Interpretationen für die Zeitgenossen - oder für die Nachwelt ?

  • Da ich niemanden angegriffen habe, keine Fäkalworte benutzt habe oder in irgendeiner Weise ausfällig geworden bin, halte ich diese Zurechtweisung für völlig unangemessen, zumal sie ja auch reichlich zu spät kommt.
    ...
    Sollte dem Forum meine Art der Diskussion allerdings nicht passen, nun es ging bisher ohne das Forum, es würde auch in Zukunft gehen. Ansonsten würde ich gerne zur Sachdiskussion zurückkehren!

    Noch einmal: deine Einschätzung ist in diesem Fall nicht von Bedeutung! Und wenn du meinst, die indirekte Zeihung eines Threadopeners des Schwachsinns sei eine hier zu duldende Form von "Sachdiskussion", dann solltest du deine Einstellung zum Forum in der Tat überdenken. Das wird nämlich auf Dauer ganz sicher nicht akzeptiert!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Das ist nur bedingt richtig!
    Der erste Punkt wäre schön, ist aber in 90% aller Fälle nicht mehr gegeben. ...

    Deine Ausführungen sind im Prinzip richtig, gehen aber an meiner Intention vorbei. Ich habe keineswegs über den Status Quo geschrieben, sondern über Einspielungen generell im Lauf der Schallplattengeschichte. Man lese bei Fred Gaisberg nach, wie es zu den ersten Aufnahmen mit Caruso gekommen ist (der kam, sang und kassierte - um es kurz und prägnant zu formulieren). Und wenn die drei Tenöre für ein einziges konserviertes Konzert Millionen kassierten, werden sie wohl mehr auf ihren aktuellen Kontostand als auf die Wirkung dieser Konserve auf die Nachwelt geachtet haben. Es mag sich die Gewichtung der drei Punkte im Laufe der Zeit generell etwas geändert haben, aber sie werden nach wie vor auftreten.


    Zitat

    ... Ich habe jedenfalls noch mit keinem Orchester oder keinem Kammermusikensemble eine CD bewußt für die Nachwelt aufgenommen.

    Ich würde sagen, dass dies eine Definitionsfrage darstellt. Wenn es "nur" darum ging, eine bestimmte Interpretation eines Werkes zu kommunizieren, dann reicht im Prinzip die Aufführung in einem Konzert. So wie ich bewusst für eine CD aufnehme, dann arbeite ich für die "Nachwelt", die, wie ich schrieb, mit dem 1. Verkaufstag beginnt. Man kann natürlich sagen, ich will damit einfach möglichst viele Hörer erreichen können - OK, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass ein Künstler bei einer Aufnahme den Aspekt der dauerhaften Überprüfbarkeit völlig ausblenden kann. Das wird nur wenigen gelingen, während es durchaus eine ganze Reihe von Künstlern gibt, von denen man weiß, dass sie an dieser Bürde ziemlich schwer getragen haben.


    (Auch habe ich den "Künstler" bzw. "Musiker" in meinen Betrachtungen als Individuum betrachtet. Der Orchestermusiker wird als Mitglied einer größeren Gruppe anonymisiert und braucht sich naturgemäß keine oder weniger Gedanken darüber zu machen, wie seine Interpretation den Lauf der Zeit übersteht...)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • flutedevoix:


    Zum Anfang Deines Beitrags 26:
    Du berichtest über Deine CDs, Partituren und Deine Bereitschaft, erst (Nach)zu hören und dann zu schreiben. Ich begrüsse das alles sehr, und muss zugeben, dass ich am späten Abend etwas gedankenlos und missverständlich formulierte. Besser wäre gewesen: "Ich finde es immer sehr gut, wenn....."
    Dass Du die CDs über die wir sprachen gehört hast und die Aufnahmen, wie die Musik wirklich kennst, ist mir durchaus nicht entgangen, weshalb ich eigentlich eine grundsätzliche Aussage machen wollte, dahingehend, dass ich es in jedem Fall besser finde, wenn man sich bei solchen Diskussionen mit offenen Geiste verschiedene Aufnahmen anhört bzw. in sie hineinhört (wenn möglich auch die Favoriten anderer Diskutanten), als wenn man nur stoisch seine Position hält, an seinen jahrelangen Meinungen im vollen Recht festhält und stur seine Vorurteile weiter pflegt.
    Ich will das gerne auch selbstkritisch gegen mich gelten lassen....im Internet geht ja meistens nichts verloren.
    Wenn irgendjemand seine Meinung ggf. sogar einmal justiert, dann kann ich ihm oder ihr nur gratulieren. Für mich ist das absolut kein Gesichtsverlust.
    Es sollte also keine kritische, speziell auf Dich gemünzte Bemerkung sein, und Du darfst Dir gerne weiter "einbilden", Du wüsstest wovon Du sprächest - ich kann und will Dir da keineswegs widersprechen und freue mich sehr, dass das offensichtlich der Fall ist. ^^


    Bei solchen Gelegenheiten wünschte man sich, es gäbe doch PN.



    Zurück zur Sache


    Theophilus


    Ich finde Deinen Beitrag sehr schlüssig und stimmig. Zwei Bemerkungen möchte ich machen:


    Zitat

    Dazu kommt, dass - vor allem im ersten halben Jahrhundert der Schallplatte - ein Musiker nur selten die Chance bekommt, ein Werk öfter als einmal aufzunehmen.

    Im Grossen und Ganzen wird die Richtung dieser Aussage stimmen. Natürlich fallen mir sofort die Ausnahmen ein, vor allem beim Thema Schubert Winterreise und Dietrich Fischer-Dieskau... ;)


    Dann hast Du noch ein paar Gedanken zum Thema Live / Studio entwickelt und ich möchte dazu anschliessen:

    Das geht so weit, dass es einen neuen Musikertyp gibt, der fast überhaupt nicht mehr ins Studio geht, sondern seine Diskographie überwiegend aus ausgewählten Live-Mitschnitten bestreitet.

    Ich habe auch von einem Orchester gelesen, dass nach jedem Konzert seine soeben erklungene Musik als CD-Mitschnitt verkauft. Sie haben sich da eine technische Vorrichtung angeschafft, die das ermöglicht. Natürlich ist dann alles enthalten, was eventuell schief gelaufen ist.


    Aber ich möchte auf einen anderen Aspekt hinweisen: Es werden immer mehr Live-Mitschnitte herausgebracht und nicht mehr so viele Studio-Aufnahmen. Das Argument, dass es man live eine andere Spannung und Atmophäre dabeihabe, kann hierzu immer so schön passend sein.
    Aber der letztendlich ausschlaggebende Grund wird m.E. zu einem nicht geringen Anteil ein anderer sein:
    Man kann auf diese Weise wohl kostengünstiger produzieren. Nachteilig an dieser Art der Produktion ist, dass man auf die sogenannten Sternstunden angewiesen ist. Was im Konzert nämlich atmosphärisch sehr stark wirken konnte, muss nicht automatisch bei einer mitgeschnittenen CD entsprechend beim Hörer ankommen. Und Sternstunden gibt es nicht immer und eher selten auf Knopfdruck.


    Auf der CD, die eine andere "Kunstform" der Musikvermittlung ist, zählen mehr die "harten Fakten", nämlich was für Klänge denn nun erzeugt wurden.
    Die Atmosphäre, die im Konzertsaal schwebte, wird man in den meisten Fällen nicht mehr wahrnehmen und nachempfinden können.
    Natürlich freue ich mich über jede gelungene Live-Aufnahme einer Sternstunde. Aber ich wünschte mir, dass wir Zeiten hätten, in denen man wieder bereit wäre, mehr Geld für Studioaufnahmen zu investieren.


    Wie die dann produziert werden, ist dann auch wieder so ein Thema für sich. Es sollte sich so lebendig und inspiriert wir nur irgend möglich anhören, wozu m.E. notwendig ist, dass ein musikalischer Zusammenhang gewahrt bleibt.
    Die Art und Weise, in der ein Produzent wie Philip Traugott vorgehen soll (bis zu 3000 Schnitte...), der ja auch für den heiss diskutierten Järvi-Beethoven-Zyklus verantwortlich zeichnet, empfinde ich gelinde gesagt als einen schon unmusikalischen Exzess. Sollte stimmen, was man im Netz dazu liest, dann muss man wohl sagen dass man hier einem schon ins Kontraproduktive ausartenden Perfektionismus frönte.
    Es wundert mich nicht, dass mich diese Studioaufnahme schon beim `Reinhören eher kalt lässt. Einige Taminos berichten ja auch hier, dass ihnen die live mitgeschnittene DVD besser gefiele.


    Mir fallen einige Aufnahmen ein, die man aus meiner Sicht besser unter Studiobedingungen gemacht hätte:
    Händel- Messiah (die letzte, die erste aus Schweden ist auch live, aber sehr gelungen), Bach-Weihnachtsoratorium und Bach- Kantaten, alle bei HMF und mit Harnoncourt.
    Es sind ja keine schlechten Aufnahmen und waren sicher schöne Konzerte. Aber man hört eben doch so manche live-bedingten Schwächen (siehe die entsprechenden Threads), die dann im Vergleich zu einer perfekten Herreweghe- oder Suzuki-Aufnahme, auffallen. Mit vielen gelungenen Aufnahmen der letzten Jahrzehnte, wie der Matthäuspassion oder der Johannes-Passion von Bach, hat der Dirigent ja bewiesen, dass bei ihm die Lebendigkeit nicht unter den Studiobedingungen leiden muss.
    Ich finde solche Einschränkungen dann schade, vor allem dann, wenn vor allem finanzielle Überlegungen den Auschlag für die Live-Aufnahme gaben, wobei ich andererseits auch wieder froh bin, dass sie es überhaupt aufgenommen haben.


    :hello:


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Zitat von »flutedevoix«
    Da ich niemanden angegriffen habe, keine Fäkalworte benutzt habe oder in irgendeiner Weise ausfällig geworden bin, halte ich diese Zurechtweisung für völlig unangemessen, zumal sie ja auch reichlich zu spät kommt.
    ...
    Sollte dem Forum meine Art der Diskussion allerdings nicht passen, nun es ging bisher ohne das Forum, es würde auch in Zukunft gehen. Ansonsten würde ich gerne zur Sachdiskussion zurückkehren!
    Noch einmal: deine Einschätzung ist in diesem Fall nicht von Bedeutung! Und wenn du meinst, die indirekte Zeihung eines Threadopeners des Schwachsinns sei eine hier zu duldende Form von "Sachdiskussion", dann solltest du deine Einstellung zum Forum in der Tat überdenken. Das wird nämlich auf Dauer ganz sicher nicht akzeptiert!


    Einfach noch einmal zur Klärung, ich habe keineswegs den Thread-Opener des Schwachsinns bezichtigt, weder direkt noch indirekt. Ich empfinde aber, unbeschadet der Tatsache, daß ich hier noch selber mitdiskutiere, den Thread als Humbug und Schwachsinn. Ob ich den Gegenstand einer Diskussion oder eine andere Person als schwachsinnig empfinde, macht in meinen Augen einen großen Unterschied!
    Davon abgesehen finde ich es unangemessen in irgendeiner Diskussion, nicht an der Meinung oder Einschätzung des anderen interessiert sein zu wollen, sondern die alleinige Deutungshoheit von Worten für sich zu reklamieren! Das empfinde ich als keinen guten Stil.

  • Zitat

    Man kann natürlich sagen, ich will damit einfach möglichst viele Hörer erreichen können - OK, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass ein Künstler bei einer Aufnahme den Aspekt der dauerhaften Überprüfbarkeit völlig ausblenden kann. Das wird nur wenigen gelingen, während es durchaus eine ganze Reihe von Künstlern gibt, von denen man weiß, dass sie an dieser Bürde ziemlich schwer getragen haben.


    Das wird auch immer eine Persönlichkeitsfrage sein. Ich kann jetzt natürlich nur von mir und einigen sehr guten Freunden sprechen, aber der Aspekt der dauerhaften Überprüfbarkeit spielt bei uns nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das wichtigste Argument, egal, ob Konzert oder CD ist dabei erstmal unser eigener Anspruch, der sich natürlich am Werk und nicht an irgendwelchen Zuhörererwartungen ausrichtet. Wenn wir diesen Ansprüchen gerecht werden, dann stehen wir hinter dieser Produktion, egal ob Konzert oder CD, dann ist es uns egal, wie die Nachwelt die Aufmahme beurteilt. Daß sie natürlich auf Ablehnung stoßen wird, ist uns klar, wir verschlissen uns der Kritk ja auchnicht, sondern reflektieren sie.
    Wenn aber mein einziger Anpruch ist, mit einer Aufnahme möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu verdienen, ohne daß künstlerische Qualität eine Rolle spielt oder eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung, dann ist das für mich unter musikalischen Gesichtspunkten unmoralisch.


    Worauf ich aber eigentlich hinaus will, kein Interpret auch (oder gerade diejenigen) die an der Bürde der Überprüfbarkeit durch die Nachwelt schwer tragen, produzieren ja zu einem großen oder überwiegenden Teil oder gar ausschließlich für die Nachwelt. Jeder Künstler produziert für die Hörer seiner Zeit, rein faktisch, die ja zunächst diese Aufnahmen hören werden. Ob sich dann aus dieser Aufnahme ein Wert für die Nachwelt entwickelt, zeigt sich ja erst in der Zukunft. Mit Nachwelt meine ich beeist nicht den Tag oder Monat oder das Jahr 1 nach der Produktion.

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  • Ich grüble und finde keine Antwort auf die sich mir aufdrängende Frage, was wohl "schwerer wiegt":


    Der Gebrauch der Wortes "Schwachsinn", einen Beitrag betreffend, nicht den Autor des Beitrages---oder---
    Die Wortwahl, der Ton, die daraus für mich hörbare Einstellung aus den "blauen Absätzen" in manchen Beiträgen, zuletzt in Nr.27.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe erst gestern ein Interview von Karl Böhm gesehen, wo er in etwa meint, die Wiener seien ein schwieriges Orchester, das aber , wenn alles passe weit über sich hinauswachsen können. Sie seien ein homogener Klangkörper, hauptsächlich aus Wienern bestehend, Leute mit gleicher Herkunft, gleichem Blut und gleicher Mentalität. - Ich gehe davon aus, daß sich das zwar ein wenig in Richtung Internationalität verschoben hat - aber nur marginal.


    Das mit dem "gleichen Blut"... usw. wessen Meinung ist das nun, die von K. Böhm oder die von A. Schmidt?

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Diesen Thread sollten wir schnell zu den Akten legen!


    Warum? Weil er Humbug ist, Schwachsinn würde es noch besser treffen!


    1. Du hast keinerlei Bestimmungsrecht, welche Threads weitergeführt oder eingestellt werden. Dir gefällt der Inhalt eines Threads nicht? Dann ignoriere ihn und störe nicht mit Querschlägern. Andere Diskutanten könnten sehr wohl aus einem provokant formulierten Titel eine durchaus lesenswerte Beitragsfolge produzieren.


    2. Wenn du einen Thread als "Schwachsinn" titulierst, dann ist das ein indirekter persönlicher Angriff auf den Threadopener, egal wie du es gemeint haben willst. Zumindest kann es als solcher gelesen werden und das wollen wir hier nicht. Deshalb die Forderung nach neutralerer Formulierung, die nicht weiter diskutabel ist. Die Moderation hat anderes zu tun als ständig mit Mitgliedern zu disktutieren, was sie denn gemeint haben könnten. Wir erwarten von unseren Mitgliedern, dass sie sachbezogen und ohne persönliche Angriffe formulieren - basta.


    (Wie schwer das auch gelegentlich fallen mag ;) )

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    zweiterbass: Das mit dem "gleichen Blut"...usw., wessen Meinung ist das nun, die von K.Böhm oder die von A. Schmidt?

    Da muss ich Alfred Schmidt in Schutz nehmen. Ich habe das Interview auch gesehen, das im Rahmen einer Gedenksendung zu seinem 30. Todestag ausgestrahlt wurde. Karl Böhm hat das in etwa wörtlich so gesagt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat von »flutedevoix« Diesen Thread sollten wir schnell zu den Akten legen!


    Warum? Weil er Humbug ist, Schwachsinn würde es noch besser treffen!


    1. Du hast keinerlei Bestimmungsrecht, welche Threads weitergeführt oder eingestellt werden.


    Es hieß "sollte", was einem Vorschlag gleichkommt und nicht "muß", und nur das ein Bestimmungsrecht wäre.


    Das letzte Wort im Beitrag - ... - (ohne Klammer) mag ich nicht verwenden, obwohl es passte, es erinnert mich zu sehr an einen "Mutanten".

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Hallo William B.A.,


    Du brauchst Alfred nicht in Schutz zu nehmen, ich hatte nur gefragt!

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Daß sie natürlich auf Ablehnung stoßen wird, ist uns klar, ...

    Was spielt "ihr" eigentlich so ein? Und ja, wenn einem Künstler von vornherein klar ist, dass seine Arbeit auf Ablehnung stoßen wird, kann er eigentlich recht gelassen in die Aufnahme gehen. Aber das ist wohl kein repräsentativer Fall...



    Wenn aber mein einziger Anspruch ist, mit einer Aufnahme möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu verdienen, ohne daß künstlerische Qualität eine Rolle spielt oder eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung, dann ist das für mich unter musikalischen Gesichtspunkten unmoralisch.

    Und das ist eine völlig unzulässige Verdrehung von bisher gechriebenem! Nirgendwo wurde impliziert, dass möglichst schnell viel Geld zu machen der "einzige Anspruch" war, noch dass dabei künstlerische Qualität keine Rolle spielte, und schon gar nicht, dass dabei mangelnde Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung im Spiel war. Deine Formulierung ist reine Polemik! In meinem Beispiel wurden drei Künstler (ab dem 2. Konzert) von einer Plattenfirma mit viel Geld überredet, etwas zu wiederholen, was als einmaliges Ereignis gedacht war. Es wurde letztlich für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Geschichte, auch für das Publikum, dass das Ergebnis in rekordverdächtigen Mengen kaufte. Ich gehe davon aus, dass auch alle Beteiligten ihr Bestes gaben, und sehe eigentlich überhaupt nichts unmoralisches darin.



    Worauf ich aber eigentlich hinaus will, kein Interpret auch (oder gerade diejenigen) die an der Bürde der Überprüfbarkeit durch die Nachwelt schwer tragen, produzieren ja zu einem großen oder überwiegenden Teil oder gar ausschließlich für die Nachwelt. Jeder Künstler produziert für die Hörer seiner Zeit, rein faktisch, die ja zunächst diese Aufnahmen hören werden.

    Ich glaube, du denkst da zu zeitbezogen. Deine Intention wurde ja bereits vor langer Zeit durch gegenteilige Aussagen von Künstlern widerlegt. Und wo du die zeitliche Grenze für den Beginn der "Nachwelt" ansetzt, ist jetzt wirklich eine reine Formfrage. Und die Frage ist wiederum mehrschichtig und nicht über einen Nenner zu beantworten. Natürlich ist eine Aufnahme primär zumeist für die aktuellen Hörer gedacht (muss aber nicht sein; es gibt einige Aufnahmen, die erst nach dem Tod des jeweiligen Künstlers veröffentlicht werden durften; andere Aufnahmen liefen über einen so langen Zeitrum, dass das fertige Endergebnis bereits gar nicht mehr als "aktuell" zu bezeichnen war). Einem Künstler ist aber in der Regel die Langzeitwirkung bewusst, vor allem jenen, die unter Umständen sehr schnell damit konfrontiert werden. Musiker, die ein Werk im Konzertsaal gerne aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, werden sehr schnell gefragt, warum sich denn das letzte Konzert so deutlich von der Plattenaufnahme unterschied. Vor allem diese spontanen Musiker taten/tun sich unter Umständen schwer zu entscheiden, mit welcher Interpretation sie der Nachwelt auf Tonträger erhalten bleiben wollen.


    Aber wie bereits gesagt, bei der heutigen Fülle von Möglichkeiten, dokumentiert zu werden, ist das Problem weniger virulent als noch vor einigen Jahrzehnten, wo Künstler ihre Diskographien teilweise noch sehr präzise geplant haben.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Zitat von »flutedevoix«
    Daß sie natürlich auf Ablehnung stoßen wird, ist uns klar, ...
    Was spielt "ihr" eigentlich so ein? Und ja, wenn einem Künstler von vornherein klar ist, dass seine Arbeit auf Ablehnung stoßen wird, kann er eigentlich recht gelassen in die Aufnahme gehen. Aber das ist wohl kein repräsentativer Fall...


    Nun, ich kenne keine einzige Aufnahme, die nur Zuspruch und Befürwortung erhalten hat. Es würde mich Auch sehr wundern, wenn das so wäre, ganz einfach, weil jeder anders hört und empfindet. Ob eine Aufnahme als eher gut oder schlecht beurteilt, hängt ja nun mal von einem Konsens innerhalb einer bestimmten Gruppe ab. Es wird aber immer auch die Gruppe der darüber anders Denkenden geben!



    Zitat

    Und das ist eine völlig unzulässige Verdrehung von bisher gechriebenem! Nirgendwo wurde impliziert, dass möglichst schnell viel Geld zu machen der "einzige Anspruch" war, noch dass dabei künstlerische Qualität keine Rolle spielte, und schon gar nicht, dass dabei mangelnde Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung im Spiel war. Deine Formulierung ist reine Polemik!


    Ich habe hier gar nichts verdreht! meine Aussage ist eine allgemeine auf keine Aufnahme bezogen! Es gibt aber definitiv Aufnahmen und Konzerte, die in der von mir beschriebenen Art und Weise ablaufen.
    Ich gebe auch gerne zu, daß ich kein Freund der Konzerte mit den 3 Tenören bin, ich kenne eines davon, ganz gut, weil ich damals eine Videokassette geschenkt bekommen habe (1990 Fußball-WM in Italien). Ich habe auch nicht den Eindruck, daß die Künstler nicht das ihnen an diesem Abend zu Verfügung stehende geben, auch wenn es sehr weit von dem besten entfrnt ist, was sie zu leisten im Stande waren. Mich stört an diesem Abend auch nicht in aller erster Linie die künstlerische Leistung sondern der kommerzielle Verrtung, die darauf aufgebaut wurde. Das ist halt Business aber nicht unmoralisch!

  • Zitat

    zweiterbass:
    Hallo William B.A.,
    du brauchst Alfred nicht in Schutz zu nehmen, ich hatte nur gefragt!


    ?(:pfeif:8)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wenn aber mein einziger Anpruch ist, mit einer Aufnahme möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu verdienen, ohne daß künstlerische Qualität eine Rolle spielt oder eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung, dann ist das für mich unter musikalischen Gesichtspunkten unmoralisch.

    Ich habe das so verstanden, dass flutedevoix das zunächst im Kontext seiner eigenen Einspielungen und dann weiter ganz allgemein und grundsätzlich meinte.
    Unter diesem Vorzeichen, dass die Ernsthaftigkeit in der Kunst und die Berufsehre des Musikers angesprochen werden sollte, kann ich der Aussage zustimmen.
    Auch ich versuche ja, in jedem Gottesdienst oder in jedem Konzert so motiviert und vorbereitet aufzutreten, dass ich mein Bestes geben und mit dem Ergebnis so leben kann, als gäbe es noch in 50 Jahren davon Aufnahmen. Dies ist insbesondere dann so, wenn ich Werke grosser Komponisten vortrage, so wie letzten Freitag das Präludium aus der Partita B-Dur BWV 825 auf dem Flügel.
    Das ist dann auch unabhängig davon, ob ich extra bezahlt werde oder nicht, auch wenn ich mich natürlich immer freue, wenn ich damit auch noch Geld verdienen kann, weil ich ja mit der Liebe zur Kunst im Supermarkt nicht bezahlen kann.


    Bei Aufnahmen, die ich auch schon mitgemacht habe, kann man dann seine volle Konzentration auf kleinere Einheiten richten, was ich eigentlich gut finde.
    In dem o.g. Satz erkenne ich also keine polemische Absicht...


    :hello:


    Glockenton

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  • Zitat

    Natürlich ist eine Aufnahme primär zumeist für die aktuellen Hörer gedacht (muss aber nicht sein; es gibt einige Aufnahmen, die erst nach dem Tod des jeweiligen Künstlers veröffentlicht werden durften; andere Aufnahmen liefen über einen so langen Zeitrum, dass das fertige Endergebnis bereits gar nicht mehr als "aktuell" zu bezeichnen war).


    1. Zu den Aufnahmen, die erst nach dem Tod veröffentlicht werden durften:
    Diese Aufnahmen würden mich interessieren, ich kenne in der Tat keine einzige davon, jedenfalls nicht mit diesem Hintergrundwissen. Gibt es da eine Quelle? Kannst Du mir da Aufnahmen nennen?
    2. Ja natürlich gibt es Aufnahmeserien, die über einen langen Zeitraum liefen. Aber dennoch konnte der Künstler sich mit diesen Aufnahmen als Momentaufnahme der jeweiligen Einspielung identifizieren. Ich glaube, es gibt keinen Musiker, der immer alle Werke gleich spielt, ganz einfach weil er eine persönliche Entwicklung durchmacht, die sich natürlich auch in seinen Interpretationen niederschlägt. So wird immer das Problem bestehen, mit welchen Aufnahmen man der Nachwelt erhalten bleibt. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, daß ein Künstler einen Mitschnitt aus künstlerischen Gründen, die sich an irgendeiner nicht zu fassenden Nachwelt orientieren sollen, auswählt. Er wird sich ja wohl immer für den in seinen Augen am besten gelungenen Weg entscheiden, auch wenn dies sehr schwerfallen kann.

  • Zitat

    Einem Künstler ist aber in der Regel die Langzeitwirkung bewusst, vor allem jenen, die unter Umständen sehr schnell damit konfrontiert werden. Musiker, die ein Werk im Konzertsaal gerne aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, werden sehr schnell gefragt, warum sich denn das letzte Konzert so deutlich von der Plattenaufnahme unterschied


    Der Künstler wird aus musikalischen, interpretatorischen Gründen eine Antwort haben!
    Und er wird dem Zuhörer auch gerne erklären, daß ein Konzert, eine Aufnahme eben doch nur eine Momentaufnahme der persönlichen Sichtweise ist, aber kein Statement im Sinne, ich sehe das jetzt und für alle Zeiten so!

  • Ich habe hier gar nichts verdreht! meine Aussage ist eine allgemeine auf keine Aufnahme bezogen! Es gibt aber definitiv Aufnahmen und Konzerte, die in der von mir beschriebenen Art und Weise ablaufen.

    Nun, wenn deine "allgemeine" Aussage direkt als Replik auf ein konkretes Beispiel kommt, sollte sie zumindest deutlicher davon abgesetzt werden, um nicht missverstanden zu werden. Aber du hast mich jetzt neugierig gemacht: nenne mir eine Aufnahme, auf der alle deine drei genannten Kriterien zutreffen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    1. Zu den Aufnahmen, die erst nach dem Tod veröffentlicht werden durften:
    Diese Aufnahmen würden mich interessieren, ich kenne in der Tat keine einzige davon, jedenfalls nicht mit diesem Hintergrundwissen. Gibt es da eine Quelle? Kannst Du mir da Aufnahmen nennen?


    Wahrscheinlich ist eher folgendes gemeint: Der Künstler hat diese Aufnahme nicht zur Veröffentlichung frei gegeben. Zum Beispiel, weil sie missraten war, Beispiel: Klemperer und Strawinskis Petrushka. Oder weil der Künstler es nicht wollte. Letzteres betrifft vor allem Livemitschnitte.
    Die gierigen CD Publizierer haben sie dann nach dem Tode herausgebracht.
    Im Falle Celibidache wurde auch noch ziemlich originell herumargumentiert, weshalb die Werke doch erscheinen durften, wenn ich mich recht erinnere. Einfach zu sagen, "Wir brauchen das Geld!!" oder "Nun wollen wir Kasse machen, der hat uns lang genug die Kohle vorenthalten" genügt nicht. Dazu bedarf es eines hingeschwurbelten Über(l) baus.


    Jedenfalls: Hätten Barbirolli, Horenstein, Klemp und Furtwängler, um mal die wichtigsten unter den "Ausgegrabenen" zu nennen aber auch andere damals gewusst, welche Mitschnitte von misslungenen Abenden heute publiziert werden, sie hätten damals persönlich die Vernichtung der Bänder überwacht.
    Aber das konnte man ja nicht ahnen!


    Gruß S.

  • Wenn ich mich richtig erinnere gelesen zu haben, dass sowohl Solti als auch C. Kleiber auf die Frage, was bleibt, wenn sie mal nicht mehr sind, geantwortet haben "Nichts". Aufnahmen für die Nachwelt, da komme ich aber ins Grübeln.

    So sehe ich es auch. Es gibt keinen einsameren Moment, als etwa 20 Minuten nach einem Konzert oder einer Vorstellung noch einmal zur Bühne zu gehen und die Leere im Saal als ein "Nichts" zu empfinden. Es bleibt nichts von dem eben Gehörten/Gespielten übrig, obwohl es im eigenen Gedächtnis immer noch nachklingt. Aufnahmen sind letztlich nur ein verfälschender Abklatsch oder eine Art Zufallskonstellation oder eine mit riesigem Aufwand erstellte Perfektionierung, die nur sehr selten den Live-Resultaten entsprechen. Daher werden sich die meisten Musiker mit ihnen auch nicht derart identifizieren wie mit ihren Konzerten oder Vorstellungen. Sie sind in summa schwerlich als Ersatz für den "lebenden Künstler" zu betrachten.


    Zunächst finde ich es in diesem Zusammenhang als ungerecht, wenn man sie beide in einen Topf wirft. Ein wesentliches Merkmal des karajanschen Stils war es, einen möglichst perfekten Legatostrom zu erzeugen. Er liebt es, und er verlangte es auch, wenn die Töne übergangslos, also ohne das geringste "Loch ineinander übergingen. Bei der auf DVD erhältlichen Probe mit den Wiener Symphonikern (Schumann, 4. Symphonie) kann man das schön nachvollziehen (die nach dem langen Tutti-Unisono-Ton folgenden Töne)
    Zudem wollte er, dass möglichst jeder Ton bis zum Schluss des Notenwertes und darüberhinaus ausgehalten und durchgezogen wird, was ja den Legatostrom ermöglicht.

    Ja was sollten sie denn sonst tun? Die Töne nicht gemäß ihres Notenwertes bis zum Schluss halten? Legatobögen ignorieren? Das Beispiel Schumann 4 passt natürlich zu Deiner Analyse, ist aber ein schlechtes Beispiel. Wir befinden uns mit Schumann in der tiefen Romantik, in der ein sehr, sehr dichtes Legato fast vorausgesetzt wird. Ich kenne die Probenaufzeichnung mit Karajan und kann nur sagen, dass er die vielen Brüche und Sprünge der Sinfonie sehr gut in einen Fluss bringt. Das ist ein ungemein schwieriges Stück, das leicht zu einer unverdaulichen, zerklüfteten Motivhalde verkommen kann. Dem muss man entgegen wirken und nichts anderes tut er. Generell denke ich, dass man Karajans "Stil" kaum auf einen plakativen Nenner bringen kann, zu unterschiedlich sind seine Aufnahmen - über die vielen Jahre gesehen. (Außerdem würde sich ein heutiger Spitzendirigent mit den Streichern der Probenaufnahme - es waren die Wiener Sinfoniker? - sicher nicht zufrieden geben. Da bedurfte es viel Arbeit an Grundlagen)


    Ein anderer Punkt, der es mir sehr schwer macht, das Thema an sich zu fassen, ist der Unterschied zwischen dem bildenden Künstler (zu welchen ich neben z.B. Malern und Bildhauern auch Komponisten zähle) und dem wiedergebenden, also interpretierenden Künstler (neben den in diesem Forum im Zentrum stehenden Musikern, Sängern und Dirigenten auch Tänzer, Chreographen und nicht zuletzt Regiesseure, Bühnenbildner u.ä.)


    Es ist eine durchaus sinnvolle Gepflogenheit, Musik und Literatur als eigenständige Künste zu definieren, die nicht mit den bildenden in Verbindung gebracht werden sollten. Davon abgesehen ist diese Schubladen-Unterteilung in reproduktive und kreative Musiker viel zu kurzsichtig. Nahezu jeder gute Komponist war und ist ein guter Instrumentalist. Er braucht die Praxis am Instrument alleine schon deshalb, um seine Kompositionen auf Klang und Umsetzbarkeit zu überprüfen. Andererseits hat jeder gute Instrumentalist schon ein- oder mehrmals komponiert oder zumindest arrangiert. Daneben kann er seine Aufgabe als Interpret recht breit gefächert auffassen. Tut er es extensiv, so ist er deutlich kreativer, als man es einem "nur" reproduzierenden Musiker zubilligen würde. In welche Schublade also sollte man den einen oder anderen stecken? - Der Begriff "Bildende Kunst" ist ein sinnvoller terminus technicus, der aus guten Gründen nichts mit Musik zu tun hat.




    Generell: hier ist häufig die Rede von Karajan und Böhm sowie deren Interpretationsstil und Aufnahmen. Was dabei meines Erachtens häufig übersehen wird, sind zwei Umstände, die beide zusammen wirken:


    1. Beide erlebten ihre Karrierehöhepunkte in einer Zeit, die vom Krieg, dessen Ende, vom anschließenden Aufbau und vom sog. Wirtschaftswunder geprägt war. Auch von Fortschrittsgläubigkeit und wachsendem Statusdenken etc. Ihr Verhalten den Orchestern gegenüber läßt aber auch noch auf eine tief verwurzelte Autoritätsgläubigkeit schließen. - Das Volk sehnte sich nach "schöner Musik" und nach Ablenkung, nach Ordnung und Amusement. Vieles im Wirken von Karajan und Böhm ergibt sich daraus.


    2. Die Tonträger-Industrie war in den Kinderschuhen und machte rasante Fortschritte: Schallplatten, High Fidelity, Stereo und erschwingliche Stereoanlagen eröffneten einen riesigen Markt, der eben vor allem von Karajan erkannt wurde. Dass er seine künstlerische Arbeit diesem Markt sehr angepasst hat, ist daher nicht verwunderlich. Es war halt eine sich gegenseitig prägende Beziehung. (von der die Berliner übrigens auch sehr profitiert haben)


    Dass Karajan - wie hier behauptet - heute immer noch die gleiche "Strahlkraft" besitzt, möchte ich allerdings stark bezweifeln.


    Viele Grüße,


    Tastadur

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  • Nahezu jeder gute Komponist war und ist ein guter Instrumentalist. Er braucht die Praxis am Instrument alleine schon deshalb, um seine Kompositionen auf Klang und Umsetzbarkeit zu überprüfen.


    Ich schätze, dass das seit mindestens 60 Jahren nicht mehr gilt. Allerdings funktioniert die Begründung doch auch vorher nicht - die Umsetzbarkeit kann er nicht überprüfen, da er nicht alle Instrumente beherrscht, für die er komponiert, und den Klang kann er nicht prüfen, weil er nicht alle Instrumente gleichzeitig spielen kann.
    ;)
    Außerdem gilt es in manchen Komponistenkreisen als unfein, am Klavier zu komponieren, man soll die Noten eben ohne akustische Überprüfung schreiben.


    Ich persönlich finde, dass jeder Komponist machen soll, wie er meint, einzig zählt, was herauskommt.

  • Kurze Antwort auf tastadur:

    Ja was sollten sie denn sonst tun? Die Töne nicht gemäß ihres Notenwertes bis zum Schluss halten?

    Ich meinte es nicht rhythmisch, sondern dynamisch. Es gibt von der Alten Musik herkommend den Begriffs des Glockentons, bei dem man ähnlich wie beim natürlichen Ausatmen am Tonanfang die grösste dynamische Stärke hat und dann ein weiches Diminuendo erfolgt. Eine solche Einzeltondynamik wurde im Barock als Basis eines sprechenden Spiels vorausgesetzt. Natürlich meinte ich nicht, dass Karajan dementsprechend bei Schumann 4 hätte interpretieren sollen und natürlich sollten sie auch Legatobögen beachten. Mit dem Hinweis auf die DVD wollte ich ein Beispiel dafür liefern, dass Karajans Ansatz passen kann. Bei den Streicherfiguren über dem Orgelton am Anfang kann man aber auch etwas hörbarer absetzen, um die Struktur deutlich zu machen, was dann aber noch längst keine barocke Spielweise wäre. Ich kenne Aufnahmen, bei denen das so gespielt wird, und diesen finde Ansatz empfinde ich ebenso als legitim und musikalisch vertretbar.
    Wenn er dann aber mit dieser Ästhetik ältere Musik bedachte wie z.B. Albonini, dann finde ich solche Ergebnisse eben nicht so besonders überzeugend.


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich schätze, dass das seit mindestens 60 Jahren nicht mehr gilt. Allerdings funktioniert die Begründung doch auch vorher nicht - die Umsetzbarkeit kann er nicht überprüfen, da er nicht alle Instrumente beherrscht, für die er komponiert, und den Klang kann er nicht prüfen, weil er nicht alle Instrumente gleichzeitig spielen kann.


    Außerdem gilt es in manchen Komponistenkreisen als unfein, am Klavier zu komponieren, man soll die Noten eben ohne akustische Überprüfung schreiben.


    Ich persönlich finde, dass jeder Komponist machen soll, wie er meint, einzig zählt, was herauskommt.


    Jeder seriöse Komponist spielt zumindest passabel Klavier. Daneben gibt es natürlich auch Quereinsteiger die von einem Blas- oder Streichinstrument kommen, aber selbst die haben beim Studium das Pflichtfach Klavier genossen. Komponisten, die auf dem einen oder anderen Instrumenent keine Fähigkeiten besitzen, kenne ich nicht.


    Soso, es gilt als unfein, am Klavier zu komponieren. Das einmal außen vor gelassen: es ist einfach praktischer, am Schreibtisch zu schreiben als am Klavierpult. Daneben bietet der Schreibtisch die notwendige Ruhe, sich mit seinem Stück intellektuell zu beschäftigen, z.B. Gegenstimmen zu entwickeln, Längen und Formdimensionen zu überprüfen, Füllstimmen mit einer guten Stimmführung zu versehen etc. Aber natürlich geht man danach an´s Klavier und überprüft, ob der im Geist vorgestellte Klang dem realen entspricht. Außerdem bietet das reale Spielen eine gegenüber der rein geistigen Beschäftigung recht unterschiedliche Dimension, bzw. gewährt andere Eindrücke.


    Es gibt Situationen, in denen man vor dem weißen Blatt nicht weiter kommt. Dann hat man immer noch die Möglichkeit, am Klavier zu fantasieren, dort etwas zu entwickeln. Das weitere Ausarbeiten geschieht dann meistens am Schreibtisch (übrigens eine auch von Beethoven häufig angewandte Methode).


    Natürlich kann man Partituren spielen und überprüfen. Man wählt bestimmte Instrumentengruppen aus, spielt nur diese oder zwei davon und überprüft deren Zusammenklang. Wenn es mehr werden soll, muss man sich eben Schritt für Schritt vorankämpfen und benutzt dabei das Pedal oder macht quasi Stichproben von heiklen Kombinationen oder Tonschritten. Das meinte ich mit Umsetzbarkeit. Die reale akustische Wirkung ist manchmal eine andere als die gedachte. Dass die Umsetzbarkeit auf den jeweils gewählten Instrumenten gegeben sein muss, gehört eher zur Schreibtischarbeit.


    Jeder Komponist hat sicherlich seine eigene, für ihn bewährte Schreibmethode. Die Aussage "gilt als unfein" ist aber eine in der Tat sehr außenstehende Sichtweise. Außerdem sollten Komponisten gefälligst auf alles hören, nur nicht auf Konventionen.


  • Jeder seriöse Komponist spielt zumindest passabel Klavier.

    Das weiß ich nicht so recht ... wobei natürlich zwei Worte unscharf sind: "seriös" und "passabel".
    Auf (manchen?) Musikunis müssen die Komponistenanwärter Bach oder Beethoven bei der Aufnahmsprüfung spielen, aber wie die das können, spielt, glaube ich, keine große Rolle, außerdem muss man nicht Komposition studiert haben, um als Komponist anerkannt zu werden.


    Zitat

    Komponisten, die auf dem einen oder anderen Instrumenent keine Fähigkeiten besitzen, kenne ich nicht.

    Wie überprüfst Du das denn? Welche Art von Kontakt hast Du zu Komponisten?


    Zitat

    Soso, es gilt als unfein, am Klavier zu komponieren.

    ;) Ich war auch etwas verdutzt ... wobei natürlich das Wort "unfein" jetzt eine Beschreibung von mir ist.


    Zitat

    Das einmal außen vor gelassen: es ist einfach praktischer, am Schreibtisch zu schreiben als am Klavierpult. Daneben bietet der Schreibtisch die notwendige Ruhe, sich mit seinem Stück intellektuell zu beschäftigen, z.B. Gegenstimmen zu entwickeln, Längen und Formdimensionen zu überprüfen, Füllstimmen mit einer guten Stimmführung zu versehen etc. Aber natürlich geht man danach an´s Klavier und überprüft, ob der im Geist vorgestellte Klang dem realen entspricht.

    Das ist heute sicher keine allgemeingültige Regel, war es aber früher auch nicht, oder? Hast Du Quellen über das diesbezügliche Verhalten der historischen Komponisten?


    Zitat

    Es gibt Situationen, in denen man vor dem weißen Blatt nicht weiter kommt. Dann hat man immer noch die Möglichkeit, am Klavier zu fantasieren, dort etwas zu entwickeln. Das weitere Ausarbeiten geschieht dann meistens am Schreibtisch (übrigens eine auch von Beethoven häufig angewandte Methode).

    Vor welchem Hintergrund kommst Du zu solchen Millieustudien?
    ;)


    Zitat

    Jeder Komponist hat sicherlich seine eigene, für ihn bewährte Schreibmethode. Die Aussage "gilt als unfein" ist aber eine in der Tat sehr außenstehende Sichtweise.

    Was meinst Du mit "außenstehend"?
    :D

  • Zitat

    Diese Aufnahmen würden mich interessieren, ich kenne in der Tat keine einzige davon, jedenfalls nicht mit diesem Hintergrundwissen. Gibt es da eine Quelle? Kannst Du mir da Aufnahmen nennen?

    Celibidache ist hier wohl das bekannteste Beispiel.
    Er hat die Mitschnitte zugelassen, aber eine Veröffentlichung durfte erst nach seinem Tode erfolgen.
    Im Gegensatz zu anderen Interpreten, die Aufnahmen nicht freigegeben hatten, hat er einer posthumen Veröffentlichung
    jedoch ausdrücklich zugestimmt, bzw die Entscheidung darüber seinen Erben freigestellt....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Gibt es irgendwelche Quellen über Celis Motivation, der Veröffentlichung erst nach seinem Tode zuzustimmen? Hat er sich irgendeiner Form dazu geäußert?
    Speziell interessieren mich folgende Fragen:
    Sehe ich es richtig,daß es Konzertmitschnitte waren? Waren das vom Dirigenten gewünschte Kontrollmitschnitte, wie sie z.B. Furtwängler auch anfertigen ließ oder ließ der Sender bzw. Ein Label einfach das Band mitlaufen, um was von Celi zu haben?
    War von vornherein ein Veröffentlichung geplant? Aus welchen Gründen hat Celi der Veröffentlichung widersprochen?

  • Was genau haben die instrumentellen Fähigkeiten von Komponisten nochmal mit dem Threadthema zu tun?


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass "Schnellschreiber" wie Händel, Mozart, Schubert, Rossini häufig nicht am Klavier komponiert haben. Das hätte viel zu lange gedauert. Ob der taube Beethoven dennoch Sachen am Klavier probiert hat? (Das wäre keinesfalls auszuschließen, einfach aus Gewohnheit). Von Rossini gibt es die Anekdote, dass er im Bett komponierte und als ihm einmal ein Blatt mit einer Arie unters Bett gefallen war, er zu träge war, es hervorzusuchen, sondern die Arie (bzw. eine alternative) eben noch einmal komponierte, weil das "weniger Arbeit" war.


    Was die Eingangsfrage betrifft, so halte ich es für sehr plausibel, dass Interpreten sich natürlich erstmal an das Publikum richten, das gerade da ist. Auch die Käufer von Schallplatten sind ja Zeitgenossen. Das Gerede von der angeblichen "Ewigkeit" ist reine Werbepropaganda der Plattenfirmen. Besonders pikant, da sie seit spätestens Ende der 1960er ihren Kunden alle paar Jahre eine neue Aufnahme desselben Repertoires (mitunter mit denselben Interpreten) aufschwatzen mussten, die ihrerseits wieder "Ewigkeitswert" haben sollte. (Das weißeste Weiß ihres Lebens, von Persil, egal zu welchem Zeitpunkt, immer das beste Weiß, das die Waschmittel-Chemie zustandebringt).
    Die widersprüchliche Folgerung, die Alfred immer wieder zu ziehen scheint, scheint jedoch zu sein, dass irgendeine vielverkaufte Aufnahme, z.B. mit Karajan, gerade deshalb "Ewigkeitswert" hätte, WEIL sie seinerzeit so verbreitet gewesen sei. Irgendein ominöser Mehrheitsgeschmack (oder eher eine Verkaufszahl) von 1965 soll also festlegen, was für immer gültig sei.


    Was ich außerdem für falsch oder mindestens einseitig halte, ist, dass Interpreten sich nach ihrem Publikum richten. Im Gegenteil bieten sie die Musik so dar, wie sie es für richtig halten und so gut sie es können und dann ergibt sich eben der Erfolg beim Publikum oder nicht. (95% oder mehr des Publikums sind Laien, ~70% sind vermutlich ziemliche Banausen, die den berühmten Maestro immer beklatschen werden, wenn nicht etwas extrem danebengeht.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Gibt es irgendwelche Quellen über Celis Motivation, der Veröffentlichung erst nach seinem Tode zuzustimmen? Hat er sich irgendeiner Form dazu geäußert?
    Speziell interessieren mich folgende Fragen:
    Sehe ich es richtig,daß es Konzertmitschnitte waren? Waren das vom Dirigenten gewünschte Kontrollmitschnitte, wie sie z.B. Furtwängler auch anfertigen ließ oder ließ der Sender bzw. Ein Label einfach das Band mitlaufen, um was von Celi zu haben?
    War von vornherein ein Veröffentlichung geplant? Aus welchen Gründen hat Celi der Veröffentlichung widersprochen?

    Ja, die Quellen gibt's, vor allem waren das Interviews. Die Verweigerungshaltung hat allerdings vor allem in den späten Jahren eingesetzt. Aus seiner (frühen) Zeit bei den Berlinern gibt es sehr wohl offizielle Plattenaufnahmen von Celi. Solche Aufnahmeverweigerungen resultieren teilweise auch aus der Haltung der Dirgenten, nicht die zweite Geige spielen zu wollen. Günter Wand hat vor seiner Alterskarriere lieber fürein französisches Plattenclub-Label aufgenommen, als bei der Kölner Electrola hinter HvK die zweite geige zu spielen (nachzulesen in dem Buch "So und nicht anders").


    Warum nun die Mitschnitte? Bei Celi war es teilweise so, dass er lange Jahre ein Rundfunksinfonieorchester geleitet hatte (Stuttgart). Dass der Rundfunk die Aufnahmen seiner teuer bezahlten Angestellten mitschneidet um sie zeitgleich oder später auszustrahlen liegt auf der Hand. aus diesen Kanälen kommen ja auch heute die meisten historischen Mitschnitte, die zuvor vor allem als graue Ware in Italien beschafft werden mussten. Klar gibt's auch die Kontrollmitschnitte, aber die haben üblicherweise nicht die technische Qualität wie das Martefrail, das von Celi posthum auf den Markt geschwemmt wurde.


    Und München? Ob Celis Münchner ein Orchester für Plattenaufnahmen waren/sind darf angeischts der Präsenz von drei veritablen Orchestern in München durchaus gefragt werden. Es stimmt ja auch nicht, dass Celi die Münchner erst zu dem gemacht hat, was sie in seiner Ära waren: Vorgänger von Celi in München waren Siegmund von Hausegger (Bruckner!!!!) Oswald Kabasta, Hans Rosbaud (Bruckner!!!!), von 1949 bis 66 Fritz Rieger, der immer wieder Bruckner auf dem Programm hatte (im Rundfunkarchiv des BR müsste ein kompletter Zyklus der Sinfonien schlummern), danach Rudolf Kempe. Celi hat also ein durchaus veritablen Klangkörper übernommen (wie er ja auch in Stuttgart in die Fuaßstapfen des Brucknerexegeten Carl Schuricht getreten ist).


    Wer sich weigert, Plattenaufnahmen zu machen, hat natürlich den Vorteil, sich nicht darübner ärgen zu müssen, dass man vielleicht keine machen darf, oder nicht die, die man gerne möchte. Persönlich habe ich Celi zweimal live erlebt und kenne Plattenaufnahmen aus seiner gesamten Karriere: die extreme Tempoverlangsamung seiner späten Jahre ist IMO eher nix für den Plattenmarkt, es sei denn, man stilisiert den Dirgenten zu einer Kunst- und Kultfigur wie etwa auch HvK, dessen Platten man einfach so kauft, ohne über die künstlerische Qualität nachzudenken.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Danke für die Infos, dann werde ich mich demnächst mal auf die Suche nach entsprecheneden Interviews machen.
    Die allgemeine verweigerungshaltung Celibidaches und der Gründe sind mir einigermaßen bekannt, ich wußte allerdings nicht, daß er einer Veröffentlichung der Mitschnitte nach seinem Tod zugestimmt hat.
    Zu dieser Haltung würde ich gerne noch genaueres erfahren, auch hier in Kurzform, wenn jemand entsprechende Infos gerade zugänglich hat.
    Rein spekulativ würde ich meinen, der Grund liegt nicht in einer bestimmten merkantilen Absicht oder in künstlicherischen Aspekten sondern eher in Celibidaches genereller Ablehnung der Plattenindustrie. Ich bin aber wie gesagt sehr auf Fakten gespannt.

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