SKANDAL!!! Etatkürzungen "Kultur" von provinziell bis international

  • Mit Entsetzen habe ich heute Morgen die Meldung gelesen: Niederlande planen musikalischen Kahlschlag - Parlament beschließt drastische Kürzungen. Infolge drastischer Etatkürzungsbeschlüsse der Tweede Kamer des niederländischen Parlaments sind verschiedene Klangkörper und musikalische Zentren in den Niederlanden offenbar existentiell bedroht. Dazu soll beispielsweise das Musiekcentrum van de Omroep in Hilversum gehören, damit zugleich das Radio Filharmonisch Orkest Hilversum, dem seit Neuerem Markus Stenz vorsteht, ebenfalls der Groot Omroepkoor in Hilversum, die Radio Kamer Filharmonie Hilversum und andere Institutionen. Kurz: Der Klassikbetrieb von Radio Hilversum wird dicht gemacht. Das ist, als würden das WDR Sinfonieorchester Köln inklusive WDR Rundfunkchor, WDR Rundfunkorchester, WDR Bigband und Anrainer mal eben abgeschafft. Unvorstellbar! :thumbdown:


    Im September 2008 hatten wir aus dem Forum heraus auf den Hilferuf des in Etatnotlage geratenen Nederlands Kamerkoor reagiert und durch kollektive E-Mails zu seinem Erhalt beigetragen, guckst Du hier ->
    Nederlands Kamerkoor - Einer der besten Chöre der Welt wird weggekürzt?


    Wir werden sehen, ob auch jetzt wieder Unterstützung nötig werden wird.


    Es ist bemerkenswert, dass diese Maßnahme von der neuen rechtspopulistisch mitgeführten rechtsliberal-christdemokratischen Regierung als eine der ersten Maßnahmen ergriffen wird. Soviel für den Anfang zum Thema "wertekonservativ" als eines der Aushängeschilder christdemokratischen Handelns - da hatte ich bisher offenbar unzutreffende andere Vorstellungen davon (aber was weiß ich schon über Christdemokratie ...). Es kommt Spannung auf, wann sich denn ÖVP, CDU/CSU und CVP ein Beispiel an ihren niederländischen Kollegen nehmen. :?:

  • Müssen generell die staatlichen und die städtischen Subventionen für die Kultur anders legitimiert werden als die Unterstützung anderer Bereiche wie Straßenbau, wie Wohnbauförderung? Budgetär ist Kultur immer das, was zuerst wegfallen soll. Woher kommt das? Ist die Lobby zu klein oder ist Kultur einfach zu unwichtig?

  • ... Woher kommt das? Ist die Lobby zu klein oder ist Kultur einfach zu unwichtig?


    Nein. Ist doch ganz einfach: Mit Kürzungen bei Kulturbudgets werden die kleinsten Wählergruppen verärgert. Bei jeder anderen Einsparung trittst du wesentlich mehr Leuten auf den Schlips...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Winzigkeit der Wählergruppe - ganz sicher ist dies auch ein Aspekt. Hinzu kommt, dass den sich potentiell betroffen fühlenden Bürgern ein gehöriges Maß Aufmüpfigkeit eher generell abgeht. Dass sich - zum Beispiel in Bonn im Angesicht geballter budgetorientierter Hasenfüßigkeit der Entscheidungsträger im Zusammenhang mit dem kaltgestellten Festspielhausneubau - tatsächlich so etwas wie eine Bewegung von Bürgerinteressen um die Themen Beethovenhalle und Festspielhaus bildete, ist dann doch eher ein verblüffendes Einzelvorkommnis. Oder ist ähnliches Euch anderenorts bekannt?


    Was für ein sich aus seriösen Rechnungen ergebendes wirtschaftliches (z. B. auch Tourismus, ...)-Potential mit einer solchen das - nun nach Meinung vieler maßgeblicher Köpfe gefährdete - Beethoven Fest auf Jahrzehnte sichernden Bauentscheidung hätte verbunden sein können, wird dann schlicht ignoriert.


    Da muss eines dieser erstaunlichen südamerikanischen Jugendorchester zum Beethovenfest kommen und sich wundern, dass die Bonner keine festspielangemessene Behausung bieten können und auch nicht haben wollen - in der heimatlichen Favela sei die Baugrube längst ausgehoben, die Konzerthalle im Bau. Während hier ein solcher Neubau die Verantwortlichen den Horror sozialer Friktionen befürchten lässt, ist er dort in der Favela wohl reinste Selbstverständlichkeit.


    Die öffentliche Meinung ist offenbar eine diffizile Angelegenheit. Eine Vernachlässigung sozialen Wohnungsbaus ist geeignet, die Massen zu mobilisieren und auf die Straße zu treiben, baust Du eine Straße, hast Du hinterher was zum vorzeigen, auf dem Du ganz real herumtrampeln kannst, und außerdem auch noch die Arbeitsplätze bei BMW und Porsche gesichert.


    Aber "Kultur" - das ist doch Schall und Rauch ohne jede materielle Substanz. Da steckst Du als Stadt Bonn oder als Königreich der Niederlande vorne viel rein, aber hinten kommt nichts heraus - außer vorprogrammierter Ärger mit denen, die auf die öffentlichen Gelder schielen und bereit sind, für ihre privaten Interessen auch laut zu werden und bei der nächsten Wahl mit den Füßen abzustimmen.


    Dass "Kultur" nicht in erster Linie den privaten Interessen derjenigen dient, die als Kultur(/Klassik-/...-)Liebhaber ihr privates Geld dafür ausgeben, dass Kultur stattfindet, sondern vorrangig einem materiell nicht fassbaren Teil des öffentlichen Interesses - wie willst Du das in Zeiten leerer Kassen verargumentieren?


    Schon mal einen Klassikliebhaber aufmucken gesehen???


    Falls ja ... das wäre eines der Themen dieses Threads ...

  • Vorab einmal gleich ein Link zur Bonner Oper und dem übrigen Bonner Theater, um dessen reale Existenzgefährdung es im folgenden gehen soll:
    [ ->externer Link zum Theater Bonn-> ] Unterschriftslink des Theaters Bonn

    Geht es nach dem beim dritten Kölner kulturpolitischen Symposium geäußerten Wunsch des Bonner Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch, so wird die Oper Bonn geschlossen und die bereits abgeschaffte Sparte Tanztheater wieder eröffnet. Der Vorschlag soll vermutlich so verstanden werden, dass die Bonner (und Kölner) Bürger in die Kölner Oper, die Kölner (und Bonner) Bürger ins Bonner Tanztheater gehen sollen.


    Die traditionsreiche Oper derjenigen Stadt, die sich die Marke Beethoven auf ihre Fahnen geschrieben hat, soll also von der Kulturbühne verschwinden. Da das Beethoven Orchester Bonn zugleich das Bonner Opernorchester stellt, ist mit diesem „Denkanstoß“ des Oberbürgermeisters auch die Existenz dieses Orchesters gefährdet. Denn ob die von ihm mitgeplante Aushilfstätigkeit des Bonner Orchesters in der vom Gürzenich-Orchester Köln bespielten Kölner Oper für den Existenzerhalt ausreicht, mag als fraglich angesehen werden. A-Orchester wird das Beethoven Orchester Bonn dann vermutlich nicht mehr lange bleiben können - auch so kann weiter gespart werden.


    Dass diese Pläne die Bonner Kulturschaffenden und kulturinteressierten Bürger in helle Aufregung versetzen, liegt auf der Hand. Deshalb bittet das Theater Bonn in seiner Existenznot um Unterstützung, die wir schon sehr einfach durch unsere „elektronische Unterschrift“ zugunsten des Theaters auf dessen Webseite leisten können:
    [ ->externer Link zum Theater Bonn-> ] Unterschriftslink des Theaters Bonn


    Ich schließe mich der Bitte des Theaters Bonn an, ich bitte Euch sehr herzlich darum, der Bonner Kulturlandschaft auf diesem einfachen Weg Eure Unterstützung zukommen zu lassen. Solltet Ihr weitere Informationen hierzu wünschen, findet Ihr sie auf der angegebenen Seite des Theaters Bonn und im Onlineauftritt des Bonner General-Anzeigers general-anzeiger-bonn.de unter Lokales/Kultur.

  • Das ist in Zeiten der Krisen ein beliebtes Mittel der Politiker - wie schon Theophilus schrieb: Da ist der geringste Widerstand zu erwarten, weil der Interessentenkreis zu klein ist.


    Die ZDF-Kulturzeit brachte gestern, am 24.11.2010, kurz vor acht Uhr, einen ausführlichen Bericht aus Italien - verbunden mit verbalen Schießversuchen auf Berlusconi - über die geplanten Etatkürzungen auch bei den großen Bühnen wie Genua, Neapel und Mailand. Genua ist demnach so gut wie zu; Mailand hat noch einige Sponsoren, die aber angeblich auch nicht mehr zuschießen wollen, Neapel geht's auch nicht besser! Düsternis überall...


    LG

    .


    MUSIKWANDERER

    Einmal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Hallo, Udo!


    Auch ich gehöre zu den Klassikliebhabern, die das blanke Entsetzen packt bei den Plänen von Jürgen Nimptsch! Wenn man die näheren Umstände der finanziellen Nöte der Stadt Bonn kennt und weiß, wie dort Steuergelder verschwendet wurden, packt einen die Wut. An der Kultur soll gespart werden! Ich werde mich mit allen meinen Kräften für den Erhalt der Bonner Oper, die ich viele, viele Jahre besucht habe, einsetzen.




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich werde mich mit allen meinen Kräften für den Erhalt der Bonner Oper, die ich viele, viele Jahre besucht habe, einsetzen.


    Lieber Wolfgang, Musikwanderer, Theophilus,


    ein ganz herzliches Dankeschön! Ich finde es wichtig, dass wir als Besucher der Oper und des Beethovenorchesters uns in dieser Weise engagieren - und unabhängig vom persönlichen Wohnort auch einfach, um zur Erhaltung der kuturellen Vielfalt beizutragen.


    Gruß, Ulrich


    Übrigens: die Unterschriftsliste ist noch offen, jede Einschreibung - Link siehe unten - ist sehr willkommen und wichtig.

  • @ Ulrich Kudoweh


    Ich würde empfehlen ZUSÄTZLICH einen eigenen Thread zu diesem Thema mit entsprechendem Tiel. "Rettet....etc!
    zu eröffnen - das wird dann im Internet bei google besser gefunden


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Bei aller Empörung über die Kürzung der Subventionen für Opernhäuser in Europa - aber es fehlt bei den bisherigen Beiträgen jeder Hinweis auf die selbstverschuldeten finanziellen Missstände in vielen, ja den meisten Opern. Die deutsche WIRTSCHAFTSWOCHE, Ausgabe vom 22.11.2010, hat in einem dankenswerten Artikel ("Entführung aus dem Paradies") einiges Zahlenmaterial und viele Argumente über mangelnde betriebswirtschaftliche Führung zusammengestellt.


    Allerdings erwähnt die WIRTSCHAFTSWOCHE mit keinem Wort eine der Hauptursachen für die finanziellen Probleme - es sind in Deutschland (vermutlich auch in Österreich) die unhaltbaren Tarifverträge für ein Teil des nichtkünstlerischen Personals und für die Orchestermusiker mit vielen unzeitgemäßen Pfründen und Privilegien. Es wird auch nicht gesagt, dass die wahren Herren unserer deutschen Opernhäuser die Personalräte, Chor- und Orchestervorstände, die Gewerkschaft ver.di und die Deutsche Orchestervereinigung sind und nicht die Intendanten.


    Der zitierte Beitrag in KULTURZEIT bei SAT3 war wieder einmal das übliche, unqualifizierte Feuilletonistengejammer. Hochinteressant dagegen das anschließende Interview mit einem Regisseur (Namen ist mir entfallen), der unkonventionelle, gar revolutionäre Vorschläge für die Reform der Sprech- und Musiktheater machte (z.B. nicht die Subventionierung von Apparaten, sondern von Projekten)


    Mich stört auch hier im FORUM die Selbstverständlichkeit, mit der wir Opernfreunde eine öffentliche Subventionierung unseres Steckenpferdes verlangen. Muß denn der türkische Straßenkehrer und die junge Frau an der Supermarktkasse unser elitäres Vergnügen mitfinanzieren?


    Speziell zu Bonn möchte ich daran erinnern, dass Orchestermusiker (vor allem Streicher) vor ca. zwei Jahren zum Arbeitsgericht gehen wollten, weil einige Instrumentengruppen nicht einmal die wenigen, tariflich vorgesehenen Dienste ableisteten. Dass war sogar der hartleibigen Lobbyorganisation, der Deutschen Orchestervereinigung, wahnsinnig peinlich. Die Klage wurde deshalb zurückgezogen.

  • Schiral gebraucht starke Worte und nicht alles, was schreibt ist falsch. Davon einmal abgesehen, daß aus seinen Zeilen auch nur "Gejammer", allerdings aus anderer Warte, herauszulesen ist, lese ich in seinem Beitrag auch nur Plattitüden. Aber das ist geschenkt.


    Ohne Subventionen hat Kultur - hier für die Oper gemeint - noch nie funktioniert. Und der zitierte "türkische Straßenfeger" und die "junge Frau an der Supermarktkasse" müssen - wie wir alle - noch für ganz andere, vielleicht sogar schlimmere Sachen unser Geld ungefragt hergeben.


    Zitat

    Allerdings erwähnt die WIRTSCHAFTSWOCHE mit keinem Wort eine der Hauptursachen für die finanziellen Probleme - es sind in Deutschland (vermutlich auch in Österreich) die unhaltbaren Tarifverträge für ein Teil des nichtkünstlerischen Personals und für die Orchestermusiker mit vielen unzeitgemäßen Pfründen und Privilegien. Es wird auch nicht gesagt, dass die wahren Herren unserer deutschen Opernhäuser die Personalräte, Chor- und Orchestervorstände, die Gewerkschaft ver.di und die Deutsche Orchestervereinigung sind und nicht die Intendanten.


    Vielleicht könnte zur Vertiefung und zum besseren Verständnis den Musik- und Opernfreunden mitgeteilt werden, was "unzeitgemäße Pfründe und Privilegien" sind. Der Kenner kann ja dem "einfach gestrickten Laien" bestimmt weiterhelfen.


    MfG

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hallo, schiral!


    Von unseren Steuergeldern werden auch Umschulungen für türkische Straßenkehrer und Kassiererinnen, und Moscheenbauten mitfinanziert. Dieses Geld fehlt in Deutschland wiederum an anderen Stellen.



    Gruß Wolfgang

    W.S.


  • Von unseren Steuergeldern werden auch Umschulungen für türkische Straßenkehrer und Kassiererinnen, und Moscheenbauten mitfinanziert. Dieses Geld fehlt in Deutschland wiederum an anderen Stellen.


    Das Argument greift jetzt aber zu kurz. Umschulungen für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger dienen der Integration und damit auch der Akkulturation. Man kann nicht über Parallelgesellschaften jammern und dann nichts dafür tun, diese Menschen in unsere Gesellschaft einzubetten. Ein Langzeitarbeitsloser, der in seinem Feld keine Arbeit mehr finden wird und noch kann, soll umlernen. Egal ob Türke, Schwede, Österreicher oder Deutscher. Wer hier lebt gehört hierher. Ein Türke, der nach Umschulung Arbeit findet, bezahlt in UNSERE Sozialkassen ein. Deshalb bekommt er auch Sozialleistungen, wenn er keine Arbeit mehr hat. Bitte sinken wir hier nicht auf Populismus ab!


    Es gibt viel Unnützere Ausgaben, man braucht nur den jährlichen Bericht des Bundesrechnungshofs zu lesen. Da könnte man Milliarden einsparen.


    Und jetzt werde ich auch mal populistisch: wieviele türkische Kassierinnen kannst Du fördern von den Steuerausfällen durch die neue Mehrwertsteuer für Hotelzimmer und sonstige Klientelpolitik.


    Mist - eigentlich wollte ich mich im Forum nicht politisch äußern, aber das musste doch mal raus!


    Zu den Moscheen äußere ich mich jetzt nicht. Erstens weiß ich nicht, wieviel aus seinem Haushalt beispielsweise die Bundesstadt Bonn für den Moscheenbau ausgibt, deshalb kann ich nicht sagen, ob das Geld anderswo fehlt, und zweitens führt mir das jetzt zu weit. Aber soviel: ein Land, das Religionsfreiheit und freie Religionsausübung in seiner Verfassung stehen hat, muss den Kirchenbau genauso fördern wie den Bau jeder anderen anerkannten Glaubensgemeinschaft auch.

  • Hallo, Travinius!


    Eigentlich wollte ich mich zu dem Thema gar nicht äußern. Ich hatte mich nur über den "türkischen Straßenfeger" oder das "Fräulein an der Supermarktkasse" geärgert, die hier ins Spiel gebracht wurden. Es ist mit Sicherheit falsch angekommen, was hier gemeint war. Ich wollte damit nur sagen, daß mit unseren Steuergeldern auch für Ausländer viel getan wird, in welcher Richtung auch immer. Wenn das falsch interpretiert wird, entschuldige ich mich dafür!


    Das von unseren Politikern viel Geld verplempert wird, das wird einem schon vor Augen geführt, wenn man nur jeden Tag die Nachrichten sieht und hört. Das dann u.A. an der Kultur gespart wird, ärgert mich maßlos!


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Nichts für ungut. Ich reagiere momentan etwas empfindlich auf die populistischen Parolen, mit denen sogar die Bestsellerlisten gestürmt werden.


    Das ist auch ein Bild, das unsere Kultur nach aussen abgibt: hier liest man lieber Sarrazin! Traurig und bitter.


    Die Politik kann nicht viel machen, die Kassen der Kommunen sind leer. Aber es ist eben viel werbewirksamer für große Unternehmen, die derzeit besser denn je verdienen, Millionen und Abermillionen für den Namen eines Fußballstadions herauszuhauen, anstatt in Bonn ein Festspiel-Areal hochzuziehen. Sollen es von mir aus die Telekom-Festspielhalle und das Deutsche-Post-Beethovenfest sein oder was auch immer, von mir aus können die Vorhänge Magenta werden. Aber warum gibt die Wirtschaft kein Geld für die Kultur?!?


    Die Antworten sind so simpel wie enttäuschend: zu kleine Zielgruppe (wie auch schon oben bei den Wählergruppen angedeutet), und: wer will schon gebildete Untertanen? Leute, die anderen Menschen zujubeln, die einem Ball hinterherrennen machen keine Revolutionen. Ist Euch mal aufgefallen, wie viele unpopuläre politische Entscheidungen während der Sommermärchen-WM oder der letzten EM getroffen wurden? Menschen, die den Rienzi oder den Manfred verstehen, kommen zu anderen politischen Entscheidungen...

  • Die Politik kann nicht viel machen, die Kassen der Kommunen sind leer. Aber es ist eben viel werbewirksamer für große Unternehmen, die derzeit besser denn je verdienen, Millionen und Abermillionen für den Namen eines Fußballstadions herauszuhauen, anstatt in Bonn ein Festspiel-Areal hochzuziehen. Sollen es von mir aus die Telekom-Festspielhalle und das Deutsche-Post-Beethovenfest sein oder was auch immer, von mir aus können die Vorhänge Magenta werden. Aber warum gibt die Wirtschaft kein Geld für die Kultur?!?


    Lieber Travinius, Du weisst aber schon, dass es in Bonn gerade die drei Unternehmen Deutsche Telekom, Deutsche Post und Postbank waren, die der Stadt Bonn ein 75 Millionen Euro teures Festspielhaus schlüsselfertig hinstellen wollten, gell? Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch stellte im Oktober 2009 fest: "Da fließt kein städtischer Euro rein." Allerdings auch keiner der drei genannten Unternehmen, nachdem Oberbürgermeister Nimptsch deren Zahlungsbereitschaft im April 2010 ausschlug, indem er meinte, die Stadt Bonn könne sich ein derart wertvolles Geschenk nicht leisten, die Folgekosten seien zu unabsehbar angesichts der unsicheren Kassenlage der Stadt.


    Wenn wir privates finanzielles Engagement in der Kultur fordern, müssen wir es auch fördern. Solange in Deutschland gutwillige private Geldgeber mit Füßen getreten werden, Ihr guter Wille zu Tode diskutiert wird, Politiker zu ängstlich sind, ein derartiges kulturelles Großprojekt mit enormen Renditeaussichten aus der mit ihm einhergehenden Fremdenverkehrsförderung etc. auch durchzuziehen, es anstelle einer eigenen mutigen Entscheidung auf den Prüfstand plebiszitärer Bürgerbefragung stellen nach dem Motto: Na, soll dieses gute Geld nicht besser unseren Kindern, die unsere Zukunft sind, zugute kommen - als irgendwelchen elitären alten Säcken, die in solchen Konzertveranstaltungen verschimmeln und ohnehin im Geld schwimmen, nicht, das wollt Ihr doch auch nicht, liebe Bürger??? - solange dürfen wir uns nicht wundern, dass die Spenden- und Stiftungskultur über ein zaghaftes Knospen nicht hinaus kommt.

  • Lieber Travinius, Du weisst aber schon, dass es in Bonn gerade die drei Unternehmen Deutsche Telekom, Deutsche Post und Postbank waren, die der Stadt Bonn ein 75 Millionen Euro teures Festspielhaus schlüsselfertig hinstellen wollten, gell?


    Nein, weiß ich nicht. Aber die Namen waren auch nur Platzhalter. Meistens sind es halt lokale Unternehmen, die in ihren Städten fördern.


    Das endet häufig, wenn die lokalen Unternehmen 'globalisiert' werden (wie seinerzeit Mannesmann durch vodafone in Düsseldorf).


    Telekom und Post sind tief in Deutschland und speziell in Bonn verwurzelt, man sieht ihre Spuren in Bonn überall, von daher waren sie hier schlecht gewählte Beispiele. Es gibt halt Beispiele für und gegen die These.


    Wo wir bei Düsseldorf sind: wir dürfen auch das private Engagement von e.on nicht unterschlagen bei der Kultur im Ehrenhof. Ja - es gibt auch positive Beispiele, wollen wir nicht undankbar sein.


    Das Argument des Bürgermeisters von Bonn, so wie Du es zitierst, läßt einen wirklich nur ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln bekommen... ein klassisches Beispiel politischer Kurzsichtigkeit.
    Solche Denkweise hätten wir in Düsseldorf gebrauchen können, als ein Oberbürgermeister, Gott sei seiner Seele gnädig, hier eine Sportarena aus dem Boden gestampft hat, die hier so wirklich keiner braucht! Und jetzt steht das Teil da... und wir kriegen Lena. Herzlichen Dank.

  • Speziell zu Bonn möchte ich daran erinnern, dass Orchestermusiker (vor allem Streicher) vor ca. zwei Jahren zum Arbeitsgericht gehen wollten, weil einige Instrumentengruppen nicht einmal die wenigen, tariflich vorgesehenen Dienste ableisteten. Dass war sogar der hartleibigen Lobbyorganisation, der Deutschen Orchestervereinigung, wahnsinnig peinlich. Die Klage wurde deshalb zurückgezogen.


    Wenn man keine Ahnung hat ... sollte man einfach mal keine schlecht recherchierten Behauptungen in die Welt setzen. Das Ganze spielte sich im Frühjahr 2004 ab, also vor inzwischen sechseinhalb Jahren. Am Orchester waren diverse Planstellen vorwiegend zu Lasten der Streicher eingespart worden, weshalb 16 Geiger das Arbeitsgericht anriefen mit dem Ziel, bessere Gleichbehandlung der Instrumentengruppen bei der Auslastung der Dienste zu erreichen. Und es wurde keine Klage "zurückgezogen" aufgrund irgendeines Drucks der Deutschen Orchestervereinigung, sondern die Stadt Bonn hat den klagenden Geigern eine außergerichtliche Einigung angeboten, auf deren Inhalte sich beide Seiten verständigten: die Streicher wurden um zwei halbe Stellen verstärkt, der Nachwuchs der Rheinischen Streicherakademie wurde im Orchester eingesetzt.


    Aber weiter oben ist ja schon festgestellt, welche Qualität Schirals Aussagen haben, dieser Einzelpunkt liegt ganz auf dieser Linie.

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  • Hallo, Ullrich!


    Ich kann Dir nur auf ganzer Linie Recht geben, da ich einige Musiker kannte und auch mit Jemandem aus dem Orchester befreundet bin. Daher bin ich auch über die Sachlage damals informiert.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Nachtrag zum Bonner Kaschperltheater:
    Wie gesagt, der Oberstadtdirektor von Bonn hat das Geschenk eines Beethoven Festspielhauses für 75 Millionen Euro abgelehnt, weil die Folgekosten ihm zu unabsehbar schienen.


    Heute meldet die Stadt Bonn: Es werden jetzt die Kosten zur Beseitigung bisher bekannter Mängel an Dach und Fach von Beethovenhalle und Oper ermittelt. Bis zum Jahr 2020 müssen den Plänen zufolge insgesamt rund 5,7 Millionen Euro für die Beethovenhalle aufgewendet werden. Im Haushaltsjahr 2011 werden über 1,7 Millionen Euro als Mittel für die Beethovenhalle angemeldet und 2012 etwas mehr als 1 Million Euro. Für das Opernhaus ist ein Aufwand in Höhe von insgesamt 8,2 Millionen Euro bis zum Jahr 2020 nötig. Die Anmeldungen für die Oper betragen im Haushaltsjahr 2011 rund 1,2 Millionen Euro und im Jahr darauf zirka 1,1 Millionen Euro.


    Wohlgemerkt: Mit den Millionen werden nur die Mängel an Dach und Fach beseitigt - also vorgesorgt, dass nichts zusammenbricht, Brandschutzmaßnahmen, Erneuerung der Sanitäranlagen, Sicherheitsbeleuchtung, Dach- und Aufzugsreparaturen, Kanaluntersuchungen.


    Maßnahmen für die Bühnentechnik und die Ausstattung der Häuser, Erneuerungsarbeiten an den Betriebseinrichtungen der Oper sind in dieser Kostenplanung überhaupt noch nicht inbegriffen. Maßnahmen zur Herstellung einer halbwegs annehmbaren Akustik in der Beethovenhalle? - Fehlanzeige. Dabei ist die Akustik der Beethovenhalle nach den Maßstäben der letzten zwanzig Jahre und nach aktuellen Maßstäben der im Umland entstandenen Neubauten (Beispiel Konzerthaus Dortmund) inakzeptabel, nach den Maßstäben eines Concertgebouw oder eines Musikvereinssaals unterirdisch, allemal unwürdig eines Beethovenfestes.


    Aber ein geschenktes Beethoven Festspielhaus - wer braucht das schon ... :whistling:


    Ist doch super, dass Herr Nimptsch diese Kosten für die Oper gar nicht mehr aufwenden muss, wenn er den Opernbetrieb einstellt. :jubel: Ach ja - Abrisskosten für ein Gebäude dieses Zuschnitts dürften auch wieder in einige Millionenbeträge gehen.

  • Es ist allerdings nicht aufgrund von Naturkatastrophen geschehen, dass die Kommunen notorisch klamm sind. Sondern es liegt nicht zuletzt daran, dass die Steuern, die ihnen zugute kommen seit Jahrzehnten vom Bund gesenkt worden sind (Gewerbesteuer u.a.). Seit nunmehr fast dreißig Jahren überbieten sich die Bundesregierungen mit Steuergeschenken für Besserverdienende und besonders Unternehmen, von zusätzlichen Subventionen und den Billionen die beim "Aufbau Ost" in dubiosen Kanälen versackt oder in den letzten 2 Jahren den Pleitebankstern in den Rachen geworfen wurden, gar nicht zu reden.
    Vermutlich haben sich auch etliche Kommunen in besseren Zeiten verhoben und werden jetzt von den laufenden und Renovierungskosten zermürbt. Aber für einen großen Teil ihrer Misere können sie tatsächlich nicht viel, weil sie eben die Steuersätze, von denen sie sich finanzieren, nur zu einem geringen Teil selbst festlegen.


    Kleinkunst und Kammermusik kann man vermutlich auch über bürgerliche Spendenvereine finanzieren. Oper ist aber einfach zu teuer. Das geht nur öffentlich oder mit Großsponsoren.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Liebe Taminos,


    alle Eure Argumente und Appelle in der Beschreibung der Ursachen für das Streichkonzert in der Kultur sind richtig. Es ist auch leicht, Zustimmung zu bekommen, bei einer Argumentation oder Fragestellung in der Art: "Wollt ihr bezahlbare Kindergartenplätze, Bildung, Krankenhäuser" usw. - oder sollen Privilegierte pro Platz und Abend in der Oper oder im Konzert 100 € in den Rachen geworfen bekommen? Das ist natürlich plumpe, populistische Rabulisitk. Nur eine solche Rattenfängertaktik und Stammtischargumentation wirkt bei uninteressierten und uninformierten Bürgern. Diese 'Darstellung ist nicht nur vereinfachend, sie ist schlichtweg falsch. Längst ist nachgewiesen, dass die sogenannten weichen Standortfaktoren, zu denen die Kultur in erster Linie zählt für die Lebensqualität in einer Region mit entscheidend sind. Das kulturelle Angebot bestimmt weitgehend die Attraktivität und das Image einer Kommune. Investitionen in Kultur rechnen sich und bringen sogar nachweislich wirtschaftlich messbare Erträge. Der Kulturstaatsminister Bernd Neumann wird nicht müde, diese Tatsache immer wieder zu betonen und durch Untersuchungen und Studien zu belegen.


    Daraus ergibt sich der Auftrag und die Forderung an alle Kulturschaffenden und -interessierten, diese Tatsachen den Entscheidungsträgern in Verwaltung,Politik, Medien und Öffentlickeit aufzuzeigen und nahezubringen. Wir müssen argumentieren, Erfolge nachweisen und für den Erhalt und Ausbau der Kultur kämpfen.


    Dass dies mit Erfolg gelingen kann, möchte ich am Beispiel meiner Heimatstadt Heilbronn aufzeigen. Selbstverständlich dürfte auch bei uns der prozentuale Anteil, der für Kultur im städtischen Haushalt eingesetzt wird, noch höher sein. Die 120.000 Einwohner zählende Stadt, die allerdings noch über ein gutes Einzugsgebiet verfügt, hat ein florierendes, wirtschaftlich gesundes Theater mit steigenden Besucherzahlen. Es gibt in Heilbronn zwei Orchester, die ständige Mietereihen veranstalten, die zu den bestbesuchten in Baden-Württemberg zählen. Darüberhinaus existiert am Platz noch ein weiterer Konzertveranstalter, der auswärtige Orchester und Ensembles nach Heilbronn bringt. Dass die sangeslustigen Schwaben auch noch viele Chöre mit Chorkonzerten haben, ist landesüblich selbstverständlich. Neben den bestehenden Museen wurde kürzlich eine neue Kunsthalle eingeweiht. Die Experimenta ist die größte, bestausgestattetste mit den höchsten Besucherzahlen in Süddeutschland. Neueste Errungenschaft ist eine repräsentative Bühne am Neckar für Freilichtveranstaltungen.


    Ist Heilbronn nun eine Insel der Glückseligen oder Hochburg der Kulturvernarrten? Ganz sicherlich nicht. Wir haben zwar mit Harry Mergel einen äußertst aktiven Kulturbürgermeister, der ein Überzeugungstäter ist, weil er lange Jahre in der Kulturszene tätig war. Am besten kann das Erfolgsrezept jedoch an den zwei Profi-Orchestern aufgezeigt werden. Beide Klangkörper bieten ein Angebot, das bei der Bevölkerung ankommt. Da die Konzerte oft ausverkauft sind, abonniert man und bemüht sich rechtzeitig um Karten. Zwei rührige Trägervereine machen ständige Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Vereinfachend ausgedrückt: Konkurrenz belebt hier ganz deutlich das Geschäft. Durch diese AKtivitäten ist Heilbronn eine Musikhochburg geworden mit einem musikalischen Angebot und Besucherzahlen, die für eine Stadt dieser Größe beispiielhaft sind.


    Aus dem Aufgezeigten ergibt sich: Kulturschaffende müssen äußerst engagiert für Ihre Ziele arbeiten und Erfolge nachweisen können. Ausserdem sollten sie die Samthandschuhe ausziehen und aktiv und durchaus aggressiv argumentieren. "In Dir muss brennen, was du im anderen entzünden willst". In diesem Sinne müssen wir für die Kultur, die wir vertreten ,glühen und ein Feuer entzünden, an dem sich alle die Finger verbrennen, die durch Kürzungen Kultur einengen, beschneiden oder durch kleinliche Sparmaßnahmen reduzieren wollen. Gerade wir bei Tamino, dem führenden Klassik-Diskussionsforum sind aufgerufen, durch unsere Beiträge, Aufrufe und Appelle beispielhaft für die Kultur, ihren Erhalt und Ausbau zu wirken.


    Herzlichst


    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    alles sehr richtig, was Du schreibst.


    Ein Prosit auf Heilbronn - möglicherweise doch eine von wenigen Inseln der Glückseligen, aber jedenfalls eine mit einem offenbar wirksamen Konzept. Solche kulturstärkenden Konzepte vermögen auch anderswo zu wirken, erfuhr ich am Wochenende: Der Intendant der Oper Frankfurt, Bernd Loebe, freut sich über einen von seiner CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth spendierten Etatzuwachs: eine Million Euro mehr steht ihm zur Verfügung.


    Bonn dagegen will deutsche UN-Stadt sein, Bundesstadt, Beethovenstadt mit Beethovenfest, Wissenschaftsregion, Internationaler Konferenzstandort - dass die von Operus angesprochenen weichen Standortfaktoren stimmen müssen, um Leistungsträger, Menschen aus aller Herren Länder anzuziehen, ist für die Bonner Verwaltung eine Marginalie.


    Dass Kultur, die Oper Bonn, das Theater Bonn für den Hausherrn von Oper und Theater, den Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, uninteressant sind, zeigte er am späten Samstagnachmittag wieder, als er, genauso wie sein ebenfalls abwesender Stellvertreter, Kämmerer Professor Dr. Ludger Sander, der an beide gerichteten Einladung nicht folgte: Bei der Podiumsdiskussion im Foyer der Bonner Oper blieben die Kulturschaffenden daher wieder einmal unter sich, wenn auch vor immerhin in verblüffender Zahl versammeltem Publikum.


    Ist es womöglich kennzeichnend für die Bonner Kultursituation, dass sich die auswärtigen Kulturschaffenden eher für sie interessieren, als die Bonner Verwaltung? Jedenfalls tauschten sich auf dem Podium neben Bernd Loebe auch Rolf Bolwin vom Deutschen Bühnenverein und der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, Ulrich Khuon, unter der Moderation von Andreas Rossmann von der FAZ untereinander aus: Die wechselseitige Selbstbefruchtung erbrachte indes nicht wesentlich andere oder weitere Überlegungen, als wir sie auf unseren Seiten auch schon angestellt haben. Der Vermutung, Oper und Theater würden deshalb mit schöner Regelmäßigkeit als erste Opfer in Streichorgien eingebracht, weil Stadtverwaltungen so in öffentlichkeitswirksamer Pose unter Nennung namhafter Beträge ihren eisernen Sparwillen demonstrieren könnten, dürfte jedenfalls kaum etwas entgegen zu setzen sein. Auch ansonsten: schönste Einigkeit auf dem Podium.


    Gerade werfe ich einen Blick auf den Wikipedia.de-Eintrag von Jürgen Nimptsch. Kapitel Ausbildung und Beruf: sieben Zeilen; Kapitel Politik: sechs Zeilen; Kapitel Ehrenamtliche Tätigkeiten: sieben Zeilen; Kapitel Schauspielerische Tätigkeiten (sic!): über 13 Zeilen mit grellbuntem Szenenfoto. Nannte man ihn etwa auch "dä Reagan vum Rhing" (der Reagan vom Rhein)? All jene erlagen offenbar einem Trugschluss, die von Jürgen Nimptschs schauspielerischen Ambitionen auf ein besonderes Engagement für die Bonner Kultur schließen zu dürfen hofften.

    "In Dir muss brennen, was du im anderen entzünden willst". In diesem Sinne müssen wir für die Kultur, die wir vertreten ,glühen und ein Feuer entzünden, an dem sich alle die Finger verbrennen, die durch Kürzungen Kultur einengen, beschneiden oder durch kleinliche Sparmaßnahmen reduzieren wollen.

    Jawoll, aber nur um es klar zu stellen: damit ist nicht gemeint, dass die Theater und Opernhäuser niedergerissen und abgebrannt werden sollen :rolleyes: - über Boulez' frühe Zeiten sind wir im kulturpolitischen Diskurs inzwischen hinweg ... 8)

  • Nicht nur weite Teile der Bonner Kulturschaffenden schämen sich für die Bonner Entscheidung, den Bau des Festspielhauses auf unabsehbare Zeit "auf Eis zu legen". Auch Maestro Kurt Masur sagt wörtlich: "Ich schäme mich für die Stadt Bonn. Im Augenblick haben wir in Bonn alles, was mit Beethoven zu tun hat, begraben. ... Ich bin sehr niedergeschlagen." (Quelle: Bernhard Hartmann: Der Maestro ist enttäuscht von Bonn, in: general-anzeiger-bonn.de>Lokales<Kultur vom 14.12.2010).


    Masur hält sich zur Zeit in Bonn anlässlich seines Meisterkurses für junge Dirigentinnen und Dirigenten auf, in dem er Beethovens Neunte Sinfonie erarbeiten und aufführen lassen wird. Schon im Frühjahr hatte er sich bestürzt über den Zustand der Beethovenhalle gezeigt und festgestellt, dass Beethovens Neunte in seiner Geburtsstadt gar nicht aufgeführt werden kann. Eigentlich dürfe es nicht sein, dass man gezwungen sei, "das größte Werk Beethovens" unter Bedingungen wie den in Bonn gegebenen aufzuführen. Seine Zielvorstellung sei Bonn als Pilgerstadt für Beethoven, ähnlich wie Salzburg für Mozart; deshalb dürfe man die Chance zum Bau des Festspielhauses nicht vollends verstreichen lassen (Quelle: wie vor) - siehe auch oben: "weiche Standortfaktoren".


    Wo er Recht hat, hat er Recht!

  • heute gelesen:


    Deutschland wirft 10 Milliarden für Kultur auf


    Bund, Länder und Gemeinden haben in Deutschland für das Jahr 2010 nach vorläufigen Ergebnissen Kulturausgaben in Höhe von 9,6 Milliarden Euro veranschlagt. 4,1 Prozent mehr als 2009.


    Im Jahr 2007, dem letzten Jahr, für das endgültige Angaben aus der Finanzstatistik vorliegen, wurden 8,5 Milliarden Euro für Kultur ausgegeben. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt (Destatis) im Kulturfinanzbericht 2010.


    2007 stellten die Gemeinden ein Budget von 3,8 Milliarden Euro und damit den grössten Anteil (44,4 Prozent) des Gesamtetats für Kultur bereit. Die Länder (einschliesslich Stadtstaaten) gaben 3,6 Milliarden Euro aus (43 Prozent), der Bund beteiligte sich mit weiteren 1,1 Milliarden Euro (12,6 Prozent).


    In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichten 2007 die öffentlichen Ausgaben für Kultur einen Anteil von 0,35 Prozent. Insgesamt stellten die öffentlichen Haushalte 1,67 Prozent ihres Gesamtetats für Kultur zur Verfügung.


    Auf Städte mit über 200 000 Einwohnern (ohne Stadtstaaten) entfielen im Jahr 2007 etwa 45 Prozent der laufenden Kulturausgaben der Gemeinden. Die Stadt Frankfurt hat mit 222 Euro je Einwohner am meisten für den laufenden Kulturbetrieb aufgewendet, gefolgt von Leipzig mit 187 Euro und Düsseldorf mit 144 Euro.


    Bezogen auf einzelne Kulturbereiche entfielen im Jahr 2007 über ein Drittel (36,3 Prozent) der gesamten Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden auf Theater und Musik. Weitere 18,6 Prozent flossen in die Finanzierung der Museen und 14,6 Prozent in die für Bibliotheken.


    Für die sonstige Kulturpflege wurden 11,1 Prozent aufgebracht. Der Ausgabenanteil für Kulturverwaltung belief sich auf 4,7 Prozent, der für Denkmalschutz und -pflege auf 5,6 Prozent. Auf den Bereich Kunsthochschulen entfielen 5,5 Prozent und auf kulturelle Angelegenheiten im Ausland 3,5 Prozent der Kulturausgaben.


    Mehr Infos: www.destatis.de

  • In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichten 2007 die öffentlichen Ausgaben für Kultur einen Anteil von 0,35 Prozent. Insgesamt stellten die öffentlichen Haushalte 1,67 Prozent ihres Gesamtetats für Kultur zur Verfügung.


    Ist das viel, ist es (zu) wenig? Das ist hier die Frage.


    Ich wohne in der Schweiz und bin Mitglied des Aargauer Kuratoriums. Dieses Gremium richtet jährlich 1% der Staatssteuer-Einnahmen an Kulturschaffende aus, hälftig an Institutionen/Häuser etc, die andere Hälfte an Einzelpersonen, die Kultur professionell betreiben (Sänger, Orchestermusiker, Solisten, Dirigenten, Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Filmemacher....)

  • Danke, lieber Arlecchino, für die Bekanntgabe der interessanten statistischen Zahlen zum Kulturförderung.


    Kürzlich berichtete ich in diesem Thread mit Freuden über die kulturpolitisch günstige Situation in Heilbronn und belegte meine Aussagen mit dem Beispiel der beiden Heilbronner Orchester.
    Und schon kommt ein sparwütiger CDU Stadtrat und stellt die Notwendigkeit von zwei Profiorchestern in Heilbronn unter Einsparüberlegungen in Frage. Ich bin aber sehr optimistisch, dass der Vorschlag ins Leere geht. Wiederholt gab es schon ähnliche Versuche. Diese konnten durch hervorragende Leistungen beider Orchester, außergewöhnlich hohe Besucherzahlen, überdurchschnittliche Einspielergebnisse und eine nachweislich wirtschaftliche Rentabilität der Fördermittel stets abgeschmettert werden.


    Das Beispiel zeigt Kulturschaffende müssen immer auf der Hut und bereit sein, ihre Erfolge aktiv zu verkaufen und sofort vehement vor allem gegen pauschale Angriffe kämpfen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo, Ullrich!


    Die Artikel in Bild und Express habe ich auch gelesen. Es ist eine Schande was hier in Bonn läuft. Jahrelang wurde und wird noch immer Geld zum Fenster rausgeschmissen und verplempert. Das ist bekannt. Und solange so ein "Kulturbanause" wie Jürgen Nimptsch das sagen hat, wird schwer etwas zu ändern sein. Sparen ja, aber nicht an der Kultur, da ist schon genug gekürzt worden! Vielleicht helfen zu unserer Unterschriften-Aktion auch Proteste von Künstlern wie Kurt Masur. Hoffentlich!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

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