"Nabucco" in Liberec - ein Fest der Stimmen in hervorragender Inszenierung

  • Nehmt meinen Dank, Freunde! Ganz besonders an Wolfgang, der aus seiner Schatzkiste Juwelen verteilt.


    Diese Musik aus den "Befreiungsopern" Verdis hat bis heute nichts von ihrem Schwung eingebüsst und wird wohl auch zum Gedenken des Mauerfalls gespielt werden. Verdi hat damit etwas Zeitloses geschaffen, das nicht in billigen Inszenierungen wertlos gemacht werden sollte.



    Erich

  • Diese Musik aus den "Befreiungsopern" Verdis hat bis heute nichts von ihrem Schwung eingebüsst und wird wohl auch zum Gedenken des Mauerfalls gespielt werden. Verdi hat damit etwas Zeitloses geschaffen


    Lieber Freund Erich
    Weil Du hier den Freiheitsgedanken ansprichst, möchte ich zu meinem erlebten Opernabend noch etwas ergänzen:
    Eigentlich begann die Vorstellung am Anfang mit einem kleinen Schreck. Der Abendspielleiter /Inspizient trat vor den Vorhang mit einem Zettel in der Hand und hielt eine kurze Rede. Wenn so jemand vor dem eigentlichen Beginn auf die Bühne kommt, verheißt das ja eigentlich nichts Gutes. Dem war aber nicht so und danach begann die Aufführung.
    Die Rede war logischerweise in tschechisch und mit meinem Freund haben wir natürlich kein Wort verstanden. Das einzige, was wir mitbekommen haben, war zwei- oder dreimal das Wort "nemecku" gehört zu haben, was auf "deutsch oder Deutschland" hinweist.
    In der Pause haben wir beide gerätselt, was es mit der Rede auf sich hatte. Wir sind dann mit ziemlicher Sicherheit draufgekommen, daß die Oper Nabucco mit dem Freiheitsgedanken extra und absichtlich am Vorabend des 9. Nov. aufgeführt wurde und es eine Gedenkrede anläßlich der 75. Wiederkehr des Jahrestages der Pogromnacht und der furchtbaren Folgezeit war. Vielleicht war es gleichzeitg auch eine Erwähnung und Würdigung des friedlichen Sieges über den Mauerfall.
    Die Rede wurde mit Beifall bedacht und ins Nachhinein fanden wir das feierlich und die Würdigung und Erinnerung absolut richtig und angemessen.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Zitat von Operus: Wie wäre es denn, wenn wir das Regietheater weniger pauschal beurteilen würden und uns mehr einzelnen Inszenierungen zuwenden würden, wie das in den Beiträgen über "Dialogues des Carmélites" und "Nabucco" geschehen ist. Wir könnten dann am konkreten Beispiel ableiten, was geglückt ist und wo nach Meinung des Autors die Regie zu weit gegangen ist und das Werk "verunstaltet" hat. Vor allem wären wir aus den endlosen Grundsatzdiskussionen raus.

    Lieber Hans,


    ich glaube, diese Ansätze mit konkreten Beispielen gibt es hier an verschiedenen Stellen, leider werden sie - in der Regel von Befürwortern der verunstalteten Inszenierungen ("Regietheater" steht für mich für jede Art von Regie und da ist - wenn sie in Grenzen bleibt - auch manches Gute dabei, wie z.B. die von dir genannten "Karmeliterinnen" oder die kürzlichen Neuinzenierungen des "Don Carlo" in Salzburg bzw der "Fanciulla del West" in Wien, über die ja auch im Einzelnen geredet wurde) durch endlose und abschweifende Grundsatzdiskussionen (siehe auch "Sammelplatz....) häufig zerstört. Ich fürchte, nach allen bisherigen Erfahrungen wird dein guter Vorschlag wenig fruchten. Ich habe auch schon ein paarmal versucht, daran zu erinnern, doch bei der konkreten Sache zu bleiben, aber bisher ohne Erfolg. Leider wird man selbst dann manchmal mit in diesen Strudel gerissen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Ich habe auch schon ein paarmal versucht, daran zu erinnern, doch bei der konkreten Sache zu bleiben, aber bisher ohne Erfolg. Leider wird man selbst dann manchmal mit in diesen Strudel gerissen.


    Mein lieber Gerhard!


    Das ist der Grund, warum ich hier nicht mehr mitdiskutiere. Wenn man sich auf dieses hochtrabende Gelaber und die Ignoranz der Regietheater-Befürworter einläßt, wird es gleich ungemütlich.

    W.S.

    Einmal editiert, zuletzt von 9079wolfgang ()

  • Zitat

    Zitat von Wolfgang 9079: Wenn man sich nicht auf dieses hochtrabende Gelaber und die Ignoranz der Regietheater-Befürworter einläßt, wird es gleich ungemütlich.

    Lieber Wolfgang,


    du meinst sicher, wenn man sich darauf einläßt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Lieber Wolfgang, du meinst sicher, wenn man sich darauf einläßt.

    Vielen Dank, Gerhard! Ich saß schon wieder auf dem gesattelten Pferd! :rolleyes:

    W.S.

  • Davon bin ich jetzt schon überzeugt und ganz sicher. Aus meiner bisherigen nur positiven Erfahrung kann ich sagen "Verunstalter und Neudeuter" haben dort bisher glücklicherweise Hausverbot. Und ich hoffe und wünsche, daß das ewig so bleibt.

    Lieber Chrissy
    ich darf daraufhin weisen, dass der Nussknacker in Liberec, wie schon an anderer Stelle erwähnt, durchaus sagen wir Elemente der "Neudeutung" enthält, nämlich zwei junge Damen, die sich gerade über den Beats-Kopfhörer freuen, den es zu Tschaikovskys Zeiten wohl noch nicht gab. Von Verunstaltung kann natürlich keine Rede sein, aber das dieser Nußknacker partiell in der Jetztzeit spielt, ist ja auch nicht von der Hand zu weisen. Ich habe hier im Forum von diversen Vertretern der harten Anti-RT-Front gelesen, das eine Verschiebung in eine andere Zeit inakzeptabel sei. ;(

  • ich darf daraufhin weisen, dass der Nussknacker in Liberec, wie schon an anderer Stelle erwähnt, durchaus sagen wir Elemente der "Neudeutung" enthält,


    Lieber lutgra
    Die Bilder habe ich auch mit Erstaunen und einer gewissen Verwunderung gesehen. Nun handelt es sich hier um Ballett und da kann ich tatsächlich nichts dazu sagen. Vielleicht gehen sie aus irgendwelchen Gründen in dieser Sparte neue Wege. Ich bezog mich auf meine bisherigen fünf, innerhalb eines Jahres, gesehenen Opernaufführungen dort. Und aus dieser Erfahrung heraus denke und vermute ich, daß auch der Freischütz in guter und akzeptabler Inszenierung sein wird. Du kannst mir aber ganz sicher glauben, sollte das dort mal nicht so sein, werde ich garantiert nichts beschönigen und ehrlich berichten, bzw. meine Meinung äußern. Da sehe ich mich gegenüber unseren geschätzten Forumsmitgliedern in hoher Verantwortung. Bisher konnte ich mich aber wirklich nur über alle Maßen positiv äußern, zumindest aus meiner Sicht wie ich Oper mag und verstehe. Die unlängst gesehene Carmen fanden wir so gut, daß wir planen, bei der nächsten Vorstellung am 24. Nov. wieder mit dabei zu sein. Übrigens, meine herzliche Einladung an alle, falls jemand in der Nähe sein sollte, diese Vorstellung beginnt bereits um 16 Uhr.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Übrigens, meine herzliche Einladung an alle, falls jemand in der Nähe sein sollte, diese Vorstellung beginnt bereits um 16 Uhr.


    Lieber chrissy!
    Ich wäre liebend gerne dabei, aber der Flug zu dieser "Carmen" ist mir doch zu teuer! :hello:

    W.S.

  • Zitat

    Zitat von Lutgra: Ich habe hier im Forum von diversen Vertretern der harten Anti-RT-Front gelesen, das eine Verschiebung in eine andere Zeit inakzeptabel sei.

    Lieber Lutgra,


    dann hast du nicht genau gelesen.
    Es gibt Stücke, die zeitlos sind und durchaus in einer anderen Zeit angesiedelt werden können, wenn es Titel, Handlung und Text zulassen. Aber man kann z. B nicht (wie in den Salzburger Osterfestspielen geschehen) ein Stück als "Julius Caesar" deklarieren, schon gleich während der Ouvertüre, die eigentlich vor geschlossenem Vorhang gespielt werden sollte, Panzer auffahren und Soldaten in Stahlhelmen und mit Maschinengewehren auf der Bühne herumspringen lassen und auch sonst Raketen usw. auf die Bühne bringen (abgesehen davon, dass uns der Moderator im Vorspann auch noch weismachen wollte, dass wir uns im Jahr 44 vor Chr. befinden). Ebenso wenig kann ich die Königin Elisabeth I als moderne Bürotippse in Stöckelschuhen auf der Bühne herumtapsen lassen (Roberto Devereux, München). Und in all den Inszenierungen des "Ring" oder des "Lohengrin" bzw. "Tannhäuser" der letzten Jahre passt nichts, aber auch überhaupt nichts, zum Wagnerschen Text. Ich könnte hier Dutzende Beispiele nennen, in denen vieles oder garnichts passt, aber davon gibt es ja auch genug in unserem "Sammelplatz...".
    Da jedoch die Befürworter auf konkrete Beispiele nicht eingehen, sondern immer nur herumtheoretisieren, kommen sie natürlich auch zu solchen Schlüssen.
    Was übrigens das Ballett betrifft. Hier existiert lediglich eine Musik, zu der die Choreographie durchaus ein neues Libretto schreiben oder schreiben lassen kann. Hier hat der Choreograph weit freiere Hand als in der Oper. Und es werden ja auch Ballette auf nicht als Ballettmusik vorgesehene Musikstücke choreographiert. Ich glaube, das kann man nicht vergleichen. Obwohl ich klassische Ballette weit lieber sehe, konnte ich manchen moderneren Choreographien einiges abgewinnen. Natürlich wirkt dann gegenüber Smartphones usw. wie Strano Sognator im "Sammelplatz..." richtig bemerkte ein simpler Nussknacker (laut Titel) doch schon recht deplaziert. Gerade die Tschaikowski-Ballette eignen sich vom Titel her allerdings schlecht für manche Veränderungen der Handlung.
    In der "Fanciulla del West" in der Neuinszenierung aus Wien z.B. haben ich und manche andere die leichte Zeitverschiebung durchaus als möglich angesehen, da das Stück kaum zeitgebunden ist. Außerdem war die Handlung an keiner Stelle entstellt. Ich besitze einige moderate Inszenierungen, bei denen vom Titel, vom Text und von der Handlung her diese Verschiebung durchaus akzeptabel ist und die Handlung voll erhalten bleibt und jederzeit wiederzuerkennen ist. Und auch hier im Forum sind schon manche Stücke, die moderat verschoben waren, durchaus als hinnehmbar diskutiert. Leider sind heute die meisten Inszenierungen nicht mehr mit Text, Musik und Handlung überein zu bringen, sondern abstakte Hirngespinste überdrehter Regisseure und gegenüber dem deklarierten Werk absolute Mogelpackungen.


    Lieber Wolfgang9079, verzeihe, aber ich bin schon wieder auf eine rein theoretische Aussage hereingefallen, die nicht voll der Wahrheit entspricht!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • In der "Fanciulla del West" in der Neuinszenierung aus Wien z.B. haben ich und manche andere die leichte Zeitverschiebung durchaus als möglich angesehen, da das Stück kaum zeitgebunden ist. Außerdem war die Handlung an keiner Stelle entstellt. Ich besitze einige moderate Inszenierungen, bei denen vom Titel, vom Text und von der Handlung her diese Verschiebung durchaus akzeptabel ist und die Handlung voll erhalten bleibt und jederzeit wiederzuerkennen ist. Und auch hier im Forum sind schon manche Stücke, die moderat verschoben waren, durchaus als hinnehmbar diskutiert.

    Lieber Gerhard
    vielen Dank für Deine Ausführungen, das klingt zumindest schon einmal etwas differenzierter als vieles was ich sonst hier gelesen habe. Wobei ich z.B. bei einer Reihe von Wagner Opern keinerlei Zeitfestlegung sehe. Was in"grauer Vorzeit" spielt kann für mich auch in "ferner Zukunft" spielen. Oder - wenn es denn überzeugend gelingt - auch im Jetzt. Auf eine derartige überzeugende Inszenierung warte ich aber zugegebenermaßen noch.

  • Hier, ein hochinteressantes Beispiel für die Aktualität des Werkes - auch ganz ohne platte, augenscheinliche Aktualisierungen. In dieser römischen Aufführung 2011 fordert das Publikum begeistert die Wiederholung des Freiheitschores. Muti, der ja ansonsten eher als unnachgiebig gerade gegenüber solchen Forderungen gilt, lässt sich aber dazu übereden, weil er die Aktualität des Textes vor dem politischen Hintergrund des damals gegenwärtigen Italien unter der Regierung Berlusconi zu würdigen weiß.



    In seiner kleinen Rede sagt er, dass er als Italiener die Worte "O mia patria, si bella e perduta" (Oh mein schönes und verlorenes Vaterland) gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf sein Land stark beziehen kann. Wenn man die italienische Kultur vernachlässigt (zahlreiche Kürzungen unter der Regierung Berlusconi, gerade für kleinere Bühnen, sowie auch Einschnitte in andere kulturelle Bereiche sind damit gemeint), dann sei das Vaterland sehr wohl schnell "patria perduta."

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hier, ein hochinteressantes Beispiel für die Aktualität des Werkes - auch ganz ohne platte, augenscheinliche Aktualisierungen. In dieser römischen Aufführung 2011 fordert das Publikum begeistert die Wiederholung des Freiheitschores.


    Liebe Sognatrice
    Diese Aufführung habe ich vor kurzem im TV nachts gesehen und in unserem Forum gerade von dieser Stelle berichtet. Ich war tief beeindruckt und gerührt. Man spürt den Nationalstolz aller Beteiligter einschließlich des Publikums. Nationalstolz, ein Wort, das bei uns schon etwas negativ belegt ist. Man beachte am Schluß die Tränen und die Ergriffenheit einiger Chormitglieder. Mich hat das, wie gesagt, ganz sehr begeistert und beeindruckt.
    Viele unserer Mitglieder haben diese Aufführung ja nicht gesehen und durch Deine Hilfe ist das nun allen Interessenten möglich. Ich danke Dir ganz sehr dafür.
    Con molto cari saluti e tanto bene
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Zitat

    Zitat von Lutgra: Wobei ich z.B. bei einer Reihe von Wagner Opern keinerlei Zeitfestlegung sehe.

    Lieber Lutgra,


    so ganz vermag ich da auch nicht zu folgen: Ich habe mir z.B. gerade letzte Tage mal wieder "Rheingold" vorgenommen und werde mir jetzt, nachdem ich mir den herrlich zu lesenden Opernverführer von Wilhelm Ruprecht zum Ring gekauft habe, auch wieder einmal die anderen Teile des Rings ansehen. Schon beim Rheingold fand ich im Text vieles, was schon rein textlich nicht in unsere Zeit passt. Da ist von Rheintöchtern, Alben und Göttern, Riesen, Tarnkappen und einem Ring die Rede, von dem alle Macht ausgeht - auch im gesungenen Text. und die passen doch weder in die Gegenwart noch in die Zukunft. Ein typisches Beispiel auch aus "Die Walküre": "Ein Schwert verhieß mir der Vater". Ob das wohl mit einem Maschinengewehr gleichzusetzen ist?
    Der Tannhäuser spielt ganz offensichtlich zur Zeit der Minnesänger. Hier treten Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide usw., und ebenfalls im Text namentlich besungen ein Landgraf Hermann von Thüringen auf. Für mich sind diese an eine Zeit gebunden. Ein Biogashäuser ist für mich völlig absurd.
    Lohengrin spielt zur Zeit Heinrichs I (Heinrich der Vogler), der ebenfalls hier auftritt und im gesungenen Text namentlich genannt wird, Heerrufer, brabantische Edle (Text: Ihr Edlen von Brabant) usw. Ich frage dich, was hat das mit dem Klassengrin, dem Baustellengrin, dem Rattengrin zu tun, und was hat ein schwächlicher Epileptiker (wie zur vorjährigen Eröffnung der Scala), der als Held besungen wird, und es zumindest im ersten und zweiten Akt auch ist (im dritten mag man ihn als enttäuschten Ehemann ansehen) darin zu suchen.
    Auch die Meistersinger sind doch ganz sicher zeit- und ortsgebunden, oder nicht?
    Ich lese nicht nur den Inhalt, sondern auch die Texte und kann dir schon deshalb leider auch wieder nicht Recht geben.
    Wenn schon Modernisierung eines Stoffs, dann aber auch konsequent. Ich denke da z.B. an die Romeo und Julia Geschichte, die es heute auch noch so geben könnte. Leonhard Bernstein hat den Stoff in seiner "West Side Story", die ich sehr liebe, konsequent in die Moderne versetzt, Handlung, Text, Musik und auch Titel und nicht eine veränderte (und damit für mich entstellte) Handlung unter der Flagge eines anderen herausgegeben.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Wenn schon Modernisierung eines Stoffs, dann aber auch konsequent. Ich denke da z.B. an die Romeo und Julia Geschichte, die es heute auch noch so geben könnte. Leonhard Bernstein hat den Stoff in seiner "West Side Story", die ich sehr liebe, konsequent in die Moderne versetzt, Handlung, Text, Musik und auch Titel und nicht eine veränderte (und damit für mich entstellte) Handlung unter der Flagge eines anderen herausgegeben.


    Lieber Gerhard,
    genau das ist es. Besser kann man es kaum ausdrücken. Konsequent in die Moderne versetzen und nicht nur altbekannte Werke mit Neuem, Modischen übertünchen. Diese wirkliche Neudeutung,bzw. Neuschöpfung ist jedoch enorm schwierig und gelingt nur Könnern, wie Bernstein.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Der Tannhäuser spielt ganz offensichtlich zur Zeit der Minnesänger. Hier treten Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide usw., und ebenfalls im Text namentlich besungen ein Landgraf Hermann von Thüringen auf. Für mich sind diese an eine Zeit gebunden. Ein Biogashäuser ist für mich völlig absurd.
    Lohengrin spielt zur Zeit Heinrichs I (Heinrich der Vogler), der ebenfalls hier auftritt und im gesungenen Text namentlich genannt wird, Heerrufer, brabantische Edle (Text: Ihr Edlen von Brabant) usw. Ich frage dich, was hat das mit dem Klassengrin, dem Baustellengrin, dem Rattengrin zu tun, und was hat ein schwächlicher Epileptiker (wie zur vorjährigen Eröffnung der Scala), der als Held besungen wird, und es zumindest im ersten und zweiten Akt auch ist (im dritten mag man ihn als enttäuschten Ehemann ansehen) darin zu suchen.
    Auch die Meistersinger sind doch ganz sicher zeit- und ortsgebunden, oder nicht?
    Ich lese nicht nur den Inhalt, sondern auch die Texte und kann dir schon deshalb leider auch wieder nicht Recht geben.

    Ja, wahrscheinlich hast Du sogar recht. Letztendlich muss ich feststellen, dass mir fast gar keine Operninszenierungen gefallen, egal ob sie konventionell oder modern sind. Mein Ideal wäre eine fast leere, aber raffiniert ausgeleuchtete Bühne, wenige wirkungsvoll stilisierte Gegenstände und Sängerdarsteller, die so faszinieren, das man den anderen Krempel gar nicht braucht. Der lenkt eh nur ab vom wichtigen. Der frühe John Neumeier als Opernregisseur, das wäre es für mich gewesen.

  • Mein Ideal wäre eine fast leere, aber raffiniert ausgeleuchtete Bühne, wenige wirkungsvoll stilisierte Gegenstände und Sängerdarsteller, die so faszinieren, das man den anderen Krempel gar nicht braucht.


    Lieber lutgra
    Da wärst Du in Liberec wahrscheinlich ziemlich richtig. Allerdings, ein "schönes bischen mehr als nichts" ist es zwar, aber die Bühne ist nie überladen und aufdringlich. Dafür dem Werk entsprechend, einschließlich der Kostüme, ausgestattet. Auf jeden Fall ist es auch mehr und besser wie in der Dresdner Semperoper (Traviata, Rigoletto).
    Vielleicht klappt es mal? Ich sage schon mal Herzlich willkommen!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Mein Ideal wäre eine fast leere, aber raffiniert ausgeleuchtete Bühne, wenige wirkungsvoll stilisierte Gegenstände und Sängerdarsteller, die so faszinieren, das man den anderen Krempel gar nicht braucht


    Da ginge ich evtl. sogar mit.


    Wenn man dann das ganze als konzertante Aufführung inszeniert (oder halbszenisch, da können die Sänger wenigstens ein bißchen zappeln), kann man die Kostüme noch weglassen und die Musik ist Hauptgewinner. Aber das ist ja leider nicht Sinn und Zweck der Oper, wenngleich ich einige meiner schönsten Opernerlebnisse in Leipzig, Chemnitz, Dresden und Gera in konzertanten Aufführungen hatte.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zitat

    Zitat von Lutgra: Mein Ideal wäre eine fast leere, aber raffiniert ausgeleuchtete Bühne, wenige wirkungsvoll stilisierte Gegenstände und Sängerdarsteller, die so faszinieren, das man den anderen Krempel gar nicht braucht.

    Lieber Lutgra,


    dann schau dir doch mal - wenn du irgendwie drankommst - folgende Inszenierung von "Tristan und Isolde" von Patrice Chereau in der Mailänder Scala an, die ich schon einige Mal hier als für meine Begriffe gelungen herausgestellt habe. Hier ist die Bühne sparsam ausgestattet, mit wenigen, aber wirkungsvollen Versatzstücken versehen, raffiniert ausgeleuchtet. Trotzdem hat man in allen drei Akten die Illusion, am richtigen Ort zu sein. Die Kostüme sind einfach, aber erscheinen so zeitlos, dass die Geschichte durchaus in einer mythischen Zeit gedacht werden kann und die Handlung ist an keiner Stelle verfälscht. Für mich eine der packendsten Inszenierungen dieser Oper


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Liebe Freunde
    Hat denn keiner von Euch den Btr. 42 von unserer Strano mit dem Video- Link gesehen? Keiner hat bis jetzt darauf geantwortet. Ich hätte gern mal dazu Eure Meinung gehört.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Liebe Mme.Cortese,


    genau diese Inszenierung meine ich. Sie hat mir aufgrund ihrer Schlichtheit und der zum Stoff passenden Kulissenfärbung und Lichtgebung gut gefallen. Während ich dem Jahrhundertring von Patrice Chereau nur in Einzeldarstellungen, aber nicht in seiner Gesamtkonzeption etwas abgewinnen konnte, ist Patrice Chereau diese Inszenierung in meinen Augen gelungen. Abgesehen davon war der Jahrhundertring gegenüber dem, was uns da in den letzten Jahren alles an absurden und lächerlichen Inszenierungen geboten wurde, relativ harmlos.
    Ich habe die Inszenierung von "Tristan und Isolde" auf DVD und wusste garnicht, dass es sie vollständig auf youtube gibt. Da kann Lutgra sie sich - wenn er sie nicht schon kennt - ja anschauen, ohne dass er sich die DVD kaufen oder ausleihen muss. Ich würde mich, lieber Lutgra, über deine Stellungnahme zu dieser Inszenierung freuen. Du hast mich übrigens angeregt, mir diese Inszenierung in der nächsten Zeit wieder einmal anzusehen.


    Lieber Crissy,


    ich habe den Beitrag 42 sehr wohl gesehen und mir die Szene auch noch einmal angehört. Aber - soviel ich mich erinnere - haben wir an anderer Stelle schon einmal über diese Inszenierung diskutiert. Ich habe sie zwar damals nicht gesehen, weil ich nicht zu Hause war, und kann nicht in vollem Umfang dazu Stellung nehmen, aber die gezeigte Szene und andere, die ich davon gesehen habe sowie auch das was ich darüber gelesen habe, führt uns doch den ganzen Unsinn der Argumente der Verteidiger der unbedingten Modernisierung vor Augen, dass der Zuschauer Opern in ihrer ursprünglichen Form heute nicht mehr versteht.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)