Im wunderschönen Monat Mai - Robert Schumann: Dichterliebe - Liederkreis op 48

  • Wertester Gewitter-Graf, wie es sich für meine überlebte Spezies gehört , bleibe ich natürlich in meinem Rosengarten und denke überhaupt nciht daran, Selbigen zu verlassen! Edle Einfalt , stille Grösse. Ungesalzen und ungepfeffert Eben schlicht und ergreifend. :angel:


    Die Dichterliebe soll also nicht allgemeinbefindliches abgestandenes stereotypes liebeskrankes Menschentum, sondern weit Verfeinertes spiegeln.
    Ich delektiere mich weiterhin aufmerksamst an der Blosslegung all dessen , bin aber bis dato noch nicht aus meinem Sänger und Hörer- Paradies-Gärtlein verscheucht worden.


    Also streng dich mal ein bissel mehr an!!!!!! :yes: :yes: :yes:



    Fairy Queen, die alle Gedichte natürlich immer nur einmal liest. :wacky:

  • So, nachdem der Grande und ich uns in seichteres Gewässer begeben haben, um uns totzuschlagen und auch die wesentlich wesentlicheren Angelegenheiten im Staub unter Männern zu regeln, möchte ich gern auf Fairy´s einmal mehr souverän vorgetragene Skepsis eingehen.


    Morgen. Bitte morgen. Heute habe ich schon soviel Unsinn zusammengelabert, daß nicht zu glauben ist. Allein ich plädiere stark dafür, daß in der "Dichterliebe" (und in unsern "Kleinen Blumen" eben auch besonders) eine völlig neue Form von Umgang mit der Tradition, von hinterfragendem und unterminierendem Umgang mit dem Stoff kreiert wird. Ich will versuchen, das noch deutlicher herauszustellen.


    Daß Du mich schon vermisst hast, lieber Bernd, nehme ich mit einer zerrissenen Träne im gerührten Knopfloch zur Kenntnis. War angenehm dings...äh, angenehm ohne mich, hm? Und wo bist Du? Du fehlst nämlich tatsächlich.



    Alex.

  • Lieber Alex,


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl:
    Meine kleine Vermutung, der Kunstcharakter könne hier der eigentliche Bezugspunkt des Wirkens sein (indem Dichter wie Komponist auf das artifizielle Gebilde verweisen statt auf dessen Inhalt), war sich eigentlich viel größeren Widerstands gewärtig. Doch der kann ja denn noch kommen.


    also mein Widerstand ist in dieser Hinsicht eher gering ;) ...
    Der Selbstbezug auf die Kunst spielt hier auch meiner Meinung nach angesichts des spielerischen Umgangs mit den romantischen Topoi eine große Rolle. Als "eigentlichen Bezugspunkt" hatte ich ihn bisher allerdings nicht vermutet, bin daher gespannt auf Deine Ausführungen.


    :hello: Petra

  • Zitat

    Was natürlich nciht heisst, dass Schumanns oder Heines Lebensgeschichte der wesentliche Schlûssel zur Interpretation des Zyklus sein könnten.
    Aber man kann m.E. sowohl Schumanns als auch Heines persönliche Liebes-Leiderfahrungen, die sehr unterschiedliche Ursachen hatten, hier vollkommen legal mitbetrachten und in die Liedbesprechungen einfliessen lassen.


    Das kann man tun, legal ist es ohnehin (denn es gibt ja kein Gesetz, das ein solches Handeln verbieten oder gar unter Strafe stellen würde) – die Frage ist wohin es führt. Aber das hatten wir schon, das hatten wir schon, das hatten wir schon...
    Und dennoch: Peter Brixius hat weiter oben im Thread festgestellt, daß »es durchaus auch die Schicht des biographisch Erlebten« in den Texten (und auch in Schumanns Dichterliebe) gäbe.


    Interessant ist, daß Peter hier das »biographisch Erlebte« als eine »Schicht« bezeichnet, als etwas also, das irgendwo in der Tiefe des Textes sedimentiert oder eingelagert ist und das durch den Leser/Interpreten bestenfalls in einem gewissermaßen archäologischen, schlimmstenfalls in einem tiefenhermeneutischen Prozeß freigelegt werden muß.


    So weit, so gut. Bis hierher könnten wir alle uns vielleicht einigen.


    Das Problem biographischer Lesarten beginnt und endet damit aber leider nicht.
    Daher sollten wir uns vielleicht einmal kurz klar machen, was wir tun, wenn wir die »Schicht des biographisch Erlebten« als Deutungsfolie nutzen (bitte über die latente Polemik des folgenden mit gütigen Augen hinweglesen, ja? :) ).


    Das erste was wir tun – nachdem wir den Text zur Kenntnis genommen haben, den wir biographisch zu deuten beabsichtigen (wobei wir natürlich der Meinung sind, daß dies nicht unsere Absicht ist, sondern daß der Text – etwa weil er von einer unglücklichen Liebe spricht – seinen Ursprung im Erleben des Dichters haben müsse), das erste was wir also tun, nachdem wir diesen Text zur Kenntnis genommen haben: Wir legen den Text beiseite.
    Dies tun wir, um so Zeit zu gewinnen, uns zunächst einmal die Folie unserer Lektüre anzueignen zu können, nämlich die Biographie des Autors. Wie tun wir das ? In der Regel durch die Lektüre weiterer Texte (Lexikonartikel, Biographien usw.). Das heißt die Biographie ist in diesem Sinne ein tatsächlicher Kontext, und zwar ein solcher der grundsätzlich (oder zumindest: dominant) eine andere Qualität besitzt als unser armer literarischer Text, dem wir mittels dieses Kontextes auf den Leib rücken wollen.
    So, nach der Lektüre einer oder mehrere Biographien oder biographischer Artikel wissen eine ganze Menge über den Autor des Textes, den wir gerne verstehen wollen – über den Text selbst wissen wir leider immer noch nichts.
    Macht nix, wir lesen den Text jetzt einfach erneut und behalten dabei mal im Hinterkopf, was wir so bei der Lektüre der Biographien gelernt haben (nur ganz kurz haben wir uns zwischenzeitlich mal nach der Schicht des biographisch Erlebten in den von den Biographen verfassten Texten gefragt und danach, ob ein Wissen um die Biographien der Biographen vielleicht aufschlußreich für das Verständnis des biographischen Textes über die biographisierte Person sein könnte). Zudem wissen wir ja (weil wir moderne, d.h. nach ca. 1770 enkulturierte Menschen sind), daß Kunst im allgemeinen, Literatur im besonderen und Lyrik im allerallerbesondersten immer irgendwie mit dem zu tun haben muß, was ein Künstler, Schriftsteller, Lyriker erlebt hat, weil sonst die Kunst nur eine leere Fassade ist, weil sie sonst nicht authentisch ist, sondern unecht (vielleicht haben wir auch noch Dilthey gelesen; dann wissen wir das nicht nur einfach so, sondern haben auch noch einen klugen Fürsprecher).


    Gut, mit all diesem Wissen machen wir uns dann an den Text über die unglückliche Liebe – und – siehe da! – der Künstler war ja auch mal unglücklich verliebt... Und ich – als Leser – habe schon gedacht, nur ich sei mal unglücklich verliebt gewesen! Dabei war es dieser große Mensch auch mal! Und dann hat er auch noch sooooo treffliche Gedichte darüber geschrieben, mit denen ich mich ganz, ganz intensiv identifizieren kann.


    Zumeist also wird die Biographie des Autors – die ja selbst ein Text ist, ein Konstrukt aus Texten – als Kontext um einen Text gelegt und der Text mit diesem Mäntelchen schließlich verdeckt (böse gesagt: der Textsinn mit einer Biographiesoße übertüncht). Am Ende steht dann häufig eine emphatische Lektüre die in folgende Engführung mündet: das »lyrische Ich« ist der Autor – ich (als Leser) identifiziere mich mit dem »lyrischen Ich« – der Autor bin ich. ;)


    Und noch etwas: Eine solche Feststellung ist – solange man sich für Literatur als Kunst interessiert und nicht für Literatur als Egodokument, Literatur als Lebenshilfe, Literatur als Auto(r)Therapeutikum – völlig uninteressant. Man kann einen Text strukturanalytisch und (wenn man es denn unbedingt will) hermeneutisch annähren, ohne irgend etwas über den autorenbiographischen Entstehungskontext zu wissen. Der »Autor« wird eigentlich nur dann – und auch nur insofern – interessant, wenn es mir um eine sozial- und kulturhistorische Verortung des Textes geht.


    Und deshalb treiben biographisierende Lesarten bisweilen auch seltsam duftende Blüten (kleiner, feiner Blümelein). Etwa diese:


    Zitat

    Für den inneren Ablösungsprozess, den unser liebender Dichter vollziehen muss , finde ich die Ursache seines Unglücks entscheidend.


    Ein »liebender Dichter« kommt aber weder im Text noch im Lied vor. Oder ist aus dem Gedichttext resp. dem dann in Musik gesetzten Text zu schließen, daß der Sprecher (oder »das lyrische Ich«) den Beruf des Dichters ausüben würde? Was zeigt uns dies: wenn man sich erstmal auf die Honigfährten biographisierender Lesarten begeben hat, wird man irgendwann dort festkleben und es wird immer weniger gelingen, sich davon zu lösen, den textinternen Sprecher mit dem »Dichter« zu verwechseln.


    Jetzt aber doch noch zwei, drei Sätze zum Text:


    Zitat

    das umspielte Deminutiv “Blümchen” oder “Blümelein” durch die nachgeschobene Apposition “Blumen, die kleinen” bereits auf der Textebene eine gewisse Auflockerung erfährt.


    Ich würde das Verfahren, eine Verkleinerungsform mittels nachgestellter Apposition im vorliegenden Fall eigentlich gar noch nüchterner erklären wollen: Heine brauchte schlicht ein Wörtchen, auf das sich »weinen« reimt. Bei »Blümelein« oder »Blümchen« ist da nix zu machen, was auch nur annähernd noch Literatur gewesen wäre (»Tränchen« oder »Tränelein«).


    Sodann scheint mir auch in diesem Text das hübsch-ironisierende Spiel mit den Versatzformen und dem Bildpool romantischer Lyrik am Werke zu sein. Nicht allein daß das Gedicht von kleinen Blumen, Nachtigallen und Sterneleinen durchsetzt ist (die allesamt – wenn man mal schaut, auf was sie hier als Metaphern so konkret verweisen könnten – eigentlich nur auf ihre eigene Metaphernhaftigkeit im Kontext romantischer Literatur zurückverweisen aber nichts darüber hinaussagen), Heine haut uns auch noch einen absolut trivialen Herz-Schmerz-Reim um die Ohren und dies – in der ersten und in der letzten Strophe – gleich zweimal. Da gruselt es den Leser (und nicht erst den des Jahres 2008 ) doch so richtig.


    Was will uns dies? Die Welt ist nicht codierbar, der romantische Diskurs redet nur über sich selbst.


    Viele Grüße,
    Medard


    p.s.: Lieber Herr Graf! Wieso ist »Und wüßten´s die Blumen, die kleinen« (a/áaa/áaa/á-a) anapästisch? Ist das nicht eher daktylisch? ;)

  • Lieber Medard, ich erlaube mir, in einem Internetforum, spielerisch mit der Materie umzugehen und dazu auch Wortspiele, die keinerlei wissenschaftlcihen oder germansitischen Echtheitsanspruch haben, zu benutzen.
    Wenn ich also hier von einem "liebenden Dichter" spreche, ist das eine Anspielung auf den Zyklustitel und keine honigklebende Textanalyse!
    Alles klar??????? :rolleyes: :wacky:


    Bei allem berechtigten Streben nach Objektivität und Diskretion: ein normaler Leser, Hörer, Interpret identifiziert sich nun mal aus menschlichen und allzu menschlichen Gründen sehr gerne mit dem, was er hört, liest oder singt. Ist es Zufall dass die Sekundärliteratur voll davon ist und dass Biographien besonders gerne gelesen werden?
    Das muss nicht zwingend mit Naivität, Mangel an Bildung, Intelligenz oder sonstigen Beschränktheiten einher gehen.
    Wenn ich ein Werk wie die Dichterliebe, in dem es um Liebesleid und emotionale Prozesse geht (oder nach Wettergrafens und Artgenossen Ansicht zu gehen scheint...) höre und interpretiere, interessiert mich eben auch der Dcihter und der Komponist, die das "verbrochen" haben.
    Was das nun letztlich zur Analyse des Werkes an sich beiträgt steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Ich habe nirgends behauptet und werde mich aus reiner Überzeugung auch hüten, das in meiner Endbetrachtung zu tun, dass die dcihterleibe eine Teil-Biographie von Heine oder Schubert beschreibt . Mitnichten tut sie das!


    Aber dass Beide in diesem Werk deutliche Spuren ihrer selbst hinterlassen haben, kann mir niemand ausreden.
    Auch ein Dante hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich selbst in die Diviina Comedia einfliessen liess. Vom Goethe der Marienbader oder Römischen Elegien mal zu schweigen. Dichter sind auch Menschen und keine Geist-Gestalten, die auf einer rein abstrakten Stufe von ihren Anbetern auf Sockel gestellt werden sollen um reinen Geistes und jeden Fleisches bar ins heilige Elysium der Künste einzugehen. Amen. :D


    Ich finde es schon von jeher ein wenig seltsam, dass das biographisch Menschliche für Intellektuelle den Ruch verpönter Niederungen hat.
    Warum darf Kunst nicht auch ästhetisierter Ausdruck der inneren Prozesse und Erfahrungen eines konkreten Menschen sein ?
    Hat sie es nötig ,auf einem abstrakten Podest zu stehen?
    Für mich jedenfalls nicht!


    Fairy Queen

  • Zitat

    Lieber Medard, ich erlaube mir, in einem Internetforum, spielerisch mit der Materie umzugehen und dazu auch Wortspiele, die keinerlei wissenschaftlcihen oder germansitischen Echtheitsanspruch haben, zu benutzen.


    Liebe Maria,
    wenn man sich den Teufel ins Wohnzimmer einlädt, darf man sich nicht beschweren, wenn es in der Stube anschließend etwas nach Schwefel riecht. ;)


    Zitat

    Wenn ich also hier von einem "liebenden Dichter" spreche, ist das eine Anspielung auf den Zyklustitel und keine honigklebende Textanalyse!


    Alles klar???????


    Nix ist klar. :D


    Das mit der Honigspur war zwar nur ein schäbiges Bildchen, aber es ist ja gerade der Titel des Liedzyklus der die Fährte legt (und zwar ganz entgegen Heines nüchternem Titel). Vielleicht ist mal darüber nachzudenken, warum Schumanns Betitelung so ist, wie sie ist (ohne sich dabei schnurstracks auf die Antwort: »Weil der Mann verliebt war und Heine es auch gewesen ist« zurückzuziehen sondern mal den Interpretationsrahmen ins Blickfeld zu rücken, vor dem Schumann die Gedichte gelesen haben könnte.)


    Zitat

    Bei allem berechtigten Streben nach Objektivität und Diskretion: ein normaler Leser, Hörer, Interpret identifiziert sich nun mal aus menschlichen und allzu menschlichen Gründen sehr gerne mit dem, was er hört, liest oder singt. Ist es Zufall dass die Sekundärliteratur voll davon ist und dass Biographien besonders gerne gelesen werden?


    Das stimmt wohl. Jemand der Gedichte schreibt, ist aber kein »normaler« Schreiber und die Ergebnisse dieser Schreibereien sind keine »normalen« Texte. Vielleicht sollten wir daher diesen gänzlich un-normalen Texten, die wir als Literatur bezeichnen, eine Chance geben als das was sie sind: Literatur.


    Zitat

    Das muss nicht zwingend mit Naivität, Mangel an Bildung, Intelligenz oder sonstigen Beschränktheiten einher gehen.


    Hab‘ ich auch nicht behauptet!


    Zitat

    Wenn ich ein Werk wie die Dichterliebe, in dem es um Liebesleid und emotionale Prozesse geht (oder nach Wettergrafens und Artgenossen Ansicht zu gehen scheint...) höre und interpretiere, interessiert mich eben auch der Dcihter und der Komponist, die das "verbrochen" haben.
    Was das nun letztlich zur Analyse des Werkes an sich beiträgt steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Ich habe nirgends behauptet und werde mich aus reiner Überzeugung auch hüten, das in meiner Endbetrachtung zu tun, dass die dcihterleibe eine Teil-Biographie von Heine oder Schubert beschreibt . Mitnichten tut sie das!
    Aber dass Beide in diesem Werk deutliche Spuren ihrer selbst hinterlassen haben, kann mir niemand ausreden.
    Auch ein Dante hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich selbst in die Diviina Comedia einfliessen liess.


    Ja, insbesondere die persönlichen Erfahrungen während seiner zahlreichen Besuche im Inferno. ;)


    Zitat

    Vom Goethe der Marienbader oder Römischen Elegien mal zu schweigen.


    Ja, und im Prometheus und im Ganymed und in Stella und in Clavigo und im Faust und im Götz und in Ginkgo Biloba und im Erlkönig (sicherlich ist Goethen mal des nachts durch irgendeinen Wald geritten) und erst recht in der Iphigenie.


    Zitat

    Dichter sind auch Menschen und keine Geist-Gestalten, die auf einer rein abstrakten Stufe von ihren Anbetern auf Sockel gestellt werden sollen um reinen Geistes und jeden Fleisches bar ins heilige Elysium der Künste einzugehen. Amen.


    Bitte, bitte... Ich habe eher den Eindruck, daß die Versuche einer eher nüchternen Betrachtung von Kunst als Sakrileg empfunden wird. Ich will den Dichter keineswegs als »Geist-Gestalt« auf irgendeinem Sockel stehen sehen. Um es ganz offen zu sagen: Er interessiert mich überhaupt nicht. Was sind mir Heine oder Schumann? Die Männer sind lange tot. Tschuldigung...


    Bin aber auch schon wieder weg hier...


    Viele Grüße,
    Medard

  • [Vorbemerkung: Bitte denkt doch an die Betreffzeilen, auf daß man die Beiträge bequem zuordnen kann. Sonst wird der audiamus ungemütlich...]


    Lieber Klawirr,


    das ist ganz großes "Autorenkino", das Du uns geschenkt hast! Wunderbar! Eine so gekonnte Mischung von Sachhaltigkeit und Entertainment lese ich gern viele Male wieder. Und ich bin froh, daß Du schon einiges an Arbeit in Richtung Selbstreferentialität und neuem Kunstverständnis beiseite gebracht hast.


    Klasse auch Deine Detailbeobachtungen. Auf die Klamotte des bequemen Reimens bin ich freilich auch gestossen, aber sie stellt für mich nur einen Durchgang zur durchgängigen Ironisierung dar.


    Zum metrum melde ich mich per PN, das würde man uns schwerlich vergeben, wenn wir das auch noch brächten...


    Mehr gleich, bitte nicht mehr als rumkabbeln, Ihr kleinen Teufelchen.



    Euer Alex.

  • Irgendwie droht unser armer Zyklus unter den Grundsatzdiskussionen begraben zu werden ... und Schumann unter Heine ...



    Trotzdem noch mein Scherflein zum Thema :D: Ich sehe mich hier irgendwo in der Mitte zwischen Fairy und Medard. Der Kampf gegen den Biographismus in der Wissenschaft war zweifellos wichtig und notwendig. Gelegentlich bekommt dieser Kampf aber schon einen etwas exorzistischen Charakter und ich habe den Eindruck, als würde das seit mindestens zehn bis fünfzehn Jahren wieder etwas entspannter gesehen (sogar im deutschen Sprachraum): der biographische ist ein Ansatz unter vielen, mit Sicherheit kein privilegierter, aber eben doch ein möglicher - wenn man seine (zweifellos eng gezogenen) Grenzen kennt.


    Lieber Medard, die Sicherheit, was Kunst ist und was sie nicht ist, geht mir ab. Warum ist Literatur als "Egodokument" (man könnte auch freundlichere Worte wählen) keine Kunst? Und wenn sie es per festgelegter Konvention nicht sein sollte: Warum sollte man sich bei einem Text nur mit seiner "künstlerischen", "ästhetischen" Funktion beschäftigen? Von der Übermächtigkeit strukturanalytischer Ansätze im weitesten Sinn bin ich nicht mehr so überzeugt, wie ich es vielleicht einmal war. Gerade der identifikatorische wie auch der biographistische Zugang haben die Wirkungsgeschichte von Heines Gedichten bzw. von Heine/Schumann extrem geprägt (und teilweise erst ermöglicht) - aus rezeptionsästhetischer Sicht kann man daran nicht vorbeigehen. Und die Verbannung des biographistischen Zugangs in den methodologischen Giftschrank wird eher das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken.


    Jetzt aber noch kurz etwas zum Lied selbst: Bei nur wenigen Stücken des Zyklus scheint es mir so wichtig zu sein, zwischen Gedicht Heines und Lied Schumanns zu unterscheiden wie bei diesem. Ich kann Deiner Beschreibung und Deutung, lieber Alex, weitgehend zustimmen - aber nur bis zu einem gewissen Punkt: der ist mit der Vertonung des Verses "zerrissen mir das Herz" und vor allem dem Klaviernachspiel gegeben, dessen Bedeutung Du etwas nonchalant herunterspielst ;). Es ist das erste Klaviernachspiel des Zyklus, das sich thematisch fast vollständig vom Material des "eigentlichen" Liedes unterscheidet. Und es gemahnt im Gestus so stark an die "Kreisleriana", dass man fast von einem Zitat sprechen könnte. Damit ist wirklich (man verzeihe mir das Klischee) die "Nachtseite" angesprochen, das "Zerreißen" auch als Moment der Schizophrenie. Wenn es irgendwo im Zyklus einen "Zusammenbruch" gibt, dann hier. (Und, lieber Alex: Wenn es in jedem Lied einen Zusammenbruch gäbe, wäre das in der Tat langweilig - aber ich kann mich gar nicht erinnern, dass wir irgendwo schonmal einen konstatiert hätten? ;)).


    Thomas hat weiter oben ja schon auf die Bedeutung des Nachspiels verwiesen:


    Zitat

    Original von Chorknabe
    Die Weichheit des Lied ist plötzlich abhanden gekommen, nun kling nur noch eine Art von Brutalität an. Höhepunkt dieser Brutalität ist das Nachspiel des Klaviers, welches musikalisch das besungene Herz wortwörtlich in Stücke hackt. Der Effekt wird noch verstärkt, wenn der Pianist beim Nachspiel ein deutlich schnelleres Tempo anschlägt und zudem jede Art von Klangkultur zugunsten eines abgehackten Fortissimo in die Tasten schlägt.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Medard und lieber Wettergraf : Zwielicht hat natürlich vollkommen Recht: die Grundsatzdiskussionen zur zulässigen, unzulässigen, richtigen und falschen Interpretation dieses Zyklus nehmen hier sehr grossen Raum ein . Ich finde das aber nicht schlecht sondern erhellend, solange daneben noch die einzelnen Liedinterpretationen zu ihrem Recht kommen und sich niemand von dieser Art und Weise zu diskutieren abschrecken lässt.


    Wie sehr du , lieber Medard mich missverstehst oder vielleciht missverstehen willst :D, zeigt mir der Satz über Dantes angebliche Inferno-Erfahrungen.
    Das ist doch nun wirklich absurd!
    Wenn Du von einer 1 zu 1 Umsetzung Biographie und Kunst ausgehst oder mir Selbiges unterstellst, müssen wir hier gar nicht weiterdiskutieren.
    Auf solche Stufen lasse ich mich nicht stellen.



    Im Gegensatz zu Dir interessieren mich Schumann und Heine aber serh wohl. Sie haben immerhin ein Werk verfasst, das mich heute noch stark berührt und das nicht in Parthognese des allfliessenden Geistes der Musen entstand ,sondern von zwei lebendigen Menschen mitsamt ihrer gesamten Lebensgeschichte gemacht wurde .


    Einen ganz wesentlichen Punkt, dass nämlich Schumann und Heine zwei unterschiedliche Werke geschrieben haben und hier vor allem HEINE immer wieder zu sehr in den Vordergrund rückt, haben wir bereits mehrfach aufgegriffen.



    Was Bernd oben zum Kind mit dem Bade ausschütten schreibt, kann ich nur unterstreichen und habe während meines Literaturstudiums bereits sehr darunter gelitten. Und trotzdem frech in Oberseminaren komparatisitsche Analysen zu Molly Bloom, Odette Swann und Clawdia Chauchat abgeliefert.


    Kann wohl von Glück reden, dass Du nciht mein Professor warst...... ;)



    Lieber Medrad, mein zu Zeiten etwas bissiger Ton ist eher als Kompliment für dich gedacht: du bist keine Mimose, die man mit Samthandschuhen anfassen muss sondern ein echter Diskussionspartner.
    Salut de la France :hello:


    Fairy Queen

  • Zitat

    Lieber Medard, die Sicherheit, was Kunst ist und was sie nicht ist, geht mir ab. Warum ist Literatur als "Egodokument" (man könnte auch freundlichere Worte wählen) keine Kunst? Und wenn sie es per festgelegter Konvention nicht sein sollte: Warum sollte man sich bei einem Text nur mit seiner "künstlerischen", "ästhetischen" Funktion beschäftigen?


    Lieber Bernd,
    ich glaube, da liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe nicht sagen wollen, daß ein literarischer Text nicht auch ein »Egodokument« (unfreundlich finde ich das Wort übrigens eher nicht, und zwar schon allein deshalb nicht, weil es zunächst jede klebrig-vorderündige Psychologie ausklammert) sein kann. Zudem bin ich auch nicht der Meinung, daß man sich ausschließlich mit der »ästhetischen Funktion« eines Textes beschäftigen sollte. Allerdings bin ich der Meinung, daß man, wenn man sich mit einer der anderen Dimensionen eines Textes beschäftigt, dem eine ästhetischen Dimension als dominante Qualität eingeschrieben ist resp. zugeschrieben werden kann, sich darüber im klaren sein sollte, daß sich auf diese Weise keine Aussagen über »Kunst« treffen lassen. Mehr nicht...


    Edit: Weiter oben habe ich ja im Anschluß an PBrixius geschrieben, daß das »biografisch Erlebte« durchaus als eine »Schicht« in der Tiefe literarischer Texte sedimentiert oder eingelagert sein kann. Diese Schicht freizulegen, ist dann allerdings in den seltensten Fällen textanalytisch zu bewerkstelligen.


    Das gilt für Musik im gleichen Maße, ist allerdings vielleicht etwas komplizierter gelagert, weil man nicht immer unmittelbar auf die Idee kommt in jeder Fuge dem Herz-Schmerz des Komponisten nachspüren zu wollen.


    Zitat

    Von der Übermächtigkeit strukturanalytischer Ansätze im weitesten Sinn bin ich nicht mehr so überzeugt, wie ich es vielleicht einmal war. Gerade der identifikatorische wie auch der biographistische Zugang haben die Wirkungsgeschichte von Heines Gedichten bzw. von Heine/Schumann extrem geprägt (und teilweise erst ermöglicht) - aus rezeptionsästhetischer Sicht kann man daran nicht vorbeigehen.


    Sehe ich ebenso. Man muß die (Rezeptiones)Geschichte aber nicht dauernd wiederholen.


    Zitat

    Und die Verbannung des biographistischen Zugangs in den methodologischen Giftschrank wird eher das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken.


    Darüber muß ich nachdenken und halte wieder meine Klappe... ;)


    Viele Grüße,
    Medard

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  • Zitat

    Original von Klawirr
    Allerdings bin ich der Meinung, daß man, wenn man sich mit einer der anderen Dimensionen eines Textes beschäftigt, dem eine ästhetischen Dimension als dominante Qualität eingeschrieben ist resp. zugeschrieben werden kann, sich darüber im klaren sein sollte, daß sich auf diese Weise keine Aussagen über »Kunst« treffen lassen. Mehr nicht...
    Das gilt für Musik im gleichen Maße, ist allerdings vielleicht etwas komplizierter gelagert, weil man nicht immer unmittelbar auf die Idee kommt in jeder Fuge dem Herz-Schmerz des Komponisten nachspüren zu wollen.


    Lieber Medard,


    fast vollständig einverstanden. (Auch wenn meine demnächst erscheinende Studie zur "Kunst der Fuge als Schlüssel zu Bachs Sexualleben" anderes suggerieren könnte... :D)



    Zitat

    Sehe ich ebenso. Man muß die (Rezeptions)Geschichte aber nicht dauernd wiederholen.


    :yes:



    Zitat

    Darüber muß ich nachdenken und halte wieder meine Klappe...


    Och nöö ;). Ich kann aber Fairys Erfahrungen bestätigen - während meines popeligen Germanistik-Nebenfachstudiums Ende der 80er/Anfang der 90er wurden zaghafte biographistische Versuche der Studierenden oftmals gnadenlos niedergeknüppelt. Ich war natürlich immer brav strukturanalytisch. :D


    [Immer wieder muss ich übrigens Studierende zur Schnecke machen, weil sie entgegen meiner ausdrücklichen und mehrfachen schriftlichen und mündlichen Anweisung Künstlerbiographien in ihre Hausarbeit integrieren...] :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Wie sehr du , lieber Medard mich missverstehst oder vielleciht missverstehen willst :D, zeigt mir der Satz über Dantes angebliche Inferno-Erfahrungen.
    Das ist doch nun wirklich absurd!
    Wenn Du von einer 1 zu 1 Umsetzung Biographie und Kunst ausgehst oder mir Selbiges unterstellst, müssen wir hier gar nicht weiterdiskutieren.
    Auf solche Stufen lasse ich mich nicht stellen.


    Nanana - Vorsicht, liebe Maria: Das war POLEMIK!!! Selbstverständlich gehe ich nicht davon aus, daß Du oder irgendwer sonst der Meinung wäre, Dante habe die innerste und tiefste Hölle besucht, bevor er sich darüber göttlich amüsierte.
    Dein Statement hatte das aber auch nicht explizit ausgeschlossen... ;)


    Zitat

    Im Gegensatz zu Dir interessieren mich Schumann und Heine aber serh wohl. Sie haben immerhin ein Werk verfasst, das mich heute noch stark berührt und das nciht von in Parthognese des allfliessenden Geistes der Musen entstand ,sondern von zwei lebendigen Menschen mitsamt ihrer gesamten Lebensgeschichte gemacht wurde .


    Ja, da sind wir eben nicht einer Meinung. Wäre ja sonst auch langweilig.
    An eine »Pathogenese des allfliessenden Geistes der Musen« glaube ich auch nicht. Eher daran, daß die Außeinandersetzung mit ästhetischen Gebilden sich vornehmlich auf deren ästhetische Dimension, auf die Selbstbezüglichkeit und die Eigendynamiken ästhetischer Diskurse beziehen (dürfen) sollte.


    Zitat

    Einen ganz wesentlichen Punkt, dass nämlci hSchumann und Heien zwei unterschiedliche Werke geschrieben haben und hier vor allem HEINE immer wieder zu serh in den Vordergrund rückt, haben wir bereits mehrfach aufgegriffen


    Das stimmt wohl...



    Zitat

    Was Bernd oben zum Kind mit dem Bade ausschütten schreibt, kann ich nur unterstreichen und habe während meines Literaturstudiums bereits sehr darunter gelitten. Und trotzdem frech in Oberseminaren komparatisitsche Analysen zu Molly Bloom, Odette Swann und Clawdia Chauchat abgeliefert.


    Kann wohl von Glück reden, dass Du nciht mein Professor warst...... ;)


    Och, gegen einen Vergleich der literarischen Figuren »Molly Bloom«, »Odette Swann« und »Clawdia Chauchat« hätte ich nix einzuwenden - solange dieser Vergleich nicht auf eine komparatistische Analyse tatsächlicher Liebschaften der Herren Joyce, Proust und Mann hinausläuft... :D


    Zitat

    Lieber Medard, mein zu Zeiten etwas bissiger Ton ist eher als Kompliment für dich gedacht: du bist keine Mimose, die man mit Samthandschuhen anfassen muss sondern ein echter Diskussionspartner.
    Salut de la France :hello:


    Fairy Queen


    Keine Sorge, mit Bissigkeiten kann ich gut umgehen und auch bisweilen auch ebensolche austeilen – etwa meine schnöde und unsachliche Dante-Polemik weiter oben.


    Liebe Grüße,
    Medard

  • Lieber Bernd, die Kunst der Fuge im Kinderproduzieren hat er jedenfalls auch nicht schlecht beherrscht......... :stumm:


    Lieber Medard, nein wir kommen da wirklich nicht zusammen, aber das müssen wir auch nicht, denn ich bin ja wie gesagt nicht Deine Studentin! Ich bin überhaupt nciht der Meinung, dass Kunst eine deutliche Selbstreferenz sein/haben muss um Kunst genannt zu werden.


    Ich habe die drei genannten Damen oben übrigens nach rein heuristischen Gesichtspunkten" analysiert und weiss von den Liebschaften ihrer Schöpfer mit Damen eher weniger......
    So wie ich auch unsere Dichterliebe in erster Linie als allgemeinverständlcihen Entwicklungs- Prozess und Leidens-Weg eines liebeskranken Jûnglings verstehe und nicht als Biographie von Heine oder Schumann.


    Das harte Leben in Haupt-und Oberseminaren hat mich jedenfalls auf diesen Thread bei Tamino bestens vorbereitet- Hardore-Vertreter Deiner und des Grafen Spezies gab es da zuhauf :wacky: ;)
    Irgendwie hatten Etlcihe von denen aber dann doch auch sehr biographische Interessen, zumindest nach Seminarschluss. :D



    Fairy Queen


    Ich glaube , als Nächstes sind hier unser aktiv Schumann singender Chorknabe und Emotione mit den Liedern 9 und 10 dran.
    Beide weilen hoffentlich noch munter unter uns und haben sich bitte nciht abschrecken lassen! :hello:
    Wir sind nur halb so verquast wie wir nach aussen aussehen und vor allem gar nciht tot sondern sehr lebendig ! :baeh01: :]

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Medard, nein wir kommen da wirklich nicht zusammen,


    Wohl nicht...


    Zitat

    aber das müssen wir auch nicht,


    ... eben ...


    Zitat

    denn ich bin ja wie gesagt nicht Deine Studentin!


    ... hä? Was soll uns dies nun sagen...? :wacky:


    Nur falls der Eindruck entstanden sein sollte: Ich will Dir (oder sonstwem) hier nix beibringen :no: , sondern mit Dir (und all denen, die hier mittun) diskutieren. Sonst nix...


    By the way: Selbst wenn Du meine Stundentin wärest und ich Dir folglich qua Lehrauftrag etwas beibringen wollen sollte, müßten wir nicht einer Meinung sein.


    Zitat

    Ich bin überhaupt nciht der Meinung, dass Kunst eine deutliche Selbstreferenz sein/haben muss um Kunst genannt zu werden.


    Was, wenn nicht Selbstbezüglichkeit und Eigendynamik ästhetischer Systeme, läßt dann soetwas wie Kunst-/Literatur- oder Musikgeschichte als Kunst-/Literatur- oder Musikgeschichte beschreibar werden?
    Daß man zu unterschiedlichen Zeiten immer gleich oder ähnlich auf unglückliche Liebschaften reagiert hat, läßt – abgesehen davon, daß die Feststellung als solche falsch sein dürfte – jedenfalls kaum irgendeine Entwicklung innerhalb der Künste greifbar werden.


    Zitat

    Das harte Leben in Haupt-und Oberseminaren hat mich jedenfalls auf diesen Thread bei Tamino bestens vorbereitet- Hardore-Vertreter Deiner und des Grafen Spezies gab es da zuhauf :wacky: ;)


    8o Das müssen aber schlimme Zeiten gewesen sein...


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    ... hä? Was soll uns dies nun sagen...?


    Nur falls der Eindruck entstanden sein sollte: Ich will Dir (oder sonstwem) hier nix beibringen , sondern mit Dir (und all denen, die hier mittun) diskutieren. Sonst nix...
    By the way: Selbst wenn Du meine Stundentin wärest und ich Dir folglich qua Lehrauftrag etwas beibrigen wollen sollte, müßten wir nicht einer Meinung sein.




    Lieber Medard, um weiteren Mistverständnissen vorzubeugen: wir bringen uns einfach gegenseitig bei, wie man ziemlich unterschiedlicher Meinung sein kann und trotzdem wochenlang im selben Thread munter miteinander diskutiert und sogar nach"Seminarschluss" noch Bierchen zusammen trinken kann.. D'accord? :hello:




    Und: ja, das waren schlimme Zeiten! :faint: :faint: :faint:
    Aber du weisst ja: was Frau nciht tötet, macht sie taminofähig! :D



    Und nun zurück zur Dichterliebe.


    F.Q.

  • "Kleiner Feen Geistergröße
    Eilet wo sie helfen kann,
    Ob er heilig? ob er böse?
    Jammert sie der Unglücksmann
    "


    Liebe Fairy: Selbstverständlich gibt es weit mehr auszuführen zu den von Klawirr und mir angeregten Gedanken (die, nebenbei bemerkt, nicht einmal sonderlich deckungsgleich ausfallen müssen), aber ich habe nicht den Eindruck, daß das hier irgendjemand ernsthaft interessieren könnte.


    Warum auch, wenn doch jetzt schon klar ist, daß man nach Anhören oder Durchlesen jener möglichen Anregungen noch genau der gleichen Meinung auf exakt dem gleichen Standpunkt wäre wie vorher?


    Es geht hier überhaupt nicht darum, ob und, wenn ja, wieviel Biographismus in die Interpretation eines Wort-Ton-Gebildes einfliessen "dürfe". Es ginge (wenn sich denn jemand hätte aufraffen wollen, sein oder ihr Interesse zu signalisieren) schon längst darum, was außerhalb solcher selbstverständlicher und von uns allen leicht praktizierbarer Zugänge noch möglich wäre!


    Ich wundere mich oft, was die Leute meinen, daß in wissenschaftlicher Arbeit eigentlich passieren würde? Von vornherein (ich schreibe hier nicht: a priori) scheint man davon auszugehen, dies alles werde schon nichts mit dem gewöhnlichen Lauf der Welt, wie wir ihn kennen und deshalb auch lieben, zu tun haben. Gehen diese Menschen mit der gleichen Einstellung auch auf medizinische Forschungsesultate zu?


    Wer ist eigentlich zuerst auf den Gedanken verfallen, daß die im Grunde doch ganz glücklich so genannten Geisteswissenschaften (die ja doch von der Mathematik und Logik über Sprach-, Literatur- und mancherlei Gesellschaftswissenschaften bis zu Philosophie und Psychologie reichen - von welchen letztern vollends kaum mehr einer weiß, was dort wirklich geschieht, aber alle eine Meinung drüber haben) per se fruchtlos und beliebig diskutierbar zu sein hätten?


    Wären wir in einem der spärlichen guten Wissenschaftsforen im Netz (und ich bin bisweilen dort), in denen es um Astronomie oder Biophysik geht, so sollte es mich doch sehr wundern, wenn mir jemand auf meine Hinweise auf die neuesten Revisionen am evolutionären Autopoiesis-Konzept mit dem Privatleben von Francisco Varela käme.


    Man "bespricht" (im Sinne von "beschwört") in unserm Kreise offensichtlich lieber hunderte von Liedern, bevor man sich zu einem weitergehende Fragen gefallen läßt.


    Wenn das die Blumen wüßten...



    Alex Sowas von Angefressen, der nicht mal Germanist ist.


    (Nicht böse sein, der Onkel redet auch hier im Spaß, ich wollte aber einmal deutlich werden. Ich höre und lese schließlich auch gern zu bei welchen, die mir dies und das erklären können, das muß ich auch, denn von 99% aller möglichen Themen verstehe ich so gut wie nichts...)

  • Lieber angefressener Alex,


    Du hattest bei Deiner Vorstellung der "kleinen Blumen" Widerstand hinsichtlich Deines Interpretationsansatzes erwartet, von mir kam heute morgen dies hier:


    Zitat

    Petra: also mein Widerstand ist in dieser Hinsicht eher gering ;) ...
    Der Selbstbezug auf die Kunst spielt hier auch meiner Meinung nach angesichts des spielerischen Umgangs mit den romantischen Topoi eine große Rolle. Als "eigentlichen Bezugspunkt" hatte ich ihn bisher allerdings nicht vermutet, bin daher gespannt auf Deine Ausführungen.


    nur von wegen "kein Interesse" und so ...


    :beatnik:
    Petra

  • Naja, "Widerstand und viel Gefühl und Stolz und Vorurteile", liebe Petra. Das ist, ich sagte es wohl schon, gesunde Sachdiskussion, die Du anregst und pflegst. Und Du hast, wie die liebe Fairy mehrmals, auch tatsächlich nachgefragt! Und doch...hab´ ich so unrecht, wenn ich wenig Aufgeschlossenheit vermute? Was hat der arme Medard, der doch ohnehin schon ganz klawirrt ist, sich nicht alles anhören müssen...?


    Mein "angefressnes" posting sollte noch einmal ("Zum letzten Mal, letz´ ich mich heut") die Grundsatzsache anschneiden, die immer, immer wieder auftreten wird und die nicht keiner Klärung würdig wäre...


    Ich hoffe bloß, daß mich die gute Fee nicht noch zum Abendbrot im Abendrot mit einem Happs verputzen wird...und das, was ich nur angefressen ausgefressen habe, auffrisst.



    Alex, schon schüchterner.

  • Lieber Alex, meiner Spezies liegt jede Art von Kannibalismus fern, es sei denn, Du hättest mir eine Nachtigallenzunge anzubieten..... :D


    Im übrigen bin ich , solange ich nicht von Dummheit und/oder Boshaftigkeit oder Hinterlist heimgesucht werde, der toleranteste Mensch der Welt. Da ich bei dir (bisher... ;) ) keine dieser Eigenschaften vermute, kannst du furchtlos alle gräflcihen Wetter über mch ergiessen.
    "Und wûsstens die Feen die kleinen...... sie würden mit dir weinen,
    zu heilen deinen Schmerz..." :yes:


    Ich muss aber leider gestehen, dass ich nciht so ganz mit den "angefressenen Postings" mitgekommen bin und mich nun frage, was du Dir konkret wünschst bzw erwartest.


    Das Interesse der User an Themen wechselt von Tag zu Tag und ist serh abhängig von Dingen, die wir hier überhaupt nciht wissen noch beeinflussen.
    Warum wer das Interesse an einem Thread verliert , keine Zeit oder keine Lust mehr hat, weiss ich auch nicht.
    Es gibt viele Threads mit hochwertigen Beiträgen in diesem Forum, auf die kaum jemand antwortet. Das kann unendlcih vieleGründe haben.
    Mir ist es auch schon in anderen Foren so gegangen, dass ich serh frustriert über wenig Resonanz war, aber so ist ein Forumsbetrieb und damit muss man sich irgednwie innerlich arrangieren.
    Jeder kann auch nur das beitragen ,was der eigene Horizont hergibt und das ist nur in den allerwenigsten Fällen ein geisteswissenschaftlcihes Studium.


    Mir persönlich liegt es am Herzen, dass in unserem Kunstlied -Forum Alle ihren Raum haben, denn ich denke insbesondere auch an ganz normale Hörer der Dcihterliebe und mich interessiert deren Interpretation und Sichtweise ebenso wie die eins aktiven Sängers oder eines ausgewiesenen Heine-oder Schumann-Spezialisten. Und natürlich auch alle Stufen dazwischen.



    Ich bin hier keinesfalls mit einer vorgefassten Meinung in diesen Thread gekommen sondern habe mir die Lieder anhand des Klavierauszugs, 8 verschiednenen Einspîelungen, meines eigenen Gesangs und auch in Gesprächen und Sekundärliteratur nach und nach erschlossen.
    Bei einigen Liedern stehe ich immer noch im Dunkeln und bin sehr neugierig auf die Interpretaionen die da noch kommen werden.
    Ich habe schon serh viele Anregungen von allen Seiten bekommen und hoffe, das wird noch eine gute Weile so weitergehen.


    Das ich subjektiv einen Interpretationsansatz bevorzuge, der nciht a priori den Lebenshintergrund der Schöpfer ausschliesst, ist eine von vielen möglcihen Weisen, diesen Zyklus zu betrachten. Dass das keiensfalls ein biographistischer oder gar voyeuristischer Ansatz ist , habe ich hoffentlich in den Interpretationen mittels Partitur in meinen eigenen Liedern bewiesen .
    Solange keine sachlichen Fehler und Absurditäten von mir verbreitet werden erwarte ich Toleranz für meine Ideen so wie auch ich tolerant gegen andere Ansätze bin.
    Warum sollen wir in diesem Thread nciht sehr verschiedene Sichtweisen haben und daraus für alle User und Gäste die hier mitlesen ein Kaleidoskop bilden?


    Ich bin schon glücklich, dankbar und sehr zufrieden, dass sich überhaupt User gefunden haben die so engagiert zu diesem Thema diskutieren und das bereits über Wochen! Das is talles andere als selbstverständlich! weder in Tamino und schon gar nciht in den mir bis dato bekannten anderen Foren .
    Dass sich hier überhaupt ein Kunstlied-Kultur entwickelt hat und dass innerhalb eines Tages bereits alle Lieder dieses Zyklus zurr Interpretation an iinteressierte User vergeben waren, war für mich serh überraschend und noc hmehr ein Grund zur Freude. Wie sie die Sache nun anpacken, dazu soll es m.E. keinerlei Vorgaben oder Auflagen geben. Ich persönlich bin einfach nur gespannt auf jedes neue Lied.


    Ich weiss gar nciht, ob ich deine Anliegen irgendwie beantworten konnte oder dich total falsch verstanden habe. Da musst Du einfach helfen.


    Liebe Grûsse aus Lille


    Mary-Fairy

  • Liebe Dichterliebenden,


    noch vor 3 Wochen probte ich wie wild an der Dichterliebe und war voll der Ideen, wie ich mich hier in die Disskussion einbringen könnte, wie ich die "mir zugeteilten" Lieder vorstellen könnte. Leider aber hab ich zur Zeit so viel zu tun (im wesentlichen Arbeiten und Singen), dass ich einfach keine rechte Zeit aufzubringen vermag.


    Ich stelle daher meine Liedvorstellungen zur Disposition:
    9.Das ist ein Flöten und Geigen
    14.Allnächtlich im Traume


    Vielleicht finde ich doch die Zeit, später etwas mitzudiskutieren, aber momentan bin ich einfach zu voll bepackt mit anderen Dingen.


    Liebe Grüße, ein etwas enttäuschter Thomas. :hello:


    Nachtrag: ich habe heute einen Mitschnitt von meiner eigenen Dichterlieben-Aufführung erhalten. Bei Interesse kann ich gerne mal etwas online stellen oder verschicken. Der Sänger lebt ja durch Kritik.. :)

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  • Schade! :(


    Dein Mitschnitt interessiert mich selbstverständlich :yes:


    Da Lied Nummer 9 bereits das Nächste ist, hat sich dankenswerterweise auf die Schnelle Peter Brixius zur Interpretation bereit erklärt. Für die Nummer 14 wird noch ein Freiwilliger gesucht.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Und doch...hab´ ich so unrecht, wenn ich wenig Aufgeschlossenheit vermute?


    Ja, hast Du! :yes:


    Vielleicht nerve ich jetzt (und blick´manchmal nicht mehr durch, mit welchem der Grafen ich gerade kommuniziere ;) ) aber mich hätte das Thema der Selbstreferenz hier wirklich interessiert, z. B. auch im Vergleich mit Schuberts "Müllerin", bei der ich den Eigencharakter des Spielerischen, Artifiziellen auch immer recht deutlich herauszuhören meine.


    Zitat

    Original von Fairy Queen: :
    Für die Nummer 14 wird noch ein Freiwilliger gesucht.


    Da ich bisher erst ein Lied übernommen habe, melde ich mich dafür.
    (werde allerdings ein bisschen Zeit brauchen, da ich in der nächsten Woche außertaminomäßig sehr viel um die Ohren habe).


    :hello::hello: Petra

  • Leider hatte ich auch zuletzt zu wenig Zeit und die brauche ich meistens in diesem Thread und dann wurde der nachzuarbeitende Berg voller kluger, bedenkenswerter Postings immer größer. :faint:


    Aber Lied Nr. 14: Allnächtlich im Traume könnte ich übernehmen, wenn ich niemandem etwas wegnehme.


    :hello: Matthias

  • Lieber Matthias,


    ich war jetzt eingesprungen, damit keine Lücke entsteht, aber Du könntest Nr. 14 gern übernehmen, denn Du kannst sicherlich mehr zur musikalischen Seite beitragen als ich :yes:.


    :hello: Petra

  • Hallo Petra,


    jetzt hätten sich unsere Antworten beinah wieder gekreuzt und ich hätte Dir selbstverständlich auch gerne den Vortritt gelassen oder lasse es immer noch, wenn Du es doch machen willst. Deine Einleitung wäre sicherlich auch sehr lesenswert, da habe ich keine Zweifel.


    LG, Matthias

  • Lieber Matthias,


    ich danke Dir, aber Du kannst gern den Anfang machen. Bei mir überwiegt immer ziemlich stark die literarische Seite, da wäre eine ausgewogenere Einleitung sicherlich besser. Wenn mir dann noch etwas einfällt, kann ich ja immer noch dazukommen.


    :hello: Petra

  • Zitat

    Original von petra Wenn mir dann noch etwas einfällt, kann ich ja immer noch dazukommen.


    Das wird dir sicher, auch daran habe ich keine Zweifel. Also gut, machen wir es so.


    Zum 8. Lied: Da macht es uns der Graf ja spannend. Aber so richtig begriffen habe ich noch nicht, Alex, worauf Du hinaus willst, bin aber neugierig. Sicher, den rekursiven Bezug auf die Kunst und romantische Kunsttheorien sehe ich hier auch - und nicht nur in diesem Lied, sondern in der ganzen Dichterliebe. Diese Dimension gibt es bei Heine und in anderer Weise auch bei Schumann. Hier sollten wir unbedingt Medards Intervention im Blick behalten, beider Werke getrennt zu betrachten.
    Hier scheint mir Bernds Hinweis auf die Kreisleriana bedeutsam:


    Zitat

    Und es (das Nachspiel, Anm.MO) gemahnt im Gestus so stark an die "Kreisleriana", dass man fast von einem Zitat sprechen könnte.


    Ich vermute auch Gemeinsamkeiten zu Carnaval, will dem aber noch nachgehen. Jedenfalls glaube ich, dass man mit der "Dichterliebe", Kreisleriana und Carnaval zusammen gewissermaßen Schumann eigenes kunstphilosophisches Programm in Tönen hat.


    Ebenso höre auch ich, wie Bernd und der Chorknabe, den klaren musikalischen Bruch mitten in diesem 8.Lied und zwar genau im "zer-rissen".
    Von allen mir bekannten Interpretationen finde ich dies am deutlichsten herausgearbeitet von Christoph Prégardien und Andreas Staier auf dem Fortepiano.
    Bis zum "zer-" ertönt eine eher schlichte Melodie seltsam leicht. Nach schon manchem Seufzer in den Liedern 2-5, nach dem Rekurs auf romantische Rhein-, Gotik- und Marienschwärmerei musikalisch im 6. Lied durch eine Art medelssohnisch romantisiertem "erhabenen" Bach verdeutlicht, vielleicht auch ironisiert, schließlich nach der Kräfte verschleißend grollenden Behauptung: "Ich grolle nicht" klingt das erst einmal für mich etwas ermattet, leicht resignierend und in der resignierenden Ermattung leichter. Die Naturmetaphern (Blumen, Vögel, Gestirne), mit denen in den Liedern 1 und 2 die eigenen Gefühle des internen Sprechers belegt wurden und die im 3.Lied für die Projektionen des internen Sprechers auf seine Geliebte stehen, für ihre erschwärmte gute "Natürlichkeit" , diese Metaphern werden jetzt wieder aufgenommen: Blumen, Nachtigallen, Sternelein werden als Tröster angerufen, doch dieser Trost muß als unwirksam zurückgewiesen werden. Der Natur ist der Schmerz des leidenden Individuums egal. Sie weiß nichts von ihm. Das ist realistisch und widerspricht einigen romatischen Naturphilosophien der Zeit.
    Das Klavier ornamentiert bis zum "zer-" die einfache Melodie, so dicht und gleichmäßig entlang der Melodie, wie in allen Liedern davor noch nicht, jedenfalls nicht über ganze, ja mehrere Strophen. Ist es zu weit hergeholt, hier Biedermeierblümchengirlanden zu assoziieren als spezifisch Schumannsche Ironisierung falscher romantischer Naturprojektionen?


    War in Lied 4 und 5 die Geliebte als Trösterin angerufen worden, die jedoch nicht trösten kann, so wird sie hier im 8. Lied wieder mit der zum Trost unfähigen Natur über die gemeinsamen Metaphernketten parallelisiert. Doch jetzt soll im 7. Lied und im 8. bis zum "zer-" gerade der illusionslose Blick auf die zur Tröstung unfähige Natur dann doch trösten: Über die innere Natur der Geliebten urteilt der zur Illusionslosigkeit entschlossene interne Sprecher: "es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht"... "und sah die Nacht in deines Herzen Raume, und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt" Es ist die Doppelzüngigkeit der Schlange, die sie sich zu eigen macht, machen muß, wenn sie erst ihn küßt und dann einen anderen heiratet, vielleicht heiraten muß, und die ihr Herz auffrißt. Eigentlich ist sie zu bemitleiden, versucht sich der interne Sprecher zu trösten. Aber die unbewußte Unfähigkeit der Geliebten zu trösten, schlägt hier auch um in den bewußten, schlangenhaften Akt, das Herz des Liebenden zu zerreißen. Daran muß jedoch auch dieser erneute Tröstungsversuch scheitern. Das ist individuell bitter zu erkennen, dass ist als Erkenntnis über die Gesellschaft, in der dies so ist, bitter. Für den Realisten Schumann gibt es keinen Trost!


    Das ist ironisch, aber auf sehr ernste Weise, gegenüber romantischen Illusionen, des Einzelnen, wie vieler romatischer Kunst- und Weltauffassungen, und doch für jeden, der dass durchleben muß, bitterernst. Da hat Fairy völlig recht und darin läßt Schumann anders als Heine ganz unironisch gegenüber diesem Schmerz des einzelnen keinen Zweifel.


    Dies definitiv zu verdeutlich dient die Musik ab "-rissen". In keinem Lied davor gab es einen solchen Charakterwandel des musikalischen Materials!
    Rhythmisch wird z.B. der 2/4-Takt jetzt im Nachspiel völlig anders in Dreiergruppen betont. Das verweist schon auf das nächste Hochzeitslied im ungeraden 3/8 -Takt. Zudem wird das "-rissen" im Klavier synkopiert, um die Zerrissenheit, auch die Hin- und Hergrissenheit zwischen den durchgespielten Selbstinterpretationen noch zu verdeutlichen bis der Rhythmus im bekräftigenden Nachspiel gleich betont bleibt. Bekräftigend wirkt auch die kaum variierte Wiederholung in diesem Nachspiel. Auch erinnert das klassische Pathos wieder etwas an die Musik zum 6.Lied: "Im Rhein, im heiligen Strome". Dieses Pathos ist jetzt aber nicht mehr überbetont, wie dort, und dadurch ironisiert, sondern schlicht ernst.


    Ich hoffe, es ist mir einigermaßen gelungen, anzudeuten, wie eine Interpretation, welche die ästhetisch-konzeptive Dimension des Werks aufzudecken versucht, mit einer "bewußt identifikatorischen" im Sinne Fairys früherer Klärung sich gegenseitig erhellend verbunden werden kann. Das leiden des Einzelnen kann so als das Besondere eines Allgemeinen aufgefaßt werden und dadurch konkretisiert sich erst der ästhetisch-konzeptive Gehalt.


    Aber wofür man dabei den Biographismus braucht, ist mir noch immer völlig unklar. Es reicht doch, dass einem die Situation des internen Sprechers nicht völlig fremd ist, oder nicht mehr ist, wenn das Werk wirklich gut war. Brauche ich wirklich noch die Vermutung biographisch zu belegen, dass auch den Werkproduzenten die Situation des internen Sprechers nicht völlig fremd war oder ist das nicht trivial? Oder dient das nur unserem unausrottbaren Klatschbedürfniss? Da mach ich ja dann, aber lieber erst beim Bierchen, auch gerne mit. Prost, Fairy!
    Oder verführt der Biographismus doch eher nur allzu leicht zu Projektionen und Kurzschlüssen, die dann wichtige Dimensionen unter den Tisch fallen lassen und ein Kunstwerk einfach furchtbar verharmlosen, z.B. wenn im schlimmsten Fall in der dargestellten Zerissenheit des internen Sprechers Schumanns "sich ankündigende" angebliche Geisteskrankheit gesehen wird. Dann wird vielleicht daraus noch geschlossen: "Genie und Wahnsinn liegen eng beisamen" - so kurz, so blöd, und das wars. Aber ich möchte betonen, dass ich dies hier niemandem unterstellen möchte.


    Etwas anderes wäre es schon, wenn die Biographie als Teil einer sozialhistorischen Kontextualisierung genutzt würde. Das hat hier aber noch niemand gemacht. Und dann wäre die Dichterliebe zunächst nur ein historisches Dokument, wie Schumann Einkaufszettel oder Rechnungen, die vielleicht einiges über die Zeit verständlich machen könnten, aber noch nichts über ihren künstlerischen Bedeutungsgehalt.
    Dann könnte ich feststellen, dass die Dichterliebe in die Zeit fortschreitender Proffessionalisierung und beginnender Industrialisierung fällt, in der Arbeits- und Lebenswelt voneinander getrennt werden, damit mehr Zwänge zu mehr Freiheit, sich zwischen mehr unterschiedlichen Optionen im Leben folgenreich entscheiden zu müssen, auftauchen, der Diskurs der romantischen Liebe sich durchsetzt, was alles ganz zerrissen und konfus machen kann und z. B. Frauen immer noch unter dem Erwartungsdruck stehen, sozial aufwärts zu heiraten, sie jetzt aber auch noch dazu verurteilt sind, dies jetzt auch noch mit aufrichtigen Gefühlen und wahrer Liebe in Einklang bringen zu müssen, um nicht als krankhaft gefühlskalt oder schlangenhaft, doppelzüngig falsch darzustehen. Ist vielleicht alles nicht ganz uninteressant für die Interpretation, aber der künstlerische Bedeutungsgehalt ist damit noch kein bischen erfaßt.


    Natürlich habe ich jetzt noch vieles interessante, was ihr schon erwähntet, vergessen. Zu einer strukturalistischen Analyse des musikalischen materials bin ich auch noch gar nicht vorgedrungen. Die könnte sicher zeigen, wie Schumann die vielen Metaphernketten und ihre unterschiedlichen Verbindugen im Text auch musikalisch verknüpft und dadurch noch neue, andere und noch mehr Bedeutungseffekte produziert.


    :hello: Matthias

  • Mein - auch schon an mancher Stelle verkündetes - Problem ist das der Redundanz. Soll heißen: Je mehr ich nun zu jedem Liedel mitdeute, -diskutiere etc., desto mehr nehme ich sämtliches vorweg, das ich anläßlich meiner Vorstellung zu äußern vorhabe. Das Problem des Zyklischen!
    Das soll weder Geheimniskrämerei noch Spannungsmache sein, lediglich die Langeweile unterdrücken, mindestens zehnmal das Gleiche, sich in der Wiederholung immer mehr Verschleißende zu posten. Daher hoffe ich, daß weder unsere gräfliche Urgewalt noch die weibliche Charmeoffensive meine Zurückhaltung als Desinteresse deuten.
    Ich persönlich tendiere im übrigen ebenfalls nicht zur biographischen Annäherung (obwohl diese, Graf Alle Wetter, auch in der Wissenschaft ihren - viel zu großen - Platz hat); die Schaffenshintergründe spekulativ zu ergründen bringt nur bedingt weiter, soll das Werk den Schöpfer loben.


    Ich enthalte mich aber jetzt noch einen Moment und grüße Euch, die Ihr da wallenden Gemütes seid!



    Christian

  • Lieber Matthias, danke für deinen im besten Sinne syn-thetischen Beitrag :jubel:
    Ich freue mich schon besonders auf deine und Petras Interpretation des Liedes 14 mit dem ich bis dato am wenigsten zurechtkomme.


    Um es nochmal zum 999igsten Male zu betonen: ich huldige keiner rein biographistischen Interpretation der Dichterliebe!


    Ich interessiere mich lediglich auch für die Schöpfer derselben und erlaube mir, dieses Interesse in feulletonistischer und weiblich klatschsüchtiger Manier in meine Beiträge einzubringen. Und das bereits vor dem Bierchen danach. Unser Publikum wird es mir danken und hat das auch bereits getan Panem et circenses :baeh01:


    Wie auch immer: ich gehe zuallererst von den Noten und den verschiedenen Einspielungen aus. Das ist das für mich relevante Material.


    Grundsätzlich sehe ich bisher in erster Linie einen psychologischen Prozess beschrieben , der natürlch in sich auch eine Auseinandersetzung mit der romantischen Liebesleid-Auffassung ist. Von dem konkreten menschlichen Leidens- Weg beim Vortrag des Zyklus zu abstrahieren ,wäre in meinen Augen für Sänger und Pianist nicht durchführbar und solche Versuche können daher nur ein rein theoretisches Konstrukt bleiben.


    Liebe Grüsse von Fairy Queen, der Pragmatischen


    Lieber Grande, Redundanz ist wohl eines der Hauptprobleme jahrelanger Forumsdiskussionen........ :pfeif: :hello:

  • Liebe Fairy,
    Du sprichst mir aus der Seele ! Ich bereite einen meiner Schüler
    ( 27, Bariton ) auf seinen Auftritt im November mit eben dieser Dichterliebe vor, dazu auch noch zwei Damen , die Frauenliebe und - leben bzw. Liederkreis op. 39 interpretieren werden.
    Ich habe dem talentierten Mann von der Diskussion hier erzählt und ihn gebeten, möglichst alle Beiträge zu studieren, was er auch, eher widerwillig, getan hat. Anschließend hatte er zwei Fragen : Könntest Du ein allen Zuhörern verständliches Destillat der akademischen Beiträge in Deinen Worten ins Programmheft setzen ?
    Darf ich den Zyklus , trotz dieser interessanten, aber auch anstrengenden Lektüre, noch immer so singen, wie ich ihn empfinde, nämlich als musikalisch - literarisch überwältigendes Beispiel für in doppeltem Sinn unerhörtes Lieben ?
    Meine Antwort : Ja, zwei Mal.


    Ciao. Gioachino :pfeif:

    MiniMiniDIFIDI

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