Seelenlieder - Lieblings-Schubertlieder der Forianer

  • Ich will hier auch mal ein paar meiner Lieblinge aufführen.


    Der Hirt auf dem Felsen (Müller/v. Chézy)
    Einsamkeit und Liebessehnsucht, auf eine schwebende, abgeklärte Art in Musik gesetzt, die in ihrer Vollkommenheit kaum zu beschreiben ist. Schuberts (vor?)letzte Liedkomposition klingt wie die Vorahnung einer besseren Welt nach dem Erdenleben.


    Liedesend (Mayrhofer)
    Schubert als Meister der Umsetzung von Emotionen in Musik: Triumph, Liebe, Zorn, Resignation.


    Einsamkeit (Mayrhofer)
    Großangelegte biographische Ballade, die das Streben nach Erfüllung in der Waldeinsamkeit beginnen und wieder enden lässt.


    Litanei (Jacobi)
    Melodie und Harmonik voll stärkster Schubertscher Erfindungskraft.


    Gott im Frühlinge (Uz)
    Wunderbares Zusammenspiel von Begleitfigur und Gesangsmelodie in ihrer steten Steigerung.


    Pax vobiscum (Schober)
    Naturorientiertes Glaubensbekenntnis mit wirkungsvoller textlicher Steigerung.


    Nachthymne (Novalis)
    Die morbide Todessehnsucht des Textes wird von einem Gleichgesinnten in leidenschaftlichste Musik umgesetzt.


    Beim Winde (Mayrhofer)
    Der Friede in der Natur.


    Nachtstück (Mayrhofer)
    Der Gesang eines sterbenden Greises versetzt die Natur in vielfaches Echo. Textlich und musikalisch bewegend.


    Der Zwerg (v. Collin)
    Makabre, leidenschaftliche Ballade mit sehr spannungsvoller, tremolierender Klavierbegleitung.


    Der Alpenjäger (Schiller)
    Hochdramatische Jagdschilderung, die mit dem ökologischen Bekenntnis "Raum für alle hat die Erde" eindrucksvoll schließt.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Auf dieser Seite hat sich nun seit Jahren nichts mehr getan, obwohl hier wohl jeder einen Beitrag leisten könnte.
    Dass nicht weiter geschrieben wird, hat wohl den Grund, dass jeder Schubert-Freund von den etwa 600 Schubert-Liedern mindestens die Hälfte nennen könnte, zumindest geht es mir so.
    Aber eine Information zu "Der Hirt auf dem Felsen" möchte ich hier für Interessierte einfügen - wir warten ja auf den Frühling...
    Von diesem Stück gibt es eine schöne Einspielung mit dem Tenor Eberhard Büchner / Norman Shetler, Klavier / Michael Simm, Klarinette

  • Das Lied im Grünen D 917


    Ja das ist auch einer meiner Favoriten, vielleicht ist hier aber auch die Prägung beim ersten Mal hören von Bedeutung. Ich lernte das Lied durch eine Aufnahme von Carl Erb aus den dreißiger Jahren kennen, ebenod wie ein anders Schubertlied, das heute zu meinen absoluten Favoriten zählt:


    Der Wanderer an den Mond D 870



    Man mag mir einen Hang zum Kitsch nachsagen - meinetwegen, aber mein aboluter Liebling ist das


    Ständchen D 957


    allerding NUR in der Klavierfassung.


    natürlich auch


    Die Taubenpost D 965a


    Weitere Favoriten werden von mir in den nächsten Tagen nachgeliefrt...


    mfg aus Wien


    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Uuiiii....da gibts so viele....


    Aber ein paar, die mir spontan einfallen...


    Gesamter
    Schwanengesang


    Gesamte
    Winterreise


    Das Lied im Grünen


    Die Taubenpost (wahrscheinlich mein liebstes, einfach herrlich)


    Ave Maria


    ...


    Und noch 100 weitere... :D


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Bei allem Respekt finde ich Taubenpost zwar hübsch (und zu schlicht, um kitschig zu sein), aber etwas flach... :untertauch:


    Noch ein paar Favoriten:


    Nacht und Träume :jubel: :jubel: :jubel:


    Alinde


    Auflösung


    Im Abendrot


    Du bist die Ruh



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • He!


    Lass meine "Taubenpost" leben!


    Sonst schieß ich den Vogel ab! :D :D :D


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Ich kenne leider die Mehrheit der Schubert Lieder (noch) nicht.
    Aber von dem Teil den ich kenne hab ich natürlich auch so meine Präferenzen.


    Die Mutter Erde D 788


    In´s stille Land D 403a


    Sehnsucht D 879


    Nacht und Träume D 827


    Du bist die Ruh D 776


    Und wenn ich von den jeweiligen Zyklen eines hervorheben müßte dann
    Aus "Die schöne Müllerin" (D 795):


    "Der Müller und der Bach"


    Aus "Schwanengesang" (D 957):


    "Das Ständchen"


    Aus "Die Winterreise" hmm...schwierig, hier gibts ein paar die mir sehr gut gefallen. Wie man an meiner Auswahl merkt liebe ich sowieso mehr die Melancholie bei den Liedern.


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Ich bin neu hier. Ein homo novus auf dem Forum sozusagen. Als solcher muss ich offensichtlich noch jede Menge lernen und stehe vor vielen Fragen.
    Was ist ein Seelenlied?, habe ich mich gefragt, als ich auf dieses Thema in der langen Liste des hochinteressanten Angebots stieß. Ist das ein Lied, das die Seele anspricht, sie zum Klingen und Mitschwingen bringt? Und ist das dann nicht eigentlich eine höchst subjektive Angelegenheit? Oder wird da etwas zum Klingen gebracht, das es in uns allen gibt, eine Art seelische Glocke, eine existentielle Grundbefindlichkeit also?
    Wenn dem so wäre, dann dürfte ich eigentlich solche Schubertlieder, die ich ganz unreflektiert als "Seelenlieder" eingestuft hätte, gar nicht hier anbieten.
    "Jägers Abendlied" (Text von Goethe) zum Beispiel, oder "Am Fenster" (Text von Johann Gabriel Seidl). Im Gegensatz etwa zu "Nähe des Geliebten (ganz sicher ein "Seelenlied"), geht es bei diesen beiden Liedern nicht so ganz klar um eine allen Menschen gemeinsame seelische Grundbefindlichkeit in einer unmittelbar nachvollziehbaren Situation.
    Beim Jäger, der "still und wild" mit seinem "Feuerrohr" durch die Gegend schleicht, mit dem süßen Bild der Geliebten ständig vor Augen, ginge das vielleicht ja gerade noch. Aber was ist mit jenem Einsamen, der sich von den Mauern seines kleinen Zimmers kühl umschlossen fühlt, aus dem Fenster blickt und über Freunde und Freundschaft meditiert. Auch ein Seelenlied, weil heute noch alle Seelen ansprechend? Und dabei geht es, wie so viele Schubertlieder, sofort unmittelbar ins Ohr und weiter in die Seele.
    Aber es gibt noch weitere Fragen. "Seelenlieder" auch bei anderen Liedkomponisten? Solchen, die nicht zu den ganz Großen gehören? Was ist zum Beispiel mit Pfitzner? Der hat Eichendorff-Gedichte wunderbar vertont. Das Lied "Zum Abschied meiner Tochter" würde ich sofort als "Seelenlied" klassifizieren. Abschied von der Tochter. Der Herbstwind schüttelt die Linde, die Gassen schauen noch nächtig, da rasselt der Wagen davon, mit der geliebten Tochter drin. Das ist Seele pur.
    Und was ist eigentlich mit Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts? Können die auch "Seelenlieder" schreiben? Othmar Schoeck zum Beispiel. Von ihm gibt es eine wunderschöne C. F. Meyer-Vertonung: "Reisefantasie". Da ruht einer von der Reise auf einer Wiese aus und sinnt Sommerwünsche, während er ein Eidechsschwänzchen blitzen sieht. Eine zweifellos seelenvolle Situation.
    Zum Schluss noch ein Gedanke, der vielleicht provokativ wirken könnte. Ist aber nicht so gemeint. Erich J. Wolff, ein Liederkomponist, den kaum einer kennt (Einspielung seiner Lieder mit der Sopranistin Rebecca Broberg bei Thorofon!) hat ein Gedicht von Morgenstern vertont: "Vöglein Schwermut". Es fliegt über die Welt, singt todestraurig, und wer es hört, der kann sich ein Leides antun. Auch ein "Seelenlied"? Weil es etwas zum Klingen bringt, das mit jeder Seele einmal geschehen kann?
    Ach, wer hilft mir weiter!?

  • Zitat

    Was ist ein Seelenlied?, habe ich mich gefragt, als ich auf dieses Thema in der langen Liste des hochinteressanten Angebots stieß. Ist das ein Lied, das die Seele anspricht, sie zum Klingen und Mitschwingen bringt? Und ist das dann nicht eigentlich eine höchst subjektive Angelegenheit ?


    Ja. genau so würde ich es defineren. "Seelenlied" ist sicher kein terminus technicus eines Musiklexikons - sondern eine Wortschöpfung, die etwas beschreiben soll, wpfür der Wortschöpfer keinen geeigneteren Ausdruck fand.


    Zitat

    Und ist das dann nicht eigentlich eine höchst subjektive Angelegenheit ?


    Ja - durchaus.
    Aber die allgemeine Aussage wird dadurch meines Erachtens nicht mgemindert. Es gibt Lieder, die für den Ausdruck "Seelenlied" geeignet erscheinen - egal ob einen das selbst betrifft oder nicht - andere wieder würde man kollektiv die Eigenschaften absprechen müssen welche zu sein. Damit meine ich, daß eine gewisse Gruppe von Liedern TENDENZIEL dazu geeignet ist, sich für den Einzelnen zu einem Seelenlied zu entwickeln. Welch dann beim einzelnen sich zu einem solchen entwickeln, das ist in der Tat subjektiv. Ween das nicht so wäre, dann würde es diesen thread überhaupt nicht geben.


    Letztlich ist ja - allen Versuchen zum Trotz - nicht mal der Ausdruck Seele wirklich in Worte fassbar - wobei jeder zu wissen - besser: zu fühlen - meint, was hier gemeint ist.


    Und um "Gefühle" geht es auch bei diesem Thread, Lieder die geeignet sind, bei einem selbst eine innere Saite zum Schwingen zu bringen, wobei man hier zwei wirksame Komponenten miteinander vereint auf sich wirken lässt, jene des Textes, jene der Melodie.


    mfg aus Wien


    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Die von Schubert vertonten Lieder, die mich am meisten bewegen - und daher kann ich diese mit gutem Gewissen als "Seelenlieder" bezeichnen - sind -


    Gute Nacht (aus der Winterreise)
    Wanderers Nachtlied
    Ständchen :jubel:
    Des Baches Wiegenlied (aus der Schönen Müllerin)

    Hear Me Roar!

  • Ich glaube noch nicht erwähnt wurde die Goethe-Vertonung Nähe des Geliebten op.5 Nr.2, ein sehr schönes und beseeltes 4-Strophen-Lied, welches lansam, feierlich und mit Anmut zu singen ist.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Es ging mir in meinem Beitrag nicht um ein Definitionsproblem. Natürlich hat der Begriff "Seelenlied" seine Berechtigung, wenn man ihn so versteht, wie Alfred das freundlicherweise eräutert hat.
    Mir ging es um etwas anderes. Ich hätte so gerne, dass jemand hier zu erklären versucht (versucht!), warum er (oder sie) ein bestimmtes Lied gut findet, warum es also ein Seelenlied für ihn (sie ) ist.
    Ich glaube nämlich, dass man das durchaus kann. Ein Kunstlied ist, wie der Name sagt, ein Kunst-Werk und hat damit eine vom Künstler so gewollte innere Struktur, hier eine musikalische. Und die kann man fassen, zumindest ansatzweise.
    Was nützt es mir, wenn einer meiner lieben Mit-Forianer erklärt, dass dieses oder jenes Schubertlied ihn anspricht, und er erklärt nicht, warum, - oder versucht es wenigstens. Ich kann dann gar nicht mit ihm (oder ihr) ins Gespräch kommen. Und das möchte ich doch so gerne!
    Mir bleibt dann nur, meinerseits zu erklären, dass ich jenes andere Lied aber viel schöner finde.
    Das reicht mir nicht. Bin ich diesbezüglich unverschämt?

  • Ja, "Nähe des Geliebten" ist ein wahres "Seelenlied". Das empfinde ich ganz genauso, lieber Liedfreund "Siegfried", und kann mich gar nicht satthören daran.
    Es ist ein echter und vollkommener Schubert. Man meint, dieses Goethegedicht könne nur so und nicht anders vertont werden. Die gesangliche Linie spannt sich in weiten Bögen. Das Gefühl eines ruhevollen Schwebens wird erzeugt, in das der Hörer ganz langsam hineingezogen wird und in dem seine Seele mitschwingt.


    Das "Ich denke dein" klingt wie ein Zuruf, der Nähe beschwört und zugleich die Abwesenheit des geliebten Menschen beklagt. Dieses Schillern der Töne zwischen Beschwörung und Klage ist für mich das Faszinierende an diesem Lied. Am Schluss heißt es ja auch: "O wärst du da".
    Das heißt: Obwohl das lyrische Ich immer wieder aufs neue die Nähe des anderen beschwört, sie in allem, was es um sich herum sieht und erlebt, zu spüren meint, im Schimmer der Sonne, im Flimmer des Mondes, im Staub auf dem fernen Weg, im dumpfen Rauschen der Wellen, - es ist doch nur eine gefühlte, nicht eine wirklich erlebte Nähe.


    Schubert hat diese Beschwörung von Nähe wunderbar in Musik gesetzt. Die Klavierbegleitung nimmt, bevor die Singstimme einsetzt, erst mal so eine Art "Anlauf". Sie steigert sich in schnellen Akkordbewegungen von unten nach oben, um der Singstimme gleichsam ihren Einsatz zu geben. Die bewegt sich, beinahe wie eine Fanfare, an jedem Strophenbeginn von oben nach unten, um sich dann erst einmal auszuruhen. In der ersten Strophe findet sie ihren Ruhepunkt auf dem breiten Vokal des "a" in "strahlt". Und in der letzten Strophe wiederholt sich dieser Effekt bei "nah" und "da".


    Man kann sehr schön sehen und hören, wie Schubert sich ganz in die lyrische Sprache ( und damit auch in den Gehalt ) des Goethegedichts eingefühlt hat und das Ganze in eine Musik verwandeln konnte, die den Gehalt des Gedichts gleichsam hörbar werden lässt. So etwas macht ihm kaum ein anderer Liederkomponist nach.


    Übrigens: In der dritten Strophe hat sich Schubert glatt die Freiheit genommen, in den Text von Goethe ein "da" einzufügen ("Im stillen Hain da(!) geh ich ..."). So etwas mochte der große Meister Goethe gar nicht, und deshalb hielt er ja auch von Schubert nichts. Das schlichtere musikalische Gemüt von Zelter war ihm lieber.
    Der hat "Nähe des Geliebten" ja auch vertont. Ich kenne diese Vertonung nicht, aber sie hat bestimmt nicht das Zeug zu einem Seelenlied.
    Kennt sie jemand? Liege ich richtig mit meiner Vermutung?

  • Insgesamt ist das Gedicht um die 60 mal vertont worden. Auch von Carl Loewe stammen 2 Kompositionen, ein 1816 entstandenes Frühwerk für eine Singstimme und etwas später eine 4-stimmige Fassung.


    Doch die Schubertmelodie ist zu Recht die populärste geworden.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Danke, Siegfried, für den Hinweis auf Loewe. Ich wusste zwar, dass es diese Vertonung gibt und dass sie irgendwo in den Tiefen meines Archivs ruht, aber ich hatte keine konkrete Erinnerung mehr daran.


    Wenn man beide Vertonungen hintereinander hört, kann man wieder einmal dem unfasslichen Genie Schuberts unmittelbar begegnen. Es ist, je nachdem, wie herum man´s macht, entweder wie eine Erleuchtung oder wie ein Sturz ins kalte Wasser.
    Hier Schubert, für den das Goethegedicht ein autonomes sprachliches Kunstgebilde ist, das man, sich in den Gehalt einfühlend, musikalisch zu interpretieren hat. Und dort Loewe, der in dem Gedicht nur eine Textvorlage sieht, eine Art Libretto für die Komposition eines arienhaft wohltönenden Liedes.
    Goethe ist ihm nicht deutlich genug. Er muss fast alles wiederholen. Das Meer strahlt doppelt, in den Quellen malt es sich zweifach, die tiefe Nacht ist - selbstverständlich in tiefer Tonlage gesungen - doppelt tief, und alles schweigt gleich viermal. Der Ruf am Ende: Viermal hört man "O wärst du da", und das "da" wird natürlich zu einem "da -a".


    Die Loewe-Freunde unter den Forianern mögen mir verzeihen, aber Loewe hat, aus meiner Sicht, mit dieser Komposition das Goethegedicht kaputtgemacht.