Wer geht eigentlich in die Oper - und warum ?

  • Zitat

    Davon schwärme ich immer noch. Und Hans Hopf, war er nicht der beste Kaiser überhaupt?


    Mein lieber hami1799!


    Hans Hopf war nicht nur einer der besten Sänger in der Partie des "Kaiser", sondern er konnte noch viel mehr. Er ist einer meiner liebsten deutsch-singenden Tenöre. Und sein Bild (er nickt mir gerade wohlwollend zu), hängt bei mir im Büro mit seinem Autogramm.


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, war ich mit meinem langjährigen Opern-Mitstreiter am vergangenen Dienstag in der Hamburger Staatsoper um mir die Neuinszenierung der einzigen Oper Alexander Borodins Knajz Igor anzusehen. In der zweiten Pause saßen wir in Foyer des 2ten Ranges, nippten an unserem Weißwein und stellten einmal mehr fest, dass wir mit unseren etwas über 40 Lenzen so ziemlich zum Jüngsten gehörten, was sich an Menschen im Raum befand. Schnell waren wir uns darüber einig, dass früher (wo ja sowieso alles besser war), d.h. etwa vor 20 Jahren, der Anteil junger Leute doch spürbar größer war, als heutzutage. Und natürlich philosophierten wir sofort über die möglichen Gründe:


    Nun wird (auch hier im Forum) ja gerne die These vertreten, dieser Schwund sei nicht unwesentlich dem Einzug des sog. Regietheaters geschuldet - allein, ich glaube nicht an die Haltbarkeit dieser Behauptung, und dabei geht es mir zumindest an dieser Stelle ausdrücklich nicht darum, dass Regietheater zu verteidigen! Tatsächlich hat mich früher die Inszenierung am allerwenigsten interessiert. Als junger Opernbesucher sagen wir mal zwischen 15 und 25 Jahren war der Kern der Begeisterung, die alles andere überwog, vielmehr die Tatsache, all die wunderbare Musik, die man ja nur aus dem Radio oder bestenfalls von teuren Schallplatten her kannte, endlich live zu hören. Wenn man Glück hatte, standen sogar Sänger auf der Bühne, die man ebenfalls von den heimischen Aufnahmen her kannte; also berühmte Leute ;) Karten (auch Premierenkarten) gab es für acht Mark über den Kulturring der Jugend, wenngleich man dafür auch mal vom Lehrerzimmer aus telephonisch bestellen musste oder notfalls eine Unterrichtsstunde "ausfallen" ließ um die Karten direkt am Stand in der Stadtbibliothek abzuholen ... Das Ganze hatte also auch "sportliche" Aspekte :thumbsup:


    Die jeweilige Inszenierung, egal ob Regietheater oder konventionell lief eher am Rande. Dies mag u.a. daran gelegen haben, dass eine Inszenierung m.E. erst dann interessant wird, wenn ich mich mit ihr auseinandersetzen kann. Zu einer solchen Auseinandersetzung gehört aber auch der eigene Erfahrungsschatz, an welcher das Geschehen auf der Bühne "gemessen" werden kann. In der Pubertät bzw. Adoleszenz aber entwickelt sich dieser Erfahrungsschatz und mithin der eigene "Kompaß" erst. Abgesehen davon hat man in diesem Alter schlicht "andere Probleme", als sich mit der Frage abzugeben, ob oder was mir eine Inszenierung sagen will (Ein analoges Problem sehe ich im Übrigen auch bei der "schulpflichtigen" Rezeption von Literatur: Was soll einem 17jährigen Goethes Faust denn wirklich sagen? Und warum sollte ihn dies interessieren?). Die Musik und der Gesang hingegen haben es da viel einfacher, da sie unter Umgehung des intellektuellen Zentrums (welches in dieser Zeit ja ohnehin gerade komplett "umgebaut" wird und sich, wie gesagt, mit ganz anderen existenziellen Fragen, wie z.B. "Wer war bloß dieser nett aussehende Junge / dieses nett aussehende Mädchen vorhin in der Pause?" beschäftigt), direkt an das Innerste rühren.


    Es bleibt also die Frage, warum das Opernpublikum zusehends vergreist - wenn dies denn überhaupt eine statistisch belegbare Tatsache ist ... Z.B. scheint mir das Konzertpublikum durchaus jünger zu sein.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Das sogenannte Regietheater sehe ich allerdings schon als einen wichtigen Grund dafür an, aber ich gebe dir recht, wenn du glaubst, dass auch andere Aspekte dafür verantwortlich sind. Ich bin ebenso wie du der Meinung, dass man mit 17 wirklich "andere Probleme" hat. Ferner bin ich davon überzeugt, dass die Oper ein so komplexes Gebilde ist, dass für ein sinnvolles Rezipieren in der Tat eine gewisse Reife vorhanden sein muss, die man in diesem Alter einfach noch nicht haben kann. Ich bin in einem Sängerhaushalt aufgewachsen, war also von Kindheit an mit dem Thema in Berührung, aber mit ca. 14 hatte ich dann trotzdem einen ganz anderen Musikgeschmack. Oper habe ich erst wieder mit etwa 17 oder 18 Jahren entdeckt und dann praktischerweise gleich mit der Götterdämmerung angefangen. :D Wer die Oper kennenlernen will, hat heute trotzdem mehr Möglichkeiten denn je.



    Die Musik und der Gesang hingegen haben es da viel einfacher, da sie unter Umgehung des intellektuellen Zentrums (welches in dieser Zeit ja ohnehin gerade komplett "umgebaut" wird und sich, wie gesagt, mit ganz anderen existenziellen Fragen, wie z.B. "Wer war bloß dieser nett aussehende Junge / dieses nett aussehende Mädchen vorhin in der Pause?" beschäftigt), direkt an das Innerste rühren.

    Ja, das tun sie. Wenn der Regisseur das zulässt. ;)

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Die jeweilige Inszenierung, egal ob Regietheater oder konventionell lief eher am Rande. Dies mag u.a. daran gelegen haben, dass eine Inszenierung m.E. erst dann interessant wird, wenn ich mich mit ihr auseinandersetzen kann. Zu einer solchen Auseinandersetzung gehört aber auch der eigene Erfahrungsschatz, an welcher das Geschehen auf der Bühne "gemessen" werden kann. In der Pubertät bzw. Adoleszenz aber entwickelt sich dieser Erfahrungsschatz und mithin der eigene "Kompaß" erst

    Lieber MSchenk,


    ich glaube, mit diesem Satz hast du die Erklärung auf die Frage selbst geliefert. Wenn man junge Leute an die Oper heranführen will, sollte man m.E. das Werk erstmal so präsentieren, wie es vom Komponisten und Librettisten gedacht war, um einen "Erfahrungsschatz" aufzubauen. Das ist ja aber heute kaum noch möglich. Später kann sich ja dann, wer will, mit den Ideen eines Regisseurs auseinandersetzen. Wie soll sich ein junger Mensch zurechtfinden, wenn Musik, Text und das, was sich auf der Bühne abspielt, so weit auseinanderklaffen, wie es leider heute meistens der Fall ist. Ich befürchte eher, dass die Regietheaterinszenierungen junge Leute eher abschrecken, obwohl Intendanten und Regisseure natürlich das Gegenteil behaupten.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Für einen Opernbesuch stehen bei mir eindeutig Werk und/oder Besetzung im Vordergrund. Bei Regieverunstaltungen kann man ja die Augen schließen, aber auch dann stören mich oft die Mutwilligkeiten diverser Regisseure, die Lärm auf der Bühne produzieren, indem sie Türen zuknallen lassen, Stühle geräuschvoll einsetzen usw. und damit die musikalische Realisierung empfindlich stören.


    Wenn man kein Feeling für die oft subtile Sprache der Musik besitzt, sollen diese Profilierungsneurotiker beim Sprechtheater ihr Unwesen treiben, dort stören diese "Gags" in der Regel nicht!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Wie schrieb Loriot doch über SIegfried: Im zweiten AKt lernt Siegfried im Wald eine Waldvögelchen kennen, wenn die modernen Regisseure das zulassen. Ich bin ja hier im Forum schon mal kritisiert worden, weil ich Oper nicht mehr als Gesamtkunstwerk sehe. Es kann mir doch keiner erzählen, das er sich seine Opernbesuche nach dem Regisseur aussucht. Ich gehe auch ins Kino wegen der Schauspieler und nicht wegen des Regisseurs. Für mich sind und bleiben Sänger und Orchester im Vordergrund, weshalb ich in die Oper gehe. Und das schöne an einem Ensembletheater ist , das man seine Lieblings verfolgen kann, wie sie immer besser werden.

  • Wenn man junge Leute an die Oper heranführen will, sollte man m.E. das Werk erstmal so präsentieren, wie es vom Komponisten und Librettisten gedacht war, um einen "Erfahrungsschatz" aufzubauen. Das ist ja aber heute kaum noch möglich. Später kann sich ja dann, wer will, mit den Ideen eines Regisseurs auseinandersetzen. Wie soll sich ein junger Mensch zurechtfinden, wenn Musik, Text und das, was sich auf der Bühne abspielt, so weit auseinanderklaffen, wie es leider heute meistens der Fall ist. Ich befürchte eher, dass die Regietheaterinszenierungen junge Leute eher abschrecken, obwohl Intendanten und Regisseure natürlich das Gegenteil behaupten.


    Liebe Mme. Cortese, natürlich weiß ich nicht, in welchem Lebensalter Du Dich bewegst. Frage werde ich schon aus Höflichkeit nicht danach, es hat mich nichts anzugehen. Ich nehme aber mal an, dass Du selbst ziemlich jung sein musst oder zumindest beruflich oder familier sehr viel Umgang mit jungen Leuten hast. Was Du schreibst, finde ich auch deshalb so interessant, weil es mit meinen eigenen Erfahrungen nicht übereinstimmt. Beim Widerspruch wird es immer spannend für mich, denn ich finde es langweilig, lediglich in der eigenen Auffassung bestätigt zu werden. Wir lernen am meisten aus dem Unterschied. Kurz und gut, ich habe sehr viele Kontakte zu jungen Leuten, die haben aber niemals die Probleme, die Du aus Deinen Verbindungen mit dieser Generation festgestellt hast. Jugend halte ich für unglaublich anpassungsfähig. Das geht ganz schnell. Deshalb mache ich mir - was die Oper und die Musik angeht - auch keine Sorgen um sie. Ich habe zum Beispiel wiederholt Filmaufnahmen von Opern vorgeführt, von denen man annehmen kann, dass sie im Sinne des Komponisten und Librettisten gehalten sind. Ich habe wenn nicht Spott, so doch ein mildes Lächeln geerntet. Das war ein bisschen so, als hätte mir als 18jährigen meine Mutter einen Film mit der Rökk, der Leander oder Willy Birgel vorgespielt. Ich habe "meinen" Jugendlichen nicht vermitteln können, dass eine Inszenierung in der Ästhetik, die wir als vom Komponisten gewollt bezeichnen würden, gewinnender sein soll als das, was heute so über die Bühnen geht. Diese jungen Leute, die fast meine Enkel sein können, haben nämlich - wenn sie sich überhaupt für Oper interessieren - kein Problem mit dem, was mir nicht gefällt. Ich hingegen kann mit Heavy Metal und Hard Rock nichts anfangen. Nach meinen Beaobachtungen hat Jugend heute ganz andere musikalische Wahrnehmungen als zur der Zeit als Rennert oder Wieland Wagner Opern inszenierten. Das hat garantiert nichts damit zu tun, dass ihnen Oper nicht richtig nahe gebracht wird. Wenn die Neugierde dafür angelegt ist bei jungen Leuten, dann finden sie auch den Weg dahin. Das ist eine meiner wichtigsten Lebenserfahrungen, die ich nie widerlegt fand. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, wo Oper nicht einmal als Wort vorkam. Aber es gab ein Radio, wo ich diese Musik hörte und davon wie vom Donner gerührt war. So fing es an, und ich habe in der Folge alles zusammengekratzt, was mit Oper zu tun hatte. Das war damals weitaus schwieriger und mühsamer als heute, wo wir via Internet jede Informationsquelle anzapfen können. As ich meine erste im Theater erlebte, fragte ich mich zu allerletzt, ob das auch im Sinne des Komponisten sei. Ich erlebte den Rausch, die Musik, die aus dem Graben kam und nicht aus Lautsprechern, ich erlebte Menschen, die singen konnten.


    Um an den Ausgangspunkt und zu Thema zurückzukehren, liebe Mme. Cortese, bitte schildere doch hier die Erfahrungen mit Deinen jungen Leuiten etwas ausführlicher. Bestimmt hat Du nicht nur mich als aufmerksamen Leser.


    Danke und Gruß
    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe zum Beispiel wiederholt Filmaufnahmen von Opern vorgeführt, von denen man annehmen kann, dass sie im Sinne des Komponisten und Librettisten gehalten sind. Ich habe wenn nicht Spott, so doch ein mildes Lächeln geerntet. Das war ein bisschen so, als hätte mir als 18jährigen meine Mutter einen Film mit der Rökk, der Leander oder Willy Birgel vorgespielt. Ich habe "meinen" Jugendlichen nicht vermitteln können, dass eine Inszenierung in der Ästhetik, die wir als vom Komponisten gewollt bezeichnen würden, gewinnender sein soll als das, was heute so über die Bühnen geht. Diese jungen Leute, die fast meine Enkel sein können, haben nämlich - wenn sie sich überhaupt für Oper interessieren - kein Problem mit dem, was mir nicht gefällt.


    Hallo, Rheingold,


    du hast die Frage zwar an Madame Cortese gestellt, und ich möchte ihr keineswegs vorgreifen, aber da du hier explizit deine Erfahrungen bei der Vermittlung von Oper an junge Menschen schilderst, möchte ich gern auch etwas dazu sagen. Meine Erfahrungen sind das komplette Gegenteil von dem, was du schreibst. Das, was ich bei der Zusammenarbeit mit Jugendlichen erlebe, ist in puncto Oper im "schlimmsten" Fall höchstens: "Da können wir nicht soviel damit anfangen, weil alles gesungen wird." Ansonsten ist da durchaus Interesse da, und es wird auch wertend wahrgenommen, ob z.B. eine Carmen original oder auf der Müllhalde angesiedelt ist. Das nur als kurzer Einwurf meinerseits.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Wenn man kein Feeling für die oft subtile Sprache der Musik besitzt, sollen diese Profilierungsneurotiker beim Sprechtheater ihr Unwesen treiben, dort stören diese "Gags" in der Regel nicht!


    Nein, lieber Milletre, auch das Sprechtheater hat keine Profilierungsneurotiker als Regisseure verdient, wurde aber in den letzten 40 Jahren als deren ausschließliche Spielwiese zu dem gemacht, was es heute ist. Ich bin z.B. ein großer Schauspielfan und würde sehr gern auch entsprechende Vorstellungen besuchen, aber was da so geschieht, schlägt selbst die fragwürdigste Operninszenierung um Längen. Die Musik scheint (noch!) meistens ein gewisser "Hemmschuh" zu sein, was man vom Sprechtheater nicht behaupten kann. Ibsen, Schiller, Goethe, Lessing u.v.a. haben aber die gleiche Achtung verdient wie Verdi, Wagner, Mozart und Kollegen.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Natürlich hast Du völlig recht, liebe Sognatrice, aber hier sprach ich als Musikfan, der dieses Gesindel einfach vom Tisch wischen will.


    Ich glaube, man kann Jugendliche sehr wohl für die Oper begeistern. Dazu aber wäre ein neuer Marcel Prawy oder Leonard Bernstein vonnöten. Diese beiden haben durch ihre Kompetenz, verbunden mit ihrem Enthusiasmus und natürlich auch durch ihr Charisma, sehr wohl viele junge Leute zur Musik bzw. Oper führen können.


    Aber wo gibt's solche Giganten heute? - Vielleicht ließen sich noch Sendungen dieser beiden auftreiben ...

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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  • Lieber Rheingold,


    ich muss dich enttäuschen, ich befinde mich bereits im Rentenalter. Ich habe im Schuldienst zwar jahrzehntelang mit Jugendlichen zu tun gehabt, aber nicht im Fach Musik. Allerdings habe ich von Kollegen, die mit ihren Schülern in der Oper waren bzw. von den Schülern selbst sehr häufig gehört, dass sie enttäuscht waren, wenn da alles so ganz anders war, als sie es vorher im Unterricht besprochen hatten, gerade weil sie mal bereit gewesen waren, sich auf etwas ganz anderes einzulassen als ihre übliche musikalische und optische Kost. Ähnliches habe ich auch von den Kindern und Enkeln von Bekannten gehört. Im übrigen meine ich, dass in vielen Fällen ein erster Besuch der Oper im Teenageralter für viele Jugendliche doch etwas zu spät kommt.In den seltensten Fällen werden sie ihre bis dahin verfestigten musikalischen Vorlieben aufgeben. Falls du gegenteilige Erfahrungen gemacht hast, lass mich das bitte wissen. Ich meine, dass man Kinder bereits im Grundschulalter an die Oper heranführen sollte. Da wirkt das Zusammenspiel von Livemusik und Bühnenbild noch viel überwältigender. Die Kinder gehen auch noch naiver an das ganze heran. Für die ist ein Märchen eben ein Märchen, mit etwas Grusel und Happy-End. Ich denke da z.B. an Hänsel und Gretel, Zauberflöte und meinetwegen auch Freischütz. Was sollen solche Kinder mit der Bieito-Inszenierung des Freischütz (für Kinder sowieso nicht freigegeben) oder der Kusej-Inszenierung der Zauberflöte anfangen??? Selbst wenn Eltern guten Willens sind, was ja heutzutage leider viel zu selten vorkommt - wo sollen sie denn mit ihren Kindern hingehen?


    Viele Grüße
    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Natürlich hast Du völlig recht, liebe Sognatrice, aber hier sprach ich als Musikfan, der dieses Gesindel einfach vom Tisch wischen will.


    Ich glaube, man kann Jugendliche sehr wohl für die Oper begeistern. Dazu aber wäre ein neuer Marcel Prawy oder Leonard Bernstein vonnöten. Diese beiden haben durch ihre Kompetenz, verbunden mit ihrem Enthusiasmus und natürlich auch durch ihr Charisma, sehr wohl viele junge Leute zur Musik bzw. Oper führen können.


    Aber wo gibt's solche Giganten heute? - Vielleicht ließen sich noch Sendungen dieser beiden auftreiben ...


    Ja, das hast du recht. Bernie "hatte es drauf", wenn man es so ausdrücken will. Der ehemalige GMD der Hamburgischen Staatsoper, Gerd Albrecht, hat sich allerdings auch sehr dafür eingesetzt, dass Kinder und Jugendliche an klassische Musik herangeführt werden. Er hatte auch eine Fernsehreihe, "Klassik für Kinder". Das waren Gesprächskonzerte, wo Kompositionen wie "Die Moldau" gespielt und analysiert wurden oder auch ein wenig Instrumentenkunde dabei war. Ich habe mir dies ein paar Mal im Fernsehen angeschaut und fand es sehr ansprechend, es kam auch bei der Zielgruppe sehr gut an. Von Albrecht stammt der Opernführer "Mein Opernbuch", in dem ein erster Einstieg in die Welt der Oper vermittelt wird. Es gibt also solche Bestrebungen, und sie sind sicherlich nicht vergebens. Die Masse werden sie aber trotzdem nicht erreichen, und das ist auch nicht nötig, denn "überlebt" hat die klassische Musik bisher trotzdem so ziemlich alles.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Gab es nicht auch mal im NDR Fernsehen eine Sendereihe mit Gerd Albrecht, wo er die Handlung einer Oper anhand von Probeszenen erklärte? Manchmal waren sogar bekannte Sänger mit dabei. Das hat mir auch immer sehr gut gefallen. Aber man sollte erst einmal klein anfangen und vielleicht einige Schulklassen zu einer Theater oder Konzertprobe einladen, oder die Musiker oder Sänger könnten ja auch in den Musikunterricht gehen. Und das ganze vielleicht nicht nur für einen Besuch sondern für länger, so das die Jugendlichen den ganzen Entwicklungsprozess mitverfolgen können.

  • Nun, da ich ja noch als jung gelten darf :D und auch Reaktion Gleichaltriger oder auch Jüngerer auf Klassiche Musik, konnkret Oper beobachtet und mitempfinden konnte und kann, würde ich kaum sagen, dass junge Leute die Oper in welcher Form auch immer besonders ablehnen oder besonders schätzen. Es gibt junge Leute, die die Oper äußerst schätzen, sowohl in traditionellen als auch modernen Inszenierungen, wie auch junge Leute, die damit grundsätzlich gar nichts anfangen können. Ich glaube, dass das weniger an der Inszenierung liegt, sondern, dass viele Leute (nicht nur junge) mit der Form Oper an sich nichts anzufangen wissen (Stichwort Strano..."Die singen/schreien ja die ganze Zeit!").
    Ich persönlich bin ja über die Geschichten und Texte zur Oper gekommen, erst dann zur Musik und Gesang, aber ich denke, dass das eher untypisch ist, meist geht dass zuerst über die Musik. Im Musikunterrricht in der Schule waren meine Klassenkameraden meist gelangweilt oder (und das ist eine Reaktion, die ich heute noch erlebe) peinlich berührt, sie haben angefangen zu kichern bzw. sich lustig gemacht. Ich finde, Klassische Musik und Oper haben immer auch einen feierlichen Aspekt und dieser Aspekt ist es, den die meisten jungen Leute heute wohl nicht mehr mit sich vereinbaren können...unsere Zeit ist nicht mehr feierlich, die große Geste, das Pathos, das sind Anachachronismen in der Welt von heute, Jugendliche können damit nichts anfangen, es kommt ihnen altbacken und lahm vor, und eben peinlich. Das Paradox daran ist, dass sie es als künstlich empfinden und das obwohl unsere Zeit ebenso von Künstlichkeit geprägt ist (aber es ist eben eine andere Form). Das sie Oper als Kunstform veraltet ist, hatten wir ja auch schon in einem anderen Thread und in den Auffasungen von jungen Leuten zeigt sich das ganz deutlich.
    Es mag seltsam klingen, aber manchmal denke ich, um Klassiche Musik und Oper zu mögen, muss man eine "alte Seele" haben (was auch immer das sein mag)



    Allerdings habe ich von Kollegen, die mit ihren Schülern in der Oper waren bzw. von den Schülern selbst sehr häufig gehört, dass sie enttäuscht waren, wenn da alles so ganz anders war, als sie es vorher im Unterricht besprochen hatten,

    Hier (Hervorhebung von mir) merkt man doch, wo die Krux liegt, den Schüler wurde anscheinend viel zu viel vorgegeben, klar, dass sie enttäuscht sind, ich bin dabei immer so, dass ich sage, so viel Infos wie nötig, aber so wenig wie möglich, alles andere verfälscht die Aufnahme des Einzelnen doch viel zu sehr.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • . Ich finde, Klassische Musik und Oper haben immer auch einen feierlichen Aspekt und dieser Aspekt ist es, den die meisten jungen Leute heute wohl nicht mehr mit sich vereinbaren können...unsere Zeit ist nicht mehr feierlich, die große Geste, das Pathos, das sind Anachachronismen in der Welt von heute, Jugendliche können damit nichts anfangen, es kommt ihnen altbacken und lahm vor, und eben peinlich. Das Paradox daran ist, dass sie es als künstlich empfinden und das obwohl unsere Zeit ebenso von Künstlichkeit geprägt ist (aber es ist eben eine andere Form).

    Das sehe ich genauso. Andererseits ist dieses Pathos ja nicht verschwunden. Beim Ballett z.B. geht es nicht ohne, und ich sagte ja schon, dass ich bei den Ballettaufführungen, die ich in Berlin regelmäßig besuche, auch Kinder und Jugendliche in nicht geringer Zahl im Publikum sehe. Pathos ist auch da, wenn vor einem Deutschlandspiel die Nationalhymne gesungen wird. Niemand würde das in Frage stellen oder als "künstlich" oder gar lahm und altbacken ansehen. Das "Deutsche Sommermärchen" von 2006 haben wir alle noch in Erinnerung. Wenn da kein Pathos dabei war, dann gibt es gar kein Pathos.
    Ja, es ist eine andere Form bei der Oper. Da hast du recht. Aber auch diese hatte und hat ihre Daseinsberechtigung. Und zwar so wie sie ist.



    Zitat

    Das sie Oper als Kunstform veraltet ist, hatten wir ja auch schon in einem anderen Thread und in den Auffasungen von jungen Leuten zeigt sich das ganz deutlich.

    Das sehe ich ganz anders. Die Oper hat sich zumindest bisher nahezu 400 Jahre halten können. Wieviele Strömungen sind in der Zeit gekommen und gegangen? Sie wird sich auch weiter halten, denn sie ist ein Universalkunstwerk, sollte aber auch als ein solches betrachtet und vor allem RESPEKTIERT werden. Wenn das passiert, dann bietet sie eigentlich allen etwas: hochdramatische Stories, Musik in Hülle und Fülle, etwas fürs Auge, Geschichte und natürlich ganz viel Emotionen. Wenn das nichts ist...

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hier (Hervorhebung von mir) merkt man doch, wo die Krux liegt, den Schüler wurde anscheinend viel zu viel vorgegeben, klar, dass sie enttäuscht sind, ich bin dabei immer so, dass ich sage, so viel Infos wie nötig, aber so wenig wie möglich, alles andere verfälscht die Aufnahme des Einzelnen doch viel zu sehr.


    Wenn du mit "viel zu viel" Ort und Zeit der Handlung meinst, dann liegt die Verwirrung der Schüler garantiert NICHT in der Vermittung begründet.... :whistling:

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Die Oper bietet eigentlich allen etwas: hochdramatische Stories, Musik in Hülle und Fülle, etwas fürs Auge, Geschichte und natürlich ganz viel Emotionen. Wenn das nichts ist...

    ... und wenn dann noch dazu ein hochkarätiges Sängerensemble kommt, ein wunderbar spielendes Orchester und eine Inszenierung und Ausstattung, die dem Werk gerecht wird, dann ist das tatsächlich was. Dann ist Oper ein Erlebnis und Genuß. Mit dieser Aussage weiß ich mich mit sehr vielen geschätzten Mitgliedern unseres Forums auf das herzlichste auf einer Wellenlänge verbunden.
    Wir alle haben solche hervorragenden Abende erlebt, die es heute nicht, oder kaum mehr gibt. Und es tut mir ehrlich und aufrichtig leid, daß z. B. Dir, liebe Sognatrice und auch Joseph II., als spürbare Enthusiasten und Kenner, aufgrund Eures noch jüngeren Alters, dies alles live entgangen ist.
    Und man sollte uns etwas reifere bis hin zu den noch älteren, unsere Erinnerungen und Erfahrungen nicht immer schlecht reden. Das hat auch nichts mit dem immer wieder mal schnell herbeigeholten abfällig gemeinten Spruch zu tun: "Ja, ja, ich weiß schon. Früher war eben alles besser..." Wenn es eben die Tatsachen sind, dann ist das auch so. Wenn ich jahrelang Stammgast in einem gut geführten Restaurant, mit schönem Ambiente und erlesenen Speisen war und heute steht dort vielleicht nur noch eine "Fritten- Bude", dann kann es mir doch keiner verübeln, wenn man sich darüber unterhält und in der Erinnerung schwelgt: "Wißt Ihr noch, wie gemütlich wir damals dort gesessen haben und wie wunderbar wir gespeist haben"? Und heute? Stehtisch und Pappteller!!!


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Ich finde, Klassische Musik und Oper haben immer auch einen feierlichen Aspekt und dieser Aspekt ist es, den die meisten jungen Leute heute wohl nicht mehr mit sich vereinbaren können...unsere Zeit ist nicht mehr feierlich, die große Geste, das Pathos, das sind Anachachronismen in der Welt von heute, Jugendliche können damit nichts anfangen, es kommt ihnen altbacken und lahm vor, und eben peinlich


    Liebe SchallundWahn,


    auch wenn ich manchmal darüber staune und grüble, wie man als 26-jährige, ohne Opernerfahrung ausgestattete junge Frau und noch dazu als jemand, der sich erst seit 2 Jahren mit Oper befaßt solche von tiefer Musikkenntnis zeugende Beiträge verfassen kann, so muß ich Dir doch recht geben!


    Die Jugend will Spaß, selbst beim Sterben, und da paßt eine Wagnersche Sagenwelt oder ein Sterben a la Violetta nicht ins Schema. Auch wenn ich mich wiederhole, hat das mit musischer Bildung zu tun. In der Schule, im Elternhaus und sonst wo. Aber wenn kein Interesse da ist, dann wird jeglicher Enthusiamus der Eltern oder der Schule, oft auch der Einfluß der Freunde verhindern, daß jemand sich etwas ansieht oder anhört, was ihn selbst nicht packt! Ich habe als Kind manchmal meine Freunde warten lassen, weil gerade im Radio Metternich oder Rosvaenge sang. Das ist heute "uncool" - was für ein doofes Wort.


    Aber auch meine Freude an der Oper hat meinen Sohn (jetzt 45 Jahre) nicht für klassische Musik begeistern können. Er war mal mit uns in der Zauberflöte, der Papageno hatte Jeans an, und unser Sohn hatte die Zauberflöte in der Schule im Musikunterricht behandelt. Da hatte der keine Jeans. Sein Bild von der Zauberflöte war kaputt. Nie wieder Oper, so seine Meinung. Ins Konzert habe ich ihn schon mal mitbekommen, aber ohen dauerhaften Erfolg. Und jetzt steht er unter dem Einfuß seiner Frau, die mag Rockmusik. Alle Klassik ist vergessen. Geschmack wird gebildet, aber wenn man dabei nicht überzeugt oder standhaft ist, dann kann er auch verändert werden. Und das kann auch mal passieren, daß sich jemand für klassische Musik begeistert, wenn er entsprechendes Umfeld hat. Das kann sich mit den Jahren einstellen, daß mein Sohn sich erinnert, was der Papa früher gehört hat. Ich hoffe darauf, denn aus der Spaßgesellschaftszeit wächst er langsam heraus. Deshalb muß Oper fortbestehen, aber so, wie Oper ist. Papageno als bunter Vogelfänger , Violetta als TBC-Kranke und nicht als Harz-4-Empfängerin an der Nadel. Dann ist Hoffnung, die niemals sterben darf.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Aber ich sehe auch das immer mehr junge Leute z.B. in Wagner Opern gehen, oder wie letzten Samsag bei der Elektra Premiere der Rheinoper waren auch sehr viele junge Leute anwesend. Ich kann mich an meine ersten Opernjahre daran erinnern das die Altersgrenze beim Wagnerpublikum ab 60 Jahre aufwärts war. Insoweit hat sich doch schon was geändert. Meine erste Oper war von Donizetti der Liebestrank. Die Oper war nicht allzulang, unterhaltsam und hat sehr schöne Arien und Duette. Obwohl ich Mozart sehr mag, bin ich bis heute noch kein großer Freund der Zauberflöte und wer weiß was passiert wäre , wenn meine erste Oper die Zauberflöte gewesen wär.

  • Die Jugend will Spaß, selbst beim Sterben, und da paßt eine Wagnersche Sagenwelt oder ein Sterben a la Violetta nicht ins Schema.

    Ich weiß nicht, ob man das so verallgemeinern kann. Was ist mit dem "Herrn der Ringe" und ähnlichen Fantasy-Geschichten und -filmen? Die in grauer Vorzeit spielen, stellenweise hochdramatisch sind und das Sterben absolut nicht "spaßig" darstellen? Die Anklänge an die Wagnersche Sagenwelt sind da in jedem Fall schon mal gegeben, und Pathos ist in rauhen Mengen dabei. Scheint aber in der Zielgruppe niemanden zu stören.



    Zitat

    Auch wenn ich mich wiederhole, hat das mit musischer Bildung zu tun. In der Schule, im Elternhaus und sonst wo. Aber wenn kein Interesse da ist, dann wird jeglicher Enthusiamus der Eltern oder der Schule, oft auch der Einfluß der Freunde verhindern, daß jemand sich etwas ansieht oder anhört, was ihn selbst nicht packt! Ich habe als Kind manchmal meine Freunde warten lassen, weil gerade im Radio Metternich oder Rosvaenge sang. Das ist heute "uncool" - was für ein doofes Wort.

    Aber auch nicht bei allen. Ich gebe dir allerdings recht, wenn du sagst, dass das Elternhaus eine wichtige Rolle spielt. Eltern, die ihrerseits klassische Musik mögen, in Konzerte oder in die Oper gehen, stecken oftmals auch den Nachwuchs mit ihrer Begeisterung an. Unser Mitglied Wolfgang9079 hat ja erzählt, dass seine Töchter sehr wohl klassische Musik goutieren. Wundert uns das, wenn der Papa drei verschiedene Musikzimmer hat? (Hoffentlich habe ich's mir richtig gemerkt, sonst bitte ich um Korrektur). ;)

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

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  • Es kann mir doch keiner erzählen, das er sich seine Opernbesuche nach dem Regisseur aussucht. Ich gehe auch ins Kino wegen der Schauspieler und nicht wegen des Regisseurs.


    Doch, rodolfo39, ich gehe inzwischen durchaus auch wegen des Regisseurs in die Oper. Und früher, als ich noch sehr viel ins Kino gegangen bin, geschah dies sogar hauptsächlich wegen des Regisseurs, da haben wir uns in unserer "Kino-Gang" eben den neuesten Scorsese, den neuesten Cronenberg oder den neuesten Woody Allen angesehen. - Wo ich darüber nachdenke, ist dies sogar recht interessant; wie oben bereits gesagt, hat mich im Gegensatz zum Kino die Opernregie früher kaum interessiert.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Doch, rodolfo39, ich gehe inzwischen durchaus auch wegen des Regisseurs in die Oper.


    Hallo, Michael!


    Was Du da schreibst, kann doch wohl nicht Dein Ernst sein? Würdest Du wegen des Regisseurs in eine Verdi-Oper gehen, auch wenn da ein paar Straßenmusikanten einer "Aida" z. Bsp. musikalischen Glanz verleihen?



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Beim Lesen der zum Teil sehr interessanten Beiträge in diesem Thread ist mir folgendes aufgefallen (was eventuell sogar einen eigenen Thread wert sein könnte): Wir gehen sehr oft davon aus, daß sich der Sinn für klassische Musik bei Kindern und Jugendlichen"bilden" läßt; sei dies durch das Elternhaus, durch die Schule, durch dezidierte Musikpädagogik, wie z.B. Bernstein, Albrecht etc. Ebensooft sind wir enttäuscht, wenn dies z.B. bei unseren eigenen Kindern, Enkeln, Freunden oder auch Schülern nicht funktioniert :( Ich behaupte jetzt mal provokant, daß dieses Vorhaben insbesondere bei Musik gar nicht funktionieren kann!


    Der Grund meiner Behauptung liegt in einer anderen Behauptung, der hier bisher nicht widersprochen wurde, nämlich


    Die Musik und der Gesang hingegen haben es da viel einfacher, da sie unter Umgehung des intellektuellen Zentrums [...] direkt an das Innerste rühren.


    Wenn dies richtig ist und die Musik an unser Innerstes rührt, ist mithin der eigene Musikgeschmack eine tief verwurzelte, ja fast schon intime Eigenschaft eines jeden Einzelnen. Insbesondere kann man ihn nicht lernen, sondern man hat ihn (ähnlich einer genetischen Disposition). Das ist etwas vollkommen anderes, als etwa, daß ich einem Kind oder Jugendlichen zumindest ein gewissen Grundverständnis von irgendetwas beibringen kann. D.h., um bei der Musik zu bleiben, ich kann einem Jugendlichen die Grundzüge symphonischen Schaffens erklären (Viersätzigkeit, Sonatensatz, Tonart etc.) und mit etwas Glück wird er all das verstehen. Ich werde aber dadurch kaum etwas daran ändern, dass er partout keine klassische Musik hören will. Es ist sogar möglich, dass ihm diese Art von Musik "Schmerzen" bereitet, er sie nicht ertragen kann (z.B. wird ja durchaus versucht, eine solche Art der Ideosynkrasie an Bahnhöfen auszunützen um ungeliebtes Publikum zu verscheuchen). Ähnlich geht es mir mit gewissen Formen deutscher Volks- und Schlagermusik, welche in mir tatsächlich Aggressionen auszulösen vermag.


    Ich selber bin z.B. ganz ohne irgendwelche äußeren Anreize, wie Elternhaus oder Schule zur klassischen Musik gekommen. Vielmehr ging mir mit ca. 14 Jahren die dauernde Schulhof-Diskussion, welche (Pop-)Musik man denn höre, so sehr auf den Geist, daß ich irgendwann aus Protest antwortete "Beethoven!". Ich kannte zu diesem Zeitpunkt bestenfalls den Beginn der 5ten und Für Elise. Na ja, dachte ich dann, wenn ich schon sooo schräge Sachen behaupte, könnte ich mir ja auch mal anhören, was das denn genau für Musik sei. - Und so bin ich damals auch mit Hilfe redaktionell noch hervorragender Radioprogramme zur klassischen Musik und auch zur Oper gekommen.


    Damit stelle ich nun zwei weitere Fragen zur Diskussion:

    • Ist das Interesse für klassische Musik bzw. für die Oper oder die Fähigkeit eine solche Musik überhaupt hören zu können letztlich genetisch bedingt und also jeder musikpädagogische Ansatz in seiner Konsequenz zum Scheitern verurteilt?
    • Wie seid ihr zur klassischen Musik bzw. zur Oper gekommen?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Wolfgang,


    ich werde jetzt bewußt etwas überreagieren, was aber bitte nicht persönlich zu verstehen ist:


    Hallo, Michael!


    Was Du da schreibst, kann doch wohl nicht Dein Ernst sein? Würdest Du wegen des Regisseurs in eine Verdi-Oper gehen, auch wenn da ein paar Straßenmusikanten einer "Aida" z. Bsp. musikalischen Glanz verleihen?


    Gruß Wolfgang


    Ja, mein Gott! Wäre ich denn deshalb ein schlechtere Mensch? - Warum hört sich diese Frage so an, als würde hier mindestens "Dummheit", wenn nicht sogar "Geisteskrankheit" unterstellt werden? - Genaugenommen unterscheidet sich der Impetus dieser Frage in keinster Weise von der Unterstellung, alle Regietheater-Gegner seien mindestens Ewiggestrig, wenn nicht sogar schlimmeres.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    - Warum hört sich diese Frage so an, als würde hier mindestens "Dummheit", wenn nicht sogar "Geisteskrankheit" unterstellt werden? -


    Hallo, Michael!


    Warum so beleidigt? In ähnlicher Form hast Du mir auch schon geantwortet. Nur das ich dies mit Humor genommen habe. Ich hatte erwartet, daß Du die kleine Provokation auch so auffaßt. Ich konnte nur nicht verstehen, daß Dir der Gesang so egal scheint, daß bei Dir der Regisseur Vorrang genießt. Das geht bei mir nicht ganz hinein.




    Gruß Wolfgang

    W.S.


  • Der Grund meiner Behauptung liegt in einer anderen Behauptung, der hier bisher nicht widersprochen wurde, nämlich



    Wenn dies richtig ist und die Musik an unser Innerstes rührt, ist mithin der eigene Musikgeschmack eine tief verwurzelte, ja fast schon intime Eigenschaft eines jeden Einzelnen. Insbesondere kann man ihn nicht lernen, sondern man hat ihn (ähnlich einer genetischen Disposition). Das ist etwas vollkommen anderes, als etwa, daß ich einem Kind oder Jugendlichen zumindest ein gewissen Grundverständnis von irgendetwas beibringen kann. D.h., um bei der Musik zu bleiben, ich kann einem Jugendlichen die Grundzüge symphonischen Schaffens erklären (Viersätzigkeit, Sonatensatz, Tonart etc.) und mit etwas Glück wird er all das verstehen. Ich werde aber dadurch kaum etwas daran ändern, dass er partout keine klassische Musik hören will.


    Ich habe zwar nicht direkt widersprochen, aber den Bezug auf das innere Selbst, wie es zur Musik steht, war es den ich aussagen wollte mit, es bedarf wohl einer "alten Seele" um Klassischer Musik und Oper etwas abzugewinnen.


    Nun mal zu deinen Fragen :


    Damit stelle ich nun zwei weitere Fragen zur Diskussion:

    • Ist das Interesse für klassische Musik bzw. für die Oper oder die Fähigkeit eine solche Musik überhaupt hören zu können letztlich genetisch bedingt und also jeder musikpädagogische Ansatz in seiner Konsequenz zum Scheitern verurteilt?
    • Wie seid ihr zur klassischen Musik bzw. zur Oper gekommen?


    1. also das das Interesse genetisch bedingt sei, wäre mir persönlich doch etwas zu determiniert, aber in gewisser Weise teile ich deine Auffasung darüber, dass Musik, weil sie das Innerste anrührt eine intime Sache ist und deswegen ein gewisses Interesse als Grund in der jeweiligen Persönlichkeit steckt. Ohne diesen "Urgrund" denke ich, nützt auch alle Hilfe und Unterstützung wenig. Ich bin der Meinung, dass trotz einiger Ähnlichkeiten jeder Mensch sei es das gleiche Musikstück völlig anders empfindet (und wenn es nur Nuancen sind) und wenn zwei etwas gut finden, unterscheidet sich deren Erleben und Fühlen dahin immer noch voneinander. Kurz ich halte Geschmack (ob gut oder schlecht sei dahingestellt) nicht für erlernbar im pädagogischen Sinne. Wie gesagt, kann man helfen, ermutigen, unterstützen, aber das oben genannte Innere erreichen, dass kann nur die Musik allein (oder auch nicht).
    Was übrigens auch der Grund ist, warum ich so ein Verfechter der Reduktion bin, sie lässt dieses persönliche Innere schwingen, es baut sich seine Vorstellung, sie wird nicht vorgegeben (egal in welche Richtung).


    2. weder durch meine Eltern, noch durch irgendwen sonst. Mein Musiklehrer hat zwar interessanten Unterricht gemacht, aber letztlich bin ich trotzdem die einzige meiner Mitschüler bei der das gefruchtet hat, demnach kann es definitiv nicht nur am Lehrer liegen, es ist auch eine Sache von innerer Einstellung. Wie gesagt kam ich durch Filme zur Klassischen Musik und durch die Geschichten zur Oper, ich hab mal in der Bibliothek in einem Opernführer geblättert und alles was mich da interessiert hat, aufgeschrieben und dann versucht das nach und nach kennenzulernen. Warum ich das "plötzlich" gemacht habe, kann ich heute noch nicht sagen, wahrscheinlich war mir andere Musik langweilig geworden.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • alle Regietheater-Gegner seien mindestens Ewiggestrig,


    Das kann man durchaus noch als ein Kompliment sehen. Vor allem weil diejenigen, die so etwas abwertend behaupten, das gute "Ewiggestrige" in der Regel gar nicht kennen und daher auch nicht wissen, was ihnen entgangen ist.

    wenn nicht sogar schlimmeres.


    Und das will ich lieber überlesen, bevor ich das kommentiere!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...


  • Ja, mein Gott! Wäre ich denn deshalb ein schlechtere Mensch? - Warum hört sich diese Frage so an, als würde hier mindestens "Dummheit", wenn nicht sogar "Geisteskrankheit" unterstellt werden? - Genaugenommen unterscheidet sich der Impetus dieser Frage in keinster Weise von der Unterstellung, alle Regietheater-Gegner seien mindestens Ewiggestrig, wenn nicht sogar schlimmeres.


    Also für mich hört sich das nicht so an, als würde dir Geisteskrankheit unterstellt werden. Wolfgang ist eben verwundert. Das bin ich auch, aber ich bin trotzdem der Meinung, dass jeder das nach eigenem Gutdünken abhandeln sollte. Und in punkto Regisseur haben wir vielleicht sogar etwas gemein. Für mich ist der Regisseur nämlich in der Tat eine wichtige Komponente, nur dass ich, wenn ich den Namen eines bestimmten Regisseurs lese,eben gerade NICHT die Aufführung besuche, egal wer da singt und dirigiert. So what.


    Interessanter finde ich aber deine Fragen.



    Zitat

    Ist das Interesse für klassische Musik bzw. für die Oper oder die Fähigkeit eine solche Musik überhaupt hören zu können letztlich genetisch bedingt und also jeder musikpädagogische Ansatz in seiner Konsequenz zum Scheitern verurteilt?


    Ja und nein. Ich glaube, dass beides sehr wichtig ist. Da es ja für fast alles irgendwo eine genetische Disposition gibt, kann ich mir gut vorstellen, dass auch gewisse Hörfähigkeiten schon von vornherein festgelegt sind. Es gibt Leute, die finden klassische Musik ätzend, andere sind gleichgültig, wieder andere reagieren positiv, das hast du ja schon ausgeführt. In der DDR gab es universelle Lehrpläne, die auch das Fach Musik betrafen. Es wurde also in einer bestimmten Jahrgangsstufe immer ein bestimmtes musikalisches Kapitel durchgenommen. Alle hatten also zumindest lerntechnisch dieselben Voraussetzungen.Natürlich spielten der Lehrer und seine gekonnte oder nicht gekonnte Vermittlung des Stoffs auch keine geringe Rolle. Trotzdem gab es eben schon in der 1.Klasse Schüler, die das ansprach, andere eben nicht. Diejenigen, denen das nicht gleichgültig war , hatten nicht alle musikalische Elternhäuser, wie es bei mir der Fall war, waren also nicht unbedingt schon vor dem Schulalter mit klassischer Musik in Berührung gekommen. Andere, die den Unterricht störten, die Musikstunden als eine Art Freistunden auffassten oder sich völlig gleichgültig zeigten, wurden eben nicht berührt. Insofern glaube ich schon ,dass die Genetik da nicht ganz außer Acht zu lassen ist. Trotzdem meine ich, dass ein musikpädagogischer Ansatz zumindest angeboten werden muss, denn auch musische Kinder haben möglicherweise keine Möglichkeit, ihre Begabungen auszuleben.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo Wolfgang,


    dass wir insbesondere bzgl. des Themas "Opern-Regie" verschiedener Meinung sind, dürften wir beide schon festgestellt haben ;) Ich gebe Dir auch recht, dass diese ersteinmal rein sachliche Differenz nicht ins persönliche abgleiten sollte. Und zugegeben habe ich das provokative in Deiner Provokation nicht verstanden. - Soetwas kann gerade in einem rein schriftlichen Medium, in welchem der persönliche Subtext (Mimik, Tonfall etc.) fehlt, immer wieder passieren. Von mir aus können wir es unter "Mißverständnis" verbuchen!? - Allerdings:


    Ich konnte nur nicht verstehen, daß Dir der Gesang so egal scheint, daß bei Dir der Regisseur Vorrang genießt.


    Das habe ich mit keinem Wort gesagt!? - Wäre einem die Musik und der Gesang egal, wäre es m.E. geradezu absurd, überhaupt in die Oper zu gehen. Trotzdem kann ich mich unabhängig davon, ob nun KFV oder ein weniger bekannter Tenor den Lohengrin singt, dafür entscheiden, dass ich die Hamburger Konwitschny-Inszenierung dieser Wagner-Oper unbedingt sehen will, weil ich Konwitschnys Inszenierungen fast durchweg für äußert gelungen und interessant halte. Ebenso kann ich mich, wie hier geschehen, dafür entscheiden, eine uralte (und ja durchaus sehenswerte) Inszenierung des Otello zu besuchen, weil Johan Botha die Titelpartie singt.
    Was jeweils "Vorrang" genießt, hängt schlicht von den jeweiligen Entscheidungsmöglichkeiten ab: Tatsächlich macht es mich bisweilen ein wenig traurig, dass andere Mitglieder dieses Forums aufgrund des "Regietheater-Problems" entschieden haben, letztlich ganz auf die Oper als Live-Erlebnis zu verzichten. Jedoch ist und bleibt dies jedem hier selbst überlassen und jede Art der Missionierung wäre m.E. verfehlt; die jeweilige Entscheidung ist einfach zu respektieren.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich habe zwar nicht direkt widersprochen, aber den Bezug auf das innere Selbst, wie es zur Musik steht, war es den ich aussagen wollte mit, es bedarf wohl einer "alten Seele" um Klassischer Musik und Oper etwas abzugewinnen.


    Dazu wäre zu sagen, daß ein guter Freund mir einmal nachsagte, ich verhielte mich manchmal so, als sei ich schon mit 27 auf die Welt gekommen ... demnach wäre ich jetzt knapp 70 :hello: Will sagen: Ich halte Deine Idee von der "alten Seele" keineswegs für abwegig!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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