Das Wetter in der Musik

  • In Händels "Rinaldo" gibt's eine lange Sturmszene, und die wurde von Jens Daniel Herzog in Zürich so genial inszeniert oder besser choreographiert, dass man wirklich glaubte, sich inmitten eines Hurricans zu befinden.
    Bei Rossini gibt's fast in jeder Oper eine Sturm-oder Gewitterszene, zu den schon erwähnten möchte ich noch Otello hinzufügen, dessen Eifersucht und letale Auseinandersetzung mit Desdemona im letzten Akt musikalisch wunderbar mit entfesselten Naturgewalten korrespondieren.
    Ja, und Verdis "Otello" beginnt natürlich auch mit Gewitter und Sturm.
    Auch in Donizettis Lucia wird die Dramtik der Turmszene durch eine besonders stürmische Nacht noch zusätzlich gesteigert.
    lg Severina :hello:

  • Das ist ein schlechtes Wetter,
    Es regnet und stürmt und schneit;



    ... so beginnt das Lied "Schlechtes Wetter" von Richard Strauss


    aus den Fünf kleinen Lieder nach Gedichten von Achim von Arnim und Heinrich Heine für Singstimme und Klavier op 69 (Nr. 5).



    LG, Elisabeth

  • Führt man sich mal nacheinander die "Gewitter" aus Vivaldis 4 Jahreszeiten, Beethovens Pastorale, Griegs Peer Gynt oder Wagners Holländer und zum Schluss dann aus Strauss`Alpensymphonie vor Ohren kann man wunderbar erkennen, wie sich die Ausdrucksmittel im Laufe der Zeit geändert haben.


    Insbesondere fällt mir hier auch mal wieder Beethoven auf: Mit einer relativ kleinen Besetzung wird hier ein Feuerwerk von Blitzen und Donnern abgebrannt, dass sogar fast schon Strauss mit seinem riesigen Klangapparat Schwierigkeiten hat da mitzuhalten.


    Dennoch ist das Gewitter der Alpensymphonie auch schon sehr imposant - diese Windmaschine oder was das da für ein kaum ortbares Geräusch sein mag.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Meine spontane Überlegung war nun: Wie werden meteorologische Parameter in der klassischen Musik verarbeitet? Ich denke hier z.B. an Windstärke, Niederschlagsmenge, Temperatur (Luftfeuchte, Luftdruck und Windrichtung sind in diesem Zusammenhang wohl weniger interessant) und an Naturschauspiele wie Gewitter, Regenbögen, auch die unterschiedlichen Jahreszeiten mit ihren witterungsbedingten Unterschieden usw.


    Welchem Zweck dienen diese Darstellungen jeweils? Wo sind sie besonders eindringlich umgesetzt worden? So vielfältig wie das Wetter sind auch die möglichen Fragestellungen diesbezüglich.


    Eigenartigerweise habe ich beim Lesen dieses schön eingeleiteten Wetter-Strangs spontan an ein Werk gedacht, das eben das Fehlen dieser "dynamischen" Wetteräußerungen zum atmosphärischen Thema macht, nämlich Schönbergs "Verklärte Nacht". Hier "malt" Schönberg den klaren, wolkenlosen Himmel; ich hoffe, auch diesen Himmelszustand zum "Wetter" zuordnen zu dürfen.


    Im ersten Abschnitt vertont der Komponist: "...der Mond läuft mit, sie schaun hinein. Der Mond läuft über hohe Eichen, kein Wölkchen trübt das Himmelslicht, in das die schwarzen Zacken reichen...". Wie ich finde, kommt diese Klarheit, ich möchte sagen: Wetterlosigkeit, wunderbar zum Ausdruck. Möglicherweise ist dies der Fall, weil Schönberg die sechs Streicher glatt und ohne äußere Schärfe wirken lässt. In dieser einleitenden Passage erlebe ich kaum äußerliche Verwischungen wie chromatische oder rhytmische Trübungen. Vielmehr wird durch den Verzicht darauf das im zweiten Abschnitt folgende innere Unwetter, nämlich das "menschliche" Thema, atmosphärisch äußerst sensibel vorbereitet. Gerade durch die Klarheit und das Fehlen äußerer Wettertrübungen zeigen sich innere Regungen umso mehr und deutlicher; die schwarzen Zacken, also die Umrisse der Bäume, sind durch die Klarheit des Himmels äußerst scharf zu erkennen; in dieser Atmosphäre, in der das Knacken eines dünnen Zweiges durchdringende Wirkungen erwarten lässt wie das Zwitschern eines Raben aus der sensiblen Stille heraus in Hitchcocks "Die Vögel" wirkt der Gefühlsausbruch des Paares später natürlich wie ein Unwetter, wie ein heftiger Wolkenbruch. Es versteht sich, wie ich meine, von selbst, dass auch die Interpretation möglichst klar, sachlich und ohne Vibrato geschehen soll, was beim LaSalle Quartett wahrlich der Fall ist.


    Ein wenig ausführlicher werde ich es vielleicht im entsprechenden Werkthread ausführen. Schön, dass Cosimas Thread mir zu diesen beschriebenen Gedanken angeregt hat.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ein wenig ausführlicher werde ich es vielleicht im entsprechenden Werkthread ausführen


    Hallo Uwe,


    ich werde also gerne Deinen Beitrag abwarten, bevor ich meine Gedanken nachträglich dazu einstelle - ich muss mich sowieso erst wieder neu einhören.


    Nun aber vorerst dazu:

    in der das Knacken eines dünnen Zweiges durchdringende Wirkungen erwarten lässt wie das Zwitschern eines Raben


    Vielleicht habe ich ja Deine besondere Absicht überlesen/nicht "kapiert"? Ein Spatz zwitschert, eine Lerche trällert - besondere Gemüter sprechen von jubilieren - ein Kau(t der manchmal auch)z schreit und ein Kuckuck ruft, aber ein Rabe (incl. Krähe und Elster) krächzt.
    Keine ornithologische Belehrung - ich bin kein Vogelkundler - habe nur lange Jahre auf dem Land gelebt, da "wo sich Fuchs und Hase Gute-Nacht-sagen".


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Hallo zweiterbass,


    natürlich hast Du Recht, es war keinerlei Absicht in meiner Formulierung. Ich habe unüberlegt den falschen Begriff gewählt und muss nun selber darüber lachen.


    Mir kommt auf die fast gespenstische Klarheit an, die beim Zuschauer den Zustand einer großen Sensibilität hervorruft. Hitchcock hatte die Laute der Vögel ja elektronisch geformt, um den Effekt zu vergrößern.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Mit Interesse sehe ich Deinem ausführlichen Beitrag entgegen. "Natürlich" - ja, wie in der Natur (Recht haben ist dann Nebensache).


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Haydns "7 Worte" sind 7 Adagios, geschrieben für ein Kloster in Cadiz, wenn ich nicht irre. Es gibt sie in drei Fassungen: als Streichquartett, als Werk für Streicher und als Oratorium für Chor und Orchester. Den Schluss bildet ein "terremoto", ein Erdbeben. Wie hier Haydn mit geringen Mitteln ein Erdbeben darstellt ist grandios.
    P.S. Gerade fällt mir auf, dass ein Erdbeben genaugenommen nicht zu den Wetterphänomenen zählt. Da aber dieses Haydnsche Opus so schön ist, lasse ich es als Hinweis stehen, damit sich auch andre dran freuen.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Wetter kommt in so vielen Musikstücken vor, daß man gar nicht weiß, wo anfangen und wo aufhören.


    Für mich steht aber in erster Linie die Alpensinfonie. Der Sonnenaufgang (auch in Zarathustra toll) ist eine so herrliche und erhabene Musik, daß mir beim Hören jedesmal kalt auf dem Rücken wird. Die Ruhe vor dem Sturm, der erste Donner von Weitem, die ersten fernen Blitz, die ersten Regentropfen, das majestätische Gewitter - das alles beeindruckt mich. Und nach dem Gewitter die Auflösung in den hohen Violinen, das zaghafte Erscheinen der Sonne, die Ruhe und Beschaulichkeit bis zum Sonnenuntergang - das alles ist für mich der Höhepunkt der Programmmusik.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Es ist ja wirklich nur ein sehr kurzer Chorsatz, aber mit Fernchor und voller Dramatik: "Pieta! Numi pieta!" aus Mozarts Idemoneo.


    Der Sturm, der die Schiffe in Not bringt, ergibt sich aus den wenigen Verszeilen und der aus dem Meer aufsteigende Neptun schickt ja auch die Winde schnell in ihre Ecken zurück. Trotzdem wird in wenigen Minuten eine hohe musikalische Dramatik erzeugt.

    .


    MUSIKWANDERER

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  • In Haydns "Jahreszeiten" wird sehr eindringlich ein schwüler, drückender Sommertag geschildert, dem ein eindrucksvolles Gewitter folgt.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Wetter kommt in so vielen Musikstücken vor, daß man gar nicht weiß, wo anfangen und wo aufhören.


    So geht es mir natürlich auch. Allein mit Blick auf die Oper gibt es eine Fülle von Beispielen.
    Von den Sturmszenen in Barockopern war ja schon ausführlicher die Rede! Und auf Rossinis Sturmszenen wurde bereits hingewiesen.


    Man könnte nun weitermachen mit Donizettis Sturm- und Gewitterszene in Lucia di Lammermoor, die ja leider in vielen Bühnenaufführungen einfach gestrichen wird, weil wohl der Tenor geschont werden soll. Schade! In ihrer plastischen Bildhaftigkeit ist sie schon spektakulär.


    Den vielen Freischütz-Verehrern hier im Forum will icvh nicht vorgreifen. Deshalb kein Wort zur Wolfsschlucht!


    Eine meiner Liebsliungs-Sturmszenen ist natürlich in Berlioz Les Troyens: Chasse royal et orage! Durch die Interpretation von Gielen und mit der Inszenierung von Ruth Berghaus ist die mir auf ewig unvergessen! (Oh weh, jetzt bricht vermutlich ein Sturm der Regietheater-Gegner auch in diesem Thread los! Salvatorisch bemerke ich schon jetzt: slber einen Sturm zu entfesseln, ist nicht meine Absicht! Aber wer die Produktion seinerzeit in Frankfurt erlebt hat, weiß, was ich meine!)
    Nun könnte man natürlich ganze Seiten mit Hinweisen auf Sturmszenen in Opern von Verdi und Wagner füllen. Das überlasse ich erst mal anderen


    Ich will jetzt nur auf eine Sturmszene hinweisen, die ich besonders eindrucksvoll finde und die vielleicht nicht Jedermann gleich im Kopf hat:


    In Janaceks Jenufa im Finale des zweiten Aktes drückt eine plötzliche Sturmböe das Fenster auf.
    In seiner unerreicht lakonischen Art spitzt Janacek die unheimliche dramatische Spannung zu: die Küsterin glaubt einen Klageruf vom Fluß her zu hören, Laca stürzt zum Fenster um es zu schließen. Jenufa fröstelt es: "was für ein eisiger Wind!" und der Akt schließt mit dem Ausruf der erschaudernden Küsterin: "Jako by sem smrt nacuhovala!" ("Grad als wenn der Tod hereinkommen würde!"). In der Realisierung durch so große Sängerinnen wie Libuse Marova oder Nadezda Kniplowa, Irene Dalis oder Astrid Varnay ein absolut unvergesslicher, wirklich unter die Haut gehender Augenblick! Das nacuhovala bohrt sich ins Ohr und ins Herz!



    Da fällt einem natürlich gleich noch auch die Sturmszene in Janaceks Katja Kabanova ein, die ja - aber wem sage ich das? - auf Ostrovskys Der Sturm basiert! Der gleiche Stoff ist von Ludovico Rocca als Oper vertont worden: L'uragano (1952 in Mailand uraufgeführt)
    Zdeneks Fibichs Oper Der Sturm (Bouře) hat allerdings nichts mit Ostrovsky zu tun, seine Oper greift den Stoff von Shakespeare auf! Aber auch da ist die Sturmszene höchst plastisch ausgemalt!


    Eigentlich wollte ich heute vormittag meine Hecken schneiden. Macht aber keinen Sinn, da es ausgerechnet heute endlich den seit Wochen so dringlich erwarteten Regen gibt! Na wenn das nicht zum Thema dieses Thread führt, was dann?


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

    Einmal editiert, zuletzt von Caruso41 ()

  • Ich habe lange gezögert ob ich für meinen Beitrag einen neuen Thread eröffnen solllte oder diesen uralten hervorkramen sollte, wo kaum noch ein Mitglied dabei ist, das zu Beginn mitmachte. Ich habe mich dann doch dafür entschieden den alten Thread fortzuführen - eine Art Ostergeschenk an Johannes Roehl, quasi ;):hello:
    Der Komponist, dessen Werk ich hier vorstellen möchte ist weitgehend unbekannt. Er heisst Justin Heinrich Knecht und lebte von 1752-1817. Durch die Neuveröffentlichung einer seiner Opern ("Die Aeolsharfe") wurde ich auf die abgebildete CD aufmerksam, welche eine seiner bekanntesten Sinfonien enthält:
    "Le Portrait Musical de la Nature" - Grande Simhonie (1785), gewidmet dem Abbé Vogler.
    Es handelt sich um eine Naturbeschreibung in 5 Sätzen, wobei die nahtlos - ohne Pause - ineinandergreifen. Im Beiheft wird darauf hingewiesen, daß diese Sinfonie sozusagen ein Vorläufer von Beethovens "Pastorale" ist. So weit würde ich nicht gehen, der Stil ist doch erheblich anders. Und weil wir gerade beim Stil sind. Wir haben es hier mit einem Komponisten zu tun, der sowohl Mozarts, Haydns und Beethovens Zeitgenosse war. Dennoch erinnert sein Stil an keinen der eben genannte Komponisten. Die Sinfonie beginnt mit einer Idylle - nicht so fröhlich beschwingt wie bei Beethoven, sondern freundlich entspannt und lieblich. Das plötzlich aufziehende Gewitter ist meiner Meinung nach lange nicht so bedrohlich wie bei Beethoven, aber das ist natürlich auch teilweise eine Frage der Interpretation. Eine Vergleichsaufnahme (es gibt wirklich eine) stellt das Werk ungleich kantige´r und aggressiver dar. Auf jeden Fall ein Komponist, dessen Werke man gehört haben sollte - soweit sie auf Tonträger verfügbar sind...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....