Anton Bruckner: Sinfonie Nr 9 mit "neukomponiertem" Finalsatz von Peter Jan Marthé

  • Lieber Mathemike,
    ich fand gerade Deine Amazon-Kundenrezension von der Marthé-Neun-CD, worin Du schreibst, es gäbe von der Coda zum Finale keine einzige Note Bruckners. Ich habe jedoch im anderen Thread schon mehrmals darauf hingewiesen, daß es dazu zumindest etliche Entwürfe von Bruckner gibt, die den Verlauf zumindest in Umrissen erkennen lassen. Ich empfehle dringend, die entsprechenden Postings nachzulesen oder den englisch-sprachigen Artikel von Aart van der Wal bei http://www.audio-muziek.nl zu studieren.

  • Wenn Du irgendwann mal Zeit hast, lieber Ben, wäre es gigantisch, wenn Du in Text und Bild mal ein bißchen zur Coda schreibst :jubel::rolleyes::yes:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Verstehe --- Dummerweise darf ich aus Copyrightsgründen keine Repros der Original-Manuskripte Bruckners posten (das geht nur mit Genehmigung der ÖNB). :stumm:
    Ich arbeite aber an einer neuartigen "Präsentation des Fragments"; wenn mein Computersetzer mit der nächsten Korrektur fertig ist, kann ich die entsprechenden Seiten zur Verfügung stellen. :yes:


    Im übrigen ist unsere Partitur nachwievor ebenso läuflich zu erwerben (musikmph.de) wie auch die Faksimile-Ausgabe der Originale im Musikwissenschaftlichen Verlag Wien ;-):pfeif:

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  • Danke für den Hinweis. Prinzipiell war mir das schon klar. Aber das so in einer Amazon-Rezension aufzudröseln war mir zu anstrengend. Das mit dem Verlauf der Coda habe ich ja andeutet. Trotzdem hast Du natürlich im Detail Recht.

  • Liebe Tamino-Forianer,


    wie ich mich mit Herrn Alfred Schmidt vereinbart habe, möchte ich mich aufgrund der eskalierenden Debatte im Forum, was meine musikalische Position bzw. meine Bruckner-Arbeit betrifft, nun selbst einmal zu Wort melden.
    Als ich aus diesem Anlass zunächst einmal alles, was da so geschrieben wird, mir zu Gemüte führte, war mein Erstaunen ein gewaltiges: offenbar gibt es zu meiner Welt, in der ich normalerweise künstlerisch lebe und agiere, noch eine ganz ganz andere Welt.


    Ich sehe keinen Grund zu verschweigen, dass meine Bruckner-Darbietungen (ob live oder Tonträger) normalerweise mit großer Dankbarkeit und ebenso großer Begeisterung seitens der Hörerschaft aufgenommen werden. Auch die vielen Zuschriften, die ich nach den Konzerten meistens erhalte, gehen in dieselbe Richtung. Auch in den medialen Reaktionen wie Süddeutsche, Frankfurter Allgemeine, Die Welt, The Bruckner Journal, London oder im Ongakugendai, Tokyo u.v.a. sind ernsthafte und spannende Reflexionen zu dem Thema zu lesen.
    Die gestern erfolgte, erstmalige Ausstrahlung mit Teilen der Neunten mit dem neuen Finale im Radio Stephansdom hatte eine geradezu überwältigende Flut von Zustimmung, Neugier nach mehr und tiefster Betroffenheit im positivsten Sinne ausgelöst. Weitere Nachfragen von Sendern in den verschiedensten Ländern nach der Neunten mit dem neuen Finale sind eingelangt und werden in nächster Zeit über die Sender gehen.
    Da derzeit noch keinerlei seriöse wissenschaftliche Bedenklichkeitserklärung über die geistige Zurechnungsfähigkeit all dieser Leute - Hörer wie Fachleute - bei mir eingelangt ist, sehe ich also auch keinen wirklichen Grund vorhanden, all diese Leute, die höchst Positives an meiner Bruckner-Arbeit zu finden geruhen, für dumm zu erklären.


    Dies sei mir als eine kleine Anmerkung zu Herrn Baumgartners „Darlegungen“ gestattet, der hier seine ziemlich allein dastehende (siehe oben!) Privatmeinung über das Wesen des Brucknerschen Geistes beinahe wie ein sakrales Dogma zu dozieren sich anmaßt.
    Dabei sind seine „Feststellungen“, wie seiner Ansicht nach Bruckner zu gehören hat, nichts als beliebige Annahmen, willkürliche Hypothesen, die jeder Grundlage entbehren im völlig unbegründeten Brustton der Überzeugung vorgetragen - aber mit dem, was Bruckner wirklich ist, absolut nichts zu tun haben.
    Da Herr Baumgartner in seiner - einst von Herrn Corhs süffisant geposteten „Kritik“ zu „meiner“ Neunten beinahe den gleichen Jargon verwendet, mit dem damals die Herren Hanslick, Kalbeck und Konsorten über Bruckner hergezogen sind - und wie sich später herausstellen sollte, dass sie sich bis auf die Knochen blamiert haben - , hat sich wieder einmal gezeigt, dass sich in hundert Jahren nichts bewegt hat.
    Herr Baumgartner wird sich mit dieser seiner Kritik in der Öffentlichkeit (die diesmal jedoch über den Rand der Wiener Lokalzeitung weit hinausreichen wird!) schneller bis auf die Knochen blamiert haben, als ihm dies lieb sein wird. Aber so kamen auch schon vor hundert Jahren die Herren Hanslick, Kalbeck und Konsorten zum Ruhm der Unsterblichkeit - es sei also auch Herrn Baumgarten gegönnt).
    Wie schrieb doch gleich der Jahrhundertautor J.R.R. Tolkien (Herr der Ringe): „Ich werde wütend, wenn manche „Fachgelehrten“ die eigene Taubheit und Ignoranz zur menschlichen Norm erheben und wenn ich sie bestrebt sehe, die Enge des eigenen Geistes auch für andere verbindlich zu machen.“


    Da ich selbst als Kind in einer Kulturlandschaft aufgewachsen bin, die auch der Boden für Bruckners Heranwachsen bildete; da ich einen biographischen und geistigen Werdegang hinter mir habe, der mit dem von Bruckner oftmals deckungsgleich verlaufen ist (was allerdings nicht mein persönliches Verdienst ist, sondern den ich persönlich schon eher als tragischen Schicksalsschlag ansehe); da die musikalisch-spirituelle Welt, die für Bruckner prägend war seit frühesten Kindertagen auch die meine war, glaube ich, zu Bruckner den Mund etwas weiter auftun zu können, als dies so manche Ignoranten für sich in Anspruch nehmen.


    Um überhaupt einen blassen Schimmer vom „Mysterium Bruckner“ zu erhaschen, genügt es schlicht und einfach nicht, eine Partitur aufzuschlagen, die Perioden wie Äpfel zu zählen oder analytisch-archeologische Grabungsarbeiten in seinen Partituren durchzuführen.
    Hierzu fällt mir nur ein epochales Wort von Rolf Hochhut ein: „die Dokumentengläubigkeit der Historiker und der Wissenschaftler ist die absolute Garantie dafür, dass die eigentliche Wahrheit niemals an den Tag gelangt.“
    Der Weg zu Bruckner ist ein ganz anderer. Den möchte ich in der nächsten Zeit mit allen jenen Tamino-Forianern, die dazu Lust, Interesse und Offenheit haben, gemeinsam gehen.


    Doch davon später mehr - und in dem dafür vorgesehenen Thread!

  • Man sollte den Edwin nicht mit dem Herrn Hanslick vergleichen, den der Edwin, der mag den Bruckner glaub ich schon :rolleyes:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Man sollte den Edwin nicht mit dem Herrn Hanslick vergleichen, den der Edwin, der mag den Bruckner glaub ich schon


    aber nicht den Marthè

    lg
    Georg Andreas
    _____________________________________
    Nur was stecken bleibt tut weh. Was im Fluß
    ist wird dorthin geschwemmt, wo es hingehört.

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  • In der Tat finde ich den Vergleich Hanslick - Baumgartner auch sehr gewagt. Ich habe Edwin bisher als jemanden wahrgenommen, der zwar kein Blatt vor den Mund nimmt und austeilen kann, dies aber in 99 Prozent der Fälle mit fachlicher Begründung. Man muss seinen Urteilen nicht folgen, sollte aber anerkennen, dass sie in hohem Maße - mit wenigen Ausnahmen - fernab von Polemik zur Erkenntnisgewinnung taugen. Und dass er einer derjenigen ist, der sich unermüdlich für Neue Musik einsetzt, finde ich auch alles andere als hanslicknesk...


    Als "Unbeteiligter" zolle ich allerdings auch Herrn Marthé Respekt, sich dem Forum zu stellen, das seinem Schaffen gegenüber bisher überwiegend negativ gesonnen zu sein scheint. Ich werde den Eindruck nicht los, als handelte es sich unterschwellig um eine "österreichische", persönlich aufgeladene Debatte, die anderenorts in dem Maße nicht nachvollziehbar ist und in der persönliche Animositäten eine Rolle spielen. Was schade wäre, denn es könnte sich anderenfalls eine spannende Diskussion mit allen Beteiligten ergeben, die für alle ein Gewinn sein könnte.


    In der Hoffnung auf eine faire, sachliche Erörteung
    B.

  • Es geht um Herz. Fachliche Meinungen sind schön und gut. Wird Edwin an den Pranger gestellt, könnte man jeden Tamino an den Pranger stellen.


    :stumm:


    Ich finde es auch absolut großartig, dass Herr Marthé nun ein Tamino ist.

    29.08.1958 - 25.06.2009
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  • Es wurde hier erstmals ein Gedanke aufgeworfen, den ich in einem meiner letzten Postings anschneiden wollte - dann aber wieder verworfen habe, weil ich die Wirkung im einzelnen nicht voraussehen konnte.
    Ich fragte mich damals: Wie muß sich ein Interpret fühlen, der naturgemäß immer von SEINEM Publikum umgeben ist, und von diesem geliebt und bewundert wird - wenn er plötzlich in einer "anderen Welt" landet wo er sich mit einem Schwall von Kritik auseinandersetzen muß, die er als überzogen empfindet - und die es des öfteren sicher auch ist.


    Es gibt IMO ZWEI Extreme in der Klassikwelt:


    1) Die Jubelblätter, welche die Leistungen von Interpreten oft übertrieben loben


    2) Analytisch kritische Publikationen, die eigenlich an nichts und niemandem ein gutes Haar lassen.


    Beide haben ihre Berechtigung, beide sollte man aber mit Vorsicht lesen.


    Dieses Forum ist aus meiner Sicht eher überkritisch und hat sich schon über Herbert von Karajan, Karl Böhm, Karl Richter, Nikolaus Harnoncourt und einge weitere kritisch bis feindselig geäussert.


    Der Endeffekt war stets eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Aufnahmen dieser Dirigenten und hat in manchen Fällen zu Änderungen in der Beurteilung geführt - in manchen nicht.


    Hier wird niemand an den Pranger gestellt.


    Es findet hier nur ein Fall statt der in der Musikgeschichte eher selten ist, aber soweit ich weiß schon vorkam:


    Ein hart kritisierte Künstler, der sich ungerecht behandelt fühlt - notabene weil ihm im täglichen Konzertbetrieb ein viel freundlicherer Wind entgegenschlägt zeigt Flagge und antwortet öffentlich. Eine sehr begrüßenswerte Reaktion wie ich finde.


    Daß es gerade hier bei Tamino passiert ehrt mich, zugleich bin ich aber besorgt, da ich zu einigen der Beteiligten in beiden Lagern ein persönlich gutes Verhältnis habe.


    So ersuche ich somit ALLE um äusserste Sachlichkeit.


    Ich selbst (Sternzeichen Skorpion) habe eigentlich einen Schreibstil der sehr ironisch und verletzend sein kann (Forianer die mich aus anderen Foren kennen, werden sich vielleicht noch daran erinnern ?) aber ich habe mir das seit langem verboten, das macht meine Beiträge zwar weniger witzig, sichert aber meinem Forum das überleben.....


    Zum Fall Hanslick.
    Aus meiner Sicht hat sich Hanslick nicht lächerlich gemacht - Zu Lebzeiten war er hochgeachtet. Erst die Zeit hat seine Urteile lächerlich gemacht, oder neutraler gesehen - revidiert.


    Kritik ist - zumindest heutzutage - eine sehr subjektive Sache . Objektive Kunstkritik gibt es IMO nicht. Somit kann sich ein Kritiker wohl kauim "blamieren", er mag den Zeitgeist treffen oder nicht - es wird immer Anhänger und Gegner geben, ähnlich wie bei den Interpeten.....


    Ich halte übrigens die satrirische Kritik von Ewin für eine ungewollte Werbemaßnahme für die CD: "Wenn ICH unbeteiligt wäre - würde ich nach solch vernichtenden Statements am nächsten Werktag die CD kaufen - um mich zu überzeugen. Auf diese weise kam ich zu etlichen hochinteressanten Einspielungen. Ich bin recht oft anderer Meinung wie Edwin - Aber seine Kompetent würde ich deswegen noch lange nicht in Frage stellen...




    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Lieber Herr Marthe, es freut mich, daß Ihre Arbeit dank der Ausstrahlung durch Radio Stephansdom ein so positives Echo findet!


    Darf ich als Nicht-Wiener fragen, um was für eine Sendeanstalt es sich handelt? Mir war sie bisher nicht bekannt. Es sollte mich wundern, wenn sie etwas mit dem Dom selbst zu tun hat, denn ich hörte von angeblichen Differenzen zwischen Ihnen und der Kirchenobrigkeit, in deren Folge es Ihnen nicht weiter gestattet wurde, im Stephansdom aufzutreten (als Begründung dafür vernahm ich, Sie hätten auf gesprochenen Einführungstexten bestanden, deren Inhalte angeblich nicht mit den Überzeugungen der Kirche in Einklang standen -- stimmt das so?)


    Ich erlaube mir bezüglich Ihres kleinen Seitenhiebs allerdings den Hinweis, daß ich die von Herrn Baumgartner verfaßte Rezension Ihrer Arbeit keineswegs "süffisant" ins Netz gestellt habe; ich habe vielmehr ALLE Rezensionen hier zitiert, um die Gesprächsgrundlage zu verbreiten.


    Vielleicht können Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch Aufklärung zu folgender Frage schaffen? Der große Beitrag in der Süddeutschen Zeitung wurde mit einer Faksimile-Wiedergabe einer Bruckner-Handschrift illustriert, die als "Entwürfe zum Finale der Neunten" bezeichnet wurde. In Wirklichkeit handelt es sich um Tonsatz-Übungen Bruckners -- soweit ich sehen konnte aus seinen Studienjahren --, die überhaupt nichts mit der Neunten zu tun hatten. Wissen Sie zufällig, wie es zu diesem Irrtum kommen konnte?

  • Ich erlaube mir eine sehr persönliche Frage. Worin bestehen die biographischen und insbesondere hinsichtlich des geistigen Werdegangs benannten Gemeinsamkeiten mit dem Anton Bruckner?


    Insbesondere interessiert mich auch die "Spiritualität" Bruckners - natürlich auch im Zusammenhang mit dieser Sinfonie!

    29.08.1958 - 25.06.2009
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  • Lieber Mathemike:
    Du kannst keine PN empfangen. :no:


    Daher auf diesem Weg und interessehalber für die anderen die Info, daß ich einen ausführlichen Beitrag in den anderen Thread zur Finale-Komplettierung gestellt habe, der unsere Coda-Komplementierung/Teilrekonstruktion ausführlich erläutert. :untertauch:


    Beste Grüße

  • Lieber Herr Marthé,
    wahrscheinlich ist Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit bisher entgangen, daß der von Ihnen genannte Eduard Hanslick ein hochgebildeter Mann war mit einem fast untrüglichen Instinkt in Sachen Musik. Er hat nur unglaubliches Pech gehabt: Er ging nicht mit seinen präzisen analytischen Urteilen in die Musikgeschichte ein, von denen sehr viele im heutigen Musikbetrieb bestätigt werden, sondern ausgerechnet mit seinen drei größten Irrtümern, als da sind die Ablehnung von Mozarts "Figaro", die Ablehnung von Wagners Musikdramen und die Ablehnung von Bruckners Symphonien, nachdem sich Bruckner ideell auf die Seite Wagners gestellt hatte.
    Es trifft mich also nicht, wenn Sie mich mit Hanslick vergleichen, es ehrt mich. Und wenn ich Hanslick ein paar Irrtümer den großen Genies der Musikgeschichte gegenüber nachsehe, dann seien Sie doch auch gnädig mir gegenüber und verzeihen, wenn ich mitunter ein paar Kleingeister der Musikgeschichte allzu hart beurteile.


    Nun zu diesem Finale.


    Lieber Herr Marthé, ich würde so wahnsinnig gerne mit Ihnen über Ihr Finale zur Neunten Bruckner diskutieren. Aber es gibt ein Problem dabei: Ihren Ausführungen zufolge ist es ja nicht Ihr Finale, sondern das Anton Bruckners, denn Sie waren ja nur dessen Medium.
    Nun habe ich zwar einiges an esoterischen Erfahrungen gesammelt (nicht in Indien, aber bei einer Reiki-Lehrerin in Wien und in diversen Meditationsgruppen), aber es war keine Unterweisung in Nekromantie darunter.
    Dadurch bin ich leider nicht in der Lage, Bruckners Geist anzurufen und ihn um Aufklärung in der Frage zu bitten, die mich in Zusammenhang mit diesem Finale, das Sie herausgegeben haben, wirklich auf der Seele brennt:
    Warum hat Anton Bruckner praktisch alles wiederrufen, was er in den zum Teil sehr weit gediehenen Entwürfen zum Finale seiner Neunten Symphonie bereits komponiert hat?
    Schon der Anfang dieses Satzes, von Bruckner vor seinem Tod voll ausnotiert, ist ja nun wesentlich abgeändert.
    Ich sehe dafür keinen Grund, zumal die Neufassung keine Verbesserung bedeutet.


    Es gäbe natürlich die Möglichkeit, daß Sie nun sagen: Ach was, diese ganzen Interviews etc., das war doch alles nur Kokolores, heißer Qualm für die PR-Maschinerie, ich mußte doch irgendwie rechtfertigen, daß ich mich mit meinem Orchesterstück von Bruckners Original so weit weg bewege; aber hier sind wir unter uns, hier können wir tacheles reden.
    Ich garantiere Ihnen, daß ich nichts von einem solchen Eingeständnis der Öffentlichkeit mitteilen würde.
    Da Sie dazu aber zweifellos nicht bereit sind, habe ich für einen Diskussionsansatz ein grundlegendes Problem: Da Sie ja nur Bruckners "Kanal" waren (esoterisch gesagt also Bruckner gechannelt haben), sind Sie bezüglich der Kompositionsarbeit nicht mein richtiger Ansprechpartner. Sollte ich Lust haben, mit Goethe zu diskutieren, würde ich mich ja auch nicht mit seinem Gänsekiel unterhalten.


    Wir könnten uns freilich über Ihre Interpretation der ersten drei Sätze der Neunten Bruckner unterhalten. Hier ist wiederum meine brennende Frage: Wie finden Sie diese Tempi? Ich gestehe offen, daß ich diese Langsamkeit nicht verstehe - ebenso, wie ich auch einige Balancen nicht begreife, weil sie in der Partitur anders notiert sind. Vielleicht kommen wir ja noch einmal zu diesen Detailfragen und Sie schaffen es, daß ich zu Ihrem glühenden Anhänger werde.


    Völlig unverständlich hingegen ist mir Ihre Argumentation mit Ihrem Breitenerfolg. Gerade als Künstler, der sich mit Bruckners Leben und Werk intensiv befaßt, sollte man, meiner Meinung nach, gegenüber einem Erfolg bei der breiten Masse skeptisch sein.


    Mit besten Grüßen
    Edwin Baumgartner


    P.S.: Sie nennen J.R.R. Tolkien einen "Jahrhundertautor". Für mich sind das im 20. Jahrhundert (in willkürlicher Reihenfolge) Hanns Henny Jahnn, Thomas Mann, Anna Achmatowa, Bertolt Brecht, Hermann Broch, Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, James Joyce, Boris Pasternak und Marcel Proust. Aber wenn ich an Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens "Herr der Ringe" denke und mir Howard Shores Filmmusik ins Gedächtnis rufe, beginne ich doch auch einiges zu begreifen...

    ...

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Lieber Herr Marthe, es freut mich, daß Ihre Arbeit dank der Ausstrahlung durch Radio Stephansdom ein so positives Echo findet!


    Darf ich als Nicht-Wiener fragen, um was für eine Sendeanstalt es sich handelt? Mir war sie bisher nicht bekannt. ...


    "http://www.radiostephansdom.at/"

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Zitat

    Original von Masetto
    Edwin Baumgartner


    Wie, kein Hermann Hesse ? 8o


    Warum Hermann Hesse?? :stumm:

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • »Die, die Vernunft in Frage stellen, sollten ernsthaft überlegen, ob sie gegen die Vernunft mit der Vernunft argumentieren oder ohne sie. Falls mit Vernunft, dann errichten sie eben das Prinzip, das sie zu entthronen sich bemühen – aber wenn sie ohne Vernunft argumentieren (was sie tun müssen, um sich nicht zu widersprechen), lassen sie sich weder rational überzeugen noch sind sie ein rationales Argument wert.«
    Ethan Allen, Amerikanischer Revolutionär (18. JH)

  • Dann empfehle ich die Lektüre von Carl Sagans "Science or the Candle in the Dark", auf Deutsch
    "Der Drache in der Garage oder die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven" -- das fand ich auch eingedenk der hier diskutieren Zusammenhänge sehr erhellend. Es ist übrigens das vorletzte Buch von Sagan, kurz vor seinem Krebstod erschienen.

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Dann empfehle ich die Lektüre von Carl Sagans "Science or the Candle in the Dark", auf Deutsch "Der Drache in der Garage oder die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven" -- das fand ich auch eingedenk der hier diskutieren Zusammenhänge sehr erhellend. Es ist übrigens das vorletzte Buch von Sagan, kurz vor seinem Krebstod erschienen.


    Der Lektüreempfehlung kann ich mich nur anschließen. Leider auf deutsch nur mehr antiquarisch erhältlich, aber als Alternative bietet sich "Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine" von Christoph Bördlein an... :D

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  • Liebe Tamino-Forianer,


    Wie zu erwarten, hat mein Einstieg in das Tamino-Forum gleich wieder zu den entsprechenden „Reaktionen“ geführt.
    Deshalb hier eine kurze Klarstellung: wie ich oben bereits ausgeführt habe, lebe ich in einer „Bruckner-Welt“, die weltweit immer mehr Menschen mit mir teilen wollen. In diesem Punkt gedenke ich auch in die Fußstapfen meines Lehrmeisters Celibidache zu treten, dessen „Gemeinde“ bis zu seinem Tode 1996 - wie ja allgemein bekannt ist - ständig angewachsen ist, um schließlich zu einer „Familie“ zu werden - das konnte auch das ätzende Gezänk einiger sich giftenden Schreiberlinge nicht verhindern.


    Inzwischen setzen sich längst weltweit etwas größere Kaliber des Geistes mit meiner Bruckner-Arbeit auseinander - und die tun das in ernsthafter Weise.
    Es ist geradezu grotesk, wenn irgendwelche Kleingeister sich abmühen, meine Bruckner-Arbeit desavouieren zu wollen und sich ein „Urteil“ anmaßen, welchen Wert oder Unwert etwas hat oder was wie lange Bestand haben wird – ohne jedoch über die Vorsetzung zu verfügen, den tieferen Sinn einer Sache freilegen zu können.
    Diese Frage wird allein die Geschichte entscheiden - und vor allem die Hörerschaft - ob es diesen Herrschaften nun passt oder nicht!
    Damit also hier im Forum keine falschen Erwartungen entstehen: für musikwissenschaftlich-scholastische Nadelspitzen-Gefechte über Brucknersche Notenhälse stehe ich in Hinkunft ebenso wenig zur Verfügung, wie für - mich anödende - Wortgefechte von Leuten, die offensichtlich an ihrer eigenen „Wortgewalt“ berauschen. Da sind von mir also keine Reaktionen mehr zu erwarten.
    Ich habe auch nicht vor, irgendjemand zu „meiner“ Bruckner-Welt bekehren zu wollen. Wohl aber werde ich für alle jene, die ernsthaft daran interessiert sind, ihr Bruckner-Verständnis zu vertiefen ein jederzeit ansprechbarer Partner sein. Ich werde darüber hinaus das tun, was ich in all meinen Tätigkeiten tue: die Brucknersche Klangwelt einem neuen, unbefangenen Publikum zu erschließen. In diesem Punkt bin ich - aufgrund der bisherigen Resultate - außergewöhnlich zuversichtlich, was die Zukunft betrifft.


    Was die Frage von Masetto anlangt: es ist hier nicht der Ort, die Schnittpunkte meiner Biographie mit der Bruckners oder meine „Spiritualität“ auszubreiten. Ich empfehle aber das Werkstattgespräch „Bruckner ist anders“, das Herr Cohrs am 23.06.2005 im Thread „Anton Bruckner Sinfonie Nr. 3 – Neubearbeitung von Peter Jan Marthé“ u.a. dort gepostet hat.

  • Nun -- eine solche Reaktion war zu erwarten und spricht wiederum für sich. :no:


    Vielleicht sucht sich die Marthe/Celibidache-Großfamilie am besten irgendwo eine einsame Insel (so wie damals die Atlantiden, oder Kapitän Nemo); da kann man sich dann einen Mysterien-Tempel bauen. :evil:


    Herr Marthe wird Führer dieser Glaubensgemeinschaft, in der zu 50% Orchestermusiker aufgenommen werden müssen, damit garantiert wird, daß er einerseits für den Rest seines Lebes im Inseltempel alle Bruckner-Sinfonien zur höheren Ehre des Meisters reloaden kann, andererseits noch genug Zuhörer hat. :wacky:


    Für all die Millionen weltweit verkauften Ton- und Bildträger gehen alle Einnahmen über das eigene Label direkt in das Stiftungskapital der Glaubensgemeinschaft. :P


    Die Insel steht allen Fans offen, die nachweisen können, in ihrem Leben mindestens einen Marthe-Tonträger gekauft zu haben. Selbstverständlich wird für diesen "Brucknerassic Park" Eintritt genommen. :yes:


    Musikforscher und deren ganze andere Baggage hat selbstverständlich keinen Zutritt. Außerdem natürlich alle Bruckner-Hasser. :kotz:


    Zentraler Ort der Insel ist die Tempelanlage. Dort führt Herr Marthe mittels seiner Aufführungen Rebirthing und Initiationsrituale zur höheren Bruckner-Weihe für Adepten durch. :angel:


    Im angeschlossenen Wellnessbereich mit Sauna, Fitnesscenter und allem Schnickschnack kann man in den Ruheräumen bei Bruckner-Reloaded-Klängen entspannen: Langsame Sätze aus allen Sinfonien in der Enlos-Schleife. :beatnik:


    Alle Restaurants der Insel haben ausschließlich Österreichische Hausmannskost, modifiziert nach den Regeln des Ayurveda: Knödel mit Soja-Gselchtes, Nockerlnsuppe aus Tofu, Kaiser-Schmarrn in Sesamöl, und nur auf Bäuschl und Tafelspitz muß verzichtet werden. :untertauch:


    An Bruckners-Geburts- und Todestag, zum Nationalfeiertag erhoben, gibt es jeweils elftägige Saturnalien, an denen alle reloadeten Sinfonien der Reihe nach aufgeführt werden, um ein Initiations-Ritual der Elf Stufen zu exerzieren. Dazu wird ein Sonder-Anbau des Tempels benutzt, der eine 1:1-Kopie der Stiftskirche St. Florian ist. :pfeif:


    Der Tagesablauf der Adepten beginnt um 04.30 Uhr, wie weiland bei Bruckner auf dem Land. Die Morgenmeditation ist ein Chanten auf dem Wort "Jan" (so ähnlich wie "om") von 45 Minuten Dauer. Danach Körperpflege und Morgentee. Jeden Morgen um 08.00 Orchesterprobe bis Mittags 13.00, dazwischen Jause. Dann erneutes Chanten, Essen fassen um 14.00. Nachmittags widmet sich jeder Adept seinen Arbeiten für das Gemeinwohl. Um 19.00 Abendessen, anschließend Meditation und früh Bettruhe. Zum Einschlafen erzählt Marthe schließlich Anekdoten aus der Musikwelt. :hello:


    Das Überleben der Insel wird auf genau die Lebensspanne Bruckners bemessen. Nach 72 Jahren wird ein Raumschiff kommen, gelenkt von Bruckners wiederauferstandenem Körper selbst. Diesem Ziel dienen alle Klang-Meditationen: Alle Adepten, die bis dahin überlebt haben, werden auf eine andere Welt geführt, in der es so profane Dinge wie Partituren und Meinungen anderer nicht mehr gibt ... :D


    ... und wir Armseligen hier unten haben dann endlich unsere Ruhe... :jubel:

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Nun -- eine solche Reaktion war zu erwarten und spricht wiederum für sich. :no:


    (...) [E]ine andere Welt führen, in der es so profane Dinge wie Partituren und Meinungen anderer nicht mehr gibt ... :D


    ... und wir Armseligen hier unten haben dann endlich unsere Ruhe... :jubel:


    :hahahaha:


    Die hochwissenschaftliche Ruhe zwischen Bibliotheksregalen, wo Mensch und Kunst auf die rational nachvollziehbare Seite beschränkt sind und wo Inspiration und Emotion keinen Platz hat.


    Nicht einmal in der Kunst.


    Und für die Toleranz gegenüber allem, was man nicht rational beweisen kann, gibt es auch keinen Platz.


    Gerade nicht in der Kunst.


    Genausowenig wie für die Erkenntnis, dass gerade die vernünftige Überlegung es gebietet, hier Toleranz walten zu lassen: der wissenschaftliche Ansatz und der inspirierte Ansatz in der Kunst schließen sich nur für den radikal aus, der nicht fähig ist, das eigene Tun und Denken zu relativieren. Kunst kann wissenschaftlich-rational gesehen werden, muss das aber nicht.


    Ich dachte, es hätte da so vor 250 Jahren im fernen Königsberg so eine beperückte Figur gegeben, die sich recht hingebungsvoll und Aufschlussreich mit solchen Dingen beschäftigt hätte...


    Nein, Ben, die Kunst ist größer, weiter und reicher als die Wissenschaft, und auf der Welt gibt es wenigstens in der Kunst genug Platz für alle.


    Wer sich auf Inspiration beruft, riskiert im Misslingensfalle, Unglauben zu ernten.


    Wer sich auf die Vernunft beruft, riskiert im Misslingensfalle, seine radikale Beschränktheit zu offenbaren.


    Es fragt sich schon sehr, wessen Reaktion hier wofür spricht und wer hier die größeren Probleme hat, andere Meinungen zu akzeptieren.


    Ein trauriges Schauspiel:


    „Daran erkenn´ ich den gelehrten Herrn!
    Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
    Was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar,
    Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
    Was ihr nicht wiegt, hat für euch kein Gewicht,
    Was ihr nicht münzt, das meint ihr, gelte nicht.“


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Hallo,
    ich brauche keine Bruckner-Welt.
    Ich brauche keine Bruckner-Gemeinde.
    Ich brauche keine Celibidache-Familie,
    und ich brauche keine Bruckner-Marthé-Spirtualität.
    Ich liebe die Werke Bruckners,aber er ist für mich ein
    Komponist,wie viele andere.
    Ich glaube,davon war er auch selber überzeugt.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Mir dünkt, wir kommen hier an einen Punkt, wo sich Religion und Wissenschaft unvereinbar gegenüberstehen. Mich erinnert es ein bißchen an Evolutionstheorie vs. Intelligent Design... Dass sich Herr Marthe durch seine Äußerungen gegen vernünftige Kritik immunisiert haben wir schon festgestellt. Dass er trotzdem ein netter Mensch ist und für seine Kunst lebt, sei trotzdem unbestritten...


    Zitat

    Original von Barockbassflo
    ...die Kunst ist größer, weiter und reicher als die Wissenschaft


    Das ist für mich leider auch eine theologische Behauptung. Irgendwie Inhaltsleer... Läßt sich beeindruckenderweise einfach umdrehen und es klingt genauso schlüssig. Für mich eigentlich noch schlüssiger...

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