„Bach würfelt nicht."

  • Ulli gebrauchte den Ausdruck in einem anderen Thread. Das Gelbe vom Ei - Best Of - Bach-Kantaten


    In Johann Sebastian Bach Kompositionen gibt es keine Zufälle.


    Vieles beruht auf einem durchdachten Plan, dem man auf die Spur kommen kann.


    Ich bin mir bewusst, es ist ein unerschöpfliches Thema.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Ich wusste es ... allerdings hätte ich Alfred als Threaderöffner vermutet.

    :angel:


    Es war übrigens eine Anspielung auf ein angebliches Einstein-Zitat.

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Zuerst einmal, nur um die Sache klarzustellen, wenn sie nicht sowieso allen schon klar sein sollte. Der Spruch, der Einstein nachgesagt wird, lautet "Gott würfelt nicht", womit Einsteins Grundunwohlsein bei der Entwicklung der Kopenhagener Quantenmechanik zum Ausdruck kam. Ich meine aber gelesen zu haben, dass man mittlerweile in der Physik durchaus zu der Erkenntnis kam, dass Gott würfelt ;)



    Vieles beruht auf einem durchdachten Plan, dem man auf die Spur kommen kann.

    Das muss gar kein Widerspruch sein. Betrachte ein Galtonsches Brett bei dem hintereinander Kugeln durch die obere Öffnung eingelassen werden. Bei jedem Auftreffen auf ein Hindernis gibt es jeweils eine Wahrscheinlichkeit von 1/2 für das rechte oder linke Abdriften .... ;)


    Obwohl das Kugelbild unten ein Produkt des Zufalls ist, gehorcht es am Ende (was auch immer das genau sein soll :)) der mathematischen Normalverteilung, die sogar durch eine Exponentialfunktion wiedergegeben werden kann ...


    1200px-Galton-Brett.svg.png

  • Johann Sebastian Bach hatte eine besondere Vorliebe für die Zahl 14, weil die Buchstaben seines Namens nach dem Zahlenalphabet diese Summe ergeben.


    B = 2

    A = 1

    C = 3

    H = 8


    Kurioserweise hat sein vollständiger Name J. S. Bach die Summe 41. Mit diesen Zahlen 14 oder 41 spielte er gerne. Johann Sebastian Bach versteckte sie in seinen Noten und in seinem Wappen.


    https://overstolz.ch/_Resource…ogramm_Taufstein_2a_k.pdf


    Die Zahl 14 erscheint auf seinem Trinkpokal im Spiegelmonogramm seines Namens.


    teaserbox_83991119.jpg?t=1701271548


    Er ließ sich von Haussmann mit 14 Knöpfen an seinem Anzug porträtieren.


    Er wartete so lange auf die Aufnahme in die „Correspondierende Societät der musicalischen Wissenschaften“, bis er als 14. Mitglied eintreten konnte.


    Die Matthàuspassion hat 14 Choräle, ebenso das Weihnachtsoratorium.


    Der „dtv-Atlas zur Musik“ veranschaulicht, dass die 1. Choralzeile von Bachs letztem Choral 14 Töne aufweist und der ganze Choral 41 Töne. Es ist der Choral „ Vor deinen Thron tret ich hiermit“, den Bach kurz vor seinem Tode diktierte (dtv-Atlas zur Musik, Bd. 2, S. 305).


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



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  • Da haben der Zufall und das Glück geholfen, dass zu dieser Zeit das indisch-arabische Ziffernsystem mit dem heute üblichen Stellenwertsystem bei uns bekannt war. Sonst hätten wir XIV und XLI, womit der Spaß sein Ende hätte. Auch das binäre Ziffernsystem hätte Bachs Musik wenig unterstützt; 1110 gegen 101001 verwehren den mystischen Zauber ... ;)

  • Die „Zahlenmystik“ bei Bach mit 14 und 41

    Ach so! Ja, klar. Da kann man sich beliebig was zusammenstöpseln. Mehr Zufall ist gar nicht möglich. Mit Gesetzen hinter seiner Musik hat das natürlich nichts zu tun.

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  • Ob's Quatsch ist, muss jeder für sich entscheiden.


    Eine Untersuchung dazu:


    Arthur Hirsch, Die Zahl im Kantatenwerk Johann Sebastian Bachs, 1986, Hänssler-Verlag, Neuhausen Stuttgart


    https://www.bach-cantatas.com/Books/B0224.htm


    Auf Read this Book on BCW klicken, um zur PDF des Buches zu gelangen.


    Mit dem ersten Satz macht er die Sache klar: "Die Rolle der Zahlenmystik in Bachs Werk ist umstritten."


    Er hat aber mit grösster Akribie die Kantaten untersucht und das Vorkommen gewisser Zahlen in Häufungen ermittelt.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Ich will jetzt nicht unbescheiden sein und mich mit Bach vergleichen, aber auch in meinem Namen ist der Weg zum Pianistendasein eindeutig und geradezu schicksalhaft festgelegt: Mein Vorname hat im Zahlenalphabet die Summe 53 und mein Nachname 101. Jeder Musikfreund sieht sofort, dass das die Opus-Zahlen zweier der bedeutendsten Beethoven-Sonaten sind, was nur ein krankhaft wissenschaftsgläubiger Skeptiker für Zufall halten kann!! Aber der Wunder sind noch mehr: Subtrahiert man von meinem Nachnamen die Zahl der Klaviertasten (88), ergibt das die Opuszahl der "Pathétique" (13). Wenn man von der Quersumme des Vornamens die des Nachnamens abzieht, kommt genau das Alter (6) heraus, in dem ich den ersten Klavierunterricht bekommen habe, und die Quersumme des Gesamtnamens ergibt das Alter, in dem ich als Jungstudent an die Musikhochschule gekommen bin (10)!!! Mein Flügel ist ein Steinway (116, was natürlich auf Brahms' Fantasien gleicher Opuszahl verweist), erst spät habe ich daneben die Vorzüge eines Bösendorfers schätzen gelernt (126: Beethovens Bagatellen, ein Spätwerk). Und dass ich das Klavierspiel anfangs auf einem Ibach (Bach!!) gelernt habe, spricht ja wohl für sich.

    Damit sind wir zurück beim größten aller Abzähler, also Bach: Wer sich mit dessen Wundern ausführlich beschäftigen will, dem empfehle ich die Bücher von Helga ("Oh Freunde, nicht diese") Thoene. Was man da liest, wird man nie wieder vergessen. Selbst wenn man es versucht.

  • Lieber ChKöhn


    Ich wusste es bereits, dass du mit der Klavierliteratur und dem Klavierspiel aufs engste verbunden bist. Dazu bedarf es keiner Zahlenmystik. Deine wertvollen Beiträge im Forum zur Thematik Tasteninstrumente sind aussagekräftig genug. ;)


    Mit meinem Namen kann ich keine musikalischen Beziehungen mit Hilfe der Gematrie darstellen.


    Dass man sich mit einer Matrix die Welt erklären kann, ist mir klar. Wie immer sie beschaffen ist. Ob es ein philosophisches Gedankenkonstrukt oder eine Zahlenmystik ist, das liegt im Erfahrungshorizont der einzelnen Person. Das kann für Aussenstehende befremdlich und nicht nachvollziehbar sein.


    Es ist eine menschliche Eigenschaft des Denkens, um sich die Welt zu erklären.


    Deinen Wortwitz mit dem Schiller-Zitat aus Beethovens 9. Sinfonie habe ich verstanden, auch die Ironie, die ihm zugrunde liegt. Ehrlich, das schafft keine KI nur menschliche Intelligenz.


    Den Überlegungen von Helga Thoene zur bachschen Chaconne aus der Partita Nr. 2 BWV 1004 für Violine solo bin ich im Booklet zu dieser Aufnahme erstmals begegnet. Ich konnte mich erinnern und hab sie nicht vergessen.



    Es gibt übrigens noch eine zweite Aufnahme, die auf ihrer These beruht, dass die Chaconne ein Tombeau auf den Tod von Bachs erster Frau Maria Barbara darstellen soll.


    Köthener Bachheften - 6. Festschrift zum Leopoldsfest (15. Köthener Bachfesttage), Köthen 1994


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Den Überlegungen von Helga Thoene zur bachschen Chaconne aus der Partita Nr. 2 BWV 1004 für Violine solo bin ich im Booklet zu dieser Aufnahme erstmals begegnet. Ich konnte mich erinnern und hab sie nicht vergessen.

    Ich habe es auch nicht vergessen: Sie meint z.B., das Wort "Christus" (Zahlenwert 112) oder das Taufbekenntnis "confiteor unum baptisma" (242) nachweisen zu können. Bei "Bach" springt sie nicht nur zwischen "Bach" (14), "J.S. Bach" (41) und "Johann Sebastian Bach" (158) hin und her, sondern argumentiert statt mit der Stellung des Notennamens im Alphabet bei Bedarf auch mit der Tonnummer (1. Ton, 2. Ton usw.), fügt, wenn das immer noch nicht funktioniert, den Faktor 10 als "Überhöhung" ein, oder erfindet mal eben einen "Taktzahlwert", der sich aus der Summe von erster und letzter Taktzahl bildet, also einfach die Anzahl der Takte plus eins ist. In der Ciaconna für Violine solo hat sie die Tonfolge a-g-f-e-d gefunden, woraus sie schließt, dass hier "Jesus, meine Freude" zitiert wird. Den Einwand, dass das einfach nur die ersten fünf Töne der d-Moll-Tonleiter sind, was in einem d-Moll-Stück nicht besonders überraschend ist, hätte sie wohl nicht gelten lassen. Dass man mit solchen Tricks in einem entsprechend langen Stück ausnahmslos jeden kürzeren Text und jede Zahl "nachweisen" kann, hat z.B. Martin Jones gezeigt, der im Subtext der Ciaconna für Violine solo die Namen Brian Jones (B-A-E-Es), Mick Jagger (A-G-G-E) und Keith Richards (C-H-A-D) gefunden hat (siehe hier). Matthias Wendt von der Robert-Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf hat mit einem selbst geschriebenen Programm mal Bach-Werke nach der 13 statt der 14 durchsucht und ebensoviele Treffer gehabt (außerdem ist er auf eine Reihe von Rechenfehlern der Numerologen gestoßen). Bei jeder anderen Zahl wäre es genauso gewesen.

  • Der größte Teil des Weihnachtsoratoriums ist nicht besonders subtil mit völlig neuen Texten, bei denen oft nicht einmal der Affekt richtig passt, versehen worden. Z.B "Bereite dich Zion" aus einer weltlichen Herkules-Kantate, wo Schlangen, die er in der Wiege erwürgt hat, noch im Mittelteil zu hören sind (auch wenn es jetzt um die schöner prangenden Wangen geht). Dann dieses hektische Fugenduett oder das mit dem Echo, die mit den WO-Texten nur sehr bedingt Sinn ergeben. Immer noch gute Musik, aber eben beim besten Willen keine subtile oder perfekte Textdeutung (mehr).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zur Satansfraktion (Händel) gehörend, habe ich mich in meiner Frühphase auch mit IHM befasst und meine, gelesen zu haben, daß ER häufig das Erhöhungszeichen (#) beim Wort Kreuz angewendet hat; auch die Überkreuzung der vier Singstimmen, so daß - wenn man die Worte Kreuz verbindet - sich ein Kreuz ergibt.


    Das klingt sehr schön und glaubwürdig im Sinne von absichtlich.


    Alles andere ist vermutlich Humbug.


    Toll ist natürlich auch die Verwendung des Namens B-A-C-H als Noten mit dem schönen (bekannten) Piktogramm aus vier Notenschlüsseln mit der Note in der Mitte.


    Schostakowitsch hat das, unter Zuhilfenahme eines sprachlich imo fraglichen Tricks, ebenfalls umgesetzt: D-Es-C-H. So gesehen könnte das bei (Franz) Schubert auch funktionieren. Haben das andere Komponisten auch versucht, umzusetzen? Bezüglich Schubert (Exkurs) habe ich einen ähnlich haarsträubenden Essay gelesen, in dem der Autor (oder die Autorin) zwanghaft versucht hatte, Schuberts angebliche HS anhand von musikalischen Symbolen zu beweisen: den ersten paar Absätzen kann man kopfnickend folgen (wobei dies bloße Indizien sein könnten), der Rest wurde dann zunehmen an den Haaren herbeigezogen.

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Adorno sprach mal kritisch gegenüber dem Begriffsgebäude eines Philosophen, den er nicht mochte, von einem "Kreditsystem", wo ein Kredit den anderen stützt. Wenn man aber dann nur einen Kredit nicht bereit ist zu gewähren, stürzt das ganze Gebäude zusammen. So scheint mir das bei der Zahlenmystik in Bezug auf Bach zu sein. Wirkliche Belege gibt es nicht, alles ist nur Spekulation. Es mag ja sein, dass es einzelne Ziffern mit Symbolbedeutung gibt. Nur macht man daraus ein System, wo sich dann eine Pseudo-Evidenz aus der Pseudo-Konsistenz des Systems ergibt. D.h. man hat sich ein Kreditsystem im Sinne von Adorno gebaut, wo man dann natürlich immer alles "beweisen" kann, weil der eine Kredit auf den anderen vertraut. Meine unverbindliche Meinung als Nicht-Bachkenner: Darauf kann ich verzichten, weil ich damit rein gar nichts anfangen kann. ^^

  • Zur Satansfraktion (Händel) gehörend, habe ich mich in meiner Frühphase auch mit IHM befasst und meine, gelesen zu haben, daß ER häufig das Erhöhungszeichen (#) beim Wort Kreuz angewendet hat; auch die Überkreuzung der vier Singstimmen, so daß - wenn man die Worte Kreuz verbindet - sich ein Kreuz ergibt.


    Das klingt sehr schön und glaubwürdig im Sinne von absichtlich.

    So etwas gibt es öfters, ich glaube auch schon in der Renaissance.

  • Zur Satansfraktion (Händel) gehörend, habe ich mich in meiner Frühphase auch mit IHM befasst und meine, gelesen zu haben, daß ER häufig das Erhöhungszeichen (#) beim Wort Kreuz angewendet hat; auch die Überkreuzung der vier Singstimmen, so daß - wenn man die Worte Kreuz verbindet - sich ein Kreuz ergibt.

    Solche Dinge sind in der Tat kein Zufall. Bei "Es ist vollbracht" in BWV 159 zeichnet die Melodielinie im Notenbild ebenfalls ein Kreuz nach. Dazu natürlich zahlreiche Deutungen innerhalb des selbst etablierten Bedeutungssystems von Stimmen und Soloinstrumenten und Querverweise zu deutenden Choralzeilen durch Melodiezitate etc. Das alles meinte ich mit "kein Zufall".

    Mit der Zahlenmystik habe ich es ebenfalls nicht so.

    Und dass konkrete Deutungsebenen bei kaum angepasster Parodie auf der Strecke bleiben (siehe WO), liegt ja ebenfalls auf der Hand.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Wärend meiner Orgelspielzeit habe ich mich viel mit Bach-Chorälen auseinandergesetzt. Außerdem mit dem Thema „Sterben“ (in der Musik resp. musikalischen Darstellung).


    Ich habe ein Breitkopf & Härtelches Choralbuch (371 vierstimmige Choralgesänge von Joh. Seb. Bach, ca. 1910er Jahre), das wohl teilweise Choralsätze Bachs aus Kantaten abdruckt (nur den reinen vierstimmigen Satz). Mit unter „Alle Menschen müssen sterben ... lalala“ (ich finde die Melodie dazu recht sarkastisch-fröhlich).


    Ein faszinierender ist Nr. 316 „Christus, der ist mein Leben“ - stammt aus BWV 95: hier finde ich die Harmonik - beinahe kakophonisch - auf „ster - - - - ben“ sehr gelungen: Sopran singt e², es folgt Alt mit f1 (autsch!), im nächsten Takt „revidiert“ der Sopran zu d², Tenor ergänzt mit gis, gefolgt vom Baß mit C (arghh!), bis sich das alles dann in den verminderten Septakkord (D - a - fis1 - c²) „flüchtet“ - der irgendwie „Hoffnung“ nach Auflösung gibt (in meiner Choralausgabe D, in der Partitur der Kantate Dis; in beiden Fällen Auflösung nach e-moll). Durch das Dis in der Kantate (geschichteter Tritonus) wirkt der Akkord halt- und richtungsloser (Auflösung in alle Tonarten möglich, so daß ERlösung nur eine von vielen Optionen bleibt), wohingegen das D in mir vorliegender Bearbeitung bodenständiger ist, es erzwingt quasi die Auf- und Erlösung nach G-Dur oder e-moll.


    Gut gemachte Stelle! So schön, wie der Schmerz nach und nach nachlässt ... so wirklich scharf-beissend akzentuiert finde ich ad hoc kein Beispiel (die Partitur verlangt ja auch piano!), aber hier ist es m. E. recht gut hörbar gemacht, wobei die Masken zur Textunverständlichkeit beitragen und vor dem Sterben auch nicht wirklich schützen werden:


    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
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  • kurzstueckmeister, ChKöhn, Dr. Holger Kaletha haben eine dezidierte Meinung zur Zahlenmystik und Johann Sebastian Bach: Es sei Quatsch. Der Gematrie können sie nichts abgewinnen.


    Ich hatte bereits in Beitrag 11 geschrieben, dass jeder es für sich entscheiden muss, ob man Hirsch, Overstolz, Thoene oder nun noch Bossert in ihren Argumentationen und ihrer Sicht auf das Werk und die Person Johann Sebastian Bachs folgen möchte.


    Dass man sich Angesichts der musikalischen Grösse dieses Genies, die jedem Hörer und jeder Hörerin, jedem Musiker und jeder Musikerin in den Werken begegnet, Erklärungsversuche für gewisse Sachverhalte konstruiert oder findet, ist legitim.


    Ulli hat den Satz "Bach würfelt nicht" in einem Thread geschrieben. Seine Äusserung bewog mich Informationen zum Thema zu sammeln. Die Zahlenmystik ist nur ein Teil einer Erklärung.


    Man kann sich dem Plan, der in den bachschen Kompositionen angelegt scheint, auch mit musikalischen Argumenten abseits mystischer Überhöhung annähern, so wie es Ulli in Beitrag 20 gemacht hat.

    .

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Das Wohltemperierte Klavier 1. & 2. Teil ist mit Plan von Johann Sebastian Bach zusammengestellt und ausformuliertem Zweck komponiert worden.


    WK_title.png


    Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia, und Fugen durch alle Tone und Semitonia, so wohl tertiam majorem oder Ut Re Mi anlangend, als auch tertiam minorem oder Re Mi Fa betreffend. Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget von Johann Sebastian Bach. p. t: Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischen Capel-Meistern und Directore derer Camer Musiquen. Anno 1722.


    Beide Teile sind Unterrichtswerke und eine Werbung für die wohltemperierte Stimmung. Mit diesen beiden, je 24teiligen Zusammenstellungen wollte Bach die Eignung der wohltemperierten Stimmung zum Komponieren und Spielen in allen Tonarten praktisch demonstrieren.

    Johann Sebastian Bach hatte einen gewichtigen Anteil an der Verbreitung der wohltemperierten Stimmung, die Andreas Weckmann 1681 vorgeschlagen hatte.


    * * * * *


    Bach würfelt nicht ist der Titel des Threads. Erkenntnisgewinn muss sich nicht in Zahlenmystik erschöpfen.


    Man weiss nicht, wie Bachs Tasteninstrumente gestimmt waren. Oder doch?


    Im Internet habe ich dies gefunden:


    Über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte haben Musikwissenschaft und Autoren beklagt, dass Bach seine "Temperatur", also die Methode, seine "Claviere" (anders als es heute beim modernen Klavier üblich ist) ungleichmäßig temperiert zu stimmen (es sind also nicht alle Quinten gleich groß), nicht schriftlich dokumentiert habe und sie daher in Vergessenheit geriet.


    Richtet man die Aufmerksamkeit auf die Kringel oben auf dem Blatt, gelangt man zu einer (oder anderen) Erkenntnis:


    Dr. Bradley Lehman (Cembalist, Absolvent der University of Michigan) hat, noch weit über die 1999 publizierte Arbeit von Dr. Andreas Sparschuh (Universität Heidelberg) hinausgehend und zu anderen Ergebnissen gelangend, bis ins Detail diese verloren geglaubte Anweisung erforscht und dargestellt (http://www.larips.com/). Sie wurde dort entdeckt, wo sie logischerweise hingehört, nämlich am Titelblatt der Handschrift "Wohltemperiertes Klavier, Band 1". ... Die "Kringelreihe" ganz oben ist nicht nur ein Ornament, sondern die präzise Stimmanweisung, wobei Schleifen ohne inneres "Kringel" reine Quinten sind, solche mit einem Kringel etwas engere und solche mit zweien noch engere.


    Das "Ornament" ist um 180 Grad gedreht.




    Vielleicht stimmt ein Tamino-Mitglied sein Tasteninstrument in solcher Weise und berichtet von seinen Erfahrungen. In der Pianisten bzw. Cembalisten-Szene wird man mehr wissen oder sich eine Meinung gebildet haben. ;)


    Wem das zu aufwändig ist: Auf Tonträger gibt es schon etwas. Dazu unter dem Link etwas durchklicken. http://www.larips.com


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Eine Stimmanleitung von Bradley Lehman habe ich gefunden:




    Einige Beispiele aus dem bachschen Werk hört man hier in der besonderen Stimmung.




    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Das bekannte bachsche C-Dur Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier Teil 1 in drei verschiedenen Stimmungen:


    Bach-Lehman-Stimmung (0:00), der gleichschwebenden Stimmung (2:08) und dann Werckmeister III (4:16), einer häufig verwendeten Wohltemperierung.


    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



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  • :/

    Ich frage mich bei solcherart Erkenntnissen immer, ob es irgendwie zum Verständnis der Musik beiträgt. John Cage benutzt bei seinen Etudes AustralesSternenkarten. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mir diese Erkenntnis bisher nicht einen Funken beim Hören geholfen hat.


    Manche Komponisten scheinen solche außermusikalischen Dinge gerne zu benutzen, um die Fantasie anzuregen und aus alten eingefahrenen Bahnen herauszukommen ...


    Cage berichtet darüber, Bach halt nicht. Es waren andere Zeiten :)

  • Ich frage mich bei solcherart Erkenntnissen immer, ob es irgendwie zum Verständnis der Musik beiträgt.

    Ich frage mich eher, was jemand geraucht haben muss, um gewaltsam zusammengeschusterte Spekulationen und esoterischen Blödsinn öffentlich als "Erkenntnisse" zu bezeichnen, die aus "Forschungen" hervorgegangen seien.

  • Ich frage mich eher, was jemand geraucht haben muss, um gewaltsam zusammengeschusterte Spekulationen und esoterischen Blödsinn öffentlich als "Erkenntnisse" zu bezeichnen, die aus "Forschungen" hervorgegangen seien.

    Wir leben in anderen Zeiten. Über die "Wissenschaftlichkeit" der Methoden des "Prof. Dr. hc." will ich mich nicht auslassen. Es ist ja nicht einmal ausgeschlossen, dass eine unter dem Einfluss von gerauchtem Gras gewonnene "Erkenntnis" trotz der Zweifelhaftigkeit der Methode rein zufällig richtig sein könnte ;).


    Aber selbst wenn Bach so eine Art Zahlenmystiker gewesen wäre, hülfe mir das beim Rezipieren seiner Musik? Verstünde ich nur eine einzige musikalisch relevante Stelle besser?

  • Aber selbst wenn Bach so eine Art Zahlenmystiker gewesen wäre, hülfe mir das beim Rezipieren seiner Musik? Verstünde ich nur eine einzige musikalisch relevante Stelle besser?

    Wenn, dann ist das eh nur was für Kenner, weniger für Liebhaber (Amateure) und insofern eher ein unwichtiges Bonbon wie auch die Verarbeitung z.B. des Notenthemas b-a-c-h: Ottonormalhörer hört das sowieso nicht; trotzdem kann das Stück / die Fuge für Nur-Hörer auch ohne das Hintergrundwissen ausreichend angenehm sein.

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
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