techniken der Bilddarstellungen aufzuführen .


    Es gab in Wien eine wunderbare szenische Einrichtung des Messias, die sich - in modernem Kostüm - über die Mitglieder einer Trauergemeinschaft mit dem Themenkreis Tod (eines geliebten Menschen) und christliche Heilsbotschaft auseinandersetzte. Dies nur in Parenthese -


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Alle Originale von Knusperhexe
    Lieber Gustav,


    witzig, bei mir ist es genau anders herum: Regietheater empfinde ich als reinen Konsum.


    Da wird mir genau vorgekaut, was ich zu denken und zu fühlen habe. Das eigene Hirn kann man getrost an der Garderobe abgeben.


    Und danach am besten gar nicht erst wieder abholen - schließlich weißt du ja, dass es dir nicht gefallen wird, und gehst trotzdem immer wieder in moderne Inszenierungen.


    Zitat

    Ich langweile mich dabei jedesmal zu Tode - in besonders krassen Fällen kämpfe ich auch mal mit Wut- oder Ekelattacken.


    Wobei sich bei mir z.B. bei Schenks "Meistersingern" schlichte Ungläubigkeit einstellt: Die Meister sehen aus wie Obdachlose mit einem Müllsack als Mantel, und die Medaille könnte Sachs doch wirklich gebrauchen, um sich mal was Warmes zu essen leisten zu können.


    Zitat

    Besonders dann, wenn auch noch in die Partitur oder das Textbuch eingegriffen wurde oder wenn neckische Geräusche dazuerfunden werden.


    Welche Regie greift denn nicht ins Textbuch ein? Wie können Leute sich anmaßen, die absolute Wahrheit für Inszenierungen gepachtet zu haben? Es gibt da kein richtig oder falsch - nur mehr richtig und mehr falsch. Zu letzterem gehört das Traditionstheater, weil es zwar Unterhaltung (und das manchmal nicht mal auf dem Niveau des Ohnsorg-Theaters, zugegeben) bietet, aber nicht zeigt, was das Stück mit mir selbst zu tun hat und mir sagen kann.


    Zitat

    In Köln war eine Zeitlang das Tippen auf Schreibmaschinen ein Trend, der mich zur Weißglut gebracht hat: Ob Rodolfo, Hoffmann oder Don José. Alle bildeten sich plötzlich ein, ihren Gesang mit Tip und Tap untermalen zu müssen. Grausam.


    Gott, müsst ihr da schlechte Sänger haben 8o!



    Zitat

    Beim traditionellen Theater habe ich Spaß daran, eigene Bezüge herzustellen, zu abstrahieren, allgemeingültiges abzuleiten, umzudenken, das Stück zu zerhacken und wie ein Puzzle zusammenzusetzen, daneben mich dem schwelgerischen der Musik hinzugeben.


    Tja. Regisseure machen genau dasselbe. Sie denken über das Stück nach und stellen eigene Bezüge und Ideen her. Das ist dann also falsch. Gut zu wissen.


    Zitat

    Es ist doch auch komisch, dass diese Form der Inszenierungskunst jahrhundertelang ihre Gültigkeit hatte und erst unser Zeitalter sich anmaßt


    Neues auszuprobieren und sich von Dingen zu lösen, die angeblich alleingültig sind. Unfassbar sowas :no:...


    :hello:

  • Zitat

    Original von Basti
    Es gibt da kein richtig oder falsch - nur mehr richtig und mehr falsch. Zu letzterem gehört das Traditionstheater, weil es zwar Unterhaltung (und das manchmal nicht mal auf dem Niveau des Ohnsorg-Theaters, zugegeben) bietet, aber nicht zeigt, was das Stück mit mir selbst zu tun hat und mir sagen kann.


    Lieber Basti!


    Dafür brauchst du also jemanden, der dir sagt, was das Stück mit dir zu tun hat? Sorry, aber das kann ich selber. Vor allem möchte ich das mir von anderen nicht sagen lassen. Selber denken macht schlau!


    :hello: Gustav

  • Ja, eben. Deshalb präferiere ich ja auch moderne Inszenierungen, weil sie zum Denken anregen. Das Aktuelle zu erkennen gehört dazu ;).


    :hello:


  • Lieber Gustav,


    ja, ich schaue manchmal auch Trash-TV:-) und finde es zeitweilig amüsant. Aber so aus dem Stegreif fallen mir keine Regietheaterinszenierungen ein, die ich nochmal sehen möchte.


    Ganz eklig fühle ich mich, wenn es offensichtlich war, dass ein Regisseur eine Oper/Schauspiel dazu missbraucht hat um für seine politische Gesinnung Propaganda zu betreiben. Das wird dann als "das Aktuelle erkennen" verkauft und ist einseitig gefärbter "political correctness"-Kitsch.


    Doch was willste machen - auch wenn basti rät, dass sich unsereins heutzutage von der Oper fernhalten solle - ich höre einfach zu gerne die Musik live vor Ort. Da ich meist Freikarten kriege, ist es mir ein Trost, dass ich den Kram nicht noch mit meinem sauer verdienten Geld unterstütze.


    LG,


    Knuspi

  • Komisch - das funktioniert immer: wenn man einen Thread eröffnet, in dem es um das Regietheater gehen könnte, dauert es nicht lange, bis die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer aufeinander einschlagen...


    Ich habe mir auch mal Gedanken gemacht, was ich von einer Inszenierung erwarte. Zugegeben, zu oft gehe ich nicht mehr in die Oper, ein paar mal war ich zu enttäuscht - nicht unbedingt von der Inszenierung, sondern mehr vom ganzen Drumherum: Publikum, Geräuschkulisse, lustlose oder unfähige Ausübende, abschreckende Inszenierungen - von allem etwas.


    Aber wenn ich unzufrieden bin, muss ich mir auch Gedanken machen, was ich erwarte:


    Ich möchte mich nicht festlegen, ob ein Stück moderen oder klassisch inszeniert ist oder ob Regietheater oder nicht: ich erwarte, dass mir die Intentionen von Autor und Komponist dargebracht werden.


    Was ich nicht erwarte und auch nicht sehen möchte, sind die Intentionen irgendeines Regisseuers, die dem Stück aufgeflanscht werden, damit der Regisseuer partout seine Weltsicht in Stücken darbietet, die nichts damit zu tun haben. Auch das klassische 'provozieren nur um der Provokation willen' empfinde ich eher als albern.

  • Ich glaube, dass die unterschiedlichen Beurteilungen von Operninszenierungen auch daher rühren, dass z.B. die "professionellen Kritiker" alle Werke schon mehrmals gesehen haben und sich wünschen, wieder eine neue Sichtweise auf das Werk kennenzulernen. Zu diesen Kritikern möchte ich auch die nichtprofessionellen "Vielbesucher" von Opern zählen. Dagegen sind diejenigen, die nicht das Glück haben in einer STadt mit drei Opernhäusern zu leben, froh, wenn sie den "Tristan" vielleicht 3-4 mal im Leben sehen können, von einem kompletten Ring mal ganz abgesehen. Diese Opernfreunde wünschen sich dann ein musikalisches Erlebnis in einer werkgetreuen Aufführung.


    Ich persönlich gehöre sicherlich zu den nichtprofessionellen Vielbesuchern und bin immer sehr aufgeschlossen und vorurteilsfrei in eine neue Inszenierung gegangen. Machmal hat es mir gefallen, manchmal nicht. Dazu muss ich sagen, dass in meinen jungen Jahren ja Leute wie Hartmann, Rennert, Schuh, Schenk, später Ponelle usw. Regie führten. Das waren Leute, denen die Werke gut bekannt waren und die sich mit der Musik auskannten. Heute gibt es aber viele Regisserue, die vom Sprechtheater kommen und oft die Oper überhaupt nicht kennen. Erst kürzlich wurde mir von Sängern erzählt, dass ein Herr nach 14 Tagen Proben immer noch die Verwandschaftsverhältnisse der Personen durcheinander brachte !


    Ich mag es nicht, wenn ein Regisseur das Werk in eine Zeit versetzt, in der die Personen völlig anders reagieren, als sie das zur Zeit in der das Werk ursprünglich spielte getan haben. So habe ich z.B. in Berlin mal einen Othello von J. Flimm (dessen Ring in Bayreuth mir -mit Abstrichen - gefallen hat) gesehen. Er hatte die Darsteller als heutige , moderne junge Menschen verkleidet und auch das Bühnenbild passte in die Jetztzeit. Aber leider hatte weder Shakespeare das so beschrieben noch Verdi so komponiert. Die Handlungsweise - vor allen Dingen der beiden Damen - wiedersprach da so dem äußeren Eindruck, dass ich mich den ganzen Abend nur geärgert habe. Ich habe meiner Frau gesagt: "glaubst Du, eine heutige Emilia würde zusehen, wie ihr Mann (Jago) die Freundin (Desdemona) ins Verderben stürzt ? - Entweder sie ist genaus so ein Biest wie der Mann , oder sie sagt, hör mal - mein Alter ist ein Schwein, pass auf , der hat was Böses mit Dir vor "
    Im Stück, ist sie die Freundin, weiss Bescheid, hat aber zu "ihrer Zeit" gar keine Wahl, als stumm zu leiden.
    In dieser Art könnte ich einige Beispiele nennen, was aber den Rahmen hier sprengen würde.
    Ich wünsche mir, dass ein Regisseur das Werk in seiner Aussage bestehen lässt und die Sänger so leitet, dass sie ihre "Arbeit" gut ausführen können und auch als Schauspieler eine gute Figur machen.


    Und an "Basti" gewand, sage ich, dass ich mitlerweile Premieren kaum noch besuche, sondern abwarte, wie hat der Regisseur das Werk gemacht, was schreiben die Kritiker darüber. Wenn das meinen Vorstellungen entpsricht, sehe ich mir dann eine Nachfolgeaufführung an oder verzichte ganz (wie z.B. in Bayreuth die jetzigen Meistersinger und den Münchner Lohengrin). Die Freiheit habe ich und die nehme ich mir auch - das letzte Mal , dass ich mich "totgeärgert" habe war beim Schlingensiefschen Parsifal, das tue ich mir nicht mehr an !


  • Lieber Gunter und Taminoeaner/innen


    WAS haben "WIR" doch fuer ein LEBENDIGES Forum.
    Mun sind Wagner-Inszenierungen zwar immer nochmals eine Besondere Angelegenheit...weil METAPHER- / PARABEL- Charakter hier besonders gefragt sind,


    Deshalb gibt es fuer mich ZWEI besonders aussagekraeftige -wenn auch (selbstverstaendlich)
    kontroverse Inszenierungen des PARSIFAL.
    1.) Robert Wilson (Hamburg) mein uneingeschraenkte Nummer UNO....hier stimme ich sogar mit Sven ueberein, da Simone Youngs Interpretation mir noch besser gefallen hat als Metzmachers. (dafuer sind seine MEISTERSINGER (aus meiner Sicht) unuebertroffen


    2.) Die geniale, wenn auch z.T. sehr drastische, aussergewoehnliche Inszenierung von
    SCHLINGENSIEF in Bayreuth. Selten hat mich eine Inszenierung dermassen (im positiven Sinne) "BETROFFEN" gemacht wie dieser PARSIFAL.


    Gruss........."Titan"

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  • Lieber "Titan",


    es freut mich, dass Dir der Schlingensiefsche Parsifal gefallen hat, das ist ja gut, dass jeder anders empfindet !
    Ich muss halt ehrlich zugeben , dass für mich die Musik in der Oper das wichtigste ist, die Gedanken, die sich jemand um die Interpretation macht, zweitrangig. Da wars halt beim Schlingensiefen so, dass mich das Gewimmel auf der Bühne, die ewige Dreherei, Videos und die immer wieder kehrenden Hasen so aufgeregt haben, dass ich die Musik nicht mehr wahrgenommen habe und das war mir dann unerträglich.
    Dazu muss ich sagen, dass ich auch Filme, die dauernde "Action" bieten nicht mag und mir nicht ansehe, andere finden das ja auch aufregend und spannend. Aber wir haben ja die Wahl !


    in diesem Sinne - G.H.

  • Liebe Kollegen,


    in der hochinteressanten und vielschichtigen Diskussion lese ich immer wieder verwundert von der "Intention des Komponisten". Ich weiß nicht recht, was damit gemeint sein soll.
    Es gibt das Libretto, es gibt die Noten. Beide sind zu befolgen und zu interpretieren, wobei wir genau wissen, dass jeder Dirigent schon mal ein Tempo anders nimmt, ein Crescendo zuspitzt, ein Sänger eine Verzierung oder ein Rubato ainbaut, ein Regisseur nicht jede Szenenanweisung (Wer will ein Pferd in der Götterdämmerung?) befolgen muss oder kann (bei Wagner geht das oft technisch gar nicht - berühmtestes Beispiel: der fliegende und in der Luft stehem bleibende Speer in Parsifal), der Ausstatter nicht jede Bühnenanweisung (wollen wir wirklich, dass in der Götterdämmerung aus "Hörnchen" getrunken wird?).
    Meint ihr diesen Komplex? Ein darüber hinaus gehendes Konstruieren einer "Intention", etwa ein Hineingeheimnissen in Selbstzeugnisse wäre ja - im übertragenden Sinne - übelstes, willkürliches Regietheater! Oder meint ihr ein Befolgen von Aufführungstraditionen? Wobei hier gesagt sei, dass in den "goldenen Opernzeiten", also den 30er bis 60erJahren mit den Partituren musikalisch teilweise derart schlampig umgegangen worden ist, dass von musikalischer Werktreue nicht die Rede sein kann, geschweige denn von "Intentionen".
    Was also ist gemeint? Ich bin gespannt!

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Doch was willste machen - auch wenn basti rät, dass sich unsereins heutzutage von der Oper fernhalten solle - ich höre einfach zu gerne die Musik live vor Ort.


    Das habe ich ja auch nicht gesagt, du kannst natürlich so viel in die Oper gehen, wie du willst ;). Mich wundert nur, dass du so es so oft tust, obwohl du genau weißt, dass dir die szenische Gestaltung nicht gefallen wird.


    (Und dass du zumindest meinen Namen groß schreibst, so viel Zeit muss sein :lips:.)



    :hello:

  • Lieber Grillparzer,
    in jungen Jahren ging ich viel in die Oper. Die musikalischen Leistungen waren mal hervorragend, mal gut und sehr selten schlecht; von den Bühnenbildern und von den Kostümen ist das Gleiche zu sagen.


    Irgendwann machte sich dann das sogenannte "Regietheater" breit und vertrieb mich aus den Opernhäusern, weil der musikalische Teil der Veranstaltung immer mehr vergewaltigt wurde - ich benutze ganz bewusst diesen Begriff, weil ich das so empfand.


    Beispiel:
    Da hat die Filmemacherin Doris Dörrie am Nationaltheater München einen "Rigoletto" auf die Bretter gezaubert, der - zumindest aus meinem Blickwinkel - unter aller Sau war!
    Frau Dörrie hat den Rigoletto in einen Astronautenanzug gesteckt und ihn in einer Affengesellschaft landen lassen.
    Ich kann mir nur recht schwer vorstellen, dass es Musikfreunde gibt, die sich so etwas freiwillig antun, aber das scheint fortschrittlich zu sein; mancher möchte hier wohl aus diesem Grund dabei sein.


    Aber da haben wir ja noch den Parsifal von Chridtoph Schlingensief, und noch einen von Calixto Bieito - das sind gewichtige Namen geworden - irgendwann werden nur noch wenige wissen, dass Parsifal von Wagner ist...


    Diese beiden Inszenierungen haben keinen Theaterskandal ausgelöst, die Presse war recht freundlich, aber die FAZ brachte es in einer Bemerkung auf den Punkt: "Christoph Schlingensief, der sich selbst so lustvoll ins Licht zu setzen weiß..."


    Vor wenigen Tagen ging ich mal wieder in die Oper - Parsifal stand auf dem Programm. Vorher hatte ich das Reclam-Heftchen gründlich studiert.
    Gleich auf der ersten Seite steht es:
    "Ort der Handlung: auf dem Gebiete und in der Burg der Gralshüter <Monsalvat>; Gegend im Charakter der nördlichen Gebirge des gotischen Spaniens."


    Offenbar hatte der Regisseur das Heftchen auch gelesen...
    Es war eine Inszenierung von 1957, die auch in unseren Tagen noch so über die Bühne geht und Menschen begeistert und erbaut. So langsam gewinnt auch diese Uraltinszenierung an Bedeutung - es ist ein Weltrekord, und das passt ganz hervorragend in unsere Zeit, so was mögen die Leute...


  • Lieber "hart"
    Erstens freue ich mich, dass Dir die INSZENIERUNG in Mannheim von 1957 gefallen hat............ich habe sie 1 x gesehen und ein anderes Mal meine Karte verschenkt, weil ich die Inszenierung nicht noch einmal ertragen wollte.


    >>>und das passt ganz hervorragend in unsere Zeit, SO WAS MÖGEN DIE LEUTE<<<<


    Ich kenne Leute aus Trinidad aus Norwegen, aus Ungarn, aus den USA (4 Bekannte) ......die ALLE wegen SCHLINGENSIEFS Parsifal nach Bayreuth gekommen sind (wie ich auch)


    Deswegen kann ich meinen Geschmack und meine Erfahrung doch aber nicht verallgemeinern.....ODER: soll ich auch schreiben >> SO WAS MÖGEN DIE LEUTE<<< ????


    Dann könnetn wir uns TAMINO irgendwann um die Ohren schlagen.



    Gruss............."Titan"

  • Lange habe ich diesen Thread gelesen, wollte gerne mit diskutieren, konnte es aber nicht, da ich auf Alfreds Frage eigentlich keine konkrete Antwort hatte. Der Bielefelder "Wildschütz" zeigte mir einmal mehr, wie eine moderne Inszenierung aussehen kann, ohne sich vom Original zu entfernen.
    Irgendwo bei Basti oder kurz davor, tauchten die Begriffe "wahr oder falsch" auf, die aber für mich kaum zu einer Bewertung einer Inszenierung passen.
    Eine Inszenierung kann man sicherlich falsch nennen, wenn jemand die Tosca wie die Walküre bebildert. Wenn jemand eine Inszenierung als falsch oder wahr bewertet, dann setzt er nach meiner Meinung sich weit über eine subjektive Bewertung hinweg und versucht seine Meinung als Maßstab zu etablieren. Das haben wir schon in Religionen und das hat schon genug Ärger gemacht, das möchte ich ehrlich gesagt nicht noch in der Musik haben.


    Sicherlich kann man die Inszenierung als nicht werkgerecht empfinden (oder langweilig), aber das scheint eher in den ewigen Streit zwischen Traditionalisten und Modernisten (????) zu gehören.
    Für mich hat die Inszenierung schon irgendwo die Aufgabe dem Werk gerecht zu werden: Sprich: Eine "La Cenerentola" - es spricht ja schon aus der Musik - sollte eigentlich auch komische Elemente haben. Bei einem Drama giocoso kann man sich durchaus entscheiden, ob man das Drama oder das Heitere etwas mehr betont.
    Die Frage der zeitlichen Einordnung ist ja auch immer eine heikle Sache: Sicherlich funktioniert ein "Figaro" am besten in seiner Zeit, aber mit einigen Abstrichen kann er auch in der heutigen Zeit noch deutlich machen, worum es geht.
    Was aber wäre wenn man ein Werk wie "1984" plötzlich ins Mittelalter verlegen würde? Wie würden die Leute reagieren? Wenn man den einen Weg geht muss doch auch das umgekehrte erlaubt sein?


    Wärhend ich hier so vor mich hin schreibe und nicht so recht auf den Punkt komme, fällt mir immer mehr auf, dass eine Inszenierung bis auf einen Unterhaltungsfaktor und eine plausible Bebilderung eigentlich gar nichts leisten kann, solange man sich nicht als Zuschauer auf die Sicht eines Regisseurs einlassen will oder kann. Beispiele dafür haben zum Beispiel Knusperhexe und Basti (nicht böse gemeint ihr beiden, ich folge eurer Diskussion sehr gerne) auch schon in diesem Post geliefert. Wenn man Modernisierungen nicht leiden kann, wird man sich bei Bieto wohl immer unwohl fühlen, aber auch als Traditonalist wird man eine langweilige "Cenerentola" bar jeder Pointe und Witzes auch im historisch korrektem Kontext nicht gut finden.


    Vielleicht sollte man also fragen: Wie muss eine Inszenierung sein, damit sie meinem Anspruch gerecht wird? Oder was muss ich tun, damit mein Anspruch nicht an einer Inszenierung scheitert?

  • Lieber hart,


    ich wollte in keiner Weise gegen die "alten Zeiten" ins Feld ziehen oder mich gar als Verehrer des sogenannten Regietheaters "outen". Meines Erachtens geht es bei der Regie (wie beim Dirigat) vor allem um gedankliche Durchdringung des Werks und handwerklich saubere Umsetzung des Ergebnisses dieser Abend.


    Ich wollte darüber hinaus anmerken, dass ich glaube, dass das Kunstwerk für sich spricht und sprechen kann. Mit der Erstaufführung hat der schaffende Künstler das Werk frei gegeben, was natürlich Regisseur und Dirigent keineswegs von einer Verantwortung dem Werk gegenüber frei stellt.


    Und es liegt mir sehr daran, darauf hinzuweisen, dass sich musikalisch mindestens solche Freiheiten genommen werden wie szenisch, nur kommt man damit offenbar leichter zurück. Extremes Beispiel: In Karajans (wobei ich kein "Karajan-Hasser" bin) "Parsifal"-Aufnahme bei der DGG höre ich unter lauter Oberflächenpolitur Wagners Werk nur aus der Ferne. Parsifal hat Intonationsprobleme, Kundry keift - oft keine Musik. Warum greift man die Regisseure an, will man "Originales" auf der Szene haben, aber dass heute viel lauter musiziert wird, dass die Stimmung der Instrumente viel höher ist, so dass etwa "Salome" als "Elfenmusik" wie von Strauss gefordert (und dirigiert!) gar nicht mehr möglcih ist, interessiert niemanden?
    Das lässt mich ratlos zurück.

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Lieber Titan,
    Du hast gewonnen! Mein Tamino-Freund kam nur aus Stuttgart nach Mannheim...
    Wir sind hier eher Provinz und nicht so weltläufig aufgestellt.

  • Zitat

    Original von hart
    Lieber Titan,
    Du hast gewonnen! Mein Tamino-Freund kam nur aus Stuttgart nach Mannheim...
    Wir sind hier eher Provinz und nicht so weltläufig aufgestellt.



    Lieber "hart"


    Mir get es doch gar nicht ums gewinnen.....da verzichte ich gerne drauf...


    wenn WIR Taminos stattdessen einen Weg finden, der einerseits unseren Standpunkt KLAR vertritt, wie Du DAS ja auch beim Mannheimer PARSIFAL getan hast...................
    DOCH die Schlussfolgerung (wie war DAS?).......
    :DAS ist DAS (ala Parsifal-Inszenierung von 1961) WAS DIE LEUTE SEHEN WOLLEN, betrifft ja einen Teil des Publikums,


    die von mir erwähnte Gruppe würde ausgeschlossen , ignoriert, dass ein ANDERER Teil des Publikums >>WAS ANDERES << sehen will.


    Ich spreche absichtlich nicht von >>Mehrheiten<< in die eine oder andere Richtung (PRO oder CONTRA Musiktheater,........DAS würde die tendentioesen Absichten von Alfred nur fortsetzen....dem das Musiktheater ein Graus isi (was sein gutes Recht ist deswegen dagegen zu Felde zu ziehen)...............


    ABER neben Dolchstossen muss eine Verständigung der beiden Richtungen, ein MITEINANDER -aus meiner Sicht- ein anzustrebendes, MIR sehr wichtiges Ziel sein und bleiben.


    Im Übrigen, hab ich in Schwetzingen und Mannheim SEHR wichtige Aufführungen plausiblen und begeistert aufgenommenen MUSIKTHEATERs geniessen dürfen !!!......Dein Unterton, lieber "hart" macht mich eher traurig.


    Gruss..............vom Missisippi (Mark Twain Home Town HANIBAL)
    "Titan"

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  • Zitat

    Original von WotanCB
    aber auch als Traditonalist wird man eine langweilige "Cenerentola" bar jeder Pointe und Witzes auch im historisch korrektem Kontext nicht gut finden.


    Ich persönlich würde sie aber immer noch besser finden als eine zeitlich versetzte Cenerentola:-)

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    Ich persönlich würde sie aber immer noch besser finden als eine zeitlich versetzte Cenerentola:-)


    Das kann ich nicht verstehen......Was bringt denn eine historisch korrekte Ausstattung, wenn die Aussage nicht rüber kommt?

  • Aussage und Wirkung ist aber doch etwas unterschiedliches. Und mir persönlich, leistet eine "historisch korrekte" Cenerentola immer noch mehr Unterstützung, als eine Neudeutung. Letzteres ist mir immer zu eigenständig und ablenkend vom Originalwerk.