Anton Bruckner: 8. Sinfonie c-Moll - Das Mysterium

  • Vielen Dank für die Hinweise! Auch Dir alles Gute für 2021, lieber Joseph II!


    Da scheint RCA tatsächlich ein Fehler unterlaufen zu sein:


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  • Anton Bruckner

    Symphonie Nr.8 [zweite und letzte Fassung von 1890]

    Royal Danish Orchestra

    Hartmut Haenchen

    P 2018



    Weder weihrauchgeschwängerte Klänge noch mit dem dicken Pinsel in den Raum gemalte Klangmonumente nehme ich wahr, weder Klangaskese noch Klangbombast. Vielmehr geht Hartmut Haenchen wie ein Klangarchitekt zu Werk, dem daran gelegen ist, die Strukturen eines komplexen Gebäudes zu beleuchten, um die Schattierungen detailliert und in allen Facetten zum Vorschein zu bringen. Dadurch erzielt er diese wunderbare Transparenz und viele Feinheiten werden zu Gehör gebracht. Wobei zügig, aber nicht gehetzt musiziert wird. Die Klangblöcke werden wunderbar miteinander verwoben, die weitläufigen Themen werden sorgfältig entwickelt, dabei immer auch auf den Spannungsbogen geachtet. Alles wird wie aus einem Guss gestaltet. Ein kristallklarer intellektueller Zugang, der jedoch nie 'verkopft' wirkt. Eine sehr elegante und klangästhetische Herangehensweise an diese sinfonische Großform.


    Hartmut Haenchen bereitet sich besonders akribisch im Vorfeld seiner Aufnahmen oder Auftritte vor, Werk und insbesondere seine Entstehung werden dabei gründlich analysiert. Das ist seinem zweiten Betätigungsfeld als Musikwissenschaftler geschuldet. Dieser Anspruch, den Dingen so präzise wie möglich auf den Grund gehen zu wollen, geht aus den zahlreichen erhellenden Essays hervor, die er verfasst hat. Viele davon sind in dem zweibändigen Werk Werktreue und Interpretation. Erfahrungen eines Dirigenten enthalten. Es geht ihm dabei um die vielen nicht in der Partitur notierten Feinheiten. [Ein schönes Beispiel ist seine Beschäftigung mit dem Parsifal, die die vielen Details beleuchtet, die Wagner umgesetzt haben wollte, die aber nicht in der Partitur notiert wurden.] Er will seine getroffenen Entscheidungen durch diese Publikationen in ihrer Entstehung beschreiben und begründen, damit sie der geneigte Leser beim Hören nachvollziehen kann.


    Im Vorfeld zur vorliegenden Aufnahme hat er Bruckners Briefwechsel intensiv studiert, um sich ein eigenständiges Bild von Komponist und Sinfonie zu verschaffen. Seine Beschäftigung mit dem schriftlichen Austausch zwischen Anton Bruckner und dem Dirigenten Hermann Levi hat dazu geführt, dass er sich für die zweite und letzte Fassung von 1890 für die vorliegende Aufnahme entschieden hat. Auch die Beantwortung von Fragen zur Tempowahl, zur Dynamik, zu Portamenti und dergleichen mehr leitet Hartmut Haenchen aus den historischen Quellen ab, immer auf der Suche nach "dem Stil der Zeit", da auch bei Bruckner der Leitsatz zu finden sei, "nur die grundsätzlichen Anweisungen in die Partitur zu schreiben".


    Für mich persönlich eine wichtige Alternative zu den Einspielungen der Bruckner-Spezialisten, die ich nicht missen möchte.

  • Lieber Novalis,


    Du hast die Vorzüge der Aufnahme mit Hartmut Haenchen gut beschrieben. Auch wenn ich andere Einspielungen über alle Maßen schätze, halte ich seine Interpretation für eine der gelungensten und wichtigsten der letzten Jahre, eben weil er auf den "Einheitsbruckner" mit langsamen Tempi und viel Pathos verzichtet.


    Unterm Strich ist Hartmut Haenchen von allen Aufnahmen, die ich kenne, am schnellsten unterwegs (14'13, 13'30, 21'47 und 19'49), wenngleich es Dirigenten gab, die in einzelnen Sätzen noch schneller spielen ließen (z.B. Karl Böhm in den ersten beiden Sätzen in der Haas-Fassung) oder in etwa gleich schnell waren (z.B. Carl Schuricht im dritten und vierten Satz oder Klaus Tennstedt im Finalsatz -beide Edition Nowak).


    Die "nackten Zahlen" beeindrucken nicht so sehr wie die Herangehensweise. Alle Tempi sind stimmig, keine Phrase wirkt "unterbelichtet" oder beiläufig verhuscht, das Adagio klingt auch hier "feierlich langsam", allerdings in Relation zu den ebenfalls vergleichsweise schnellen ersten beiden Sätzen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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    Bruckner Sinfonie Nr.8 C-Moll Originalfassung

    Günter Wand

    DSO Berlin

    Live:14-16.05.1994, Philharmonie Berlin

    1.16:56

    2.15:46

    3.28:39

    4.27:56 (25:22)


    Der Kopfsatz wird zur Befreiung des Geistes, als nähme man einen tiefen Zug frische Luft in sich auf. Das Scherzo zündet allerhand musikalische Feuerwerke. Beim dritten Satz stockte mir oft der Atem, und Gänsehaut kam auf, so weich und entrückt gelingt das Adagio. Hier sind die Beteiligten an der Substanz angelangt – Essentielleres kann ich mir nicht vorstellen. Triumphal summiert der Finalsatz dann die drei Sätze zuvor und schließt eine große Darbietung monumental ab.:jubel:

    Liebe Grüße

    Patrik

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Nachdem kürzlich zwei opulente Neuaufnahmen dieser großartigen Sinfonie erschienen sind (mit Andris Nelsons und Christian Thielemann), habe ich mir bei der Gelegenheit mehrere Einspielungen angehört. Thielemanns Aufnahme ist klanglich wirklich toll, aber hängen geblieben bin ich dann doch wieder mehr bei Günter Wand und - damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet - Karl Böhm.


    Von Böhm liegen mir zwei sehr gute Einspielungen vor, einmal aus München und einmal aus Wien (Studio). Vor allem die Live-Aufnahme aus München besticht durch einen intensiven, flüssigen und niemals gewollt wirkenden Vortrag. Auch klanglich ist sie ganz großartig! Aber auch die Studio-Einspielung aus Wien ist meines Erachtens den o.g. Neuaufnahmen an Intensität und Stringenz weit überlegen.


     


    Da mir Böhms Dirigat so gut gefällt habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es zwei weitere Live-Aufnahme von ihm gibt, einmal aus Berlin:



    und einmal aus Zürich:



    R-12146568-1529241245-3607.jpeg.jpg


    Vor allem die Aufnahme aus Zürich ist selten und schwer zu bekommen. Bei amazon.com ist sie für über 900 $ gelistet.


    Kennt denn hier jemand diese beiden Aufnahmen aus Berlin und Zürich und kann sie ins Verhältnis setzen zur Live-Aufnahme aus München?


    Viele Grüße

    Christian

  • Da mir Böhms Dirigat so gut gefällt habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es zwei weitere Live-Aufnahme von ihm gibt, einmal aus Berlin:


    Ich kenne die Aufnahmen leider nicht, alleine das Cover der Testament-Aufnahme würde mich aber davon abhalten, sie kaufen zu wollen. Was haben sich die Verantwortlichen da nur gedacht, Böhm als Grinsekatze auf das Cover zu packen? :no:


    Ein echtes Horror-Cover!

  • Das Cover ist für mich nicht so wichtig, da gibt es Schlimmeres. Ich finde dieses absolut ok, es ist auch eine Geschmacksfrage und offenbar hatte er hier gute Laune (bei Böhm wohl nicht selbstverständlich, er soll ja sehr sarkatisch gewesen sein?).


    Viel interessanter ist doch, was die Aufnahme hergibt - die Besprechungen auf amazon sind sehr vielversprechend.


    Viele Grüße

    Christian

  • Böhm und Bruckners Achte - das war in der Tat eine exquisite Kombination. Seine Interpretationen müssen ganz vorne eingereiht werden. Der Dirigent scheint sich erst spät mit dem Werk beschäftigt zu haben. Der genannte Mitschnitt aus Berlin von 1969 (Testament) ist wohl die früheste erhaltene Aufnahme und für mein Dafürhalten auch die gelungenste. Orchestral und auch klanglich übertrifft sie die späteren Live-Mitschnitte.


    Es gibt übrigens noch einen weiteren "offiziellen" Mitschnitt mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester von 1974, erschienen bei IMG Artists in der Reihe "Great Conductors of the 20th Century":




    Und glaubt man abruckner.com, exisitieren noch ein Mitschnitt mit dem New York Philharmonic von 1971 sowie mit den Wiener Philharmonikern von 1974.

    Kaum ein Dirigent bringt die Blechbläser in der Coda am Schluss strahlender und differenzierter als Böhm. Das habe ich so nur sehr selten gehört, u. a. in der Aufnahme von Günter Wand aus dem Lübecker Dom und einem Mitschnitt von Eugen Jochum aus dem Nationaltheater Mannheim.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Schau an, was der liebe Joseph alles zu Tage fördert... ;) Die mir nicht bekannte Doppel-CD habe ich auf meine nicht wirklich kleiner werdende Wunschliste gesetzt, denn ich stimme Joseph voll und ganz zu: Karl Böhm war ein hervorragender Bruckner-Dirigent, und die 8. Sinfonie hat er jeweils herausragend interpretiert.


    Ich kenne und besitze alle von Christian B. vorgestellten CDs und wüsste nicht, welche der drei nicht so bekannten Aufnahmen von Testament, Audite oder Palexa ich bevorzugen würde. Die Studioaufnahme mit den Wiener Philharmonikern fällt für mich ein wenig ab, da sie tempomäßig wesentlich "konventioneller" und in der Gesamtkonzeption weniger "wagemutig" gehalten wurde als die anderen drei Aufnahmen.


    Joseph verweist zu Recht auf die Schlusscoda, die ich ebenfalls als "strahlend" und "differenziert" empfinde, für mich aber steht das Scherzo im Vordergrund, bei dem Karl Böhm jeweils eine Rasanz und ein "Feuer" an den Tag legte, das man nur in ganz wenigen anderen Aufnahmen (ver)spüren konnte. Das wunderbare, von Karl Böhm mit großer Wärme interpretierte Adagio kommt somit als Kontrast noch mehr zur Geltung.


    Dass der Kopf- und der Finalsatz mit flüssigen, recht schnellen Tempi auch allerhöchsten Ansprüchen genügen, versteht sich fast von selbst.


    Testament 1969: 14.54, 13.15, 24.23 und 21.43

    Audite 1971: 13.40, 13.06, 26.37 und 22.28

    DGG 1976: 14.51, 14.23, 27.47 und 23.00

    Palexa 1978: 13.54, 13.20, 24.41 und 20.09


    Anhand der Tempi sieht man, dass (siehe oben, mit der Ausnahme der DGG-Aufnahme) Karl Böhm die Spielzeit des Scherzos +- ein paar Sekunden immer beibehielt, aber in den anderen Sätzen gerne einmal etwas schneller oder langsamer "unterwegs" war. Die grundsätzliche Herangehensweise an die 8. Sinfonie hat sich hingegen nicht geändert: "Weihrauch nein", Kraft, Feuer, aber auch Wärme ja.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die IMG Artists-Reihe "Great Conductors of the 20th Century" schätze ich sehr. Im Falle von Böhm ist die dortige Auswahl, abgesehen von der Achten Bruckner, allerdings nicht so besonders hervorragend gelungen, da man die Ouvertüre aus der bekannten Studioeinspielung von "Così fan tutte", die Studioaufnahme von Haydns 91. Symphonie und die Große C-Dur von Schubert aus Dresen beisteuerte, alles Aufnahmen, die man auch anderweitig relativ leicht bekommt. So lohnt sich die Anschaffung m. E. hauptsächlich wegen des Bruckner.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Die IMG Artists-Reihe "Great Conductors of the 20th Century" schätze ich sehr.

    Dito, lieber Joseph. ;)


    Ich besitze aus der Reihe die Aufnahmen mit Sir John Barbirolli (mit einer ausgezeichneten Interpretation von Mahlers 2. Sinfonie), André Cluytens und Paul Kletzki (mit sehr gelungenen Aufnahmen von Tschaikowskis 5. und Brahms' 4. Sinfonie) und bin ebenfalls sehr angetan.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich finde Deine Einschätzung absolut treffend, ja, das ist eine der interessantesten Einspielungen der 8ten der letzten Jahre! Anders als fast alle Dirigenten in der letzten Zeit nimmt Haenchen den zweiten Satz sehr schnell und gewinnt ihm auch daduch eine große Eindringlichkeit ab, was sich dann auch insgesamt auf die Symphonie auswirkt. Ganz so zwingend wie Böhm finde ich ihn (oder das Orchester?) hier allerdings nicht, Böhm ist ja live noch etwas schneller, wirkt aber weniger gehetzt. Kempe und vor allem Furtwängler nahmen diesen Satz übrigens auch viel schneller als heute üblich! Thielemann, Nelsons und auch Gergiev sind viel, viel langsamer. Nur Klemperer war in seiner Studio-Aufnahme noch langsamer (ca. 19 Minuten). Gibt es von ihm auch eine Live-Aufnahme? Wie nicht anders zu erwarten bei Klemperer, ist seine Aufnahme trotz langsamer Tempi aber keineswegs weniger spannungsarm. Schon faszinierend, wie er das macht!


    Viele Grüße

    Christian

  • Nur Klemperer war in seiner Studio-Aufnahme noch langsamer (ca. 19 Minuten). Gibt es von ihm auch eine Live-Aufnahme?

    Ja, sogar zwei:


    - 7.6.1957 mit dem Kölner RSO (Edition Nowak)

    - 2.2.1964 mit dem Philharmonia Orchestra (Edition Haas) (Zuordnung strittig)

    Quelle: https://www.abruckner.com/site…ault.htm?search=klemperer

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    – Luís de Camões

  • Vielen Dank für den Hinweis! Die Kölner Aufnahme gibt es auf Spotify. Dort nimmt er mit 14:20 das Scherzo auch zügiger als heute zumeist üblich. Bin gespannt und werde mir das anhören!


    Viele Grüße, Christian

  • Ich habe soeben mal kurz in die beiden Aufnahmen hineingehört. Klanglich ist das schon hart an der Grenze des mir mittlerweile Erträglichen. Der Kölner Mitschnitt datiert vor Klemperers Brandunfall, als er allgemein noch deutlich flotter unterwegs war. Es ist schon recht bedauerlich, dass er die Achte (und Neunte) für EMI erst 1970 in Stereo einspielen konnte, als seine Kräfte merklich am Ende waren. Dieses Manko tritt bei den zuvor eingespielten Bruckner-Symphonien (Nr. 7 1960, Nr. 4 1963, Nr. 6 1964, Nr. 5 1967) noch weit weniger zu Tage. Die Fünfte hörte ich gerade heute. Sie ist vielleicht ein wenig steif, aber selbst in den späten Aufnahmen sieht man die typische Klemperer-Tendenz, die langsamen Sätze in Relation flott zu nehmen. Lediglich in seinen allerletzten Tondokumenten (ab etwa 1970) sind einfach alle Sätze langsam, was sicher Klemperers Gebrechlichkeit zuzuschreiben ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also ich finde den Kölner Mitschnitt in dieser Ausgabe klanglich absolut in Ordnung!


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    Wirklich atemberaubend ist Furtwängler, der beim Scherzo (hier 1944!) mit 14:10 auch viel wilder ist als heute üblich:


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  • Anton Bruckner

    Sinfonie Nr.8 C-Moll WAB 108

    Originalfassung

    1.16:57

    2.17:17

    3.29:20

    4.25:03

    Takashi Asahina

    Osaka Philharmonic Orchestra

    Live: St. Mary's Kathedrale, 24.10.1980

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    Takashi Asahina verrät nicht gleich die ganze Sinfonie – der Anfang klingt prophetisch und geheimnisvoll. Was mit diesem Thema geschehen wird, bleibt noch verborgen. Auch der nachfolgende Fortissimo-Einsatz – eher gewichtig als krach – klingt eher noch nach Vorspiel als nach der Sache selbst. Überhaupt scheint hier weniger Musik „gemacht“ zu werden im Sinne von „hier bitte etwas lauter, hier bitte etwas schneller, hier ein Akzent, …“, sondern sie entsteht – sie wird, sie geschieht, angefangen beim ersten Halbtonschritt der tiefen Streicher .Ich staune im weiteren Verlauf, wie entspannt der Japaner ein Orchester durch den Satz führt und wie doch die Kraftfelder deutlich zu spüren sind. Der Höhepunkt in der Coda klingt gewaltig, aber nicht brutal, die „Todesverkündung“ schließt bruchlos an.Hervorragender geht es wirklich nicht. Der Paukist hat ständig das Feuer und die Blechbläser erzeugen ein schönes Klangbild beim Scherzo. Adagio. Wir werden entrückt in eine andere Welt. Streicherraunen. Dann der Gesang der Violinen. Wären die Augen ein Fernglas, wir würden sie auf „unendlich“ stellen. Oh , natürlich die Ohren, nicht unsere Augen. Alles geschieht – ich höre abermals nichts „Gemachtes“, sondern darf an einem Geschehen teilhaben, das sich gerade so vollzieht, wie es muss. Am meisten bewundere ich vielleicht die Stringenz des Fortschreitens. …Das Finale hebt weniger „Rambo“-like an als gewohnt. Auch hier gestaltet Asahina aus der Ruhe, lässt die Dinge sich entwickeln, wie sie müssen, lässt sich, seinen Musikern und uns Zeit, zu hören, Zusammenhänge wahrzunehmen, gibt verhalteneren Abschnitten Raum, forciert nie. Gewaltig-gewaltfrei dann der Moment, in welchem das Hauptthema aus dem Kopfsatz im Fortissimo wie eine dunkle Verheißung wiedererscheint. Wie schlüssig folgen die nächsten Takte, bis die abrupte Wendung nach Dur das schöne Ende bringt.

    Liebe Grüße

    Patrik



    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Carlo Maria Giulinis (1914-2005) Aufnahme der brucknerschen 8. Sinfonie in c-Moll mit den Wiener Philharmonikern aus dem Jahr 1985 steht im Regal mit diesem Cover. In Beitrag 16 wurde sie bereits lobend erwähnt.

    Die Fassung* von 1890 (Nowak) wurde auf die Notenpulte gelegt. Im Gegensatz zur ersten Fassung verklingt der erste Satz nicht im Forte sondern im Pianissimo.


    I. Allegro moderato 17:00

    II. Scherzo. Allegro moderato - Trio. Langsam - Scherzo 16:25

    III. Adagio, Feierlich langsam; doch nicht schleppend 29:15

    IV. Finale. Feierlich, nicht schnell 24:40


    *Zum Vergleich der Aufführungszeiten ist die Wahl der unterschiedlichen Fassungen zu berücksichtigen.


    Der Dirigent hat einen eigenen Thread Carlo Mario Giulini - Meister der Eleganz


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Der Dirigent Roberto Paternostro (*1957) hat in der Basilika Weingarten mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen zwischen 1997 bis 2006 jeweils in den Sommermonaten eine Brucknersinfonien live aufgenommen, bis die Gesamtaufnahme komplett war. Ein für die Musik Anton Bruckners angemessener Kirchen-Raum. wurde ausgewählt.


    Weingarten_basilika.jpg



    Die Musiker konnten sich genügend Zeit für die Proben nehmen. Der SWR zeichnete für die Aufnahmetechnik verantwortlich. 2002 war die 8. Sinfonie c-Moll an der Reihe. Die Musiker benutzten die 1890er Fassung.


    I. Allegro moderato 17:13

    II. Scherzo. Allegro moderato - Trio. Langsam - Scherzo 14:24

    III. Adagio, Feierlich langsam; doch nicht schleppend 28:37

    IV. Finale. Feierlich, nicht schnell 25:16


    Der Hall im Kirchenraum ist deutlich erlebbar. Der Dirigent gibt der Musik Zeit. Erstaunlich gut gelungen finde ich dieses Projekt. Ein Spiel ohne doppelten Boden, denn die Mikrophone nahmen die Konzerte live auf. Der Applaus am Ende macht es deutlich. Das Erlebnis im Konzert muss in diesem Kirchenraum für das Publikum ein besonderes gewesen sein.


    Die 8. Sinfonie finde ich ausgezeichnet. Die Interpretation steht nicht hinter solchen berühmterer Namen. Es sind sechs Aufnahmen zum Vergleich bei mir vorhanden.


    Ich habe die, als ich sie anschaffte, preiswerte Box des Labels Dokuments im Regal. Sie ist vergriffen.



    Es gibt sie zum vierfachen Preis beim Label Antes.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Eine weitere Aufnahme, die in Beitrag 5 bereits erwähnt wurde, ist diejenige mit dem Dirigenten Georg Tintner, die er für das Label Naxos vom 23. bis 25. September 1996 mit dem National Symphony Orchestra of Ireland aufgenommen hatte und 1998 herauskam. Es wurde die Original Partitur aus dem Jahr 1887 in der Edition L. Novak ausgewählt. Ich liefere noch weitere Angaben:


    I. Allegro moderato 17:14

    II. Scherzo. Allegro moderato - Trio. Langsam - Scherzo 15:19

    III. Adagio, Feierlich langsam; doch nicht schleppend 31:10

    IV. Finale. Feierlich, nicht schnell 25:19


    Die Aufnahmequalität finde ich ausgezeichnet. Die Stimmen lassen sich mit der Partitur gut verfolgen. Der Klang ist direkt und klar.


    Das Preis-Leistungsverhältnis ist mit der Box (11 CDs Sinfonien + ein Vortrag zu Bruckner aus dem Jahr 1974 auf 1 CD) sehr günstig. Es sind weitere zwei Orchester bei den anderen Sinfonien beteiligt: Royal Scottish National Orchestra und New Zealand Symphony Orchestra


    Es sind in dieser beim Werbepartner noch erhältlichen Box die Scheiben Nr. 8 und 9. Gekoppelt ist die 8. Sinfonie c-Moll WAB 108 mit der 0. Sinfonie in d-Moll WAB 100 ("Nullte")



    Das Cover der Doppel-CD sieht so aus:


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Sergiu Celibidache hatte die 8. Sinfonie c-Moll am 12. und 13. September 1993 im Konzert mit den Münchner Philharmoniker aufgeführt. Oder soll ich sagen zelebriert? Für den aus Rumänien stammenden Dirigenten war Zitat "Bruckners Achte Symphonie die Krone der Symphonik".


    Die langen Spielzeiten dieser Doppel-CD wurden erwähnt, genaue Angaben wurden allerdings nicht genannt. Der Maestro hat die Fassung von 1890 bevorzugt. Die Spielzeiten des Live-Konzertes liefere ich.


    I. Allegro moderato 20:56

    II. Scherzo. Allegro moderato - Trio. Langsam - Scherzo 16:05

    III. Adagio, Feierlich langsam; doch nicht schleppend 35:04

    IV. Finale. Feierlich, nicht schnell 32:08


    Der Dirigent, Anhänger des Zen-Buddhismus, der über Raum, Zeit und Klang philosophierte, wird über die Nennung solcher Zahlen, wo immer sich seine Seele befindet, milde lächeln.


    Aus der Bruckner-Box mit den Sinfonien Nr. 3 bis 9



    Die Doppel-CD


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Endlich!

    Das damalige NDR Sinfonieorchester (heute: NDR Elbphilharmonie Orchester) spielt unter der Leitung von Günter Wand Anton Bruckners Sinfonie Nr. 8 in c-Moll. Ein Konzertmitschnitt von 1987 aus dem Dom zu Lübeck.

    ANTON BRUCKNER
    Sinfonie Nr. 8 c-Moll 00:00
    I. Allegro moderato
    00:10
    II. Scherzo. Allegro moderato
    16:55
    III. Adagio. Feierlich langsam, doch nicht schleppend
    32:40
    IV. Finale. Feierlich, nicht schnell
    01:02:20

    NDR Sinfonieorchester
    Günter Wand, Dirigent

    Konzertmitschnitt vom 23. August 1987, Dom zu Lübeck

    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Wands beste und eine der besten Achten aller Zeiten, fürwahr! :jubel:
    Die herausfahrenden Blechbläser in der finalen Coda sind apokalyptisch sondergleichen. :hail:
    Und wie ich gerade sehe, war der unvergessene Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt nebst Gattin ebenfalls anwesend.
    Die Aufnahme ist zurecht auch auf CD erschienen und seit vielen Jahren auch in meiner Kollektion.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe zwar Wand-Bruckner-Aufnahmen, aber nicht diese - dank eurer euphorischen Fürsprache soeben bestellt. :hello:

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich habe zwar Wand-Bruckner-Aufnahmen, aber nicht diese - dank eurer euphorischen Fürsprache soeben bestellt. :hello:

    Welche Aufnahme denn genau, und wo? Danke! :-)

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Welche Aufnahme denn genau, und wo? Danke! :-)

    Genauer gesagt ist es diese Ausgabe hier:


    R-9628530-1483879277-9799.jpeg.jpg


    Die von Johannes Schlüter gezeigte Ausgabe bietet den Vorteil, 8 und 9 zu vereinen, sofern es sich um die selbe Aufnahme der 8ten handelt


    Gutes Hören

    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Sehr lesenwert:


    http://www.klassik-prisma.de/Bruckner%208.htm


    Ein Fundgrube voller Wissen und faszinierender Details!


    Die hohe Bewertung von Jansons BR-Einspielung kann ich nicht nachvollziehen und die Böhm-Aufnahme würde ich persönlich noch besser bewerten, aber wie immer sind die Beiträge des überhaus fachkundigen Bernd Stremmel zu Musik und Interpreten eine große Bereicherung. Aus seinen Beethoven-Einträgen hat er inzwischen zwei dicke Bücher gemacht.

  • Lieber Christian,


    danke für den Hinweis auf den sehr informativen Artikel.


    Ich habe ihn einmal kurz überflogen, aber darin sind so viele Details enthalten, dass er demnächst noch einmal wesentlich intensiver gelesen werden möchte...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich bin, zugegeben, kein Fan der ersten Fassung der 8. dennoch freue ich mich auf die nächste Veröffentlichung aus dem Projekt 2024 unter der Leitung von Poschner. Diese erscheint am 03.02.2023. Zur Einstimmung: kann man mir bitte gute Aufnahmen der Fassung von 1887 empfehlen (wenn möglich in guter Qualität)?

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner