RBB Blindverkostung

  • Wie kommen die Sendungen bei Euch rüber?

    Erst einmal vielen Dank für den Tipp. Höre gerade die Sendung zur "Winterreise" (bin gerade bei Minute 53) und finde die Sendung hochinteressant. Ich fand die Urteile bislang mitunter zwar scharf und auch drastisch, was ich etwa im Falle von Gerhaher auch völlig berechtigt finde, finde die Urteile bislang aber auch akzeptabel, wenn ich sie nicht teile. Ich höre die Sendung also mit Gewinn.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe mir ebenfalls die Folge zur Winterreise angehört und bin nach der Aussage von Frau Lemke-Matwey ("Wir müssen hier ja professionell sein") froh, kein professioneller Musikkritiker zu sein. Das wirkt alles ziemlich freudlos und herablassend, so fundiert das eine oder andere Urteil auch sein mag.


    Dagegen wirkt Hurwitz geradezu wie ein Epikureer (der er ja auch ist).


    Beste Grüße

    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ein interessantes Modell, aus dem man viel lernen kann. Ich habe bereits etliche Sendungen nachträglich über die Podcast-Funktion per PC gehört. Wahrscheinlich könnte ich mittlerweile auch per Satellitenempfänger, also über die Hifi-Anlage, den Sender empfangen, worum ich mich bislang nicht gekümmert habe ... RBB? Ja, müsste gehen.


    Ansonsten Zustimmung für Johannes Schlüter und hasiewicz. Ja, die Herrschaften sind bisweilen witzig und sie besitzen mit Sicherheit große, eben meist "professionelle" Kompetenz. Aber zum einen darf man in der Tat von einer nicht nur dezenten Arroganz sprechen, zum anderen stecken hinter den nicht selten sehr scharfen Urteilen meines Erachtens gewisse Tendenzen.


    Die großen Interpretations-Klassiker der Vergangenheit werden beschworen. Künstler der Gegenwart mit einem gewissen Verkaufserfolg und Geschäftsrenommé werden besonders kräftig angepackt - nicht dass das immer so ganz falsch wäre, wie letztlich etwa im Fall einer ASM, aber es hat schon ein wenig Methode, wie mir scheint. Oft ist man sich dann auch nicht zu schade, die Ausführenden halb privat von der Seite anzugehen. Und darüber hinaus werden eben doch mild unfaire Steckenpferde penetrant geritten, etwa Prinzip-Abneigung gegen historisch Informiertes auf Originalinstrumenten durch Christine Lemke-Matwey. Solches wiederum würde ich gerade nicht als professionell bezeichnen.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • „…mild unfaire Steckenpferde penetrant geritten“ - herzlichen Dank, lieber Wolfgang, für diese überaus schöne Formulierung!

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



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  • Dank ganz meinerseits, werter hasiewicz-Christian! Der ehemalige Schulmensch bedarf solcher Bestätigung bisweilen. Meine Frau übernimmt das nicht immer ... :P

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Finde die Reihe auch unterhaltsam und interessant. Habe heute mal die Folge zu Schuberts Großer C-Dur-Symphonie durchgehört und teilte zwar viele Urteile nicht (insbesondere von Frau Lemke-Matwey, die alles außer Furtwängler mehr oder weniger doof fand), aber gerne gehört habe ich die Sendung dennoch. Dass die Runde mit dem Werk selbst so große Probleme hatte, hat mich auch eher überrascht. Interessant übrigens, dass weder Karajan noch Böhm überhaupt nur erwähnt wurden. Das wäre wahrscheinlich bei einer derart vergleichenden Sendung in einem Kultursender vor 30 Jahren unvorstellbar gewesen, aber die Zeit schreitet halt voran. Die einhellig negativ beurteilte Aufnahme von Harnoncourt und dem Concertgebouw-Orchester hat mir dem Ausschnitt nach übrigens so gut gefallen, dass ich sie mir danach gleich einmal vollständig angehört habe. Insofern hat die Sendung schon etwas Gutes bewirkt.

  • Finde die Reihe auch unterhaltsam und interessant. Habe heute mal die Folge zu Schuberts Großer C-Dur-Symphonie durchgehört und teilte zwar viele Urteile nicht (insbesondere von Frau Lemke-Matwey, die alles außer Furtwängler mehr oder weniger doof fand)

    Obwohl - oder gerade weil - das meine Lieblingssymphonie ist, werde ich mir diese Folge nicht anhören. Für mich gibt es tatsächlich wenig wirklich schlechte Aufnahmen dieser Sinfonie, weil für mich die Musik überzeugend genug ist, dass sie mich auch über einen mäßig inspirierten Angang hinwegtröstet. Sicher gibt es Favoriten und solche, die ich sobald nicht mehr hören werde - aber ich habe bisher noch keine Aufnahme die ich habe, als ungenügend aussortiert - und ich habe einige... Auch hier gilt, dass mir die Menschen leid tun, die keinen unverkopften, unmittelbaren Zugang zum Musikalischen mehr haben.


    Zur Erinnerung: Die Quelle des Worts Dilettant kommt von italienisch "dilettare, sich/jmd erfreuen". Ein Dilettant zu sein ist viel schöner als das Leben als professioneller Bekrittler - man stelle sich vor, man würde seine Musiksammlung als Konglomerat des Defizitären betrachten... Danke, aber nein danke.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Lieber "Melomane",


    Habe heute mal die Folge zu Schuberts Großer C-Dur-Symphonie durchgehört und teilte zwar viele Urteile nicht (insbesondere von Frau Lemke-Matwey, die alles außer Furtwängler mehr oder weniger doof fand), aber gerne gehört habe ich die Sendung dennoch.

    angeregt durch deinen Beitrag habe ich mir heute Abend die Sendung zu Schuberts Großer ebenfalls angehört und habe dies nicht bereut, auch wenn auch ich viele Urteile nicht geteilt habe.


    Dass Frau CLM eine furchtbare Person ist, weiß ich schon seit 22 Jahren - dass sie nicht nur viel weniger Ahnung von Oper hat, als sie denkt, sondern dass dies bei der Instrumentalmusik ganz ähnlich ist, weiß ich seit heute Abend.


    Und doch: dieses Polemisierende und Polarisierede bei allen Dreien führt zwar immer wieder mal zu Widerspruch, aber auch zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem Werk und seinen Interpretationen. Insofern wird das Ziel der Sendung erreicht. Mich erinnert das Ganze ein wenig an das "Literarische Quartett", wo ja auch viel polemisiert und zugespitzt wurde - ein bissl mehr Gehakel zwischen den dreien vermisse ich bei dieser Radiosendung allerdings schon, da ging bei MRR und Frau Löffler mehr die Post ab und hatte einen höheren Unterhaltungswert. Gleichwohl ist das Anliegen der Sendung sehr ähnlich und sie erreicht mit ähnlichen Mitteln ähnliche Erfolge beim Zuhörer, der gar nicht so passiv bleiben kann, wie er vielleicht möchte, sondern dessen Widerspruch mitunter geradezu herausgefordert wird. Im Vergleich zum "Literarischen Quartett" hat diese Radiosendung zu musikalischen Werken freilich noch einen entscheidenden Vorteil: Während bei MRR die meisten Zuschauer das besprochene Buch nicht gelesen haben, schon gar nicht komplett, kann man hier zumindest ausschnittsweise das Besprochene selbst nachhörend erleben und zu eigenen Urteilen kommen, bevor man die Urteile der der "Experten" überhaupt hört. Das hat schon fast etwas Interaktives. (Dass jeder, der eine solche Radiosendung hört, das besprochene Werk, also "Die Winterreise" oder eben Schuberts Große, schon mindestens 1x komplett gehört hat, vermutlich aber sehr viel häufiger und in unterschiedlichen Interpretationen, davon gehe ich jetzt einfach mal aus.)


    Dass die Runde mit dem Werk selbst so große Probleme hatte, hat mich auch eher überrascht.

    Mich auch. Schuberts "Große" ist eine meiner absoluten Lieblingssinfonien. Kennengelernt habe ich sie über die Studioaufnahme der Staatskapelle Dresden unter Jeffrey Tate (eine Aufnahme, die leider nicht vorkam, obgleich CLM sie genauso abgekanzelt hätte wie alle anderen, die nicht von Furtwängler stammen - dessen Aufnahme ich im konkreten Falle in vielerlei Hinsicht nicht für unproblematisch halte), dann hatte ich ein unwerfendes Live-Erlebnis 2003 mit eben diesem Orchester unter Bernard Haitink in der Semperoper - und dann noch eines im letzten Sommer in Berlin: Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern - ich habe das dann in der DCH nochmal nachgehört und muss sagen: Das ist es! Insofern kam diese Sendung zu dieser Sinfonie ein paar Monate zu früh.

    Die einhellig negativ beurteilte Aufnahme von Harnoncourt und dem Concertgebouw-Orchester hat mir dem Ausschnitt nach übrigens so gut gefallen, dass ich sie mir danach gleich einmal vollständig angehört habe. Insofern hat die Sendung schon etwas Gutes bewirkt.

    Das kann ich sehr gut verstehen, mich hat der Ausschnitt von Harnoncourt ebenso überzeugt, auch Abbado, etwas weniger Norrington, aber am allermeisten hat mich der 3. Satz mit den Wienern unter Gardiner begeistert. Vielleicht werde ich mir diese Aufnahme noch einmal komplett anhören. Nein, ganz sicher werde ich das, nachdem ich sie gerade bei Spotify im zweiten Versuch gefunden habe. Der erste Satz läuft schon. :) :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und doch: dieses Polemisierende und Polarisierede bei allen Dreien führt zwar immer wieder mal zu Widerspruch, aber auch zu einer bewussteren Auseinandersetzung mit dem Werk und seinen Interpretationen. Insofern wird das Ziel der Sendung erreicht. Mich erinnert das Ganze ein wenig an das "Literarische Quartett", wo ja auch viel polemisiert und zugespitzt wurde - ein bissl mehr Gehakel zwischen den dreien vermisse ich bei dieser Radiosendung allerdings schon, da ging bei MRR und Frau Löffler mehr die Post ab und hatte einen höheren Unterhaltungswert.

    Lieber „Stimmenliebhaber“,


    den Vergleich mit dem „Literarischen Quartett“ halte ich für sehr treffend, und auch deine Analyse des Erfolgsrezepts dieser Sendung teile ich. Ein argumentativ gut vorgetragener Diskurs „zwingt“ den lesenden, hörenden oder schauenden Dritten ja beinahe dazu, seine eigenen Argumente mit den vorgetragenen abzugleichen und selbst Position zu beziehen. Eine meiner Lieblingsseiten in der „ZEIT“ ist die mit dem Titel „Streit“, wo ein kontroverses Interview mit mindestens zwei - meinungstechnisch entgegengesetzten - Partnern geführt wird.

    Ich erlaube mir die Bemerkung, das Ähnliches auf ein Internetforum zutrifft. Auch hier lese ich persönlich am liebsten den Austausch kontroverser Positionen zu den entsprechenden Sachthemen. Wenn jemand einen Beitrag schreibt und fünf Teilnehmer darunter schreiben „Lieber Freund XY, ich möchte dir voll und ganz zustimmen“ hat das für mich als Leser keinen Mehrwert. Der Forenbetreiber wird bestätigen, dass Rubriken mit kontrovers ausgetauschten Positionen hohe Aufrufzahlen haben.

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  • Offenbar sind nicht alle Folgen online geblieben, denn in der Folge zu Schuberts Großer wurde Bezug genommen auf eine Sendung zu Brahms' Vierter, die nicht mehr abrufbar ist. Wenn ich mir das so anschaue, dann komme ich zu der Vermutung, dass die Folgen genau ein Jahr nach der Erstausstrahlung abrufbar sind und danach nicht mehr. Das hieße, dass die Folge zu Schuberts Großer nur noch wenige Tage anhörbar sein wird.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Brahms 4 ist online, zwischen den beiden Mozärten.

    Vielen Dank für die Info! Damit hatte ich nicht gerechnet und ich verstehe es auch nicht, wie bei einer Sendung, die am 12.03.2021 ausgestrahlt sein soll Bezug genommen werden konnte auf eine Sendung, die angeblich erst am 20.08.2021 ausgestrahlt wurde. Aber die dort angegebenen Datum müssen offenbar ohnehin mit Vorsicht genossen werden. Für Schuberts Große könnte ich schwören, dass dort gestern ein Sendedatum im Februar 2021 angegeben war. heute lese ich das Datum Fr 12.03.2021 um 00.02 Uhr - was mich sehr verblüfft, denn die sendung, die daneben eingestellt ist und Brahms' Streichquartett c-Moll gewidmet ist, abgeblich am Fr 12.03.2021 um 00.03 Uhr gesendet wurde- das verstehe wer will. Aber egal: Ich bin froh, dass die Sendung zu Brahms 4 aktuell noch abrufbar ist und neben den diversen Opernfolgen (Bohème, Carmen, Rosenkavalier) ist das die Folge, die in die allerengste Auswahl dafür kommt, welche Folge ich als nächste hören werde. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Daten beziehen sich offenbar nicht oder nicht immer auf die Erstsendung. Näheres weiß ich nicht. Irgendwo habe ich in der Tat gelesen, die Sendungen seien ein Jahr lang im Podcast anzuhören ... ab wann auch immer.


    Mit anderen Worten: Ich nix verstehn. Ist aber nicht das erste Mal. :untertauch:


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Danke für diesen Hinweis,


    ich habe die Sendung über Puccinis "La Boheme" gehört. Na, da war ich jedenfalls mal erstaunt, dass niemand Beniamino Gigli erkannt hat, ich fand, dass man seine unverwechselbare Stimmführung, sein typisches Gefühl des "dolcezza", also nicht direkt forciert, sondern verhalten zu singen, sehr deutlich gehört hat; die Beteiligten hatten eher in die Richtung von Richard Tucker und Jussi Björling spekuliert! Aber zumindest Pavarotti wurde erkannt, und viele andere auch.

    Doch, es war eine muntere und anregende Sendung, auch, wenn ich ebenfalls ganz andere Urteile gefällt habe, aber ich konnte viele der konträren Bewertungen als durchaus plausibel nachvollziehen. Hat Spaß gemacht!

  • Ich habe mir jetzt Winterreise und Beethoven Op 59 Nr. 1 (Rasumowski) angehört. Das Format ist ganz sicher an das literaische Quartett angelehnt, was ja erstmal positiv bewertet werden kann.


    Der Kritiker ist in einer schwierigen Situation. Er muss beurteilen. Und das ist leider selbstverständlich immer präsent. Im Endeffekt geht das eben nur mit einer eigenen Vorstellung der Sache an der man dann andere Interpretationen misst.


    Das ist unterhaltend, wenn der Humor nicht zu kurz kommt und absolut anödend, wenn die eigene Meinung zu ernst genommen wird ....


    Also für mich: Berteilung der Winterreise-Interpretationen anödend , Beurteilung von Beethoven durchaus unterhaltend ....;)


    my two cents.



    PS: mir fällt allerdings anders als im Quartett doch häufiges Unisono der Kritiker auf.

  • PS: mir fällt allerdings anders als im Quartett doch häufiges Unisono der Kritiker auf.

    Ja, das hatte ich ja auch schon moniert. Die harmoniesucht der drei ist groß. Es treten durchaus immer wieder Differenzen auf, die aber shcnell unter den Teppich gekehrt werden, anstatt sie auszudiskutieren.


    "Angeödet" hat mich die "Winterreise"-Sendung keinesfalls, sondern auch das war Erkenntnisgewinn für mich, weil die Beurteilungskriterien ja gar nicht immer verschwiegen werden. Daher bringt mir das auch was, wenn ich die subjektiven Urteile selbst so nicht teile.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Angeödet" hat mich die "Winterreise"-Sendung keinesfalls, sondern auch das war Erkenntnisgewinn für mich, weil die Beurteilungskriterien ja gar nicht immer verschwiegen werden. Daher bringt mir das auch was, wenn ich die subjektiven Urteile selbst so nicht teile.

    Ich hatte den Smiley vergessen. Das war sehr überspitzt. Natürlich gab es auch ein wenig Humor.....


    Mein Gefühl war aber, dass es bei den Sängern mehr Vorurteile gab und ich die Bewertung leider nur in Ausnahmefällen nachvollziehen konnte oder mich nicht überzeugte (Das mag sicher auch an manchen Formulierungen gelegen haben, die mir wider den Strich gingen ) Ich kenne natürlich auch wesentlich weniger Sänger als Beethoven Streichquartettinterpretationen -> Da fehlt mir vielleicht an manchen Stellen der Humor :P

  • Mein Gefühl war aber, dass es bei den Sängern mehr Vorurteile gab und ich die Bewertung leider nur in Ausnahmefällen nachvollziehen konnte oder mich nicht überzeugte

    Das ging anders, ich konnte das nachvollziehen.

    Ich kenne natürlich auch wesentlich weniger Sänger als Beethoven Streichquartettinterpretationen

    Da geht's mir umgekehrt. ;):hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • im Moment liegt mein Musikkonsum bei null. Den Hinweis auf dieses Sendeformat nehme ich aber dankbar entgegen. Solange das internet und die Stromversorgung noch funktionieren, kann man das Forum aufsuchen.


    Man muss sehr viel Musik konsumiert haben, um einen Interpreten zu erkennen. Wenn man nie einen Musiker oder ein Orchester gehört hat, wird es unmöglich sein, einen Treffer zu landen. Mit der vorgängigen Auswahl der Aufnahmen kann die Redaktion das Kritikerteam auf die Spur bringen. Wenig bekannte Aussenseiter eignen sich daher nicht, auch wenn sie etwas Wichtiges mit ihren Interpretationen beizutragen hätten.


    im Schweizer Radio läuft wöchentlich die Sendung Diskothek. Sie hat ein leicht anderes Konzept. Aus einer Anzahl von Hörbeispielen verschiedener Aufnahmen eines Werkes, deren interpreten nicht bekannt sind, küren zwei Musiksachverständige (Dirigenten, Instrumentalisten, Kritiker) die ihnen am besten zusagende Aufnahme. Die beteiligten Diskutanten werden gefragt, wer die Interpreten sein könnten. Selten liegen sie richtig. Die Wahl der besten Aufnahme begründen sie ausführlich.


    In der letzten Ausgabe war die Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia von Peter Tschaikowsky auf dem Programm. Gewinner der den Diskutanten zusagende Aufnahme von fünfen war übrigens diejenige von Gergijev.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich höre die „Blindverkostung“ immer wieder gern. Nicht, weil ich immer einer Meinung mit den drei Kritikern wäre, sondern weil es für mich einfach Kurzweil ist.


    Der Moderator Christian Detig hält für mein Empfinden die Zügel freundlich, aber bestimmt in der Hand und ordnet das Ganze recht gut. Ansonsten lebt die Sendung von den Werturteilen. Die sind manchmal harsch, ja, und manchmal (zu) dicht beieinander. Aber ich finde es einfach interessant, meine Eindrücke mit denen der drei Kritiker abzugleichen - und auch mitzuraten, wenn es um die Interpreten-Suche geht.


    Die Kritiker selbst sind auch hinreichend unterschiedlich. Andreas Göbel hat ohne Frage das größte Fachwissen und löst ja auch nahezu alle Interpreten-Rätsel; dafür ist er sprachlich nicht der wendigste. Kai Luehrs-Kaiser ist da eher das Gegenteil. Und Christine Lemke-Matwey macht eben so Christine-Lemke-Matwey-Sachen - was in diesem Zusammenhang bedeuten soll, dass sie am wenigsten Fachwissen, aber dafür eine häufig Meinung hat, die sich streng an der Binnen-Mehrheit der 3er-Runde ausrichtet; üblicherweise formuliert sie einfach noch mal neu, was die anderen sagten.


    Dennoch höre ich gern zu. Gerade dann, wenn zugespitzt wird. Daran kann man sich dann ja auch am ehesten reiben und/oder die eigene Sicht überprüfen. Beim „Heldenleben“, der jüngsten Ausgabe, war ich vom Ergebnis durchaus dabei. Und habe mir danach die Barbirolli-Aufnahme mit Freude angehört - die hatte ich bislang nicht auf dem Zettel gehabt.

    "Jein".

    Fettes Brot