Tonal - Atonal

  • Liebe Musikfreunde,


    nach einer mehr oder weniger allmählichen Ausdehnung harmonischer Freiheiten wurde zu Zeiten Schönbergs die Bezogenheit auf einen Grundton bzw. auf eine Grundtonart erstmals aufgegeben; in diesem Sinne, und nicht im polemischen, ist der Titel gemeint.


    Besonders in diesem Forum ist große Skepsis hin zur völligen Ablehnung der „Atonalität“ wahrzunehmen. Die Hintergründe dafür interessieren mich, besonders weil dies bei mir eine fundamentale Frage der Musikästhetik war und immer noch ist.


    Vom reinen Hörempfinden her habe ich mit dem Hören „atonaler“ Musik noch nie Probleme gehabt. Mir hat das gleichzeitige oder horizontale Hören von tonartlich nicht aufeinander bezogenen Tönen noch nie Unbehagen bereitet, ich habe das Empfinden von „schrägen“ Tönen bezüglich der Relation der Töne zueinander nie gehabt. Im Gegenteil: So manche 12-Tonmusik empfinde ich, da die selben Intervalle durch die Reihen häufig wiederkehren und sie ein Wiedererkennungsgefühl hervorrufen, als harmonische Musik, wohl wissend, dass sie nicht auf einen Grundton bezogen ist.


    Von meiner ästhetischen Betrachtung her war und ist dies nicht immer so einfach gewesen, und auch heute noch setze ich mich mit der Frage auseinander: Braucht Musik für mich so etwas wie Grundtonbezogenheit, um den gestalterischen Organismus zu erhalten? Oder kann 12-Ton- oder serielle Musik diesen Anspruch auch bzw. besonders gut erfüllen? Macht das Fehlen der „Naturbezogenheit“ gemäß der Obertonreihe die Musik minderwertig oder gar absurd?


    Nun meine Frage an Euch, die Ihr „atonale“ Musik ablehnt: Kommt für Euch diese Musik nicht in Frage, weil sie generell schlecht klingt oder ist es eine prinzipielle, ästhetische Ablehnung? Oder an die anderen: Fiel der Zugang zu dieser Musik schwer?


    Mit der Hoffnung, mich nicht allzu kompliziert ausgedrückt zu haben grüßt


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Uwe Schoof
    Nun meine Frage an Euch, die Ihr „atonale“ Musik ablehnt: Kommt für Euch diese Musik nicht in Frage, weil sie generell schlecht klingt oder ist es eine prinzipielle, ästhetische Ablehnung? Oder an die anderen: Fiel der Zugang zu dieser Musik schwer?


    Hallo Uwe,


    Sogar zwei Takte sind mir bereits zuviel. Sie klingt also, m.E., generell schlecht.
    Es ist auch eine prinzipielle Ablehnung, denn
    ich finde diese Lautekombinationen keine Musik und es gibt also für mich NIE einen Zugang.


    LG, Paul

  • Uwe, hast Du mal den Ansermet gelesen?


    Die Grundlagen der Musik im menschlichen Bewußtsein (von Ernest Ansermet)


    Da hat er sich vehement geht die atonale Musik, besonders die zwölftönige, gewandt, und daß entsprechend fundiert zu begründen versucht. Ich habe das Buch allerdings nicht zu Ende gelsen, weil es zu viele muskwissenschaftlcihe Kenntnisse voraussetzt und (zumindest in der Übersetzung) sehr schwerfällig geschrieben ist.

  • Hallo Uwe,


    ich habe mit atonaler Musik an sich ebenfalls kein Problem. Für mich ist das erstmal gleichwertig mit tonaler Musik.
    Wenn ich ein atonales Werk höre, versuche ich auch, Wiedererkennungsmerkmale zu finden und mir einen Gesamteindruck zu machen. Vielleicht auch einen Stil herauszuhören.
    Insofern ist die Tonalität bei mir in erster Linie irrelevant, das Werk muss auf mich wirken. Und das können tonale wie atonale Stücke sein, wobei die tonale Musik selbstverständlich den Vorteil hat, dass man mit ihr erstmal besser klarkommt.



    Gruß, Peter.

  • Hallo Uwe!
    Darf auch jemand antworten, der diese Musik keineswegs ablehnt und die Fragestellung als sehr schlimm parteilich empfindet? :D


    Inwiefern die klare Grundtonbezogenheit ein Naturgesetz ist, ist eine uralte Diskussion.
    Zuerst muß man einmal differenzieren, zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Tonalität:


    1) Klare Dur-Moll-Tonalität, cum grano salis aufbauend auf den Stufen Tonika, Subdominante und Dominante


    2) Chromatische Dur-Moll-Tonalität: Melodik und Akkordik sind von leiterfremden Tönen durchsetzt, dennoch haben die auf diese Weise berührten Tonarten immer noch eine Funktion in der Grundtonart. In einem C-Dur-Stück würde also eine E-Dur-Passage als Mediante gedeutet, eine gis-Moll-Passage als hochalterierte Dominante. Aufgrund dessen, daß jeder Akkord eine bestimmte Funktion innerhalb der Grundtonart hat, spricht man bei den Punkten 1 und 2 auch von Funktionsharmonik.


    3) Freie Tonalität: Ein etwas schwammiger Begriff. Freie Tonalität findet dann statt, wenn die Akkorde des Satzes zwar tonal deutbar sind, aber in freier Verbindung gereiht werden. Der Akkord g-h-d-f hat dann nicht mehr die Funktion einer C-Dur-Dominante, die zwangsläufig,über welche Stufen auch immer, in den Akkord c-c-e-(g) führt, sondern geht freie Verbindungen ein; warum nicht as-h-cis-e folgen lassen?


    4) Freie Atonalität: Eng verwandt der freien Tonalität. Die Akkorde sind in sich kaum noch tonal erklärbar (bzw. nur unter Zuhilfenahme von Alterationen); Akkordverbindungen, die tonal deutbar wären, kommen nicht vor oder beschränken sich auf so wenige Akkorde, daß sie vom Ohr nicht als stabilisierender Faktor wahrgenommen werden.


    5) Reihentechnische Verfahren: Der Satz wird aus einer bestimmten gleichbleibenden Tonfolge gewonnen. Hier gibt es derart viele unterschiedliche Möglichkeiten mit extrem unterschiedlichen klanglichen Resultaten, daß die Verfahrensweisen in diesem Zusammenhang nicht aufgezählt werden können.


    6) Modalität: Der Satz wird aus Tonleitern gewonnen, die nicht denen der Dur-Moll-Tonalität entsprechen. Es kann eine Ganztonleiter sein (c-d-e-fis-gis-ais) oder eine Kirchentonart wie z.B. Hypoaeolisch (e-f-g-a-h-c-d-e) oder Hypoaeolisch auf d (d-es-f-g-a-b-c-d) - hier ist wichtig, daß die Halbtöne immer zwischen denselben Stufen stattfinden. Da der Modus durch seine Halbtonverteilung geprägt ist (im Beispiel also von den Stufen 1-2 und 5-6), ist eine Chromatik nicht sinnvoll, da sie den Modus zerstört.
    Das gilt auch für synthetische Modi wie etwa einen, in dem Halb- und Ganztonschritte abwechseln (c-des-es-e-fis-g-a-b-c). Überhaupt kann man beliebige Modi konstruieren - warum nicht einen ganz verrückten wie diesen: c-cis-e-f-gis-a-(c)
    Innerhalb der Modalität sind diverse Verfahren möglich: Man kann die Melodie an einen Zentralton binden, man kann auch einen zentralen Akkord bilden, der keineswegs ein Dur/Moll-Akkord sein muß. Was wäre z.B. mit einem Akkord c-fis-g-b? Oder (im "verrückten" Modus) eine aus den Tönen c-cis-f-gis gebildete Melodie um den guten alten A-Dur-Dreiklang streichen zu lassen, Endton der Melodie gis, was eine zarte Dissonanz ergibt. Der Eindruck einer solchen rein modalen Stelle ist natürlich ebenso A-Dur, wie wenn ich im umgekehrten Fall eine aus den Tönen a-cis-e-gis gebildete Melodie über den Grundakkord c-des-as lege.
    Natürlich kann die Modalität auch Mikrotöne beinhalten - in Indien etwa sind Ragas gebräuchlich, und kein Inder hat sich je beschwert, daß er in einem Land leben muß, dessen Bevölkerung kakophone Musik als ihr eigenstes musikalisches Gut betrachtet.



    Natürlich sind solche Verfahrensweisen auch in der freien Tonalität, der freien Atonalität und sogar in der Zwölftontechnik (kommt eben darauf an, nach welcher Methode man vorgeht) möglich.
    Es ist sogar möglich, nur aus dem Gefälle von Spannung und Entspannung eine Art Kadenz zu entwickeln, die nicht auf der Basis von Dur/Moll steht, aber zu Dur/Moll-Akkorden führen kann (aber nicht zwangsläufig führen muß).
    Zum Beispiel diese Akkordfolge: c-f-b / as-d-a / a-cis-g wird wahrgenommen als milde Spannung-Spannungszunahme-Entspannung, obwohl die Entspannung eine solche nur in Relation zum zweiten Akkord ist, aber eine Spannungszunahme nach einem Akkord gis-dis-gis wäre.


    Soll heißen: Es ist auch in nicht tonartengebundener Musik möglich, Orientierungspunkte für das Ohr des Zuhörers zu setzen. Nicht jeder Komponist macht das. Aber umgekehrt ist es auch falsch zu sagen, daß atonale Musik am Hörbedürfnis naturgemäß vorbeigeht.


    :hello:


    P.S. für alle unter uns, die ein Fachstudium haben oder sich autodidaktisch die Kenntnisse angeeignet haben: Mir ist klar, daß meine obige Abhandlung Lücken und Ungenauigkeiten aufweist. Aber sie soll nur eine Orientierungshilfe für eine Diskussion sein, die sich nicht nur auf der Ebene "gefällt mir" - "gefällt mir nicht" oder "atonale Musik ist :kotz:" bewegt.

    ...

  • Hallo Edwin,


    Gerade höre ich mal wieder Milhauds "Le boeuf sur le toit" (eines meiner absoluten Lieblingsstücke für zwischendurch). Beim ersten Hören dieses Werkes fiel mir auf, dass es Passagen gab, wo eine Instrumentengruppe scheinbar eine andere Tonart spielt wie eine andere Gruppe. Ich fand das äußerst reizvoll und es klang wunderbar.
    Erst später las ich (hier im Forum wahrscheinlich) vom Begriff der Bitonalität.
    Das kann doch in diesem Werk als Beispiel für Bitonalität angesehen werden, oder?
    Und lässt sich die Bitonalität auch als Kategorie in deine Liste einordnen?



    Gruß, Peter.

  • Hallo Edwin,


    nun, so "parteilich" war meine Ausgangsfrage gar nicht gemeint, wenngleich ich natürlich meine Vorlieben und bisherigen Ansichten habe. Mir geht es sehr um die für mich spannende Frage, ob (und gegebenfalls wie) die Ablehnung, hier der Nicht-Tonalitätsbezogenheit, bei den Tamino-Kollegen eher aufgrund der akustischen Wahrnehmung oder eher aufgrund der ästhetischen, also eher prinzipiellen Entscheidung basiert (oder inwieweit ist beides gar voneinander abhängig?).


    Deine übersichtliche Differenzierung ist natürlich bei der Diskusion (auch für andere Threads) sehr hilfreich, danke sehr.


    Gruß, Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    P.S. für alle unter uns, die ein Fachstudium haben oder sich autodidaktisch die Kenntnisse angeeignet haben: Mir ist klar, daß meine obige Abhandlung Lücken und Ungenauigkeiten aufweist. Aber sie soll nur eine Orientierungshilfe für eine Diskussion sein, die sich nicht nur auf der Ebene "gefällt mir" - "gefällt mir nicht" oder "atonale Musik ist :kotz:" bewegt.


    Hallo Edwin,


    Vielleicht hast Du es vergessen, deshalb werde ich Uwe zitieren:


    Zitat

    Nun meine Frage an Euch, die Ihr „atonale“ Musik ablehnt: Kommt für Euch diese Musik nicht in Frage, weil sie generell schlecht klingt oder ist es eine prinzipielle, ästhetische Ablehnung? Oder an die anderen: Fiel der Zugang zu dieser Musik schwer?


    Diese Frage ist eher zu verstehen als


    Zitat

    "gefällt mir" - "gefällt mir nicht" oder "atonale Musik ist :kotz:"


    statt als eine Frage die sich auch der "Fachebene" bewegt.


    Natürlich darfst Du dabeiholen und anmerken was Du willst. Aber dieses PS war den Guten zuviel, denn könnte falsch verstanden worden. Ich zweifle nicht an Deiner guten Intention. Eine andere Person könnte dies vielleicht anders auffassen.


    LG, Paul

  • Salut,


    nach Uwes und Edwins Definition ist es mir völlig wurscht, ob Musik tonal oder atonal ist: Ob nun ein Haydn-Quartett in Es-Dur beginnt und in fis-moll endet... was soll's? Ob nun der 2. Satz in der [Sub-]Dominanttonart steht oder in der Submediante, egal. Wichtig ist für mich, dass sie schön ist.


    Ich selbst definiere atonal nicht so, wie es dargestellt wurde. Atonal ist für mich durch das provokante "A" [wie bei asozial] das genaue Gegenteil zu tonaler Musik - somit hässlich in Bezug auf neue Kreationen. Es gibt auch in "klassischen" Werken eine ganze Reihe atonaler [entrückter] Stellen, die gerade den Sinn des Werkes ausmachen.


    Würde man nun all diese atonalen Stellen klassischer Werke [die ich als schön empfinde] aneinanderreihen, fände ich das ebenso langweilig und uninspiriert, wie die nur schöne Musik, die so ganz ohne Kontraste auskommt.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Aber umgekehrt ist es auch falsch zu sagen, daß atonale Musik am Hörbedürfnis naturgemäß vorbeigeht.


    Mit anderen Worten: Ansermets Buch ist sozusagen ein Melichar auf höherer Ebene...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Uwe, hast Du mal den Ansermet gelesen?


    Hallo Robert,


    das habe ich noch nicht; aber gleich werde ich sowieso in die Bibliothek gehen und werde Ausschau nach dem Buch halten. Aber ich vermute aufgrund Deiner Beschreibung, dass mich dieses überfordern wird...


    Danke für den Tip,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ich habe festgestellt, dass ich es bei der KLassik nicht mag, wenn nur auf der Atonalität rumgeritten wird, quasi um der Atonalität Willen, ich schließe aber nicht aus, dass mich hierbei auch noch die Faszination packt. Viel beachtlicher finde ich es, wenn man Atonalität ganz instinktiv nutzt, um Farben- und Formensprache seiner Musik zu erweitern, die Musik zu entwickeln im Sinne davon, dass man Musik keine Grenzen setzt.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo Peter!
    Bitonalität ist eine Form der Tonalität. Um sie hörbar zu machen, müssen sich die einzelnen Stimmen innerhalb ihrer Tonalität relativ diatonisch bewegen, Tonika, Terz, Dominante und Tritonus-Leitton müssen deutlich sein (in C-Dur müssten die Haupttöne also c, e, g, f, h-c sein).
    Milhaud ist hier ein großer Könner: Er überlagert in seinen sechs kleinen Symphonien auch drei, vier, fünf Tonarten - was durch die kammermusikalische Besetzung durchhörbar bleibt. Auf dem Klavier geht er über Bitonalität nicht hinaus, mehr wäre schwer hörbar, es gäbe eher einen Klangbrei.
    Messiaen überlagert in frühen Werken auch Modi - der Höreindruck ist allerdings der einer totalen Chromatik statt der einer anderen Ordnung.


    Hallo Robert!
    "Melichar auf höherer Ebene" ist der ideale Ausdruck. Die Grundlage bei beiden ist, daß sie atonale Musik nicht mögen. Und dann suchen sie sich "Beweise" über deren Unwert. Melichar konstruiert eine atonal-zwölftönige Weltverschwörung, gegen die Dan Browns "Sakrileg" eine müde Sache ist. Ansermet untermauert seine Abneigung musikalisch-musikwissenschaftlich.
    Und nun wollen wir uns einmal Bergs "Wozzeck", seine "Lulu-Suite", Henzes 3. Symphonie, Strawinskijs "Threni" und Liebermanns Konzert für Jazzband und Symphonieorchester anhören und überlegen, ob Ansermet wirklich recht hat...


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Darf auch jemand antworten, der diese Musik keineswegs ablehnt und die Fragestellung als sehr schlimm parteilich empfindet? :D


    Inwiefern die klare Grundtonbezogenheit ein Naturgesetz ist, ist eine uralte Diskussion.
    Zuerst muß man einmal differenzieren, zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Tonalität:


    [....]


    All diese Möglichkeiten (und da sind die außereuropäischen Skalen mit Drittelton- usw. Systemen nur angedeutet) zeigen meiner Ansicht nach, dass die Rede von "Naturgesetz" in diesem Zusammenhang weitgehend tendenziöser Unsinn ist. Es ist der zweitälteste Trick der Welt, etwas, was man für richtig hält, als "natürlich" zu verklären" (der älteste wäre "gottgegeben", aber das läuft aufs selbe heraus, noch verheerender ist es natürlich auf sozialem Gebiet, wo wir ja auch dutzende oder hunderte von Traktaten haben, die darlegen, dass Frauen und Schwarze von Natur aus irgendwie minderbemittelt sind und der weisen Führung starker und kluger Männer bedürfen). Abgesehen davon ist ein offensichtlicher Eurozentrismus, der, was gut 250 Jahre in der Tradition dieser Weltgegend galt, zum Naturgesetz erheben will, ziemlich peinlich.
    Selbstverständlich gibt es physikalische Grundlagen für Tonysteme, aber für alle, nicht nur für das Dur-Moll, aber alle Details sind "konventionell" (man vergleiche allein die verschiedenen Stimmsysteme im 18. Jhd., die alle irgendwo "Vorteile" und "Nachteile" haben. die gleichschwebende Stimmung ist physikalisch eine der unsaubersten und dennoch hat sie sich letzlich durchgesetzt) und haben eine lange und komplexe Geschichte. Wenn überhaupt müßte man als "Naturalist" eine wahrnehmungsphysiologische Geschichte erzählen. Aber auch hier widerlegt die Vielfalt der Systeme in der Welt m.E. alle Erklärungen, die über extrem allgemeine Fähigkeiten zur Mustererkennung hinausgehen.


    Zumindest für meine Ohren hört sich persische oder indische Musik sehr viel fremder an als etwa 12-Ton-Musik. Letztere (aber das gilt ebenso für mehr oder minder tonale Musik, z.B Neoklasszistisches von Hindemith oder Strawinsky) wirkt auf den an Dur-Moll Gewöhnten als habe sie ein paar "falsche" Töne, aber die Musik aus anderen Traditionen kingt von vornherein so als seien die Instrumente verstimmt (weil eben ganz unvertraute Skalen mit z.T. Drittel oder Vierteltönen verwendet werden).
    Die Muster dieser Traditionen klingen uns verständlicherweise fremd bzw. erkennen wir relativ lange kaum Muster in dieser Msuik (ähnlich wie das einem mit "atonaler abendländischer Musik gehen mag), aber für die mit ihnen aufgewachsenen Musiker sind sie leicht erkennbar (meistens ja sogar weitgehend "mündlich" tradiert).


    Ich sehe hier fast einen Vorteil für Leute wie mich, die gar nicht in der Lage sind, hörend sicher zwischen "grenzwertig tonal", "modal", "freitonal", 12-tönig usw. zu unterscheiden (vgl. die Verblüffung in einem anderen thread darüber, dass einige Stücke von Martin oder Liebermann 12-tönig sein sollten, die ich hörend nie so eingeordnet hätte)


    Was Uwe daher "ästhetische Betrachtung" nennt, muß m.E. nicht automatisch Tonalität begünstigen. Ich habe keine Probleme, die "Einheit" eines "vortonalen" Stückes aus der Renaissance oder eines nachtonalen Stückes anzuerkennen. Natürlich ist es leichter, die "Einheit" bei Stücken zu erkennen, mit deren Formen und Bauprinzipien man besser vertraut ist, aber das sind offenbar wiederum Konventionen (dass die Sonatenform ein Naturgesetz sei, hat hoffentlich noch keiner behauptet) und da ist sehr viel Gewöhung dabei; ich hatte auch Probleme, mich in mancher Barockmusik oder mit "freien" Stücken von Schumann u.ä. zurechtzufinden, weil ich als Anfänger fast aussschließlich Klassik und Romantik in Sonatenform gehört hatte. Und schließlich ist "Einheit", wenn in einem starken Sinne aufgefaßt, wiederum eine ästhetishce Vorentscheidung, die aufgegeben werden kann. Schon in der Romantik gibt es die "Ästhetik des Fragments" (hat nicht ein Schumannstück "Ruinen" als Untertitel), die gerade auf deis offensichtliche, starke Form von Einheit verzichtet.


    Zitat


    6) Modalität: Der Satz wird aus Tonleitern gewonnen, die nicht denen der Dur-Moll-Tonalität entsprechen. Es kann eine Ganztonleiter sein (c-d-e-fis-gis-ais) oder eine Kirchentonart wie z.B. Hypoaeolisch (e-f-g-a-h-c-d-e) oder Hypoaeolisch auf d (d-es-f-g-a-b-c-d) - hier ist wichtig, daß die Halbtöne immer zwischen denselben Stufen stattfinden. Da der Modus durch seine Halbtonverteilung geprägt ist (im Beispiel also von den Stufen 1-2 und 5-6), ist eine Chromatik nicht sinnvoll, da sie den Modus zerstört.
    Das gilt auch für synthetische Modi wie etwa einen, in dem Halb- und Ganztonschritte abwechseln (c-des-es-e-fis-g-a-b-c). Überhaupt kann man beliebige Modi konstruieren - warum nicht einen ganz verrückten wie diesen: c-cis-e-f-gis-a-(c)


    Machen das nicht einige im neueren (seit den 60ern) Jazz? ich meine, es gäbe hier sogar ein systematische Nomenklatur für die so entstehenden Skalen...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • soll ich's wagen, mich einzumischen... :pfeif:


    ich habe ein Problem mit der Funktionstheorie, die ja bekanntlich alle Dur/Moll Akkorde in Zusammenhang bringt... (ich bin eher von der Stufentheorie überzeugt - hab sie zuerst gelernt...und ich sehe die andere nicht als Weiterentwicklung - eher als anderen analytischen Ansatz)

    denn IMO beginnt Atonalität viel früher - im 19.Jh... bei den Versuchen Terzverwandtschaften zu rechtfertigen und zu erklären...(siehe Edwin Punkt 2)


    Für mich hat es mit den verbesserten oder ausgereiften Stimmungssystemen zu tun, daß "in alle möglichen Tonarten herummoduliert wurde"
    Modulation bzw. harmonische "Erfindung" sehe ich als das kompositorische Ziel des 19.Jh - möglichst interessante Akkorde und Akkordverbindungen - wahrscheinlich ein typisches Merkmal für die Kompositionsweise "am Klavier".


    Hier beginnt IMO bereits die Auflösung der Tonalität
    - nicht erst bei Schönberg, der lediglich einen konsequenten Versuch gemacht hat, das tonale System "umzudrehen", die Wertung von Dissonanz und Konsonanz zu verändern.


    das wäre mein wichtigster Einwand in der tonalen Debatte, daß es eher um die leidige Frage unaufgelöster "Dissonanzen" geht, also letztlich um eine Art Katalog "erlaubter und verbotener Klänge" ( :hello: Paul!!)


    Danke an Edwin für die schöne Aufstellung!
    ich finde die Grenze zwischen 3 und 4 sehr schwierig zu ziehen - meistens ist es mir wurscht, ob es sich tonal erklären läßt, wenn mich die Akkordverbindung überzeugt z.B: Alban Berg


    meistens gibt es doch das Problem, nicht zu wissen, worauf man hören soll, wie die "melodie" verläuft, was "Neben- oder Begleitstimmen" sind... die Polyphonen Strukturen machen das Hören nicht leicht... wer kennt sich denn bei Bach Fugen nach dem ersten Hören aus???


    "es geht halt nicht sofort ins Ohr"

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Bevor ich mich zu einer Meinung bzgl. (A)Tonalität äußere stelle ich die entscheidende Frage:


    Ist Strawinskys Sacre nach wissenschaftlicher Lesart und Forenauffassung atonal oder nicht? :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • kleine Zwischenbemerkung...


    IMO ist Johann Nepomuk David der einzige (oder einer der ganz wenigen), bei denen die Hörbarkeit der Reihe wirklich eine Rolle spielt, oder?
    Sein Versuch, streng linear mit Reihen zu arbeiten, deutet darauf hin...


    Vielleicht ist es Schönberg nie darum gegangen, daß beim Hören die Reihe herausgehört und die Setzweise nachvollzogen werden kann...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo Stefan!
    Der "Sacre" verbindet sehr viele Möglichkeiten von der Diatonik bis zur Atonalität. Sehr vieles ist bi- und polytonal in so weit voneinander entfernten Tonarten, daß der Höreindruck atonal ist. Zumindest das Finale würde ich als "echt atonal" einstufen.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Stefan!
    Der "Sacre" verbindet sehr viele Möglichkeiten von der Diatonik bis zur Atonalität. Sehr vieles ist bi- und polytonal in so weit voneinander entfernten Tonarten, daß der Höreindruck atonal ist. Zumindest das Finale würde ich als "echt atonal" einstufen.
    :hello:


    Hallo Edwin,


    vielen Dank! Dass er einen eigenen Stil entwickelte war mir klar, aber wie man das in die von Dir beschriebene Systematisierung einordnen kann nicht.
    Also meine Antwort: Ich liebe teilweise atonale Musik!!! (ist aber trotzdem eine Minderheit, kommt halt auf das jeweilige Werk an - schließlich gibt es auch tonale Werke, die :kotz: sind :D )


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo Uwe, hallo Taminos,


    Zitat

    Nun meine Frage an Euch, die Ihr „atonale“ Musik ablehnt: Kommt für Euch diese Musik nicht in Frage, weil sie generell schlecht klingt oder ist es eine prinzipielle, ästhetische Ablehnung?


    kurz zwischengefragt: die "dissonanten Stellen" (keine Ahnung ob's richtig bezeichnet ist, aber ich nenne es jetzt mal so - falls nicht, bitte ich um Korrektur bzw. Erläuterung), die man bei Schostakowitsch findet, sind die atonal?


    Beim letztens gehörten Klaviertrio (Nr. 2) hatte ich mit diesen Stellen nämlich so meine Probleme. Unwohlsein würde meinen Höreindruck einiger Stellen darin wohl am treffendsten beschreiben. Ich habe es zwar komplett durchgehört, war aber froh als es vorbei war. Mit Beethovens "Großer Fuge" geht es mir übrigens ähnlich, da würde ich ungefähr meine Grenze ziehen.
    Interessanterweise empfand ich ein Violinkonzert Schostakowitschs rückblickend erträglicher als das Trio.


    Ich kann leider nicht sagen, was genau den Grad der "Erträglichkeit" für mich ausmacht (auf den Höreindruck bezogen), aber das ich mich beim Hören meist unwohl fühle ist wohl eindeutig. Eine Ablehung aus ästhetischen Gründen würde ich es allerdings nicht nennen. Ich glaube auch, daß es bei mir von Werk zu Werk unterschiedlich ausfallen könnte (siehe Violinkonzert). Als Akzentuierung kann ich damit leben, es darf aber nicht zuviel werden.



    Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Gentilhombres Anmerkungen und Fragen kann ich nicht beantworten, wohl aber erweitern :).


    Bei Schostakowitsch, ich komme eher von den seinen Streichquartetten her, habe ich sehr den Eindruck des nicht so Eindeutigen. Alle Quartette tragen die Bezeichnung einer Grundtonart (er hatte ja ursprünglich vor, mit 24 Streichquartetten alle Dur- und Molltonarten abzudecken). Einzelne Stimmen weisen z.B. zeitweise durchaus Zwölftonreihen, während die anderen Stimmen zeitgleich grundtonartbezogen spielen. Das Verwendung modaler Techniken scheint mir bei Schostakowitsch einen besonders großen Stellenwert zu haben.


    Ich habe den Eindruck, Schostakowitsch nutzte zahlreiche Techniken, auch gleichzeitig, um seine Ideen auszudrücken (und sah sich weniger als komponierender Sklave einer bestimmten Technik).


    Gehe ich recht in meinen Annahmen?


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Gentilhombre


    kurz zwischengefragt: die "dissonanten Stellen" (keine Ahnung ob's richtig bezeichnet ist, aber ich nenne es jetzt mal so - falls nicht, bitte ich um Korrektur bzw. Erläuterung), die man bei Schostakowitsch findet, sind die atonal?


    Beim letztens gehörten Klaviertrio (Nr. 2) hatte ich mit diesen Stellen nämlich so meine Probleme. Unwohlsein würde meinen Höreindruck einiger Stellen darin wohl am treffendsten beschreiben. Ich habe es zwar komplett durchgehört, war aber froh als es vorbei war. Mit Beethovens "Großer Fuge" geht es mir übrigens ähnlich, da würde ich ungefähr meine Grenze ziehen.
    Interessanterweise empfand ich ein Violinkonzert Schostakowitschs rückblickend erträglicher als das Trio.


    Wie Edwin schon erläutert hat, ist "atonal" normalerweise nichts, was man so einfach an einzelnen Stellen (Akkorden) oder klanglichen Härten festmachen kann, es kommt schon auf größere Zusammenhänge an. Es geht nicht um Dissonanzen, sondern darum ob und wie die aufgelöst (d.h. in weniger dissonante Akkorde überführt werden) Bei Beethoven ist nichts in irgendeinem modernen Sinne atonal, trotzdem klingt die Große Fuge in gewisser Weise vielleicht stellenweise "härter" als z.B. Teile der "Lyrischen Suite" von Berg (einem so weit ich weiß 12-tönigen Werk).


    Ich glaube nicht, dass man Schostakowitschs Trio im gängigen Sinne atonal nennen kann. Es ist jedenfalls weder 12-tönig noch "frei atonal" (i.S. von Edwins Kategorien oben).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    die "dissonanten Stellen" (keine Ahnung ob's richtig bezeichnet ist, aber ich nenne es jetzt mal so - falls nicht, bitte ich um Korrektur bzw. Erläuterung), die man bei Schostakowitsch findet, sind die atonal?


    Nein, sind sie nicht. Nur in den Symphonien 2-4 und in der Oper "Die Nase" schreibt Schostakowitsch stellenweise atonal.
    Es ist ein immer wieder auftauchender Irrtum, der durch unsachliche Bücher wie die Melichars und leider auch das von Ansermet begünstigt wird: Dissonant = atonal.
    Das aber stimmt nicht. Dissonante Musik kann durchaus tonal sein - das beweist etwa der neoklassizistische Strawinskij. Auch Britten komponiert nach herkömmlichen Begriffen "dissonant", dennoch ist seine Musik kaum je atonal. Die Grundtonbezogenheit wird eher durch Chromatik, also leiterfremde Töne, unterminiert als durch die Verwendung von Dissonanzen.


    Umgekehrt kann konsonante Musik atonal sein. Ich gebe ein kleines Beispiel: Man stelle sich eine Folge dieser reinen Dur-Akkorde in Grundstellung (Grundton, darüber Große Terz, darüber reine Quint zum Grundton, also etwa c-e-g) vor: C-Dur - H-Dur - Gis-Dur - D-Dur - B-Dur - Fis-Dur. Jeder Dreiklang ist in sich völlig konsonant, die Folge jedoch wird keiner Tonart zugeordnet werden können. (Interessante Randerscheinung: Der Charakter dieser Akkordfolge wäre Dur, ohne auf eine klare Grundtonart festgelegt zu sein.)

    ...

  • Bezüglich der Dissonanzen wieder was gelernt, danke ihr Lieben.


    Allerdings kann ich mir jetzt unter Atonalität nichts vorstellen, dazu fehlt mir leider noch der musiktheoretische Hintergrund. :D Könnte mir jemand ein Hörbeispiel empfehlen, oder kann man das nur anhand des ganzen Werkes wahrnehmen? ?(

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Hörbeispiele für echte Atonalität wären:
    Schönberg: "Erwartung", 5 Orchesterstücke, "Pierrot lunaire"
    Berg: "Wozzeck", Altenberg-Lieder
    Webern: 6 Orchesterstücke
    Varèse: Hyperprism, Arcana


    Zwölftontechnik in der Schönberg-Methode (mit Modifizierungen)
    Schönberg: Variationen op.31
    Berg: "Lulu"
    Webern: Symphonie op.21
    Strawinskij: Threni
    Henze: 3. Symphonie


    Reihentechnik mit nicht-12tönigen Reihen
    Strawinskij: Mouvements für Klavier und Orchester
    (weitere charakteristische Stücke, etwa von Andrej Wolkonskij, sind auf CD kaum aufzutreiben)


    :hello:

    ...

  • Wie ich meine, ist Schönbergs Bläserquintett sehr gut geeignet, die Durchführung der Zwölftontechnik zu verfolgen. Einerseits sind die Stimmen sehr gut zu unterscheiden, da es sich um fünf verschiedene Instrumente völlig verschiedener Klangfarbe handelt, andererseits ist es eine der ersten Zwölftonkompositionen überhaupt, also in den Anfängen und somit sehr "sauber" geschrieben und gut nachvollziehbar.


    Und nebenbei: Es ist auch noch ein sehr schönes Werk...


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ich habe mir mal spontan eines herausgepickt:


    Webern: 6 Orchesterstücke


    Davon gabs beim Taminopartner einminütige Ausschnitte aus den sechs Sätzen (Langsam, Bewegt, Mäßig, Sehr mäßig, Sehr langsam, Langsam - ich hoffe das waren die richtigen). Leider bin ich jetzt nicht schlauer als vorher. :D Für mich klang das eher wie Filmmusik, jedoch keineswegs unangenehm wie die weiter oben beschriebenen Dissonanzen - nur anders.


    Ich probiers dann mal mit 'nem Zwölftonbeispiel.

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Zitat

    Für mich klang das eher wie Filmmusik


    Na prima, Gentilhombre, dies ist doch ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass Du jetzt im Film bist :)


    Die 6 Orchesterstücke klingen in der Tat sehr "gemäßigt", obschon sie es ja gar nicht sind. Aber Webern hatte für meinen Geschmack, trotz harter Technik, eine sanfte Sprache.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Gentilhombre
    Ich habe mir mal spontan eines herausgepickt:


    Webern: 6 Orchesterstücke


    Davon gabs beim Taminopartner einminütige Ausschnitte aus den sechs Sätzen
    (Langsam, Bewegt, Mäßig, Sehr mäßig, Sehr langsam, Langsam - ich hoffe das waren die richtigen). Leider bin ich jetzt nicht schlauer als vorher. :D Für mich klang das eher wie Filmmusik, jedoch keineswegs unangenehm wie die weiter oben beschriebenen Dissonanzen - nur anders.


    Damit konntest Du für dich selbst bestätigen, dass "unangenehm" erstmal ziemlich unabhängig von tonal/atonal ist. :) Ist ja auch klar, denn unangenehm ist etwas extrem persönliches, nichts objektives.
    Die genannten Stücke dürften aber vor dem tonalen Hintergrund, den wir aufgrund unserer Sozialisation alle haben, doch für die meisten "spannungsreich" klingen.


    Meiner Erfahrung nach sind alle Vorurteile, die einem einreden, z.B. Bach, später Beethoven, Wagner, Kammermusik, Musik des 20. Jhds. usw. sei besonders schwierig, unzugänglich, erfordere "Arbeit" kontraproduktiv (auch wenn sie gewiß wahres enthalten). Hörer sind so verschieden, haben so unterschiedliche Hintergründe und Zugänge, dass man nur sehr schwer sagen kann, was jemand als Zumutung und was er als faszinierend empfinden wird. Daher sollte man die Leute das lieber selber entdecken lassen, ein gewisse Offenheit müsse sie eh immer mitbringen, die kann man ihnen nicht einreden.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • So, habe mir soeben die Variationen (Schönberg, op 31) gegeben, auch hier natürlich nur einminütige Tonschnipsel. Ein ähnlicher Höreindruck wie bei Webern, aber teilweise härter (vielleicht wilder?). Für mich als Laie fällt es schwer, darin Strukturen zu erkennen (<- Atonalität?), es klingt beinahe so als würden alle durcheinander spielen. Natürlich nicht ganz, aber der Höreindruck geht in die Richtung. Und so hintereinander abgespielt, klingen die Ausschnitte nach einer Weile irgendwie alle gleich, was vielleicht daran liegt, daß ich eben keine besonderen Muster ausmachen kann.


    Auf eine gewisse Weise interessant, aber ansprechen tut es mich nicht.



    Zitat

    Meiner Erfahrung nach sind alle Vorurteile, die einem einreden, z.B. Bach, später Beethoven, Wagner, Kammermusik, Musik des 20. Jhds. usw. sei besonders schwierig, unzugänglich, erfordere "Arbeit" kontraproduktiv (auch wenn sie gewiß wahres enthalten). Hörer sind so verschieden, haben so unterschiedliche Hintergründe und Zugänge, dass man nur sehr schwer sagen kann, was jemand als Zumutung und was er als faszinierend empfinden wird.


    Ja, da stimme ich zu. Jemand, der beispielsweise Filmmusik italienischer Thriller aus den 70ern (Giallos) hört, der würde sich bei den Sachen von Webern und Schönberg, die ich mir vorhin anhörte, sehr schnell heimisch fühlen.



    :hello:
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose