Hallo Knusperhexe,
wir hatten in Wien zwei Regiearbeiten von "konservativen" US-Regisseuren. Das eine war eine "Turandot" von einem gewissen Harold Prince, das andere Berlioz' arme "Trojaner" in der Regie eines Duos, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere.
Ich kann dazu nur sagen: Wenn man diesen grauenhaften Kitsch gesehen hat, lernt man Otti Schenk schätzen. Und das will nun doch etwas heißen. Auf der Bühne gab's bunte Gewänder, Glitzer- und Flitterkram, Showtreppe in der "Turandot", in den Trojanern war das Pferd eine Lachnummer, man erwartete, daß es jeden Moment wie in einem Zeichentrickfilm zu sprechen anfängt, weil es eben wie ein Zeichentrickfilm-Pferd aussah. Sagenhaft. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß so etwas auf einer europäischen Bühne zugelassen wird. Disneyland pur.
Ein weiterer "Höhepunkt" war die Aufführung von Carlisle Floyds (übrigens glänzend komponierter) Oper "Of Mice and Man" durch die Oper von Houston bei den Bregenzer Festspielen: Kulisse wie in einem überalterten Western, davor Herumstehtheater.
Eben fällt mir ein, daß ja auch Bernsteins "Quiet Place" an der Staatsoper von einem Amerikaner inszeniert wurde, nämlich von Stephen Wadsworth, dem theatererfahrenen Textautor. Kulisse etwa wie im Film "Die Katze auf dem heißen Blechdach", davor abermals Herumstehtheater - und das bei einem Stück, das primär von der Interaktion der Personen lebt. Meiner Meinung nach war die Regie am Durchfall schuld.
Dazu kommen noch ein paar Videos (bzw. DVDs) von amerikanischen Opernaufführungen, in denen ungefähr das bestätigt wird, was mir von den Live-Erfahrungen im Gedächtnis geblieben ist.
Daraus schließe ich: Wenn ein Publikum solche Aufführungen mag, dann ist es naiv und eben mit allem zufrieden, bei dem man nicht aufführungsbezogen nachdenken muß. Also Oper als Entspannung und reine Unterhaltung.
Soll sein.
Aber mein Begriff von Oper ist das nicht. Ich bin so konservativ, daß ich das Theater als moralische Anstalt bzw. zumindest als Bildungsanstalt begreife. Die amerikanischen Inszenierungen jedoch, die ich kenne, lullen ein, ebenso wie die meisten konservativen Inszenierungen im Schenk-Umfeld (bei dem ich den genialen Ponnelle absolut ausnehme). Aber Oper als unbedarftes Bad im Kitsch - nein, danke.