Carlo Mario Giulini - Meister der Eleganz

  • Ihr Lieben,


    ich habe nur drei CD´s mit Giulini, Bruckner Acht und Neun jeweils mit den Wiener Philharmonikern. Sehr schön, insbesondere die Neunte hat im Rahmen meiner Bruckner-Sammlung einen besonderen Stellenwert.


    Meine erste Begegnung mit Giulini war jedoch das Faure-Requiem, eine meiner ersten CD´s überhaupt und ein absoluter Glückskauf (ich kannte mich mit Dirigenten überhaupt nicht aus und habe als Anfänger wahrscheinlich auf das Label in gelb vertraut).



    Ich habe mehrere, auch gute Einspielungen dieses Werkes, an diese Tiefe des Ausdrucks kommt aber meines Erachtens keine andere heran.


    Gruß
    Christian

  • Hallo,
    ich bin im Rahmen des Ausbaus meiner Bruckner-Ausstattung häufige Male über den 2005 verstorbenen Dirigenten Carlo Maria Giulini gestolpert. Sehr beeindruckt war ich von meiner bisher einzigen Giulini-Aufnahme (DG Masters; Bruckner Nr. 8, Wiener Philharmoniker; Fassung 1890; 1985).
    Ich bin dann mal auf die Suche nach weiteren Bruckner-Einspielungen Giulinis gegangen, von denen es z. B. bei jpc nicht mehr allzu viele gibt. Bei ebay tauchen allerdings regelmäßig DG Einspielungen zu exorbitanten Preisen auf.
    Meine Frage an die Bruckner- und Giulini-Experten: Wie schätzt ihr seine Leistung ein? Lohnt es sich, mehr für Giulini-Aufnahmen auszugeben? Sollte man sie unbedingt gehört haben?
    :hello:
    Sven

    Tuba mirum spargens sonum....

  • Hallo Sven, definiere "unbedingt" ;)


    Für die DGG hat Giulini ohnehin nur die 7., 8. und die 9. aufgenommen. Allen drei Aufnahmen ist die große Klangschönheit gemein. Bei recht getragenen langsamen Tempi gelingt es imo Giulini, die "riesigen Klangkathedralen" Bruckners mustergültig in Szene zu setzen. Er besitzt den "langen Atem", um die langen Sätze mit Leben und Spannung zu erfüllen und liefert viele schöne Details, die so nicht immer zu hören sind.


    Für mich gehörte Carlo Maria Giulini zu den großen und bedeutenden Bruckner Dirigenten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Meine Giulini-Favoriten:


    "Traviata"; Callas-di Stefano-Bastianini/Scala 1955
    "Iphigenie en Tauride"; Newey-Simoneau-Massard/Aix 1952
    "Falstaff";Corena-Freni-Cappecchi/Amsterdam 1963


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Seltsamerweise fristet Carlo Maria Giulini in meiner Klassiksammlung ein Schattendasein. Ich fand auf die Schnelle lediglich den berühmten "Don Carlo" mit Domingo u. a. sowie den 1964er Live-Mitschnitt des Verdi-Requiems. Beim "Don Carlo" ist mein Favorit Karajan in Salzburg 1986, weshalb ich die Giulini-Aufnahme Jahre nicht mehr hörte. In meiner Erinnerung war sie um einiges "schlanker" dirigiert. Die "Messa da Requiem" ist zweifellos sehr gut, aber ich glaube, ich würde im direkten Vergleich Bernstein vorziehen (mal die Solisten außen vor gelassen, nur das Dirigat betrachtend). Seine hochgerühmten Bruckner-Aufnahmen aus Wien kenne ich von Live-Mitschnitten (nicht 100%ig identisch mit den DG-Aufnahmen). Sie sind vor allem langsam. Am besten schien mir die 9. gelungen. Müßte nochmal genauer reinhören. Langsamkeit ist etwas, was bei Giulini oft vorherrscht. Die Beethoven-Aufnahmen aus Los Angeles etwa. Sie haben ihre Momente, aber irgendwie sprang der Funke nicht wirklich über, und das, wo ich langsame Tempi eigentlich schätze. Da ziehe ich dann doch Klemperer und Bernstein vor, um nur mal etwa zeitgleiche Interpreten zu nennen. Seine "Pathétique" habe ich als merkwürdig "paukenarm" im Gedächtnis und sie seinerzeit auch nicht übermäßig toll gefunden. Was kenne ich noch? Ach ja, den berühmten "Don Giovanni" auszugsweise. Auch da war die Aufnahme vom Dirigat her nicht mein Favorit (eher Fricsay, fast zeitgleich entstanden). Die "Rheinische" von Schumann wiederum gefiel mir sehr gut. Der Brahms aus L.A. dagegen nicht wirklich "my cup of tea".



    Fazit: Für mich bleibt Giulini wechselhaft. Zu einem meiner Lieblingsdirigenten brachte er es nicht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zu einem meiner Lieblingsdirigenten brachte er es nicht.


    Das ist aber schade. Ich habe ihn 53 mal im Regal, egal ob mit dem Los Angeles, dem La Scala, den Wienern, dem Chicago (Mahler 9 Referenz), oder dem Concertgebouw. Seine Einspielungen vom Troubadour, Rigoletto, Traviata, Falstaff und Don Giovanni (EMI Referenz), Don Carlos sowie einige Sinfonien von Bruckner, Beethoven und Dvorak sowie die Klavierkonzerte mit ABM haben seinerzeit beste Kritiken erzielt.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Carlo Maria Giulini (* 9. Mai 1914 in Barletta, Provinz Bari, Süditalien; † 14. Juni 2005 in Brescia, Lombardei) war ein italienischer Dirigent. Er sprach übrigens hervorragend deutsch, da er in Südtirol aufgewachsen ist.


    Diesen Thread habe ich hervorgeholt, um auf eine interessante Box der Deutschen Grammophon aufmerksam zu machen:



    The Art of Carlo Maria Giulini


    Beethoven: Symphonien Nr. 5 & 9
    +Schumann: Symphonie Nr. 3
    +Dvorak: Symphonie Nr. 9
    +Debussy: La Mer
    +Franck: Symphonie d-moll;4.Satz aus "Psyche et Eros"
    +Brahms: Symphonien Nr. 1-4;Tragische Ouvertüre op. 81^
    +Bruckner: Symphonien Nr. 7-9
    +Mahler: Symphonie Nr. 9
    +Schubert: Symphonie Nr. 8
    +Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung
    +Ravel: Ma Mere l'Oye;Rapsodie Espagnole
    +Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6


    Los Angeles PO, Berlin PO, Chicago SO, Wien PO,
    Dir.:Carlo Maria Giulini
    16 CDs zum Sonderpreis


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ein Ex-Mitglied schrieb vor sechs Jahren in einem anderen Thread Folgendes:


    Zitat

    Seine Einspielung von Beethovens Sinfonien mit dem Scala Orchester in den Neunzigern ist recht schwacht, würde ich sagen. 3, 6 und 2 sind ok, aber der Rest... Weiß nicht, ob das Beethoven ist. Da wird vieles ziemlich weichgezeichnet, ähnlich wie bei Celibidache.


    Das möchte ich nicht unwidersprochen stehen lassen.


    In Beitrag 36 hier hatte ich Carlo Maria Giulini noch irgendwie zwiespältig beurteilt. Das ist anderthalb Jahre her. Ich erwähnte seine Beethoven-Aufnahmen aus Los Angeles, namentlich die Eroica, die Fünfte und die Pastorale. Heute habe ich nochmal reingehört. Ich weiß nicht, wieso ich sie damals nicht so gelungen fand. Vielleicht hört man Dirigenten, die man aus irgendwelchen Gründen nicht so schätzt, generell kritischer, um nicht zu sagen subjektiv vorgeprägt.


    Um aber auf das Eingangszitat zurückzukommen: Das stimmt so nicht! Lange habe ich keinen so tiefgehenden Beethoven mehr gehört. Wenn ich das chronologisch einordne, dann sind diese zwischen 1991 und 1993 entstandenen Aufnahmen mit dem Scala-Orchester in einer Art interpretiert, wie man das beim späten Klemperer hören konnte (ca. 1965—1970), über zwanzig Jahre früher, und ja, auch der späte Celibidache ist nicht ganz unähnlich (was ich allerdings positiv meine, dies sei betont). Die Siebte aus dem Scala-Zyklus ist einfach wunderbar. Majestätisch breit, sinnlich, romantisch im besten Sinne. Das La Scala Philharmonic Orchestra spielt herrlich. Wunderbare Bässe. Es hat wirklich etwas Tiefgründiges im wahrsten Sinne des Wortes. Hier hört man einen schon betagten Maestro (Ende 70), der der Welt nichts mehr beweisen muss durch irgendwelche Effekthascherei. Und dann die Erste! Die wird hier wirklich aufgewertet, erscheint "großsymphonisch", nicht als Erstlingswerk.


    Etwas Recherche ergab, dass damals die Symphonien Nr. 1—8 mit dem Scala PO aufgenommen wurden (plus Coriolan- und Egmont-Ouvertüre). Sony zog leider die Bremse, als die Verkaufszahlen trotz des Namens "Giulini" nicht die hohen Erwartungen erfüllten; eine Neunte gibt es daher nicht. Man kann noch von Glück reden, dass nur diese fehlt. Es bestehen "Ausweichmöglichkeiten", denn die Neunte nahm der Maestro bereits zweimal davor auf, 1972 mit dem London SO und 1989/90 mit den Berliner Philharmonikern. Letztere Einspielung wird wohl eher auf einer Wellenlänge mit dem "altersweisen" Mailänder Beinahe-Zyklus liegen. Der Threadtitel "Meister der Eleganz" trifft auf diesen wirklich gut zu.


    Unser Willi hegte andernorts bereits die Hoffnung, dass Sony zum Jubiläumsjahr 2014 (100. Geburtstag Giulinis) diese Mailänder Aufnahmen neu herausbringt. Sie wären es wert. Da wurde in letzter Zeit Belangloseres wiederaufgelegt.

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    – Luís de Camões

  • Die DG-9. kenne ich nicht, aber sie wird gemeinhin sehr positiv beurteilt (eher als die Scala-Aufnahmen).
    Ich habe, vermutlich schon vor etwa zwei Jahren die Chicago-Box "Giulini in America" gekauft und vor ein paar Monaten die Wiederveröffentlichung der Brahms-Sinfonien mit den Wienern. Aus dieser habe ich vorhin die Haydn-Variationen und Brahms 3. gehört.

    Ich glaube, dass ist der langsamste Brahms-Zyklus überhaupt... bei der 3. hat es aber doch ganz gut funktioniert, obwohl mir der Kopfsatz (15 min mit Wdh.) und eigentlich auch der dritte (7 min) zu langsam sind, zum Glück ist das Finale in vernünftigem Tempo. Pluspunkte sind große Transparenz und Klangschönheit und, ähnlich wie bei Klemperer (dessen Brahms freilich durchweg wesentlich zügiger ist) eine Wucht und rhythmische Solidität, die trotz breiter Tempi jedes "Aufweichen" vermeidet. Dazu der üppige Klang der Wiener Philharmoniker, insgesamt zwar wohl nicht meine favorisierte Einspielung, aber durchaus hörenswert. (Die Amazon-Rezension liegt nicht falsch, wobei ich das nicht "altmodisch" nennen würde, sondern Giulini-spezifisch. Dirigenten der Walter/Furtwängler-Generation liefern normalerweise einen weit drängenderen, dramatischeren Brahms)


    Enttäuscht war ich von der anscheinend in manchen Kreisen legendären Schubert 9 in der Chicago-Box. Angeblich hat Giuline jahrelang gezögert, weil er das notorische Problem der Temporelation von Einleitung und Allegro nicht befriedigend lösen konnte. Die Lösung zu der er gekommen ist, besteht in einem m.E. sehr langsamen Allegro, noch mehr irriert mich aber die Artikulation des punktierten Hauptmotivs. Ich habe das nie anders als mit Pausen, deutlich abgesetzt, gehört, etwa da-Dap-da-Dap-da-Dap-da-Dap... bei Giulini eher da-daaa-da-daaa-da-daaa-da-daaa...
    An den Rest der Box habe ich momentan keine so genaue Erinnerung mehr; die anderen Schubert-Sinfonien waren auch sehr breit und "groß", aber für mich überzeugender als die 9.
    Die besten Giulini-Aufnahmen, die ich kenne, sind seine Bruckner-Sinfonien mit den Wienern. Hier sind die breiten Tempi passend und die anderen Qualitäten kommen voll zum Tragen.


    (Wer die Tschaikowsky 6 aus L.A. haben möchte (Ausgabe einer Club-Reihe, aber mit DG Logo), schreibe mir eine email: parrhesia-at-web-punkt-de. Super Klang, sehr "nobel" und transparent, aber kaum eine Spur von neurotischer Leidenschaft oder leidenschaftlicher Neurose...)

    Struck by the sounds before the sun,
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    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

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  • Der Brahms-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern ist wirklich phänomenal. Gefiel mir deutlich besser als sein Brahms aus Los Angeles (da gibt's allerdings nur die Erste und Zweite).


    P.S.: Es gibt noch eine Doppel-CD mit Live-Aufnahmen der Eroica und der Vierten von Beethoven mit den Wiener Philharmonikern aus Japan von 1994 (Label Altus). Ebenfalls sehr getragene Tempi, ein klein wenig flotter als in Mailand. Leider nur umständlich als Japan-Import zu haben.


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    – Luís de Camões

  • Es gibt noch diesen Brahms-Zyklus aus den Jahren 1960-1968 mit dem Philharmonia Orchestra und dem New Philharmonia Orchestra einschl. der beiden KK mit Claudio Arrau. Die Spielzeiten sind:

    1. Sinfonie: 46:45 min.,
    2. Sinfonie: 41:05 min.,
    3. Sinfonie: 34:31 min.,
    4. Sinfonie: 43:02 min.,
    1. KK: 51:32 min.,
    2. KK: 50:35 min.,
    Als Zugabe gibtt es noch die Tragische Ouvertüre und die Haydn-Variationen.
    Wenn ich mich richtig erinnere, waren die Sinfonien wirklich gut, die KK desgl., und dies war bestimmt nicht der langamste Brahms-Zyklus.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wo wir schon bei Brahms sind: Es gibt noch eine weitere Aufnahme der Ersten, die im amerikanischen Amazon über die Maßen gelobt wird:



    Entstanden 1979 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und ziemlich preisgünstig zu erstehen (da ich bereits zwei andere von Giulini habe, werde ich wohl widerstehen ;)).


    Toll ist übrigens auch die Rheinische von Schumann aus L.A. (in derselben Box zu finden).


    Allgemein scheint es, als wäre Giulini auch so ein Fall für einen Dirigenten, der im Alter immer langsamer wurde (wie Klemperer und Celibidache). Was sah ich da grad bei den Spielzeiten: Für Beethovens Zweite braucht er sage und schreibe über 38 (sic!) Minuten und verweist sogar Klemperer 1970 auf die Ränge ... Unglaublich! Was aber hinzu kommt, ist, dass Giulini es schafft, diese extremen Tempi mit Spannung zu füllen. Das kann auch nicht jeder.

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    – Luís de Camões

  • Aber eben auch Celi, und zwar nicht, weil er alt wurde, sondern weil es seiner durch die Beschäftigung mit dem ZEN-Buddhismus gewonnenen Erkenntnis entsprang, der Musik die notwendige Zeit zu lassen, um ihre Strukturen noch klarer hervortreten zu lassen. Wenn man mal seine Bruckner-Aufnahmen aus Stuttgart aus den 70er Jahren mit denen aus München vergleicht, wird das überdeutlich.
    In Stuttgart dauerte Celis Neunte 59:18, in München 76:50. Genauso verhielt es sich mit den anderen. Hüben wie drüben aber war alles äußerst spannungsvoll musiziert, wobei der harte kern der Celi-Jünger der Ansicht war, dass die Aufführungen in München an innerer Spannung nicht mehr zu überbieten waren. Dagegen war Giulinis Wiener Bruckner noch relativ flott, aber auch über die Maßen spannungsvoll (ich habe die Nr. 7 - 9). Ich glaube, andere hat er in Wien nicht aufgenommen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Du hast Recht, Willi. Die Langsamkeit hatte durchaus unterschiedliche Gründe. Klemperer war bis zu seinem Brandunfall 1958 ziemlich flott, um 1950 sogar oft rasant. Und noch die Aufnahmen bis vielleicht 1963 sind im Tempo nicht ausufernd. Es hatte bei Klemperer höchstwahrscheinlich eben doch auch gesundheitliche Gründe, dass er so abrupt so langsam wurde. Ein gutes Beispiel ist hier sein Schumann-Zyklus: Die Vierte von 1960 ist noch moderat, die Zweite und Dritte von 1968/69 stehen fast still (aber dennoch hörenswert). Oder seine allerletzte Zweite von Mahler von 1971, die ich mal als die "schwarze Auferstehung" bezeichnet habe. Sie ist durchgängig langsam.


    Bei Celibidache und auch Giulini war das Langsamerwerden wohl eher gewollt. Immerhin waren beide in den 80er Jahren körperlich noch nicht so hinfällig, dass sie nicht anders gekonnt hätten. Vielleicht war es auch eine Abkehr vom Geschwindigkeitsrausch der modernen Zeiten. Bei Celibidache war es seine Hinwendung zum Buddhismus, bei Giulini kenne ich die genauen Gründe nicht. Gerade der direkte Vergleich seiner beiden kompletten Brahms-Zyklen zeigt es aber frapierend, um wieviel er langsamer wurde.


    Ich bedauere es, dass Giulini von Bruckner niemals die Fünfte aufnahm. Es gibt die Zweite, die Siebte, die Achte und die Neunte, soweit ich weiß. Die Neunte nahm er in den späten 90ern sogar nochmal mit dem RSO Stuttgart auf. Kennt die jemand? Ist die noch langsamer als die Wiener?



    Beste Grüße
    Joseph
    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Ich habe jetzt gesehen, dass er um 1985 auch die 7. und 8. Symphonie mit den Berliner Philharmonikern eingespielt hat, in ganz normalen Zeiten, die 7. in ca. 64 min. und die Achte in ca. 84 min. Aber ich kenne die Aufnahmen nicht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Interssant ist auch diese DVD mit dem World Philharmonic Orchestra von 1985. Die Vorschau hat es schon in sich.



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Bei Bruckner haben wir uns inzwischen so gewöhnt, dass wir Zeitlupentempo für normal oder richtig, weil "feierlicher" oder so halten.


    Die Wiener Brahms-Sinfonien unter Giulini kann man nur als extrem langsam bezeichnen, z.B.
    2. Sinfonie: 18 min (! ohne Wdh.) - 12:20 - 6:02 - 11:05
    dagegen Klemperer/EMI 1956: 15:02 - 9:18 - 5:28 - 9:05
    und ein zügiger Dirigent wie Fritz Busch (Dänischer Rundfunk 1947) , der bei dem Brahms nahestehenden Fritz Steinbach gelernt hatte:
    13:29 - 8:45 - 4:47 - 7:55


    Aber gewiss funktionieren die breiten Tempi bei Bruckner tendenziell besser als bei Brahms und dort besser als bei Beethoven.

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  • Die Neunte nahm er in den späten 90ern sogar nochmal mit dem RSO Stuttgart auf. Kennt die jemand? Ist die noch langsamer als die Wiener?



    Lieber Joseph,


    nein, sie ist deutlich weniger langsam: 25'54'', 10'43'' und 25'41'' im Vergleich zu 28'02'', 10'39'' und 29'30'' mit den Wienern.
    Ich habe sie lange nicht mehr gehört, aber als "warmherzig" und "friedvoll" in Erinnerung.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die DG Wiener Bruckner 9 ist allerdings meiner Erinnerung nach tatsächlich eher von "Urgewalt" geprägt als von "Eleganz" oder Warmherzigkeit. Die 7. ist eher mild/lyrisch, aber die 8. und 9. sind wirklich grandios.

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  • Aber gewiss funktionieren die breiten Tempi bei Bruckner tendenziell besser als bei Brahms und dort besser als bei Beethoven.

    Da schreibst Du viel wahres, lieber JR.


    Für mich nimmt Giulini in seinen späten Brahms-Aufnahmen jeglichen Schwung, jeglichen "Drive" aus den Sinfonien, namentlich aus den Finalsätzen der 2. und 3. Sinfonie.
    Ein Finale der 2. mit einer Spielzeit von über 11 Minuten hat mit der Tempobezeichnung Allegro con spirito (!) nichts mehr zu tun, sondern wirkt (zumindest auf mich) bleischwer.


    Auch mit dem LA Philharmonic Orchestra schlug Giulini insbesondere bei der 2. Sinfonie recht moderate Tempi an: 22'31' (mit Wdh.), 10'41'', 05'42'' und 09'46''. Aber in LA ist im Finale noch eine Bewegung und ein moderates Temperament spürbar.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die DG Wiener Bruckner 9 ist allerdings meiner Erinnerung nach tatsächlich eher von "Urgewalt" geprägt als von "Eleganz" oder Warmherzigkeit. Die 7. ist eher mild/lyrisch, aber die 8. und 9. sind wirklich grandios.

    Korrekt. Die Intensität der Wiener Aufnahme ist für mich unerreicht.


    Ich meinte die Einspielung mit dem RSO Stuttgart.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich war ja im Grunde vorgewarnt, da ich die auch nicht gerade zügige L.A. 1. schon lange kannte. Dass die Wiener Interpretationen nochmal einen ganzen Tick breiter sind, hatte ich freilich nicht erwartet. Und die Box war vor einiger Zeit, ich glaube bei 2001 so unglaublich günstig (8,99 oder 12,99 EUR für 4 CDs), dass ich nicht widerstehen konnte, zumal sie ja auch Fürsprecher haben.
    Das Finale der 3. möchte ich von der Kritik aber ausnehmen, das ist, wenn auch kaum rekordverdächtig und nicht unbedingt so explosiv, wie man sich vorstellen könnte, in normalem Tempo (knapp 9 min) und durchaus dramatisch. Die anderen müsste ich wohl alle noch einmal hören.


    Allerdings haben auch etliche andere Aufnahmen wie die L.A. Pathetique und eine Beethoven 7. aus den 1970ern bestätigt, dass, obwohl bei Giulini oft die breiten Tempi funktionieren, seine Interpretationen mir tendenziell zu "elegant" und "gelassen" daherkommen. Bruckner 8+9 scheinen da eher Ausnahmen zu sein.

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  • Ich will an dieser Stelle noch die in Beitrag 39 vorgestellten Beethoven-Aufnahmen auflisten, da man sie bei Amazon tlw. wirklich nur mit etwas Geschick überhaupt findet (ich liste bei Parallelen die günstigeren Angebote).


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    Habe sie mir jetzt sämtlich bestellt. Besprechungen folgen dann beizeiten in den entsprechenden Spezialthreads.

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    – Luís de Camões

  • Ich habe nun doch schon zugeschlagen und die Lücke geschlossen, allerdings nicht für 99 Euronen, sondern die letzte Gebrauchte. Ich hielt das Risiko für ziemlich gering, weil ich von der gleichen Firma heute schon eine CD in ausgezeichnetem Zustand (Nr, 4, 5) erhalten habe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Das Finale der 3. möchte ich von der Kritik aber ausnehmen, das ist, wenn auch kaum rekordverdächtig und nicht unbedingt so explosiv, wie man sich vorstellen könnte, in normalem Tempo (knapp 9 min) und durchaus dramatisch. Die anderen müsste ich wohl alle noch einmal hören.

    Es kann durchaus angehen, daß ich das Finale der 3. zu negativ in Erinnerung habe. Ich werde wohl auch mal wieder mit dem einen oder anderen Ohr in die Gesamtaufnahme hineinhören...



    Zitat

    Allerdings haben auch etliche andere Aufnahmen wie die L.A. Pathetique und eine Beethoven 7. aus den 1970ern bestätigt, dass, obwohl bei Giulini oft die breiten Tempi funktionieren, seine Interpretationen mir tendenziell zu "elegant" und "gelassen" daherkommen. Bruckner 8+9 scheinen da eher Ausnahmen zu sein.

    Es stimmt, die "großen Abgründe" oder "Dramen" beschrieb Giulini in seinen späte(re)n Aufnahmen nicht (mehr). Er setzte eher auf schönen, großflächigen Klang und auf liebevolle Detailbehandlung.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Carlo Maria Giulini, dessen 10. Todestag wir am 14. Juni begehen, wurde am 9. Mai 1914 geboren. Zu seinem Ehrentag habe ich diese Box ausgesucht:




    Heute ist sein 101. Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Heute ist nun Carlo Maria Giulinis 10. Todestag.


    Dazu habe ich diesmal die Box mit den "London Years" ausgesucht:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es gibt noch weitere Aufnahmen von ihm und die sind live.

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    Es gibt noch ein paar weitere Aufnahmen.

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)


  • Hallo lieber Klassikfan1, kopier doch die ASIN von Amazon und setze sie in den Button von Amazon im oberen blauen Feld ein [am]......[/am]! Bei G Wand im Eben gehört Traed hast du es doch auch gemacht!?


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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