Der große Caruso

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Gaisberg, der ein wahrer "Tonjäger" war, hatte mit Caruso bezüglich Schallplattenaufnahmen verhandelt


    Gaisberg war ein sehr guter und zuverlässiger Aufnahmeleiter und hat auf einer Reihe von frühen Platten, z.T. inkognito oder als "Prof. Gaisberg" :D, die Klavierbegleitung gespielt. Einige unbedeutende Sternchen, vor allem in den ersten Jahren, hat er wohl selbst für den Trichter gewonnen. Mit den Verhandlungen zur Tonaufnahme der wichtigen Künstler hatte er allerdings nichts zu tun.


    Dies war längere Zeit voraus minutiös von der Zentrale der Gramophone Co. in London sowie von deren Tochtergesellschaften in Deutschland, Italien und Frankreich vorbereitet worden. Gaisberg war also "nur" Ausführender - mit einem sehr engen Terminplan: In den Tagen vor der legendären Session mit Caruso hatte er noch im Vatikan die Capella Sistina aufgenommen. Eine ordentliche Leistung, das komplette Aufnahmeequipment innerhalb von so kurzer Zeit von Rom nach Mailand zu bringen!

    Zitat


    Geplant waren 10 Arien mit Klavierbegleitug (Orchester konnte damals noch nicht aufgenommen werden) in einem Londoner Hotel.


    Im Gegenteil, die allerersten Aufnahmen waren zum großen Teil von Orchestern, da diese den nötigen Schalldruck lieferten. Für die Begleitung wurde allerdings überwiegend das Klavier eingesetzt, obwohl es damals besonders schlecht wiedergegeben wurde. Klaviersolos sind daher selten.


    Zitat


    Als Gaisberg die Honorarforderung Carusos, 100 englische Pfund Sterling , damal ein kleines Vermögen, an seine Gesellschaft kabelte, kam die Antwort kurz und prägnat: "NO"


    Gaisberg hatte an diesem Punkt in seinen Memoiren besonders dick aufgetragen! In Wahrheit hatte er mit der Aushandlung von Carusos Gage nicht das Geringste zu tun. Zumal 100 Pfund zwar ein kleines Vermögen, für die Verpflichtung eines "relativ bedeutenden" Künstlers wie Caruso jedoch eher ein Trinkgeld darstellten.


    Caruso war im April 1902 noch kein "Star" wie Tamagno oder Patti, erhielt aber immerhin schon das rote Luxusetikett zuerkannt. Jedoch auch viel unbekanntere Künstler - wie der Bass Gravina - wurden gerade in Italien mit diesem Label veröffentlicht (und verkauften sich nur schlecht!). Für seine zweite Session im Dezember 1902 mit einigen Wiederholaufnahmen und wenig Neueinspielungen bekam Caruso übrigens schon 200 Pfund.


    Zitat


    Gaisberg soll daraufhin gesagt haben: "Offenbar ist nicht nur Edison taub" (Die Edison-Company stand in Konkurrenz zur Grammophone Company, für die Edison aufnehmen sollte) und machte die Aufnahmen auf eigene Rechnung und Verantwortung. Er ließ allerdings die Gewinne anschließend seiner Gesellschaft, was ihm für die Zukunft eine unantastbare Position sicherte.


    Solch eigenmächtiges Vorgehen hätte ihn zweifellos den Job gekostet. Gehört ebenfalls zu Gaisbergs Erfindungen - siehe oben.


    Zitat


    Carusos Ruhm war seit etwa 1902 unvergleichglich, wollte man einen Sänger finden, der ebenso berühmt war, dann gabe es nur noch -- Caruso.


    Die Gramophone Co. schätzte die Aufnahmen mit Tamagno wesentlich höher ein. Dieser bekam, anders als Caruso, deshalb auch einen Exklusivvertrag und Tantiemen für jede einzelne gepresste Schallplatte zugesprochen. Caruso verdingte sich zwischendurch noch für die Zonophone und AICC (später Pathé) bevor auch er 1903 exklusiv mit der Victor Co. abschloss.


    Zitat


    Am besten klingt Caruso nämlich: Über ein Trichtergrammophon. ... Das Klirren des Trichters täuscht Frequenzen vor, die eine akustische Schellackplatte gar nicht wiedergeben kann.


    Das kann ich absolut bestätigen. Die Dynamik, gerade der allerersten Aufnahmen, ist umwerfend. Auf CD klingt das alles recht langweilig und ausgebremst. Kinstern sowie Verzerrungen sind auf CD auch viel vordergründiger und störender.


    Stephan

  • Oft frage ich mich:


    Wie würden wir Caruso beurteilen, wenn wir seine Stimme mit HEUTIGER Aufnahmetechnik - oder sogar LIVE hören könnten ?


    Wäre er heute noch immer "der Tenor aller Tenöre ?"
    Kritisches Abhören fördert nömlich Unsauberkeiten, verpasste Einsätze und gelegentlich auch nervöses Räuspern zutage.


    Zudem hat Caruso seine Aufnahmen ausschließlich nach dem akustischen Verfahren gemacht, er musste in einen Trichter singen - nein, eigentlich brüllen. Die sogenannte elektrische Aufnahme (mittels Mikrophon und Verstärker) war zu Carusos Lebzeiten leider noch nicht erfunden. Somit ist der Frequenzgang ein sehr eingeschränklter.
    Dennoch wird Caruso (bis heute ??) als "größter Tenor des 20. Jahrhunderts" gehandelt.
    Worauf basiert sein Nachruhm eigentlich ??


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Oft frage ich mich:


    Wie würden wir Caruso beurteilen, wenn wir seine Stimme mit HEUTIGER Aufnahmetechnik - oder sogar LIVE hören könnten ?


    Es gibt ein einfaches Kriterium: wie viel heutige Sänger können ein Weinglas kaputt singen, bloß durch das Singen der Schwingungfrequenz?


    LG, Paul


    PS Beitrag 6.000 von mir. Hoffentlich sind sie nicht alle so läppisch. :untertauch:

  • Das Phänomen Caruso ist neben vielen anderen Faktoren, die bereits genannt wurden unter anderem nicht so sehr aus heutiger Sicht, sondern aus seiner Zeit heraus zu sehen. Das Repertoire, daß Caruso anfangs und auch noch länger gesungen hat wurde damals von Sängern wie Bonci, De Lucia, John Mc Cormack, Florencio Constantino, Dimitri Smirbov, etc. gesungen, also die wirkliche "alte Schule". Caruso hatte zwar seine Wurzeln auch dort, entwickelte sich aber in eine andere Richtung. Die UA von Fedora war in Italien sein erster großer Durchbruch. Da sang einer den verismo nicht im Stil der "alten Schule" sondern mit einem ganz auf ganz neue und aufregende Art und Weise. Das war damals eine echte Sensation. Das ist ein Aspekt seines Ruhmes: er war zur richtigen Zeit mit der richtigen Stimme am richtigen Ort zur Hochblüte des verismos und zur Geburtsstunde der Grammofon-Aufnahmen.
    Die Stimme muß im Haus unglaublich gewirkt haben (Geraldine Farrar hat neben ihm angeblich als Mimi ihren Einsatz verpaßt, weil sie von der Pracht von Carusos Stimme so überwältigt war). Vielleicht war sie live nicht ganz so mächtig wie sie auf Tonaufnahmen wirkt, aber sie muß eine sehr gute Projektion gehabt haben. Auch war Caruso kein Sänger, der sich ganz auf seine stimmliche Pracht verlassen hat. Er war ein unablässiger Selbstkritiker und Arbeiter - der seine Stimme haargenau kannte und damit umzugehen wußte. Privat hat er unglaublich an der Trennung von seiner Frau gelitten (mit der er zwei Söhne hatte - sie war mit dem Chauffeur durchgebrannt). Diesen latenten Schmerz hört man oft mit ("Mamma mia che vo´sapé").
    Er hat auch bis zum Schluß lyrische Rollen im Repertoire behalten (Nemorino zB) und daneben Pagliacci und Samson gesungen, um die Stimme im Gleichgewicht zu halten.
    Caruso ist vielleicht nichts für Anfänger, aber er wird zur Sucht, für gewisse Aufnahmen wird man immer wieder zu ihm zurück getrieben.


    Er hat auch einen unglaublichen Einfluß auf die folgenden Tenor-Generationen gehabt (ähnlich wie Titta Ruffo) - viele haben ihn kopiert und sich dabei ruiniert.

    Einmal editiert, zuletzt von La Gioconda ()

  • Vor 90 Jahren ist er gestorben:

    Enrico Caruso
    (* 25. Februar 1873 in Neapel; † 2. August 1921 ebenda; eigentlich Errico Caruso) war ein italienischer Opernsänger. Er war der berühmteste Tenor der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und gilt als bedeutendste Figur der Opernwelt.


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    An seinem Todestag, also morgen, 2. August 2011, bringt der Radiosenden Ö1 in seiner Reihe "Apropos Oper" eine Gedenksendung:


    Dienstag, 02. August 2011 - 15:05 Uhr Oe1
    Apropos Oper
    mit Gottfried Cervenka.
    "Caruso & Co"


    Selbst 90 Jahre nach seinem Tod gilt der so früh verstorbene Neapolitaner noch immer als Synonym für Tenorgesang par excellence. Wie lebendig sein Name nach wie vor ist, zeigt das vor einigen Jahren vom RSO Wien versuchte Experiment, die alten Original-Aufnahmen mit neuem Orchestersound zu unterlegen.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo!


    Ich denke mal, daß ich von Caruso die meisten käuflichen Aufnahmen besitze, die man erwerben kann. Auch von EMI und anderen Firmen. Was ich hier fragen möchte: Sind wirklich alle Aufnahmen von ihm in den Trichter gesungen, oder gibt es nicht doch schon später eine andere Technik? Z. Bsp. klingen bei der Firma Membran Quadromania die Aufnahmen um 1918/1921 schon ganz anders als die 10 Jahre früheren. Das ist mir schon früher aufgefallen. Trotz Allem höre ich am Liebsten Caruso auf Schellack über meine Anlagen mit Spezial-Nadeln, da ist der Klang noch immer am Natürlichsten und Besten.


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    Für B004RK6PNK wurde bei a.... kein Produkt gefunden.

    W.S.

  • Alles bis etwa 1925 sind Trichteraufnahmen, also akustisch aufgenommen. Das Aufnahmeverfahren wurde mit der Zeit verfeinert und die unterschiedlichen Firmen haben auch unterschiedliche Materialien verwendet und so etwas andere Klangbilder, aber das System war bis Mitte der 1920er Jahre das Gleiche. Leider - Caruso in elektrischen Aufnahmen - DAS wäre was gewesen.


    Für mich einer der allergrößten Sänger, die jemals gelebt haben und mein allererster Kandidat für die Zeitmaschine.


    Von seinen Aaufnahmen, die derzeit am Markt sind hatn die Naxos Edition sicher das beste Preis-Leistungsverhältnis.

  • Heute möchte auch ich mit dieser CD:


    an den großen Caruso erinnern.


    Heute ist die 142. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • gilt als bedeutendste Figur der Opernwelt.

    Um die Waschfrau Wolffen aus dem "Biberpelz" zu zitieren: "Da weeß ick nu nich.."


    Damit will ich keinesfalls seine herausragende Bedeutung als Opernsänger schmälern, aber zu den "Figuren" der Opernwelt gehören doch auch die Komponisten und die Dichter der Opern, gehören vielleicht sogar die Rollen, die sie schufen(?), gehören Dirigenten, Regisseure und viele andere bedeutende Opernsängerinnen (z.B. Frau Callas) und Opernsänger.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Da hat Harald seinerzeit vielleicht etwas unglücklich formuliert, und insofern kann ich dir unbedingt Recht geben, lieber Stimmenliebhaber, denn ohne die Komponisten und Dichter hätte es ja ganz sicher auch keine OpernsängerInnen gegeben. Ich muss gerade daran denken, dass ich vorhin eine Neuanschaffung des Verdi-Reauiems gehört habe, mit Birgit Nilsson, Lili Chokasian, Carlo Bergonzi und Ezio Flagello und der Boston Symphony unter Erich Leinsdorf- grandios-- vielleicht die größte Oper ohne Handlung (das Requiem), aber was hätten auch diese Protagonisten gemacht ohne Giuseppe Verdi?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    William B.A.: Heute ist die 142. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Wenn ich mir meine Caruso-Schellacks anhöre, dann werde ich auch irgendwie an diese Zeit der großen Sänger und Komponisten erinnert.

    W.S.

  • Aber nicht der 73er Caruso, sondern der 41er, gell? :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Der 73er Caruso ist kein 41er, sondern ein 48er :D .


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Der 73er Caruso ist kein 41er, sondern ein 48er :D .


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Den verstehe ich nicht. Wenn ein 1973 geborener Caruso in diesem Jahr noch nicht Geburtstag gehabt hätte, wäre er jetzt 41. Soweit die Erklärung meines eigenen Witzes...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Du hast natürlich völlig Recht, lieber Stimmenliebhaber, ich war gedanklich schon im Jahr 2021, warum auch immer. Wenn das man gutgeht?


    Liebe Grüße


    Willi :untertauch:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Behauptungen im Internet sind stets mit grösster Vorsicht zu geniessen.
    Der hier eingestellte Link führt zu einer angeblichen Live-Aufnahme im Konzert ("Celeste Aida") aus dem Jahre 1911
    Im anschliessenden "Thread" wird unter anderem darüber diskutiert, ab es sich wirklich um eine "Live-Aufnahme" mit Publikum handelt oder nicht.


    Unter anderem wird behauptet der Applaus sei hinzukopiert, zum einen, weil das Hineinapplaudieren eine Unart späterer Jahre sei und zum anderen weil die Tonqualität des Applauses höher sei als jene von Stimme und Orchester.
    Auch ich bin überzeugt, daß es sich hier um ein Fake handelt. Wer findet die plausible Erklärung? (Ich werde es erklären, wenn niemand sonst draufkommt - oder aber eine eventuelle Erklärung bestätigen oder anzweifeln.)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Das ist NATÜRLICH ein Fake. Da hat sich jemand gespielt und dazu kopiert.
    Von Caruso gibt es definitiv keine LIVE Aufnahmen. Wer die beiden Aufnahmen aus 1911 vergleicht wird feststellen, dass sie ident sind, dass aber bei der sogenannten live Aufnahme der Applaus dazu kopiert wurde...


  • Hallo "La Gioconda" - ich freu mich, mal wieder von Dir zu lesen.
    Du hast es natürlich perfekt gemacht, indem Du die Originalaufnahme gesucht und gefunden hast, was den Vergleich ermöglicht.


    Wer sich mit akustischen Aufnahmen befasst hat, der wird auch wissen, welche Bedingungen erfüllt werden mussten, daß man eine einigermaßen brauchbare Aufnahme zustande brachte. Der Sänger musste direkt vor dem Trichter stehen und quasi hineinbrüllen. Zudem musste die Dynamik verringert verden, was so geschah, daß der Sänger zeitweise von Trichter ein wenig zurücktreten musste. Für das Orchester war ein eigener Trichter notwendig.


    Um 1903 versuchte Lionel private Mitschnitte vom Schnürboden der MET auf einen modifizierten Edison-Phonographen, an den er einen ca 2 Meter langen Trichter angeschlossen hatte. Das Ergebnis spricht für sich.
    Über diese Aufnahmen wurde schon zu Beginn dieses Threads geschrieben, allerdings war damals die Technik des Forums noch nicht in der Lage, Youtube-Clips wiederzugeben...



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wer sich mit akustischen Aufnahmen befasst hat, der wird auch wissen, welche Bedingungen erfüllt werden mussten, daß man eine einigermaßen brauchbare Aufnahme zustande brachte. Der Sänger musste direkt vor dem Trichter stehen und quasi hineinbrüllen. Zudem musste die Dynamik verringert verden, was so geschah, daß der Sänger zeitweise von Trichter ein wenig zurücktreten musste. Für das Orchester war ein eigener Trichter notwendig.


    Ja die Bedingungen waren eine Herausforderung. Wenn man neben vielen anderen Hürden auch bedenkt, dass die Sänger mit dem Rücken zum Dirigenten standen...! Bei hohen forte Noten mussten sie vom Trichter zurückweichen, bei Duetten/Ensembleszenen musste von den Sängern genau auf eine gute Klangbalance zwischen den Stimmen geachtet werden. Die vielen Knöpfchen von heute gab es damals nicht. Keine Manipulation, kein Zusammenschneiden, keine Nachbearbeitung. Im Grunde eine Live-Aufnahme. Da schätzt man die hohe Musikalität, das Können, das Handwerk dieser historischen Sänger umso mehr.


    Aber die Geschichte mit dem "Brüllen"..... Das würde heißen, die Sänger mussten lauter als notwendig oder lauter als gewöhnlich singen? Nicht einmal die ganz frühen akustischen Aufnahmen von 1902-04 bestätigen das. Wobei natürlich ein Unterschied macht, ob man sich eine Aufnahme von etwa Tamagno oder De Lucia anhört. Die lyrischen Sänger haben keineswegs geplärrt oder gebrüllt. Wie hier Bonci 1906.


  • Ich habe heute von technischen Restaurator dieser CD ein Belegexemplar zugesandt bekommen, mit der Bemerkung, es wäre hier ein neuer Level an Klangqualität akustischer Aufnahmen erreicht.
    Derlei höre ich seit ich 20 war - und das ist schon einige Jahre her. Tatsächlich ist hier aber die Zeit nicht still gestanden, man kann auch akustische Aufnahmen so restaurieren, damit sie nicht nur als Museumsstück fungieren, sondern auch musikalisch Freude machen. Das ist - soviel kann ich sagen - im konkreten Fall durchaus gelungen. Es gibt ja verschiedene Prioritäten, die man beim Verbessern von alten Schallplatten setzen kann. Hier wurde IMO besonders Wert auf eine weitgehend unverfälschte Wiedergabe der Stimme - im Sinne von Klangfarbentreue - gelegt. Beeindruckend ist auch die Dynamik, die sonst beim Filtern gern auf der Strecke bleibt, hier aber voll ausgereizt wird. Die Stimme hat Kern und Substanz, wurde aber weder weicher gemacht, noch "angewärmt", der berühmte Trichterklang wurde stark vermindert, die Stimme klingt freier. Und um die Stimme geht es letztlich. Orchesteraufnahmen wurden teilweise mit Strohgeigen gemacht - und die klingen nun mal anders als normale Geigen. Interessanterweise klingt die Aufnahme über Lautsprecher beeindruckender als über Kopfhörer.
    Fazit: aus meiner Sicht eine gut restaurierte Aufnahme zu einem fairen Preis.
    Der Inhalt der CD ist:


    Ricciardi: Amor mio
    Caruso: Tiempo antico
    Capua: O sole mio
    Curtis: Tu ca nun chiagne
    Szulc: Hantise d'amour
    Ciociano: Cielo turcino
    Giordano: Come un bel di di maggio
    Massenet: Ah! Tout e bien fini
    Gastaldon: Musica proibita
    Verdi: Ingemisco
    Bizet: Je crois entendre encore
    Rossini: Domine Deus
    Händel: Ombra mai fu


    Die Bezeichnung VOL 1 lässt auf weitere Folgen hoffen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch ich besitze die von Alfred besprochene CD "The true voice of Enrico Caruso"/Label "timezone". Allerdings erschien beim gleichen Label bereits 2012 die CD "Enrico Caruso - The Brillant Sound Edition", die es seinerzeit bei jpc gab. Auch hier war Kenneth Cambridge der Restaurator. Unklar bleibt mir, warum jetzt ein Vol. 1 beim gleichen Label erscheint?? Egal, die Stimme Carusos klingt auf beiden CDs - es gibt zudem einige Überschneidungen - einfach wunderbar, wenngleich ich sagen muss, dass die von Christian Zwarg (http://www.truesoundtransfers.de) restaurierten Sänger-Recitals nochmal eine ganz andere Qualität erreichen.


    "Menschen, die nichts im Leben empfunden haben, können nicht singen."
    Enrico Caruso


    "Non datemi consigli che so sbagliare da solo".
    ("Gebt mir keine Ratschläge, Fehler kann ich auch allein machen".)
    Giuseppe di Stefano

  • In diesem halbstündigem Film, der zum 100. Todestag Enrique Carusos (1873-1921) entstand, erfährt man auch wenig Bekanntes über den Tenor.


    In diesem Jahr, am 25. Februar hätte er seinen 150. Geburtstag gefeiert.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928