In Heilbronn große Ankündigung: Klassik-Gala mit den weltweit bejubelten Film-Hits "Herr der Ringe" und "Die Hobbits". Ständiger Medienrummel: Großartig, fantastisch, zauberhaft, einmalig. Erzielte Wirkung auf den Klassikfreund: Da muss man dabei sein, sonst versäumt man wichtiges. Verstand vernebelt - Gier frisst Hirn. Also auf ins Auenland. Die "Herr der Ringe"Gala ist schnell geschildert: Man nehme ein namenloses Orchester, einen nicht genannten Dirigenten, einige Sänger*innen für einen Chor, eine Mini-Tanzgruppe von drei Damen, mehrere Gesangssolisten und dann als krönenden Höhepunkt eine kleine keltisch angehauchte Formation"Das Tolkien-Ensemble" und als Sprecher den Fernsehstar Sky du Mont, am bekanntesten durch seine Fernsehwerbung. Nach dem Einzug der illustren Künstlerschar heißt es alles aufgestanden: Eine Nationalhymne folgt, die niemand kennt. Ist das völliger Quatsch ? Nein, Eingeweihte nennen das Immersion, das ist ein Eintauchen in eine völlig fremde Welt. Nun darf jeder der Sängersolisten ein oder mehrere Liedchen trällern. Entschuldiung in Songs brillieren. Zwei junge Damen,die bei jedem Auftritt in neuen geisterhaften Roben die Zauberwelt der Elben, Zwerge, Trollen und Drachen schaffen sollen, wobei die Sängerinnen durchaus passable Musical-Stimmchen vorweisen konnten. Die Songs der Herren waren wohl bekannter, weil das sonst erstaunlich beifallsmüde Publikum hier etwas lebhafter wurde. Aber da war ja noch der Glaubwürdigkeit wegen mit dem Schotten ein Billy Boyd ein leibhaftiger Darsteller aus den Filmen da. Nur dieser Herr sprach bei seinen Auftritten ausschließlich englisch. Da es wie eigentlich erwartet keinen Film gab, sondern nur einige Dias, die bis zum Überdruss wiederholt gezeigt wurden, würde es sicherlich der versierte Sprecher Sky du Mont herausreissen. Das wäre sicherlich möglich gewesen, wenn man ihn verstanden hätte. Entweder war das Mikrofon so schlecht eingestellt, dass sich die Stimme überschlug oder das grob, undiszipliniert und viel zu laut spielende Orchester, stellenweise konnte man den Eindruck gewinnen, es wäre ein Paukenkonzert. Dabei bietet doch gerade der typische Soundtrack der Filmmusik und der gewählten Werke die Chance, die Zauberwelt des Auenlandes zart, melancholisch bis hin zum höchsten Forte beim Auftritt der Ungeheuer auszukosten. Die Chance wurde vertan, weitgehend musikalischer Einheitsbrei routiniert und uninspiriert herunter genudelt. Ein Horrorszenario? Weitgehend ja: Keine Regie erkennbar, unausgesteuerte Tonübertragung, blendende Lichtblitze vor allem ins Publikum, Dias statt erwartetem Film und ein Sprecher, der nicht durch die vielschichtige Handlung führte, sondern nur Bruchstücke erzählte, die zudem noch weitgehend unverständlich waren. Also völlige Pleite und das Geld zum Fenster hinausgeschmissen. O, nein es war für meine Frau und mich eine neue Erfahrung, ein enormer Lernprozess. Das Publikum akzeptierte diese klassische Mogelpackung, für die hohe Preise bezahlt wurden (unsere Karten mittlerer Kategorie kosteten € 69 pro Stück) ohne erkennbaren Frust, im Gegenteil der Murks wurde sogar noch gefeiert.
Dieses Phänomen geht mir nicht aus dem Kopf. Für so etwas werden Preise bezahlt, die beide anerkannt guten Heilbronner Orchester kaum oder nur im Ausnahmefall realisieren können. Der große Saal in der Harmonie mit 2000 Plätzen ist fast ausverkauft überwiegend mit jugendlichen Besuchern, wobei die Heilbronner Orchester keine Kosten und Mühen scheuen und zum Teil mit speziellen Jugendkonzerten gerade diese Zielgruppe umwerben. Sie haben meistens ähnlich hohe Besucherzahlen, aber permanent gegen die Überalterung des Publikums zu kämpfen. Wo liegen die Gründe für diese kaum rational zu erklärende Tendenz? Oder wie gelingt es den Schotten, den ebenso sparsamen Schwaben für diese Mogelpackung so viel Geld aus der Tasche zu ziehen und klassischen Ramsch zu vergolden?
Herzlichst
Operus(Hans)