Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierquartette Nr. 1 g-Moll KV 478, Nr. 2 Es-Dur KV 493

  • Wenn ich richtig gesehen habe, verfügen Mozarts Klavierquartette aus den Jahren 1785/ 1786 über keinen eigenen Thread, was ich hiermit gerne ändern möchte.


    Beginnen möchte ich mit dem ersten Quartett:


    Klavierquartett g-Moll, KV 478


    Quartett g-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, KV 478


    Satzbezeichnungen


    1. Allegro


    2. Andante


    3. Rondo. Allegro moderato



    Interessant ist, dass Mozart nur zwei Klavierquartette geschrieben hat. Diese beiden waren Auftragsarbeiten für seinen Verleger Franz Anton Hoffmeister, mit der Zielsetzung, etwas schöne Musik für Amateur-Musiker zu schaffen.


    "Kurz-leicht-popular" so sollte es sein, das erste Klavierquartett. "Damit es die großbürgerlichen und adeligen Dilettanten eifrig kaufen und in ihren Salons zum Besten geben". (1)


    Jedoch wollte Mozart nicht nur ein gefälliges Stück schreiben, bei dem, wie bisher, das Klavier die tragende Rolle hat und die Streicher nur umspielende Begleitfiguren liefern, die man ohne Probleme vom Blatt spielen kann. Mozart schuf eine anspruchsvolle Kompistion, in der alle Instrumente eine bedeutende Rolle haben. Dies führte unweigerlich dazu, dass sich das erste Klavierquartett so schlecht verkaufte, dass Hoffmeister Mozart darum bat, den Vertrag zu lösen, obwohl noch ein drittes Klavierquartett geplant war, das Mozart infolgedessen auch nicht mehr komponierte. Hoffmann überließ Mozart den Vorschuss für das erste Quartett und vermachte das zweite der Konkurrenz.


    Der Misserfolg des ersten Klavierquartetts findet auch Niederschlag in der zeitgenössischen Literatur. Mozarts Biograph Georg Nikolaus von Nissen erläutert dazu:


    “Das Fremdartige der originellen Werke, die, aus seinem tiefen Innern, entsprungen, in eigenthümlicher Gestalt auftreten, verblüfft, ihr vom Gewohnten Abweichendes verwirrt, reizt auch wohl zum Widerspruch, ihren eigenthümlichen Sinn fasst man nicht leicht, oder kann sich ihn doch nicht aneignen, ihre Manier scheint erzwungen; doch dies alles zum Glücke nur auf eine Weile. Dann ist uns das Fremdartige nicht mehr so fremd, dem Abweichenden haben wir uns genähert, der Sinn ist uns heller aufgegangen und die Manier geläufiger geworden… Nur darum sprach Mozart’s erstes Clavier-Quartett, Gb, anfangs so wenige an, daher der Verleger Hofmeister dem Meister den vorausbezahlten Theil des Honorars unter der Bedingung schenkte, dass er die zwey accordirten Quartette nicht schrieb und Hoffmeister seines Contractes entbunden wäre; – später wurden immer mehr von dieser Musik eingenommen, und jetzt würden wir das Manuscript, das wir unterdrückten, gewiss mit Perlen aufwiegen, wenn wir es damit hervorzaubern könnten.” (2)


    Dem heutigen Hörer dürfte die Musik kaum "fremdartig" oder "eigentümlich" erscheinen; für die Zeitgenossen muss vor allem der erste Satz recht wild und schroff geklungen haben. Mozart findet jedoch auch insbesondere im zweiten Satz wunderschöne, bezaubernde, schwelgerische Melodien, die im Miteinander der Instrumente zum Träumen einladen. Das Rondo ist voller übersprudelnder Dynamik und Lebhaftigkeit.


    Wie sieht es bei Euch aus? Schätzt Ihr diese Werke? In welchen Einspielungen hört Ihr sie gerne? Stehen diese Werke etwas im Hintergrund - wenn ja, warum? Ich finde sie ungeheuer schön und immens ausdrucksstark - wieso erhalten sie nicht mehr Aufmerksamkeit?




    Anmerkungen:


    (1) http://www.br.de/radio/br-klas…t-klavierquintett100.html


    (2) zitiert nach: http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1292
    Hier finden sich weitere ausführliche Hintergrundinformationen nebst einer musikalischen Analyse des Werkes.

  • Meines Wissens war ein weiteres Problem des Verlegers der spieltechnische Anspruch. Der Klavierpart ist anscheinend etwa so anspruchsvoll wie bei Mozarts Klavierkonzerten, was die Kundschaft einschränkte, auch wenn es sicher Amateure gab, die das bewältigen konnten.


    Aufnahmen gibt es eigentlich gar nicht wenige und auch sonst gehört mindestens das g-moll sicher zu den bekannteren Kammermusikwerken Mozarts (wenn vielleicht auch nicht zu den allerberühmtesten wie Klarinettenquintett oder g-moll-Streichquintett). Interessant beim g-moll-Werk ist, dass es beinahe das einzige Moll-Werk Mozarts ist, dass ein eher unbeschwertes Dur-Finale aufweist. (Das vieldiskutierte Finale des Streichquintetts KV 516 hat immerhin die schwermütige Moll-Einleitung; d-moll-Klavierkonzert und c-moll-Partita schließen in Dur, aber der größere Teil des Finalsatzes steht in Moll, alle anderen instrumentalen Moll-Werke enden mit Moll-Finali in Moll.) Das wirkt auf mich etwas "unvermittelt" und das Werk, das ich gleichwohl sehr schätze, nicht ganz so zwingend wie einige andere. Das Es-Dur-Quartett habe ich jetzt nicht so präsent, das steht meiner Erinnerung dem Konzertanten noch näher.
    Vielleicht hat auch der Status zwischen konzertanter und Kammermusik damit zu tun, dass sie verglichen mit einigen Streichquartetten und Quintetten nicht ganz so bekannt sind.




    (Ich habe das ins richtige Unterforum verschoben.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Um mein Gedächtnis aufzufrischen habe ich heute Nachmittag folgende CDs aus meiner Sammlung gehört, allerdings jeweils nur das Klavierquartett KV 478


    Zuerst die Aufnahme mit historischen Instrumenten. Es spielt das Quartett Festetics und Paul Badura-Skoda. Hier hört meines Erachtens auch der heutige Hörer noch, was das Publikum von damals verstört haben mag. Natürlich spielt die Schwierigkeit des Stückes eine gewisse Rolle, aber vor allem hatte Mozart am Zeitgeschmack vorbei komponiert und zudem die düstersten Stellen an den Beginn des ersten Satzes gestellt. Allerdings kehren sie nach Phasen der Lieblichkeit immer wieder. Das damalige Publikum wollte leichte, galante Stücke. KV 478 entspricht nicht diesem Ideal. Persönlich glaube ich hier schon Vorgriffe auf Schubert herauszuhören….


    Als Alternativaufnahme habe ich die Aufnahme mit dem Guarneri Quartett und Artur Rubinstein herangezogen. Sie scheint mir um einiges lieblicher und weniger dramatisch zu sein als die erstgenannte Aufnahme. Offensichtlich ist sie aber bereits gestrichen....Amazon schreibt zwar, es wäre noch eine Aufnahme vorhanden - das glaube ich allerdings nicht. Dieses Thema wird demnächst einen eigenen Thread bekommen, daher bitte hier nicht auf diese Frage einzugehen...

    Zum historischen Teil. Wie schon erwähnt wollte Hoffmeister auf Grund der schlechten Verkaufszahlen das geplante Projekt von 3 Klavierquartetten stoppen und verweigerte die Erfüllung des Vertrages. Mozart hatte inzwischen aber schon das zweite Quartett komponiert, die Violinstimmen waren schon graviert. Daher behielt Mozart die Anzahlung. Später wurde das Quartett 493 dann von Artaria Wien übernommen und fertig graviert…


    Wie man sieht weicht meine Geschichte geringfügig von jener von Don_Gaiferos ab - welche Lesart die Richtige ist, werden wir vermutlich nie erfahren..


    Das dritte Quartett indes hat Mozart dann in der Tat nicht mehr komponiert….


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Als Alternativaufnahme habe ich die Aufnahme mit dem Guarneri Quartett und Artur Rubinstein herangezogen. Sie scheint mir um einiges lieblicher und weniger dramatisch zu sein als die erstgenannte Aufnahme. Offensichtlich ist sie aber bereits gestrichen....Amazon schreibt zwar, es wäre noch eine Aufnahme vorhanden - das glaube ich allerdings nicht. Dieses Thema wird demnächst einen eigenen Thread bekommen, daher bitte hier nicht auf diese Frage einzugehen...


    Diese Aufnahme schätze ich auch sehr.
    Unter den neueren ist diese sehr zu empfehlen.

  • Die Naxos-Aufnahme ist auch sehr gut, ebenso eine vgl. mit Badura-Skoda/Festetics etwas "leichtere" HIP-Aufnahme mit Van Oort u.a. bei Columns/Brilliant; ich habe noch ein oder zwei weitere, Rubinstein/Guarneri in der großen Rubinstein-Box allerdings noch nicht angehört :untertauch:. Mit dem Fauré-Quartett habe ich das Es-Dur mal im Konzert gehört, aber anhand der Anzahl von Aufnahmen im Regal auf deren Einspielung verzichtet.


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  • etwas "leichtere" HIP-Aufnahme mit Van Oort u.a. bei Columns/Brilliant;


    Das ist die Aufnahme, die ich auch zugrunde gelegt habe, und die mir sehr gut gefällt; auf youtoube habe ich dann auch eine "nicht-hip" Aufnahme gehört. Indes würde mich Alfreds erstgenannte Aufnahme besonders interessieren, da sich in diesem dramatischeren Ansatz wahrscheinlich noch besser nachvollziehen lässt, was für den zeitgenössischen Hörer schwierig gewesen sein mag.


    Wer übrigens nicht die Riesen-Mozart-Box erstehen will, kann die CD einzeln erwerben, wie sie Johannes gezeigt hat (was allerdings recht teuer ist), oder relativ günstig eine Box nur mit Mozarts Kammermusik erhalten, die besagte Einspielung auch enthält:


  • Nun möchte ich auch gerne Mozarts 2. Quartett, also das


    Klavierquartett Es-Dur, KV 493


    Quartett Es-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier KV 493


    ins Blickfeld rücken. Es weist folgende Sätze auf:



    1. Allegro


    2. Larghetto


    3. Allegretto


    Mozart komponierte es neun Monate nach seinem ersten Versuch in diesem Genre. Es erscheint auf den ersten Blick auch weniger konfliktträchtig und provozierender als das erste zu sein, wenn es auch immer noch weitaus komplexer ist als man es bei dieser Art von Musik gewohnt war. Eine Besonderheit war auch die Aufführungspraxis: Mozart wollte diese Kammermusik aus der Kammer in den Konzertsaal transferieren, was für nicht unerhebliche Irritation bei seinen Zeitgenossen sorgte:


    "Ganz einverstanden waren die Konzertbesucher mit der 'Öffnung' wohl nicht, liest man den Eintrag eines anonymen Autors im Weimarer "Journal des Luxus und der Moden", der 1788 die "Unbesonnenheit" rügt, Mozarts zweites Klavierquartett in "großen, lärmenden Concerten zu producieren. Welch ein Unterschied, wenn dieses vielbemeldete Kunstwerk von vier geschickten Musikern, die es wohl studirt haben, in einem stillen Zimmer, wo auch die Suspension jeder Note dem lauschenden Ohr nicht entgeht, nur in Gegenwart von zwey oder drey aufmerksamen Personen, höchst präcis vorgetragen wird!" Eine Meinung übrigens, die einzige Jahre noch anhielt. So schrieb der Chefredakteur der Leipziger "Allgemeinen musikalischen Zeitung" Johann Friedrich Rochlitz 1800 über Mozarts Klavierquartette: "In diesen Kompositionen, durchaus nur für erwählte kleinere Zirkel, geht der Geist des Künstlers in seltener, fremdartiger Weise, groß und erhaben einher wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt." (1)


    Prof. Böhmer weist in seiner Analyse darauf hin, dass diese Komposition zeitnah mit Mozarts Oper "Le Nozze di Figaro" entstanden ist, und dass dieses Quartett somit eine Verquickung opernhaften Musikschaffens mit der Tonwelt der Kammermusik darstellt:


    "Das Finale in der Form eines Sonatenrondos ist einer der großartigsten Versuche Mozarts, den Stil der Opera buffa mit dem anspruchsvollen Charakter klassischer Kammermusik zu verbinden. Der modulatorische Reichtum und die subtile motivisch-thematische Arbeit des Satzes erinnern an die großen Finali des 2. und 4. Aktes von Le nozze di Figaro, eine Affinität, die auch in den melodischen Wendungen zum Vorschein kommt." (2)


    Auffällig ist für mich jedenfalls, wie viele unterschiedliche Melodien aus dieser Partitur hervorquellen und wie hier wiederum eine einzigartige Atmosphäre heraufbeschworen wird, voller Raffinesse, Delikatesse, Eleganz und sublimer Ästhetik. Auch hier ist das niederländische Ensemble mit historischen Instrumenten eine uneingeschränkte Empfehlung wert, die Künstler bringen diese Musik mit unerhörtem Feingefühl und Gespür für Nuancen zur Geltung.



    Anmerkungen:


    (1) zitiert von: http://www.swr.de/swr2/musik/m…2937886/6lhvut/index.html
    Auf dieser Seite findet sich übrigens auch -kostenlos- die sehr hörenswerte Einspielung beider Quartette mit dem jungen Notos-Quartett.


    (2) zitiert nach http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1291
    Hier finden sich, wie so oft, tiefergehende musikalische Analysen und Beschreibungen.

  • Auch für das 2. Klavierquartett habe ich die IMO superbe Aufnahme mit Mitgliedern des Guarneri-Quartetts und Artur Rubinstein abgehört, nein mit Genuss akustisch verschlungen. Hört man dieses Werk, so bedauert man nicht nur, daß Mozart das 3. geplante Quartett dieser Serie nicht komponiertn hat, sondern auch, daß der Mißerfolg der Projekts ihm die Lust an dieser Gattung generell genommen hat. Das 2. Klavierquartett ist eingängiger und weniger "konfliktbeladen" als das erste, Mozart scheint sich der Problematik des seichten Publikumsgeschamacks bewusst gewesen zu sein - und er ist dem Publikum auf halben Wege (wenn überhaupt) entgegengekommen - zumindest hat er es versucht.
    Mich erinnert der Klavierpart des 2. und 3. Satzes ein wenig an jene aus seinen Klavierkonzerten.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Daniel Barenboim hat vor ein paar Jahren noch einmal zusammen mit seinem Sohn Michael und einigen seiner Freunde Beethoven Klaviertrios, Mozart Klavierttrios und eben auch Mozarts Klavierquartette aufgenommen, eine rundum gelungene Sache, wie mir scheinen will. :)


    Hier die Quartette



    Aufgenommen wurde 2017 im Pierre-Boulez-Saal in Berlin. Die Akustik ist ausgezeichnet. Die Mitstreiter sind Kian Soltani am Cello und Yulia Deyneka an der Viola.

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  • Mich wundert immer, dass ein Werk wie Mozarts Klavierquartett in G-Moll seiner Zeit als besonders schwierig galt, während ein Werk wie Haydns E-Moll Klaviertrio sich blendend verkaufen lies. Persönlich finde ich Haydns Trio nicht wirklich einfacher als Mozarts Quartett, obwohl ich von den spielerischen Ansprüchen der beiden Werke zugegeben keine Ahnung habe. Ich mag beide Werke sehr, obwohl ich die Kopfsätze beider nicht wirklich eingängig finde.


    LG aus Wien.:hello:

  • Eine Besonderheit war auch die Aufführungspraxis: Mozart wollte diese Kammermusik aus der Kammer in den Konzertsaal transferieren, was für nicht unerhebliche Irritation bei seinen Zeitgenossen sorgte:

    Das kann ich auch als Nicht-Zeitgenosse nachempfinden. Ich benötige jetzt nicht zwei oder drei Hörer, obwohl ... :), aber einen kleinen Kreis, so dass man nah bei den Instrumenten sein kann, finde ich ungemein reizvoller, als ein Vortrag in einer Konzerthalle .... auch, wenn sie Kammermusiksaal heißt ;)


    Kammermusiksaal-Berlin-c-Reinhard-FriedrichBerliner-Philharmoniker-620x310.jpg

  • Mozart wollte diese Kammermusik aus der Kammer in den Konzertsaal transferieren

    Wo steht, daß Mozart der Initiator war?

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Mich wundert immer, dass ein Werk wie Mozarts Klavierquartett in G-Moll seiner Zeit als besonders schwierig galt, während ein Werk wie Haydns E-Moll Klaviertrio sich blendend verkaufen lies. Persönlich finde ich Haydns Trio nicht wirklich einfacher als Mozarts Quartett, obwohl ich von den spielerischen Ansprüchen der beiden Werke zugegeben keine Ahnung habe.

    In der Tat ist Hob. XV:12 (das meinst Du, oder?) nach grober Durchsicht für Haydns Verhältnisse im Clavierpart anspruchsvoller als z.B. XV:25. Nun ist Haydn aber nicht zugleich als ausgewiesener Virtuose auf dem Clavier wie z.B. Bach, Mozart oder Beethoven in Erscheinung getreten: soweit ich weiß, hat man Haydn höchstselbst eher selten als Instrumentalisten zu Gehör bekommen. Die „Schwierigkeit“ aber ist wie w.o. zitiert nicht allein im Notentext zu suchen, sondern woanders zu finden:

    “Das Fremdartige der originellen Werke, die, aus seinem tiefen Innern, entsprungen, in eigenthümlicher Gestalt auftreten, verblüfft, ihr vom Gewohnten Abweichendes verwirrt, reizt auch wohl zum Widerspruch, ihren eigenthümlichen Sinn fasst man nicht leicht, oder kann sich ihn doch nicht aneignen, ihre Manier scheint erzwungen; doch dies alles zum Glücke nur auf eine Weile. Dann ist uns das Fremdartige nicht mehr so fremd, dem Abweichenden haben wir uns genähert, der Sinn ist uns heller aufgegangen und die Manier geläufiger geworden… Nur darum sprach Mozart’s erstes Clavier-Quartett, Gb, anfangs so wenige an, daher der Verleger Hofmeister dem Meister den vorausbezahlten Theil des Honorars unter der Bedingung schenkte, dass er die zwey accordirten Quartette nicht schrieb und Hoffmeister seines Contractes entbunden wäre; – später wurden immer mehr von dieser Musik eingenommen, und jetzt würden wir das Manuscript, das wir unterdrückten, gewiss mit Perlen aufwiegen, wenn wir es damit hervorzaubern könnten.”

    Was ist am Kopfsatzmotiv von KV 478 bitte nicht eingängig? Markanter geht es eigentlich doch kaum. :):/

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Sehr selten findet man bei Mozart einschneidende Änderungen in seinen Werken. KV 478 ist so ein Fall: vier der acht Takte der Coda des ersten Satzes (T. 239-246) hat Mozart im Autograph mit der heute bekannten Version überklebt. Die ursprüngliche Komposition ist aber noch unter der Überklebung erhalten geblieben und kann wie folgt wiedergegeben werden:

    478-1.JPG

    [Notentext von mir umgesetzt]


    Diese ursprüngliche Version gibt dem Werk doch ein noch ziemlich barockes Flair. Les Solistes des Musiciens du Louvre haben das endlich mal eingespielt; die Stelle ist ab 14:07 zu hören ...



    Gespielt wird nicht auf dem 1782er Mozartflügel, sondern auf dem 1810 im Auftrag der Witwe modernisierten 1782er Mozartflügel. Soviel Zeit muß sein.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

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  • In der Tat ist Hob. XV:12 (das meinst Du, oder?)

    In der Tat meinte ich Hob. XV:12. Es ist, so weit ich weiß, Haydns einziges Klaviertrio in E-Moll.

    Was ist am Kopfsatzmotiv von KV 478 bitte nicht eingängig? Markanter geht es eigentlich doch kaum. :):/

    Das ist natürlich eine subjektive Sache. Für mich ist ein eingängiges Musikstück eines das sich dem Hörer leicht erschließt, angenehme Melodien und Harmonien hat (wie z.B. KV 493) und eines bei dem sich der Hörer nicht allzu anstrengen muss es zu erfassen. Das Kopfsatzmotiv von KV 478 ist das meiner Meinung nicht. Es ist schroff und in einem kargen Unison gehalten und der Hörer muss hier aktiv mithören um das zu erfassen und zu schätzen. Viele Moll Kompositionen der Klassik sind meiner Meinung nach eher nicht eingängig. Vielleicht gibt es daher so wenig davon.


    LG aus Wien.:hello:

  • Was ist am Kopfsatzmotiv von KV 478 bitte nicht eingängig? Markanter geht es eigentlich doch kaum. :) :/


    Das ist natürlich eine subjektive Sache. Für mich ist ein eingängiges Musikstück eines das sich dem Hörer leicht erschließt, angenehme Melodien und Harmonien hat (wie z.B. KV 493) und eines bei dem sich der Hörer nicht allzu anstrengen muss es zu erfassen.


    Der Beginn des g-Moll Quartettes kommt auch mir sehr markant vor - und damit doch mit hohem Wiedererkennungswert versehen. Tatsächlich könnte der Anfang fast von Beethoven kommen, wäre da nicht die typisch mozartsche Fortsetzung. Im Gegensatz zu Beethoven kennt die mozartsche Musik keine Penetranz und alles wandelt sich schnell und beginnt zu fließen .... Beethoven hätte sich das Motiv gekrallt und wäre dem bis zum bitteren Ende auf die Spur gekommen, Mozart zeigt uns ein seelisches Panorama, das

    Es ist schroff und in einem kargen Unison gehalten

    diesem schroffen und kargem Unisono zu entlocken ist. Für mich ein wundervoller Satz.


    Man verzeihe mir die Primitivpoetik ... :)

  • Der Beginn des g-Moll Quartettes kommt auch mir sehr markant vor - und damit doch mit hohem Wiedererkennungswert versehen. Tatsächlich könnte der Anfang fast von Beethoven kommen, wäre da nicht die typisch mozartsche Fortsetzung. Im Gegensatz zu Beethoven kennt die mozartsche Musik keine Penetranz und alles wandelt sich schnell und beginnt zu fließen .... Beethoven hätte sich das Motiv gekrallt und wäre dem bis zum bitteren Ende auf die Spur gekommen, Mozart zeigt uns ein seelisches Panorama, das

    diesem schroffen und kargem Unisono zu entlocken ist. Für mich ein wundervoler Satz.


    Man verzeihe mir die Primitivpoetik ... :)

    Ich mag den Kopfsatz von KV 478 auch sehr. Aber ich habe ihn mir mehrmals anhören müssen, bevor er mir wirklich gut gefiel. KV 493 mochte ich hingegen beim erstmaligen hören.

  • Man verzeihe mir die Primitivpoetik ...

    Wieso? Betreffend Beethoven fand ich das dermaßen gelungen, daß ich mich die Nacht über damit befasste, wie Beethoven das Thema wohl verarbeitet hätte? Bzw. was es denn bei seinen Werken Vergleichbares gäbe: ich blieb dann nur beim Kopfthema des dritten Clavierkonzerts hängen; das trifft es aber vielleicht auch nicht ganz.


    In der Tat meinte ich Hob. XV:12. Es ist, so weit ich weiß, Haydns einziges Klaviertrio in E-Moll.

    Ich behaupte jetzt mal, alle Claviertrios von Haydn gehört zu haben; aber nicht, sie so gut wie die Sinfonien oder Quartette zu „kennen“. Ich wählte XV:12 wegen der nahen Entstehungszeit zu KV 478 und werde es mir dieser Tage nochmals bewußt „reinziehen“.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)