Idomeneo, Wr.Staatsoper, 19.2.2019

  • Diese Opera Seria von Wolfgang Amadeus Mozart hatte vor einigen Jahren Premiere und findet sich nach längerer Pause wieder am Spielplan. Nach den Eindrücken dieser Aufführung bin ich mir nicht ganz sicher, ob dieses Stück in die Staatsoper passt. Bei aller Verehrung, aber Mozart hat bessere Opern geschrieben, die im modernen Opernbetrieb auch ihren Platz gefunden habe. Idomeneo ist schon eher ein Stück für Liebhaber der Musik des 18.Jahrhunderts und für Liebhaber von Bravourarien und langen Rezitativen. Wobei hier im Prinzip auch nur eine Arie ihren Weg ins Konzertrepertoire gefunden hat – die der Elettra im 3.Akt. Ansonsten viele gefällige Melodien, die aber nicht wirklich im Ohr bleiben. Wir reden hier von einem ganz anderen Mozart als landläufig bekannt ist. Wer erwartete etwas wie Don Giovanni oder Nozze zu hören, war sicherlich enttäuscht. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals einen so leeren Stehplatz nach einer Pause gesehen zu haben. Am Balkonstehplatz war überhaupt niemand zu sehen, auf der Galerie geschätzte 50 Leute, auch im Parterre war fast gähnende Leere…


    Die Produktion, für die Regisseur Kasper Holten und Bühnenbildnerin Mia Stensgaard verantwortlich zeigen, ist sehr gelungen. Mit modernen Mitteln wird die Geschichte so erzählt, wie sie im Libretto steht, auch die Kostüme von Ana Vang Kragh, eher in der Renaissance angesiedelt, sind herzeigbar. In Opernzeiten wie diesen ist man ja schon dankbar dafür! Dass es meistens eine „Stehpartie“ ist, das ist dem Libretto geschuldet, das nicht viel „Action“ hergibt. Entsprechend kann man sich aber mehr auf den musikalischen Teil konzentrieren.

    Der Titelheld Idomeneo wurde von Bernhard Richter gegeben. Richter hat eine schöne Mozart-Stimme, im Vergleich zu Benjamin Bernheim aber lyrischer. Ich hatte den Eindruck, dass er im 3.Akt ein wenig müde wirkte, doch gehört er auf jeden Fall zu den Pluspunkten des Abends.


    Pavel Kolgatin sang den Arbace – wie es so schön heißt – rollendeckend. Solide und im Prinzip unauffällig. Als Oberpriester kam Carlos Osuna erst im 3.Akt zu seinem Auftritt. Da hätte ich mir mehr Durchschlagskraft gewünscht. Peter Kellner als Stimme machte seine Sache gut.


    Rachel Frenkel hat ihren Weg vom großen Strom der „Weiden“ ins virtuelle Kreta gefunden und überzeugte in der Hosenrolle des Idamante. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ihr relativ hoch gelegener Mezzosopran für die Rolle so geeignet ist – eine tiefer timbrierte Stimme wäre wünschenswert. Valentina Nafornita spielte die Ilia überzeugend, leider dürfte sie – obwohl vom Publikum umjubelt – nicht in Höchstform gewesen sein, da man doch an und ab ein leichtes Tremolo hörte.

    Die gesanglich beste Leistung des Abends bot Irina Lungu. Als Elettra hatte sie auch die dankbarste Arie des ganzen Stückes. Technisch sehr sauber gesungen, mit klaren Höhen, gut zu hören konnte sie ihre Stärken ausspielen. Man kann sich auf das Wiedersehen mit ihr im Juni schon freuen.


    Tomas Nepotil dirigierte das Staatsopernorchester, ohne irgendwelche Akzente zu setzen- man hätte aus dem Stück mehr rausholen können.


    Fazit des Abends – freundlicher Applaus des Publikums, der sich bei den vier Hauptdarstellern steigerte. Musikalisch hätte man mehr draus machen können.

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter,


    Danke für Deine Schilderung.


    Ist Deine Auffassung zu Idomeneo nicht ein wenig streng? Klar, wer mit der Zielstellung ins Theater geht, ähnlich melodienselige Bravourstücke zu erleben wie in den da Ponte-Opern oder in der Zauberflöte, der wird enttäuscht sein (wobei mir klar ist, daß Du wußtest, was Dich erwartet). Ich habe Idomeneo auch erst einmal gesehen, und sicher nicht in einer derartigen Qualität wie in Wien. Und es ist schon mehr als 10 Jahre her. Dennoch ist mir im Gedächtnis geblieben, daß die Oper eine enorme musikalische Wucht in sich birgt, die man für die Entstehungszeit um 1780 nicht erwartet. Ich finde die Musik in großen Teilen voller Leidenschaft und angefüllt mit Ensemblesätzen, wie sie Mozart vorher nicht zugeschrieben werden können. Keine Mozartoper hat meines Wissens derartige Chorszenen wie Idomeneo, und das alles fand ich dramatisch. Ich erinnere mich an eine Arie der Elektra voller Wucht, an mindestens 2 Arien des Idomeneo (die selbst Pavarotti aufgenommen hat). Bei mir hat Idomeneo größeren Eindruck hinterlassen als die Entführung oder auch Cosi, wobei meine musikalischen Vorlieben eindeutig auf dramatische Musik fokussiert sind.

    Ich würde diese Oper gerne wieder einmal sehen, vielleicht werde ich bei youtube fündig.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber Dreamhunter,


    musikalisch kenne ich Idomeneo seit meiner Jugend und weiß, dass man sie - wie verschiedene andere Mozartopern auch - kaum mit seinen häufig gespielten Opern vergleichen kann. Schon länger besitze ich die Inszenierung aus Glyndebourne auf DVD.

    Dann hatte ich Anfang 2017 entdeckt, dass auch bei uns im Kino die Übertragungen aus der Metropolitan Opera angeboten werden und ich hatte das Glück, noch Karten für mich und meine Frau zu bekommen, weil wegen der Nachfrage zusätzlich der zweite Kinosaal geöffnet wurde. Beide waren gut besetzt. Die hervorragende Inszenierung des Idomeneo war damals auch mein erster Besuch dieser Übertragungen, und ich war hellauf begeistert von der Qualität im Kino.

    Ich kann schlecht verstehen, wie Opernliebhaber bei dieser Musik in der Pause den Saal verlassen können, vor allen auch, da die Inszenierung ein gutes Bild macht, allerdings für mich an die New Yorker Inszenierung nicht heranreicht.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich kann schlecht verstehen, wie Opernliebhaber bei dieser Musik in der Pause den Saal verlassen können, vor allen auch, da die Inszenierung ein gutes Bild macht, allerdings für mich an die New Yorker Inszenierung nicht heranreicht.

    Und ich kann sehr schlecht verstehen, wie man auf der Grundlage einiger hier eingestellter Bilder eine Inszenierung (die ja die Summe aller Vorgänge und Bewegungen auf der Bühne darstellt) meint beurteilen zu können und wissen kann, ob sie mehr oder weniger gelungen als eine andere ist. (Ebenso erstaunlich finde ich, dass hier vom User "Gerhard Wischniewski" erneut eine Zeitverlegung der Handlung von mehr als 2000 Jahren goutiert wird, obwohl das ja angeblich streng verboten ist, aber diesen Widerspruch hatten wir ja inzwischen ja schon öfter in letzter Zeit.) Über eine Aufklärung dieser Widersprüche wäre ich persönlich sehr dankbar.

  • Zuvor auch von mir Dank an Dreamhunter für seinen Bericht. Nicht einverstanden bin ich mit der Wertung über die Musik zu dieser - in meinen Ohren - hervorragenden Oper. Mir geht es wie La Roche:

    Dennoch ist mir im Gedächtnis geblieben, daß die Oper eine enorme musikalische Wucht in sich birgt, die man für die Entstehungszeit um 1780 nicht erwartet. Ich finde die Musik in großen Teilen voller Leidenschaft und angefüllt mit Ensemblesätzen, wie sie Mozart vorher nicht zugeschrieben werden können. Keine Mozartoper hat meines Wissens derartige Chorszenen wie Idomeneo, und das alles fand ich dramatisch. Ich erinnere mich an eine Arie der Elektra voller Wucht, an mindestens 2 Arien des Idomeneo (die selbst Pavarotti aufgenommen hat). Bei mir hat Idomeneo größeren Eindruck hinterlassen als die Entführung oder auch Cosi

    In diesem Text steckt genau das drin, was ich ebenfalls empfinde (obwohl ich den Idomeneo noch nie gesehen habe, ihn nur durch Konserven kenne; insofern beneide ich La Roche, dass er diese Oper meines Lieblingskomponisten schon gesehen hat). Wer sich zusätzlich noch in die Briefe Mozarts an seinen Vater einliest, wird schnell feststellen, dass der junge Komponist genaue Vorstellungen hatte, wie man Bühnenwirksamkeit erzielt: Er hat das Libretto von Varesco rigoros gekürzt (und trotzdem noch reichlich Text vertont), was vor allen Dingen der Orakelszene eine "Wucht" verleiht, die mich nicht nur an Glucks Alceste mit einer ähnlichen Szene denken lässt, sondern auch den Don Giovanni vorausahnen lässt.


    Wie geschrieben - ich habe eine andere Meinung zur Musik als Du, lieber Dreamhunter, aber kein weltbewegendes Problem, wenn Du es anders siehst.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Erst einmal vielen Dank für Euer Feedback - schön zu wissen, dass meine Beiträge auch gelesen werden :-)


    Zu den Besuchern, die schon früher gegangen sind - es handelte sich da zum Großteil um Touristen, die Stehplatzkarten erstanden hatten - und das ist leider in Wien sehr oft so. Ich kann nur spekulieren, aber ich habe gehört, dass in einem Reiseführer steht, dass es billiger ist am Abend eine Stehplatzkarte zu kaufen und sich die Oper anzusehen (und gleichzeitig auch noch eine Opernaufführung mitzuerleben), als eine offizielle Führung während des Tages mitzumachen. Ehrlich gesagt - das stimmt auch...


    Da normalerweise die STOP immer ausverkauft ist fällt es mir halt auf, wenn Sitzplätze verwaist sind - kommt nicht so oft vor. Und da es noch dazu eine Abonnementvorstellung war wurden da Besucher auch "zwangsbeglückt", einige zogen es vor, gar nicht zu erscheinen. So wie die beiden Plätze in der Loge 1.Reihe vor mir :-) !!! So hatte ich das Vergnügen um 15 Euronen hervorragend zu sehen und zu hören!!!!


    La Roche und musikwanderer haben ja recht - es gibt, wenn man das historisch betrachtet, keinen Grund sich über die Musik zu beschweren. Und Opern hat ja nicht sehr oft "Wahnsinnsarien" wie die der Elettra geschrieben. Und ja, auch der Chor, den ich sträflicherweise nicht erwähnt habe, hat eine wichtige Rolle, die zur Entstehungszeit auch relativ neu war. Ich habe mich - ganz ehrlich gesagt - vorher nicht sehr intensiv mit der Oper beschäftigt (war mehr mit Porgy & Bess und Lucia unterwegs). Und vielleicht spielte auch mit (soll aber keine Entschuldigung sein), dass ich nach einem 10-Stunden-Bürotag direkt in die Vorstellung hetzte..


    Eine Bitte - in diesem Thread nicht wieder über das RT diskutieren.. es bringt eh nix (wie wir in Wien sagen), keiner wird von seinem Standpunkt abgehen...


    Abschließend noch ein Photo, in der Ilia ihre erste Arie (noch gefesselt) singt. Die Sängerin muss auf jeden Fall schwindelfrei sein. Die Personen im Hintergrund sind Statisten/Chorsänger, die dann auch runtergelassen werden, als es zur Befreiiung der Trojer kommt.


    csm_Idomeneo_69041_87a3618c72.jpg


    Liebe Grüße aus Wiens 1.Bezirk,

    Kurt (Dreamhunter)

    Hear Me Roar!

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  • Er hat das Libretto von Varesco rigoros gekürzt (und trotzdem noch reichlich Text vertont), was vor allen Dingen der Orakelszene eine "Wucht" verleiht, die mich nicht nur an Glucks Alceste mit einer ähnlichen Szene denken lässt, sondern auch den Don Giovanni vorausahnen lässt.

    Lieber musikwanderer - ich habe geschrieben, dass seitens des Dirigentens keine gescheiten Akzente gesetzt wurden - alles klang irgendwie gleich. Die Dramatik der Orakelszene war leider nicht gegeben (auch bedingt dadurch, dass der Sänger des Oberpriesters nicht das stimmliche Material hatte, das ich mir gewunschen hätte). Alles ein bisserl "faserschmeichlerisch". Ich kann mir nur vorstellen, was ein Nikolaus Harnoncourt da herausgeholt hätte. Sein "Lucio Silla" am Theater an der Wien gehört noch immer zu den Opernabenden, die mich am meisten beeindruckt haben.


    LG

    Kurt

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter,


    Mir geht es wie musikwanderer und La Roche, ich finde die Musik des Idomeneo überaus eindrucksvoll. Zweimal habe ich die Oper konzertant erlebt (2001 und 2006), das 2. Mal in der Bearbeitung von Richard Wagner. Die Variante empfand ich noch eine Spur beeindruckender.


    Lieber Gerhard Wischniewski,

    handelte es sich bei der Übertragung aus der Metropolitan Opera evtl. um diese Aufführung?