Zugang zu Joseph Haydn und seinen Werken

  • Liebe Forianer


    Kaum sollte man es für möglich halten, aber selbst der unvergleichliche Joseph Haydn braucht scheinbar immer wieder "Fürsprecher" bzw Argumente, welche seine Großartigkeit bestätigen.


    Aber ist das überhaupt möglich ?


    Schon Schumann übte Kritik an jenem "liebenswürdigen alten Herrn" den man gerne erwähnte, dessen Musik aber den Zeitgenossen Schumanns nichts mehr zu sagen hatte.


    Ähnlich scheint es heute zu sein.
    In meiner Jugend war Haydn - wenn meine Erinnerung mich nicht trügt - noch viel populärer - aber auch damals spielte man immer wieder dieselben Werke - vorzugsweise die "Namenssinfonien" (und da nicht alle) und einige Werke, die man Joseph Haydn zuschrieb, die aber den kleinen Schönheitsfehler hatten in Wahrheit nicht von ihm zu sein.



    Haydn steht heute nach wie vor im Schatten Mozarts - ob das zu deren Lebzeiten auch so war ist IMO nicht eindeutig geklärt - Haydns Berühmtheit gegn Lebensende ist jedoch unumstritten - sie war legendär.



    Heute "verkauft" man Haydns Werk in erster Linie dadurch, daß man immer wieder seinen "Witz" betont (den die meisten Hörer sowieso nicht orten können)


    Leider aber hat der große Mann drei epochale Fehler begangen:
    1) Er hat sein Leben vorzugsweiose in der Provinz verbracht, für Eskapaden, Amouren und Intrigen war da nur wenig Gelegenheit - sowas dämpft das Interesse des Publikums automatisch


    2)Er hat zu lange gelebt.
    Die allzu beliebte Geschichte mit dem viel zu früh verstorbenen Genie, welches noch vieles geschaffen hätte - hätte es nur länger gelebt - ließ sich auf ihn nie anwenden - eindeutig ein Minuspunkpt in seiner Biographie


    3) In dieser relativ langen Lebensspanne hat er noch dazu fleissig komponiert - ein Vielschreiber.
    Das Publikum verliert in solchen Fällen schnell die Übersicht - und auch die Lust alles zu hören. Vivaldi, Scarlatti und andere mussten auch für dieses Vergehen büssen, und es soll sogar Leute geben, die es begrüßen, daß von Bachs Kantaten nur etwa 200 erhalten sind.



    Zudem findet sich in Haydns Musik nur wenig offensichtlich Revolutionäres - wobei die Betonung auf "offensichtlich" liegt...


    Finden die späten Sinfonien noch einigermaßen gnade vor den Ohren des gestrengen mahler- und schostakowitschgeschulten Publikums, so werden die frühen (IMO völlig zu Unrecht) in die nähe von "Kleinmeistern" des frühen 18. Jahrhunderts gerückt.


    In der Zeitung konnte ich neulich lesen, daß der Fremdenverkehrsindustrie ein Mozartjahr wesentlich lieber wäre - aber da eben derzeit keines sei, müsse man sich eben mit Haydn "begnügen" (!!!)


    Auf diesen Thread kam ich durch folgende Statements in einem anderen Thema - aber dergleichen kann man offen oder versteckt immer wieder lesen:


    Zitat

    bis auf den ersten satz auch in die kategorie fallend: EUNW. einmal und nie wieder


    ich finde es bemerkenswert und habe es auch schon öfters festgestellt, daß mich bei haydn (neben den menuetten) am ehesten die langsamen sätze langweilen, die m.m.n. auch oft zu den kompositorisch 'harmlosesten' sätzen zählen. (ganz im ggs. zu mozart)


    komisch, bei einem großen komponisten sind doch vor allem die langsamen sätze oft die besten und tiefsten. hat jemand das gleiche empfinden oder eine ähnliche meinung?


    Tja und jetzt können einerseits diese Fragen hier beantwortet werden - und man kann auch drüber nachdenken, warum einer der zu Lebzeiten berühmtesten Komponisten heute nicht die volle Anerkennung geniesst, die er meiner Meinung nach verdienen würde.


    mehr zu diesem Thema von mir weiter unten im Thread


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • hallo, alfred, obwohl dein thread sicherlich berechtigt ist, fühle ich mein zitat aber von dir pr-mäßig ärgerlicherweise mißbraucht und in falschem zusammenhang gestellt!! :motz: :angry:


    wie bekannt sein dürfte, schätze ich haydn außerordentlich und bedaure auch sehr die mangelnde einsicht, daß es sich hierbei um einen der größten aller handelt. dennoch gehöre ich zu denen, die aufgrund der größe nicht auf die knie gehen und nun jedes stückchen eines komponisten vorbehaltlos gut finden. und gerade diese frühen symphonien finde ich - soweit ich sie jetzt kenne - als nun wirklich ziemlich belanglos und langweilig. das wird sich sicherlich schon bei den tageszeitensymphonien ändern.
    ich fände es auch schrecklich wenn eine 104. das gleiche niveau wie eine 1. hätte...


    zu den langsamen sätzen: ja, das fiel mir immer wieder auf und ich begreife es nicht, wieso haydn hier zuweilen/öfters (dazu muß ich alle genauer hören) keine so 'großartigen' lösungen fand wie in seinen 1. und 4. sätzen. das würde ich geren diskutieren.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Klingsor!


    Zitat

    Original von klingsor
    zu den langsamen sätzen: ja, das fiel mir immer wieder auf und ich begreife es nicht, wieso haydn hier zuweilen/öfters (dazu muß ich alle genauer hören) keine so 'großartigen' lösungen fand wie in seinen 1. und 4. sätzen. das würde ich geren diskutieren.


    Das verstehe ich allerdings nur sehr begrenzt.
    88. Symphonie - 2. Satz?
    Quartett op. 76/5 - 2. Satz?
    Läßt man dafür etwa nicht alle ersten Sätze und Finali der Welt links liegen? :yes:


    Das sind jetzt nur mal zwei ganz herausragende Beispiele.
    Notier Dir doch einfach mal bei allen 104en, wo Du den 2. Satz als mit den Ecksätzen nicht auf dem gleichen Niveau befindest. Dann stelle Deine Liste vor, dann werde ich eine Gegenliste erstellen. Und dann reden wir weiter. :D


    :hello: Pius.

  • hallo, pius,


    nur damit wir uns nicht mißverstehen :D : es gibt viele, viele ganz traumhaft schöne langsame symphoniesätze bei haydn. du nennst schon mal einige dieser. und haydn hat zahllose wunderbare langsame 'stellen' geschrieben.


    ich beziehe das hier aber nur auf die 104e, weder auf messen, kammermusik, opern etc. und da fiel mir eben zu meinem leidweisen auf, daß ich bei enigen symphonien eben die lamgsamen 'schlechter' fand als die 1. und 4. sätze. und das verwunderte mich.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • so, nun leiste ich bereits bei der 4. symphonie (vorläufige) abbitte: ein grandioser, faszinierender, tiefer, irgendwie 'fremdartiger' wunderbarer satz ... :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Zitat

    Original von klingsor
    ich fände es auch schrecklich wenn eine 104. das gleiche niveau wie eine 1. hätte...


    Sehe ich genau so. Allerdings muss man etwas vorsichtig bei der Hoboken-Zählung sein, die gilt nachweislich als überholt und zumindest die 3. ist in der Zählung nach Manfred Huss die eigentlich 19., siehe hier.


    Ohne die Symphonien einer genauen Analyse unterzogen zu haben, glaube ich schon, daß so manche Symphonie eines sog. Kleinmeisters (Gossec, Beck etc.) einer frühen Haydn-Symphonie nicht nachstehen muss.


    Was ich außerordentlich schade finde, ist die vermeintliche Vernachlässsigung des Konzertschaffens Haydns, hier v.a. der Klavierkonzerte. Perlen wie das Hob XVIII: 3 G-Dur gehören in die erste Reihe der Klavierkonzerte im 18. Jhd. und brauchen sich IMO nicht hinter den meisten der Mozartschen Werke zu verstecken. :yes:


    Heute gehört, wird die folgende Aufnahme den Werken voll gerecht:




    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ohne die Symphonien einer genauen Analyse unterzogen zu haben, glaube ich schon, daß so manche Symphonie eines sog. Kleinmeisters (Gossec, Beck etc.) einer frühen Haydn-Symphonie nicht nachstehen muss.


    ganz und gar nicht.eher im gegenteil. was ich da alles kennegelernt habe: da lasse ich viele der frühen haydns und mozarts links liegen. :yes:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat


    :hello:
    Wulf
    :hello:
    Wulf


    Hallo, Doppel-Wulf! (Edit: das hattest Du schnell wieder korrigiert)


    Zitat


    Was ich außerordentlich schade finde, ist die vermeintliche Vernachlässsigung des Konzertschaffens Haydns, hier v.a. der Klavierkonzerte. Perlen wie das Hob XVIII: 3 G-Dur gehören in die erste Reihe der Klavierkonzerte im 18. Jhd. und brauchen sich IMO nicht hinter den meisten der Mozartschen Werke zu verstecken. :yes:


    Das sehe ich durchaus anders. ich finde Haydns Klavierkonzerte vergleichsweise langweilig.


    Ich stelle mal folgende provokante These auf:


    Die genialsten musikalischen Ideen und Inspirationen hat Haydn für seine Streichquartette verwendet.
    Die übriggebliebenen sind in seine Symphonien geflossen.
    Die dann noch übrigen verwendete er für geistliche Musik.
    Was dann noch an Inspiration und Themenmaterial verblieb, investierte er in Klaviertrios und Klaviersonaten.
    Und erst mit den dann noch übrigen Resten komponierte er die Instrumentalkonzerte.
    (und was dann noch übrig war, wurde zum Barytontrio)


    :D


    Ist natürlich total überspitzt, aber zumindest in der Tendenz sehe ich das so.


    Viele Grüße,
    Pius.


    P.S.:


    Zitat

    Ohne die Symphonien einer genauen Analyse unterzogen zu haben, glaube ich schon, daß so manche Symphonie eines sog. Kleinmeisters (Gossec, Beck etc.) einer frühen Haydn-Symphonie nicht nachstehen muss.


    Das sehe ich auch so.

  • Zitat

    Original von Pius


    Hallo, Doppel-Wulf! (Edit: das hattest Du schnell wieder korrigiert)


    Siehste ;)


    Zitat


    Das sehe ich durchaus anders. ich finde Haydns Klavierkonzerte vergleichsweise langweilig.


    Schade. Hör Dir einfach mal das von mir genannte Konzert an. Ich denke schon, daß es ein Meisterwerk seiner Gattung ist. Klassische Formstrenge, inspirierte Melodik, alles ist sehr geistreich erfunden.




    Alter Provokateur, Du! :P


    Zitat

    Das sehe ich auch so.


    Das freut mich! :)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Pius


    Das sehe ich durchaus anders. ich finde Haydns Klavierkonzerte vergleichsweise langweilig.


    Die drei oder vier, die ich kenne, finde ich schon hörenswert, besonders natürlich das bekannteste D-Dur. Aber mit Mozarts großen Konzerten (sie sind auch alle eher vor Mozarts reifen Konzerten, abgesehen von dessen KV 271 entstanden), können sie nicht ganz mithalten. Auch die Cellokonzerte und sogar die späte und großartige Sinfonia concertante würde ich hinter die jeweils gleichzeitigen Sinfonien stellen.



    Ich sehe das eher so, daß das nichts mir der Qualität der Ideen oder Inspirationen zu tun hat. Vom thematischen oder melodischen Material her ist das m.E. auch nicht richtig. Auch wenn die Bereiche nicht immer streng getrennt sind, so gilt bei Haydn das Quartett als die anspruchsvollste Gattung für Kenner. Die eben Feinheiten hören, die dem Sinfonie-Publikum entgehen. Klaviersonaten und -trios sind auch für selberspielende Amateure, aber "leichter" als Quartette (oft zweisätzig, Tanzfinali usw.).
    Von Thematik und Melodik her sind daher Sinfonien und auch Trios oft eher eingängiger als die Quartette.
    Abgesehen davon hat Rosen doch recht, wenn er die Trios für unterschätzt hält. Mehr als ein dutzend davon sind späte Werke aus den 1790ern.
    Man muß auch sehen, daß etwa 40 von knapp 70 Quartetten nach 1780 geschrieben wurden, aber nur gut 30 von 104 Sinfonien. Es gibt also anteilmäßig viel mehr spätere Quartette als Sinfonien. Den 18 Quartetten um 1770 stehen zwar eine ganze Reihe ähnlich anspruchsvoller Sinfonien zur Seite, aber die Quartette sind viel systematischer komponiert.


    Die Sinfonie hat natürlich auch eine Entwicklung durchgemacht. In der früheren und der mittleren Epoche stehen anspruchsvolle neben eher populären, serenadenartigen und repräsentativen Werke (oder solchen, die diese Aspekte mehr oder weniger gelungen verbinden), einige haben vermutlich Pastiche-Charakter, enthalten als Ouverturen und Schauspielmusik verwendete Sätze. Walter sieht sogar zwischen den Pariser und Londoner Sinfonien noch einen deutlichen Unterschied, den er u.a. auf das weniger gebildete Londoner Publikum schiebt, für das "populärer" geschrieben werden mußte, was Haydn einlöst, aber eben ohne im Anspruch nachzulassen.


    Ansonsten meine ich, daß wir vieles davon schon hier besprochen hätten...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Wulf
    Schade. Hör Dir einfach mal das von mir genannte Konzert an. Ich denke schon, daß es ein Meisterwerk seiner Gattung ist. Klassische Formstrenge, inspirierte Melodik, alles ist sehr geistreich erfunden.


    Stimmt, wunderbares Konzert, auch diejenigen in F-Dur und D-Dur.
    Tolle Haydn'sche Melodik! ;)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • klingsor


    Ich habe Dein Statement weder kommentiert, noch berichtigt, noch Dich namentlich genannt, es war eine Aussage wie sie immer wieder im Zusammenhang mit Joseph Haydn zu finden ist.


    Auch ich hatte am Anfang wenig zugang zu Joseph Haydns Sinfonien - sie wurden damals grade von der Philöharmonica Hungarica unter Dorati eingespielt und über alle Maßen bejubelt - ich jedoch fand sie hausbacken.


    Da ich heute den Zugang zu Haydns Werken der meisten Genres gefunden zu haben glaube, möchte ich dieses Erlebnis möglichst vielen Musikfreunden zu vermitteln versuchen. Das Haydn-Jahr 2009 scheint mir hierzu ein idealer Zeitpunkt zu sein.


    Und Dein Statement - egal wie immer es gemeint war - war in diesem Falle die ideale Inspiration......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • alfred,ok, dennoch bleibt ein zitat ein zitat und sollte fairerweise auch nur im ursprünglich gemeinten sinne zitiert werden. sonst kann sich jeder irgendwas zitatmäßig zurechtbauen.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Dazu wollte ich noch kurz anmerken, dass mich als junger Mensch (ich war ca. 18 Jahre alt) bei Haydns Sinfonien vor allem die Menuette angesprochen haben. Selbst heute (mit über 40) finde ich seine Menuette immer wieder schön, auch bei den Streichquartetten und sogar bei den frühen Klaviersonaten.


    Haydns Stärke: Man hört ihn immer gern, morgens, mittags, abends, zu jeder Jahreszeit, in jeder Stimmung. Es mag "bessere" Komponisten geben, aber unter denen ist kein einziger, auf den ich immer Lust habe.


    Das gilt auch für seine Opern: Wagners "Parsifal" ist möglicherweise besser als Haydns "Il mondo della luna". Letztere höre ich aber öfter...




    Thomas Deck

  • Hallo!


    Ich habe ja relativ lange für den Zugang zu Haydn gebraucht, aber es hat sich mehr als gelohnt.
    Vor einem Jahr kannte ich von Haydn die Pariser und Londoner Symphonien, die Quartette op. 64 und das "Kaiserquartett". Op. 64 fand ich trocken, und die typische Haydn-Symphonie klang ungefähr so für mich (vielleicht findet sich in der einen oder anderen (etwas überspitzten) Aussage ja der eine oder andere ein wenig wieder):


    1. Nach einer schönen getragenen oder düsteren langsamen Einleitung springt ein munter-naives Simpel-Thema drauflos. Es gibt entweder kein zweites Thema, oder dieses ist noch simpler, und der Rest ist mehr oder weniger langweiliger Füllstoff. In der Durchführung wird es teilweise etwas dramatischer, aber alles irgendwie doch ein oder zwei Nummern zurückgenommener als z.B. bei Beethoven. Danach geht es weiter wie gehabt.


    2. Es schließt sich an ein Variationssatz (mindestens andante, bloß nicht adagio, das wäre viel zu gewichtig) über ein diesmal bäuerlich-naives Thema, zwischendurch gibt es einen kleinen Moll-Sturm im Wasserglas.


    3. Ein Menuett. Die klingen sowieso alle gleich. Gleich langweilig.


    4. Das Finale. Das Werk klingt heiter und beschwingt aus. Ganz hübsch, aber wenn man sonst eher romantische Finalsymphonien hört doch irgendwie belanglos...


    Insgesamt fand ich's also vergleichsweise belanglos. Gegenüber Mozart fehlten mir die hübschen Themen und die sentimentalen Stellen (bei Haydn wird eben nicht so viel geheult... :untertauch: ), gegenüber Beethoven der Ernst.


    Wo hatte ich meine Ohren! Ich musste die Werke einfach nur ernst nehmen, und schon gefiel mir eins nach dem anderen immer besser. Initialzündung Nummer eins waren die Mollsymphonien aus der Sturm- und Drang-Zeit, die mir sofort gefielen; mir fiel auf, dass die späten Symphonien nicht selten genauso dramatisch sind, nur eben nicht die ganze Zeit über.
    Und dann die Quartette op. 76, da vor allem die langsamen Sätze - das konnte doch nicht sein, dass Haydn derart fantastische Sätze nur in Quartetten zustande gebracht hat. Nein, das ist ja auch nicht so. ;)
    Ja, und die Menuette - die wollten auch einfach nur ernstgenommen werden; denn wenn man von vornherein mit der Einstellung "das ist ja belanglos" an ein Werk geht, dann hört man eben genau das. Erst wenn die Vorbehalte weg sind, hört man richtig zu.


    (op. 64 finde ich übrigens immer noch trocken :D )



    Gruß,
    Frank.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Haydn soll ja (sinngemäß zitiert) zu Beethoven gesagt haben: Das Leben bringt genug Probleme mit sich, es bringt nichts, sie auch noch zu vertonen.
    Deine Beschreibung ist ja gar nicht mal so schlecht, aber doch zu korrigieren:


    ad1. Die Themenblöcke sind meistens nicht lange lyrische Melodien, sondern mehrere Gestalten auf einmal. Einen Haydn-Allegrosatz hören ist für mich wie ein Puzzle zusammenbauen.


    ad2. Die Themen sind aber doch oft ganz hübsch und könnten auch oft mit Mozarts standhalten. Besonders tiefsinnig sind z. B. 99 und 102.


    ad3. Das hat leider einen wahren Kern, aber die Trios sind meistens am hörenswertesten!


    ad4. Oder positiv ausgedrückt: ziemlich fetzig 8)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Rappy!


    Das sollte keine ernsthafte Beschreibung der "typischen" Haydn-Symphonie sein, sondern das, was ich überspitzt vor einem Jahr dafür gehalten habe! Natürlich haben die langsamen Sätze von 102 und 99 weder bäuerliche noch naive Themen, außerdem sind es Adagios; und dazu gesellt sich noch eine lange Reihe weiterer Sätze, die nicht in obiges "Formschema" passen.
    Ähnliches gilt für die Aussagen zu den anderen Sätzen.



    Gruß,
    Frank.

  • Hallo,


    Mein Zugang zu Joseph Haydn war auch nicht gerade bei vielen seiner Werke Liebe auf den ersten Blick - sie sprechen meiner Meinung oftmals nicht so unmittelbar an wie Werke manch anderer Komponisten. Obwohl es sicher auch diese Werke von ihm gibt, wenn auch in Relation zu seinem Gesamtwerk mehr in der Minderheit (ich denke da zB nur an sein D-Dur Klavierkonzert, der Schöpfung, einige der späten Sinfonien,...)
    Ich denke bei Haydn ist es oftmals wichtig ins Detail zu gehn wo m.M. nach die Stringenz in der Raffinesse seiner Musik liegt. Das kann man so zwar nicht auf alle seine Kompositionen ummünzen, aber aus meiner Erfahrung nach auf Viele - die Momente in denen er fein ausgearbeitete kontrapunktische Details oder Überraschungen durch plötzliche Abänderung der üblichen Formschematiken einsetzt sind für mich zB die besonderen Details die aber natürlich keine Breitenwirkung erzielen. Viele Klassikhörer setzen auf solche Details nicht ihre Aufmerksamkeit oder entdecken diese erst nach mehrmaligem Hinhören.


    Mozart schrieb einmal selber in einem Brief diesen bekannten Ausspruch:
    ...die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die nicht=kenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum.
    Damit drückt er wohl eine gewisse Gradwanderung aus die der Komponist machen muß um allgemein Anklang zu finden (sofern man dieses vorhat).
    Die etwas "oberflächlicheren" Aspekte wie zB der eingängigen Melodie, oder einer markanten Behandlung der Rythmik müßten somit mit tiefergehender Kompositionskunst in Einklang gebracht werden ohne eines von Beiden davon zu sehr dominieren zu lassen.
    Ist das eventuell ein Punkt den Mozart öfters besser beherrscht hat oder auch durch die verschiedenen Lebensumstände der Komponisten resultiert da Haydn ja im Gegensatz zu Mozart viele Jahre eine feste Anstellung hatte und somit nicht immer dem Druck ausgesetzt war Musik zur "allgemeinen Gefälligkeit" des Konzertpublikums zu schreiben, sondern eher wie Haydn selber einmal meinte "original" werden konnte da ihn sonst niemand "irre machen und quälen" konnte. Das kann man jetzt wie oben gesagt natürlich nicht Verallgemeinern - der Eine wie der Andere hat auch dieses wie jenes in seinem Gesamtwerk - aber vielleicht kann eine gewisse Tendenz dadurch herrühren das vielleicht auch noch heute viele Menschen unbewußt öfter als bei Haydn einen besseren Zugang zu Mozarts Musik finden.
    Das dann natürlich auch historisch noch einiges dazukommt - schon allein die mystische Legende um Mozarts frühen Tod und sein Requiem, was Werbewirksameres kann es ja kaum geben - Haydn seine Biographie ist dagegen sicher nicht dienlich um hier schon Neugier und näheres Interesse bei der Masse zu erzeugen...gibt es überhaupt einen Haydn-Film? (hab mich ehrlich gesagt noch nicht darum gekümmert)


    Wie ich ja schon mal im anderen "META-Thread" schrieb gibt es jedoch bei der Masse an Kompositionen so viel zu entdecken, da widerlegt Haydn auch oft das übliche Image des rational komponierenden Langweilers. Wenn ich jetzt mal endlich meine Bestellung bekommen werde, werde ich hier ein Werk vorstellen das leider - selbst hier - kaum der Erwähnung findet, obwohl es das sicherlich nicht verdient hätte - nicht aber die Motette...die ist aber für sich allein schon ein kleines Juwel das meiner Meinung nach sogar Haydn-untypisch klingt und mich mehr an den späten Mozart, ja sogar etwas an Beethoven erinnert (die aber auch wie ich vermute ihr Schattendasein fristet)
    Vielleicht finden so manche Klassikhörer dieses Jubliäumsjahr durch eine
    unvoreingenommene Entdeckungsreise zu Haydn die sich vorher nicht sonderlich viel mit ihm befasst haben - er und seine Musik hätten es auf jeden Fall verdient. (um abschliessend auch etwas Geschwollenes darzubieten :wacky: )


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    Mein Zugang zu Joseph Haydn war auch nicht gerade bei vielen seiner Werke Liebe auf den ersten Blick - sie sprechen meiner Meinung oftmals nicht so unmittelbar an wie Werke manch anderer Komponisten. Obwohl es sicher auch diese Werke von ihm gibt, wenn auch in Relation zu seinem Gesamtwerk mehr in der Minderheit (ich denke da zB nur an sein D-Dur Klavierkonzert, der Schöpfung, einige der späten Sinfonien,...)
    Ich denke bei Haydn ist es oftmals wichtig ins Detail zu gehn wo m.M. nach die Stringenz in der Raffinesse seiner Musik liegt.


    Das ist mir jedenfalls beim Sinfonienprojekt aufgefallen, wo ich gemerkt habe, daß ich auch einige der Londoner Sinfonien, die ich seit Jahren meinte gut zu kennen, eigentlich nur ziemlich oberflächlich gehört hatte...
    An meinen Zugang kann ich mich nur noch ausschnittweise erinnern. Jedenfalls gehörten vier Haydn-Sinfonien (Paukenschlag, Uhr, Militär, Paukenwirbel) zu den ersten Klassik-Werken, die ich näher kennenlernte, als ich mit 14, 15 (ca. 1987) anfing, mich mit dieser Musik zu befassen. Gefiel mir anfangs besser als Mozart. Wenig später wurde Haydn aber von Mozart und besonders Beethoven vorübergehend verdrängt und ich kannte lange nur ein paar der bekanntesten Sinfonien. Etwa 1995/96 habe ich dann eine CD mit Quartetten und eine mit weniger bekannten Sinfonien (Rattle mit 60,70,90) gekauft und seit dem mehr und mehr seiner Sinfonien und später auch Streichquartette usw. Das hat sich aber über Jahre hingezogen und den genauen Verlauf kann ich nicht mehr rekonstruieren.


    Zitat


    Damit drückt er wohl eine gewisse Gratwanderung aus die der Komponist machen muß um allgemein Anklang zu finden (sofern man dieses vorhat).
    Die etwas "oberflächlicheren" Aspekte wie zB der eingängigen Melodie, oder einer markanten Behandlung der Rhythmik müßten somit mit tiefergehender Kompositionskunst in Einklang gebracht werden ohne eines von Beiden davon zu sehr dominieren zu lassen.
    Ist das eventuell ein Punkt den Mozart öfters besser beherrscht hat oder auch durch die verschiedenen Lebensumstände der Komponisten resultiert da Haydn ja im Gegensatz zu Mozart viele Jahre eine feste Anstellung hatte und somit nicht immer dem Druck ausgesetzt war Musik zur "allgemeinen Gefälligkeit" des Konzertpublikums zu schreiben, sondern eher wie Haydn selber einmal meinte "original" werden konnte da ihn sonst niemand "irre machen und quälen" konnte. Das kann man jetzt wie oben gesagt natürlich nicht Verallgemeinern - der Eine wie der Andere hat auch dieses wie jenes in seinem Gesamtwerk - aber vielleicht kann eine gewisse Tendenz dadurch herrühren das vielleicht auch noch heute viele Menschen unbewußt öfter als bei Haydn einen besseren Zugang zu Mozarts Musik finden.


    Das glaube ich eher nicht. Haydn war seinerzeit der populärste und berühmteste Instrumentalkomponist Europas. Es gelang ihm offenbar, Popularität und Originalität zu verbinden. (Originalität wurde ja durchaus erwartet, in gewissen Grenzen, über die teils Mozart und besonders dann Beethoven hinausschlugen. Mozart hätte einen eigenen Beitrag verdient. Ein gut Teil von Mozarts Popularität heute ist eine Scheinpopularität. Ein anderer Teil wird damit erklärt, daß Opern und Konzerte eben populärer sind als Sinfonien.
    Es gibt, das hatten wir woanders schonmal angesprochen, ein paar Eigenschaften, die Mozart heute eingängiger scheinen lassen mögen, wie regelmäßige eingängige Melodien, teils auch regelmäßigere Formen. Aber im Grunde trifft die ironische Charakterisierung der Haydn-Sinfonie oben auch auf die Mozarts zu...


    Zitat


    Wenn ich jetzt mal endlich meine Bestellung bekommen werde, werde ich hier ein Werk vorstellen das leider - selbst hier - kaum der Erwähnung findet, obwohl es das sicherlich nicht verdient hätte - nicht aber die Motette...


    Von dieser Motette habe ich noch nie etwas gehört, aber ich finde folgende Information:


    Bearbeitung, Autorschaft unsicher, doch Haydns Einverständnis wahrscheinlich, nicht s als 1798
    Vorlage für das Stück ist ein Chor "Svanisce in un momento" aus dem Oratorium "Il Ritorno di Tobia", es gibt auch eine deutsche und eine englische Textfassung.


    aus dem Werkverzeichnis App. B.1 (der Vokalwerke) B/8


    nach Larsen/Feder: Haydn, Stuttgart 1994


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das glaube ich eher nicht. Haydn war seinerzeit der populärste und berühmteste Instrumentalkomponist Europas. Es gelang ihm offenbar, Popularität und Originalität zu verbinden. (Originalität wurde ja durchaus erwartet, in gewissen Grenzen, über die teils Mozart und besonders dann Beethoven hinausschlugen. Mozart hätte einen eigenen Beitrag verdient. Ein gut Teil von Mozarts Popularität heute ist eine Scheinpopularität. Ein anderer Teil wird damit erklärt, daß Opern und Konzerte eben populärer sind als Sinfonien.
    Es gibt, das hatten wir woanders schonmal angesprochen, ein paar Eigenschaften, die Mozart heute eingängiger scheinen lassen mögen, wie regelmäßige eingängige Melodien, teils auch regelmäßigere Formen. Aber im Grunde trifft die ironische Charakterisierung der Haydn-Sinfonie oben auch auf die Mozarts zu...


    Das stimmt natürlich das Haydn damals einen allgemein sehr großen Anklang gefunden hat.
    Man könnte das aber jetzt weiterverfolgen was das Ganze aber ziemlich verkomplizieren würde, nämlich dann wenn man die verschiedenen Zeitgeschmäcker berücksichtigt. Heute werden ja ganz andere Wertigkeiten an einer guten Musik gestellt wie Heute wenn man zB nur Pleyel oder Salieri hernimmt, die heute selbst in Fachkreisen nicht als außerordentlich bedeutende Komponisten angesehn werden - konträr zu damals - und Mozart gerade mit seinen tiefsinnigsten, kunstvollsten Kompositionen (wobei ich hier jetzt nicht nur experimentelle Kammermusik im Kopf habe) den allerwenigsten Erfolg verzeichnen konnte während er zB in einem Brief von einem außerordentlichen Erfolg des Rondos f. Klavier u. Orchester in D schrieb das ich mal ganz frech als banale eingängige Unterhaltungs-Rokoko-Musik bezeichnen und jedes Klavierkonzert Mozarts seit KV 271 als weitaus kunstvoller betrachten würde. Waren damals gerade die Moll-Werke für die Menschen so aufwühlend das die Komponisten in der Regel eher selten in diesen Tonarten schrieben so sind gerade diese heute meist die Begehrtesten (durch unseren Zeitgeist und wahrscheinlich der damit verbundenen heute stattfindenen Reizüberflutung ist diese Sensibilisierung des gewaltigen emotionalen Eindruckes wohl verkümmert)
    Damit meine ich das eventuell - auch wenn ich dir da natürlich absolut Recht gebe indem Mozarts Bekanntheit sich sicherlich großteils aus einer Scheinpopularität begründet - Mozart doch unbewußt im Allgemeinen einen persönlichen Stil pflegte der dem heutigen Zeitgeist eher liegt als der Haydns (allgemein jetzt mal unter den Klassikhörern betrachtet, auch wenn es natürlich auch einige gibt die Haydn den Vorzug geben würden) - wobei bei so einem großen Werkumfang natürlich keine Verallgemeinerung vorgenommen werden kann. Mozart war meist in seinem Stil wohl etwas leidenschaflicher und wie du sagst muß er damals in seinen Wiener Jahren im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kollegen originell bzw. Andersartig rübergekommen sein, inwieweit aber diese beim jeweiligen Geschmack Anklang gefunden hat ist ja wieder eine andere Sache, scheint ihm aber heute sicherlich zugutezukommen so das man im Laufe der Zeit zum. dahingehend das Bild revidiert hat indem Mozart und Haydn bei Fachkreisen in Augenhöhe gegenüber stehn, was ja damals von den Meisten nicht annähernd in Erwägung gezogen worden wäre (auch wenn es da ein Zeitzeugenbericht Dittersdorf im Gespräch mit Joseph II. geben soll das in diese Richtung geht)


    Zitat

    Von dieser Motette habe ich noch nie etwas gehört, aber ich finde folgende Information:


    Bearbeitung, Autorschaft unsicher, doch Haydns Einverständnis wahrscheinlich, nicht s als 1798
    Vorlage für das Stück ist ein Chor "Svanisce in un momento" aus dem Oratorium "Il Ritorno di Tobia", es gibt auch eine deutsche und eine englische Textfassung.


    aus dem Werkverzeichnis App. B.1 (der Vokalwerke) B/8


    Es würde mich nicht wundern wäre dieses Werk nicht von Haydn, da es für mich ziemlich untypisch klingt wenn ich es mit mir bekannten anderen Messvertonungen von ihm vergleiche. Das ändert aber zum. nichts an der Tatsache das es eine wirklich (trotz ausschließlich homophoner Satztechnik) sehr ausdrucksstarke, leidenschaftliche Komposition ist die sich nicht vor Mozarts besten geistlichen Werken zu verstecken bräuchte. Das Stück heißt übrigens "Insanae et Vanae Curae" (Des Staubes eitle Sorgen)
    Auf einer anderen Seite las ich das angeblich die "Tonkünstler Societät"
    1795 eine Wiederaufführung von "Il Ritorno die Tobia" von Haydn vernlasst hätte, der darauf bei einer erneuten Durchsicht ein paar Arien gestrichen und 2 Chöre hinzugefügt hätte, einer davon würde sich anscheinend "Sturm"-Chor nennen das er selber zu gut fand um dieses in Vergessenheit geraten zu lassen und erarbeitete daraus diese Motette. Keine Ahnung ob das stimmen könnte, ich habe mir beide Werke bestellt und warte schon sehnlichst das ich sie baldigst bekomme. ;(


    gruß
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

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  • Hallo!


    Wen's interessiert (und da die 99. gerde im falschen thread in der Diskussion ist): In den aktuellen Haydn-Charts ist das Vivace aus der letzten zweistelligen ganz vorne! :untertauch:
    - auch ein Zugang zu Haydn....


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    2)Er hat zu lange gelebt.
    Die allzu beliebte Geschichte mit dem viel zu früh verstorbenen Genie, welches noch vieles geschaffen hätte - hätte es nur länger gelebt - ließ sich auf ihn nie anwenden - eindeutig ein Minuspunkpt in seiner Biographie


    3) In dieser relativ langen Lebensspanne hat er noch dazu fleissig komponiert - ein Vielschreiber.
    Das Publikum verliert in solchen Fällen schnell die Übersicht - und auch die Lust alles zu hören. Vivaldi, Scarlatti und andere mussten auch für dieses Vergehen büssen, und es soll sogar Leute geben, die es begrüßen, daß von Bachs Kantaten nur etwa 200 erhalten sind.


    Was kommt denn dabei heraus, wenn ein zu früh gestorbenes Genie länger lebt? Ein Haydn, oder? Man beschwert sich hier also ganz zu Unrecht... :P


    Man stelle sich einmal vor, Haydn wäre mit 36 Jahren gestorben oder nach seiner 73. Sinfonie oder... was würde uns dann fehlen? Und was würden wir uns dann von Haydn wünschen...? Weitere Sinfonien oder Streichquartette etwa? Oder würden uns diese bis dahin vorhandenen schon reichen, weil sie eh eher unspektakulär wären? Kämen wir je auch nur ansatzweise auf die Idee, uns eine 'Schöpfung' oder die 'Jahreszeiten', ein paar Messen vielleicht oder die 'Militär-Sinfonie' zu wünschen?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von âme
    Es würde mich nicht wundern wäre dieses Werk nicht von Haydn, da es für mich ziemlich untypisch klingt wenn ich es mit mir bekannten anderen Messvertonungen von ihm vergleiche.


    Das 'Problem', daß Oratorien dieser Zeit weder nach Händels Oratorien, Bachs Kantaten noch nach Mozarts Krönungsmesse klingen, scheinen viele Hörer zu haben. Eine offensichtliche Irritation, die aber keineswegs Joseph Haydn zuzuschreiben ist. Die Oratorien der 1770er Jahre haben ihren eigenen Stil, den ich persönlich sehr schätze, da er recht wenig 'christlich' klingt, sondern sich eher an der Opera seria orientiert. Selten finden sich, wie z.B. bei Mysliveces 'Passione' oder Kraus 'Tod Jesu' Choraleinschübe, die für uns heute einen gewissen Aha!-Effekt haben. Übrigens klingen die 'Schöpfung' und die 'Jahreszeiten' ebensowenig oratorienhaft, nur ist hier der Text deutsch (und nicht italienisch wie bei den meisten Oratorien der 70er Jahre) und so kann die Lautmalerei (die nach einem anderen Prinzip funktioniert als in den 70er Jahren) sich vielleicht für uns heute besser entfalten. Aber auch die beiden späten Oratorien haben sehr viel 'Opernhaftes' und/oder Effektmachendes (das habe ich z.B. andernorts in einem speziellen Thread mal angeklagt...).


    Die Ouvertüre zu 'Il ritorno' erinnert mich in den Anfangstakten sehr stark an die Introduktion zu den 'Sieben letzen...' und an die Ouvertüre zu 'L'anima del filosofo'...


    Viele Grüße,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Was kommt denn dabei heraus, wenn ein zu früh gestorbenes Genie länger lebt? Ein Haydn, oder? Man beschwert sich hier also ganz zu Unrecht... :P


    Man stelle sich einmal vor, Haydn wäre mit 36 Jahren gestorben oder nach seiner 73. Sinfonie oder... was würde uns dann fehlen? Und was würden wir uns dann von Haydn wünschen...? Weitere Sinfonien oder Streichquartette etwa? Oder würden uns diese bis dahin vorhandenen schon reichen, weil sie eh eher unspektakulär wären? Kämen wir je auch nur ansatzweise auf die Idee, uns eine 'Schöpfung' oder die 'Jahreszeiten', ein paar Messen vielleicht oder die 'Militär-Sinfonie' zu wünschen?


    Mir ist auch nicht ganz klar, was solche Überlegungen bringen. Wenn Haydn mit 36 Jahren gestorben wäre, würde uns natürlich ziemlich viel fehlen und Haydn würde vermutlich etwa den Bekanntheitsgrad von Wagenseil oder so besitzen; immerhin gäbe es ca. 40 Sinfonien aus seiner Feder und das Stabat mater. Wäre Haydn mit 56 gestorben (wie Beethoven) so würden zwar viele seiner beliebtesten Werke, die späten Messen u. Oratorien, die Sinfonien ab ca. 90, die Quartette ab ca. op. 54 oder 64 usw. fehlen, aber ich glaube er müßte historisch gar nicht viel geringer eingeordnet werden. Die ersten 89 Sinfonien, die Quartette bis einschl. op. 50, die 7 Worte usw. wären immer noch genügend einflußreiche und bedeutende Werke.


    Ich muß ehrlich sagen, daß ich bei den meisten relativ jung verstorbenen Komponisten nicht viel vermisse (von der Müßigkeit solcher Wünsche abgesehen). Bei Mozart höchstens Kirchenmusik, daher stürzt man sich ja so auf die fragmentarischen Werke. Ein Doppelkonzert f. Violine/Klavier vemisse ich nur, weil ich weiß, daß es das Fragment gibt. Sicher wäre es irgendwie ganz nett, nochmal je 10 Sinfonien, Konzerte u. Quartette zu haben und es wäre auch nicht einfach nur mehr vom Gleichen, aber es ist nicht so, daß ich angesichts der existierenden Werken den Eindruck habe, da fehle noch etwas.


    Selbst bei Schubert, wo man solche Überlegungen wohl am häufigsten anstellen mag, bin ich nicht sicher. Auch wenn es ein grausames Klischee ist, kann man sich schwer der Idee entziehen, daß die Intensität seiner späten Werke etwas mit der vielleicht geahnten oder absehbaren Kürze der verbleibenden Zeit zu tun hat. Ausnahmen lassen sich an wirklichen Fragmenten konkretisieren. Eine vollständige Sinfonie auf der Basis der Fragmente, die mitunter als "10." angeboten werden, wäre selbstverständlich extrem faszinierend. (Dagegen finde ich die unterschobene? E-Dur-Sinfonie und sogar die Orchesterfassung des Grand Duo nicht viel mehr als ganz nett.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Mir ist auch nicht ganz klar, was solche Überlegungen bringen.


    Es ist schon merkwürdig: Kontert man dem Vorwurf an Mozart z.B. oder Arriaga, sie haben zu kurz gelebt (und mithin zu wenig komponiert) mit Haydn, der nicht weniger genial war bzw. ist, dann ist's auch nicht recht... man sollte sich über den Haydn-Fundus eher freuen und sich nicht von der Masse erschlagen lassen, denn nicht alles ist Gold, was glänzt. Man kann sich ganz in Ruhe das herauspicken, was einem liegt - und da wird man bei Haydn sicher fündig: Auch Haydn komponierte Tiefgründiges, wohl weniger in den Sinfonien als in den Quartetten, aber durchaus auch in den Klaviersonaten. Paul (musicophil) z.B. hat sich in die Volksliedbearbeitungen vernarrt - warum auch nicht? Es sind wunderbare Spätwerke, wenn auch 'nur' Bearbeitungen. Und ich denke, gerade an diesen Bearbeitungen zeigt sich doch Haydns Können in der Instrumentationskunst und im Umsetzen der Vorlage.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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