Das Kunstlied vor Schubert

  • Liebe Taminoianer,


    Liest man einschlägioge Schallplattenkataloge - stöbert man ich Archiven, liest man Fachzeitschriften - und befasst sich dabei mit dem Thema "Kunstlied" - dann könnte man überspitzt gesagt den Eindruck bekommen vor Schubert war da nicht - zumindest nichts bedeutendes.


    Daß dem nicht so ist - das zu erläutern, wurde dieser Thread von mir erstellt.


    Also ran an die Tastatur und schreibt, was ihr so kennt.



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da haben wir zum Beispiel die Herren Mozart und Beethoven mit ihren Kunstliedern, von welchen auch viele sehr bekannt sind!!
    Ich muss leider sagen, dass ich mich aber sehr wenig mit Liedern der Beiden anfreunden kann.
    Man merkt einfach, dass es sich um eine andere Epoche und ein anderes Denken handelt!! So fehlen einfach die Schubert'schen oder Schumann'schen Gefühlsausbrüche, die für mich gerade Lieder so unvergleichlich intensiv und gefühlsbetont machen.
    Es ist zum Großteil einfach Geschmackssache, aber ich denke, dass die Romantiker nicht umsonst die hoch gehandelten Liederkomponisten sind.


    mfg Richard

  • Hallo Alfred,


    Fast alle Lieder von sowohl Beethoven als Mozart habe ich früher gesungen. Mozart "Das Veilchen" ist für mich der "Trait-d'union" zu den spätere Schubertlieder. So wie er den Text in dieses Lied verklangt. Mit "Abendempfinden" und "Die Alte" kommt das bei mir an erster Stelle der Mozarts Lieder.
    Beethoven "An die ferne Geliebte" und "Ich liebe Dich".
    Was habe ich das "Ich liebe Dich" gehasst. Immer mußte ich es von meiner Lehrerin wieder und wieder einstudieren und immer fehlte etwas. Nicht innig genug, nicht besinnlich, nicht liebend... Alles fehlte offenbar. Wie lange wir es geübt haben, weiß ich nicht mehr, aber dieses Lied sagte mehr über die Liedkunst als ich je davor gedacht hatte.
    Sie behauptete immer "Je einfacher Musik scheint, je schwerer sie auszuführen ist".
    Auch Silcher hat m.E. sehr schöne Lieder komponiert (Ännchen von Tharau).


    Und vergiß nicht der Englische Komponist "James Hook" (1746-1826). Bei meiner Englischen Freunde habe ich viele Lieder von ihm gehört. Charmant wäre eine gute Beschreibung seiner Lieder. Nicht umsonst habe ich gerade eine CD mit Englischen Balladen und Lieder gekauft.


    LG, Paul

  • Beethovens "An die Ferne Geliebte" (wozu es wohl schon einen thread gibt oder jedenfalls zu seinen Liedern) halte ich für ein ganz außerordentliches Werk. Zwar von sehr bescheidenen Ausmaßen, aber durch seine geschlossene Form in gewissem Sinne über Schubert hinausgehend, erst Schumann hat jedenfalls dort wieder angeknüpft. Das letzte Lied "Nimm sie hin denn..." zitiert Schumann (an Clara gerichtet) überdies in etlichen seiner Werke, was die Bedeutung des Beethovenschen Zyklus für ihn zeigt. Auch einige andere Lieder Beethovens sind zu recht berühmt: Adelaide, das Flohlied usw. (Zugegeben nicht viele, aber wieviele Lieder sind schon von expliziten Liedkomponisten wie Brahms oder Wolf wirklich so bekannt wie dei ca. 100 bekanntesten von Schubert und Schumann.
    Ich habe mich ja auch schon mehrfach als Fan der Schottisch/Irischen Volksliedbearbeitungen bekannt. Da finden sich ebenfalls sehr schöne Stücke.


    Es scheint andererseits aber zu stimmen, dass die Klassiker stärker in größeren und eher dramatischen Formen denken als in lyrischen Miniaturen.


    (edit) Dann gibt es ja noch die frühbarocken Lieder von Dowland & Co, auch später von Purcell z.B., ganz großartige Stücke dabei!


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    Carl Loewe [1796-1869] sollte man sicher nicht vergessen, jedenfalls wurde er [gerade noch] vor Schubert geboren.


    Meine Lieblingslieder von Mozart sind


    "Der Zauberer" KV 472 und
    "Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte..." KV 520


    Gute Nacht
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    Carl Loewe hat hier wohl nichts verloren. Er komponierte seine ersten Balladen lange nach Schuberts Erlkönig und kommt so nicht für einen Thread "Das Kunstlied vor Schubert" in Betracht.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo zusammen!


    Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auf alle Fälle zwei Komponisten, über welche mein Kenntnisstand aber nur sehr gering ist.


    Da wäre zum einen: Johann Rudolf Zumsteeg (1760 - 1802)


    Er darf wohl als erster größerer Vertreter der Ballade gelten.
    Zumstee, der mit Schiller Freundschaft pflegte, war seit 1781 in Stuttgart bei Hofe angestellt. Ihm ist die Beendigung der Ära der italienischen Oper in Stuttgart zuzurechnen - wohl weniger wegen seiner eigenen Werke als vielmehr durch seine Öffnung für die Mozartschen Opern.
    Erstmalig bekannt mit eigenen Werken wird er durch die Veröffentlichung von Balladen im Jahre 1791.


    Joseph von Spaun, der im regen Verkehr mit Schubert stand, berichtet in seinen Aufzeichnungen, Schubert habe Ende März 1811 >>mehrere Päcke Zumsteegscher Lieder vor sich und sagte mir, daß ihn diese Lieder aufs tiefste ergreifen. >Hören Sie<, sagte er, >einmal das Lied das ich hier habe<, und da sang er mit schon halb brechender Stimme ´Colma´, dann zeigte er mir ´Die Erwartung´, den ´Ritter Toggenburg´ Er sagte, er könne tagelang in den Liedern schwelgen.....<<



    Zum anderen wäre da noch: Václav Jan Tomásek (1774 - 1850)


    Zu Lebzeiten war er eine in ganz Europa gefeierte Persönlichkeit, in Prag zudem eine Autorität und Berühmtheit. Nicht zuletzt auch wegen seiner eigenen Musikschule, aus Persönlichkeiten wie der viel zu jung verstorbene JAN VÁCLAV VORÍSEK (1791 - 1825), der Pianist und Komponist ALEXANDER DREYSCHOCK oder der heute noch berühmte Musikschriftsteller EDUARD HANSLICK hervorgingen.
    Doch auch als Komponist von Opern, Symphonien, Klavierkonzerten, Kammermusik und frühromantischer Klaviermusik (Eklogien,Rhapsodien (deren Begründer er wohl ist)) hatte Tomasek sich einen Namen gemacht. Er plegte engen Kontakt zu den großen seiner Zeit, nicht zuletzt auch zu Goethe.
    So schrieb er auch eine große Anzahl Lieder auf deutsche Gedichte, u.a. eben auch auf Gedichte von Goethe und Schiller. Einige seiner Goethe-Vertonungen zog Goethe nachweislich denen Beethovens vor.


    Eine emppfehlenswerte Aufnahme (viel ist, so weit ich weiß, auch nicht auf dem Markt) ist bei Ars Musici erschienen:



    Hörbeispiele bei jpc.


    Wer kennt Aufnahmen mit dem Lied -bzw. Balladenschaffen von Zumsteeg?? Über Hilfe wäre ich dankbar :)


    LG
    Wulf.

  • Zitat

    Václav Jan Tomásek (1774 - 1850)
    So schrieb er auch eine große Anzahl Lieder auf deutsche Gedichte, u.a. eben auch auf Gedichte von Goethe und Schiller.


    Jetzt füge ich noch etwas über James Hook zu, um seine Bedeutung als Liederkomponist zu verdeutlichen:


    Zitat

    Hook was a prolific composer of songs (more than 2000), several operas, an oratorio, a large quantity of chamber music, keyboard sonatas, and concertos for various instruments. Some of his compositions, conceived as light-hearted works for public entertainment, are now gaining greater attention through revived performances and recordings, and a new appreciation for his practical, but only occasionally profound, style is gaining a wider audience.


    LG. Paul

  • Ich vergaß bezüglich Zumsteeg zu erwähnen, daß sein Einfluß auf das Liedschaffen Schuberts selbst wohl kein unbedeutender war. Ihn im wird der einzig bekannte starke Einfluß auf den Liedkomponisten Franz Schubert gesehen.


    LG
    Wulf.


    P.S.Hallo Paul,


    ist damit DER James Hook gemeint?

  • Merkwürdigerweise fehlt noch der berühmte klassische Liedkomponist Johann Friedrich Reichardt (1752 - 1818 ), dem sich auch Dietrich Fischer-Dieskau angenommen hat:



    Reichardt passt stilistisch viel besser zu Goethe (wenn er auch viel schlechter als Schubert ist, aber bei einem so tollen Komponisten wie Schubert kann das ja kein Tadel sein) und wurde von Goethe Schubert vorgezogen. Meiner Ansicht nach für jemanden, den das Kunstlied interessiert, ein "muß".

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  • Zitat


    Reichardt passt stilistisch viel besser zu Goethe (wenn er auch viel schlechter als Schubert ist, aber bei einem so tollen Komponisten wie Schubert kann das ja kein Tadel sein) und wurde von Goethe Schubert vorgezogen. Meiner Ansicht nach für jemanden, den das Kunstlied interessiert, ein "muß".


    Dazu Arnold Feil (Metzler Musik Chronik):
    Die Mangelhaftigkeit von Reichardts Liedern sollte man nicht so simpel beklagen und einfach der mangelnden Begabung anlasten, vielmehr sollte man bedenken, daß die gestellte Aufgabe im Grunde unlösbar ist, nämlich als Künstler mit den Mitteln der Kunst etwas zu verfassen, das volkstümlich kunstlos zu sein hat. Und schließlich sollte man dies bedenken: Auch wenn diese Musik an sich ohne große Bedeutung ist, so sind die Ursachen und die Überlegungen, die zu ihr geführt haben, von höchstem Interesse für die Musikgeschichte, denn sie bezeichnen die musikalische Situation in Deutschland auf ganz besondere Weise und in eben den Jahren, in denen die Wiener Klassik sich vollends erhebt.

  • Carl Friedrich Zelter: Goethe Lieder


    Was bin ich dieser CD nicht nachgelaufen - Heute habe ich sie bekommen - in einer Box mit Goethe-Liedern von Schubert kombiniert.



    Die abgebildete Version ist übrigens auch eine 2 CD Box - Sie enthält keine Lieder von Schubert - sondern eine weitere mit jenen von Zelter (Vol 2)


    In der Tat halten die Lieder - aus heutiger Sicht - den Vergleich mit Schubert nicht aus - aber das mag auch daran liegen, daß wir von Schubert geprägt sind. Ich erinnere mich an eine Kritik bei erscheinen dieser CDs. welche an Hansjörg Mammel kein gutes Haar ließ - Dem kann ich mich keinesfalls anschliessen. Eine recht schlanke leichte Tenorstimme mit sehr markanter Färbung - die natürlich nicht jedermanns Geschmack sein muß - ich persönlich mag sehr gerne markante Stimmen.......


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Neben einigen R.Strauss-Liedern, die mich innerlich nicht berühren, sind hier Pauls Lieblinge :yes: zu hören und Beethovens von mir sehr geschätzte 6-Lieder-Zyklus "An die ferne Geliebte" :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Man wundert sich vielleicht, dass Haydn Gedichte von Löns vertont hat, denn Haydn ist 1809 gestorben und Löns wurde 1866 geboren...
    Dr. Bernhard Engelke hat 1928 einige Löns-Gedichte mit Musik Haydns unterlegt; das ist des Rätsels Lösung.

  • Zitat

    Merkwürdigerweise fehlt noch der berühmte klassische Liedkomponist Johann Friedrich Reichardt (1752 - 1818 ), dem sich auch Dietrich Fischer-Dieskau angenommen hat:


    Da ja scheinbar wieder Interesse an dieem Thread erwacht ist, gbe ich hiezu mein Statement ab. Ich besitze diese CD schon seit langem, war aber- als ich sie das erste Mal hörte enttäuscht und entsetzt.
    Harfe als Begleitinstrument ist nun mal nicht jedermann Sache, dazu kommt die zum Zeitpunkt der Aufnahme (1992) offenbar schon in einem ruinösen Zustand befindliche Stimme von Fischer-Dieskau.
    Und die Tatsache, daß Schubert nun mal der bessere Komponist war hat ja schon der KSM hier angemerkt.
    12 oder mehr Jahre sind seit dem Kauf und dem Ersthören inzwischen vergangen - und ich konnte feststellen, daß - auch das hat der KSM weiter oben geschrieben, die Lieder sehr textorientiert sind, stets bemüht den Inhalt zu unterstreichen - und ich fand die Aufnahme zumindest hörenswert, wenn nicht sogar mehr.
    Goethe hat sie geschätzt, aber auch Beethoven (!!!) soll von ihnen begeistert gewesen sein.
    Persönlich würde ich eine Begleitung mit Klavier vorziehen - ob das jedoch vom Komponistern einerseits als Alternative vorgesehen war, bzw ob das Ergebnis ein stimmiges wäre - das weiß ich leider nicht.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In diesem Buch von Dietrich Fischer-Dieskau - WEIL NICHT ALLE BLÜTENTRÄUME REIFTEN - (Johann Friedrich Reichardt Hofkapellmeister dreier Preußenkönige) ist auf dem Klappentext u.a. zu lesen:


    "Er bereitete Schubert den Weg, und einige seiner Kompositionen, beispielsweise <Schlaf, Kindchen, schlaf>, wurden zu Volksliedern."

  • "Er bereitete Schubert den Weg,..."


    Seitdem dieser Satz hier steht - als Fischer-Dieskau-Zitat in dem Beitrag von hart - , ärgert er mich. Von welcher Art soll denn diese "Wegbereitung" gewesen sein? Dass man in Wien zur Zeit Schuberts die Lieder der zweiten Berliner Schule besonders gepflegt hätte, so dass Schubert gleichsam ein bereitetes Terrain vorgefunden hätte, - davon ist mir nichts bekannt.


    Die Leistung der zweiten Berliner Schule für die Entwicklung des Kunstliedes - und damit auch die Leistung Reichardts - besteht darin, dass man sich bei der Liedkomposition viel stärker als zuvor auf das Verhältnis von lyrischem Text und Musik konzentrierte, und zwar in dem Sinn, dass Musik sowohl die sprachliche Struktur des Textes als auch dessen Gehalt zu reflektieren versucht.


    Schubert kannte die Lieder Zelters und Reichardts. Er hat von deren Art der Liedkomposition gelernt, und in der Auseinandersetzung mit deren Liedern seinen eigenen "Stil" entwickelt. Das aber kann man doch nicht als "Wegbereitung" bezeichnen. Schubert fand seinen Weg der Liedkomposition ganz allein. Den Weg Reichardts hätte er gar nicht beschreiten können. Wenn schon einen, - dann eher den von Zelter.


    Reichardt war ein "Hans-Dampf-in-allen Gassen", was die Liedkomposition betraf. Er hat über 1500 (eintausendfünfhundert!) Lieder komponiert, und zwar mit Klavierbegleitung, als auch für Gitarre und Harfe. Seine Lieder weisen durchweg eine gefällige Melodie auf, und Goethe hatte durchaus recht, wenn er ihnen einen "denkenden Künstler" nannte. Recht insofern, als Reichardt sehr bewusst komponierte, den dichterischen Gehalt der Texte bei seiner Liedkomposition berücksichtigte und nicht einfach irgendeine gefällige und gut singbare Melodie darüberlegte.


    Aber ein Wegbereiter für Schubert war er damit nicht. Allein schon die Rolle, die er dem Klavier zuweist, ist noch nicht einmal ein Ansatz zu dem, was Schubert mit dem Klavier angefangen hat. Und auch in der kompositorischen Ausleuchtung des dichterischen Gehalts ist Schubert von vornherein einen ganz anderen Weg gegangen, - eben seinen eigenen! Man höre sich einmal - beliebiges Beispiel - Reichardts Vertonung von Goethes letztem Lied des Harfenspielers an ("An die Türen will ich schleichen..."). Das ist gefällige Musik mit schlichter Klavierbegleitung in Form von gebrochenen Akkorden. Mehr aber auch nicht!


    Bei Reichardt ist die Klaviergeleitung durchweg aus der melodischen Linie der Singstimme heraus entwickelt. Bei Schubert ist das schon sehr bald nicht mehr der Fall. Reichardt konnte ihm diesbezüglich gar keinen Weg bereiten.


    Was ich meine ist dieses: Diese Feststellung Fischer-Diekaus ist in dieser Formulierung ungenau. Schubert hat seinen eigenen Weg der Liedkomposition gefunden, - auch in Auseinandersetzung mit den Liedern der zweiten Berliner Schule. Aber er ist nicht auf dem Weg weitergegangen, den die Vertreter dieser Schule in der Liedkomposition bereitet hatten.

  • Zitat

    Was ich meine ist dieses: Diese Feststellung Fischer-Diekaus ist in dieser Formulierung ungenau.


    Dioese Bemerkung muß nicht notwendigerweise von Fischer-Dieskau selbst stammen, Klappentexte werden sehr oft lediglich von der PR Abteilung verfasst. Manchmal mit - manchmal ohne Mitwirkung des Autors.


    Aufschlußreich ist auch, Wie der Klappentext im Insiderjargon genannt wird, nämlich "Waschzettel"


    Allzu ernst sollte man diese "Waschzettel" nicht nehmen, dsie sollen lediglich das Interesse des potentiellen Käufers wecken. Un ein "Wegbereiter Schuberts" verkauft sich eben besser.........


    Also kein Grund die Aussage ernst zu nehmen.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Seitdem dieser Satz hier steht - als Fischer-Dieskau-Zitat in dem Beitrag von hart - , ärgert er mich. Von welcher Art soll denn diese "Wegbereitung" gewesen sein?


    Also Ärger wollte ich zum Osterfest hier nicht unbedingt bereiten ...
    Aber die Frage: "Von welcher Art soll denn diese <Wegbereitung> gewesen sein, kann ich nicht beantworten, da muss man wohl den Autor fragen ...


    Zu Alfreds Einwand, dass man den "Waschzettel" nicht so genau nehmen soll: Nach meinen Eindrücken unterstelle ich auch da einem Dietrich Fischer-Dieskau keinerlei Nachlässigkeit!


    Wer über den Klappentext hinaus geht, findet unter "Einleitend" u.a. folgendes:


    „Vornehmlich seit dem Wirken Franz Schuberts gelang in dieser Gattung Großes, auch hier angeregt durch die Lyrik des Weimaraners. Nannte doch Goethe seine Gedichte meist selbst <Lieder>, weil sie zum Singen gedacht waren. Die Musik machte den Vers seiner Überzeugung nach erst <vollständig>, zu einem Genuß.
    Reichardt, vor Zelter dem Dichter freundschaftlich verbunden, wenn auch immer über deutliche Distanz hinweg die Annäherung suchend, war wohl der erste Komponist, der in Goethes Urteil die von ihm selbst aufgestellten liedästhetischen Forderungen erfüllte. Im Lauf von Jahrzehnten fand Reichardt immer differenziertere Ausdrucksmittel, vom schlichten Strophenlied zu stark deklamatorischer Dramatik, vom lyrisch getönten Stimmungsbild zu ausbrechendem Temperament. Nie verließ er die Grundforderung des Dichters, das Charakteristische eines Gedichts aus dem Sprachlichen zu gewinnen, ohne sich allzu sehr in Einzelheiten zu verlieren. Als Reichardt starb, schuf Schubert das Stimmungslied, und er tat es nicht unvorbereitet, denn der Österreicher studierte und kopierte auch Werke des Ostpreußen Reichardt.“


    Jeder liest einen Text anders; für mich war dieses "und er tat es nicht unvorbereitet" eine Begründung für das im Klappentext Gesagte.

  • Zitat hart:


    "Also Ärger wollte ich zum Osterfest hier nicht unbedingt bereiten ..."


    Von dieser Art war mein Ärger nicht; es war ein rein sachbezogener. Aber hart sei für seine ergänzenden Informationen gedankt. Jetzt ist die Sache so klar, wie sie sein muss.


    Es ging mir nur darum, den Begriff "Wegbereitung" zu konkretisieren, damit diese Formulierung Fischer-Dieskaus nicht undifferenziert übernommen wird.


    Wenn es bei Fischer-Dieskau heißt: "...und er tat es nicht unvorbereitet, denn der Österreicher studierte und kopierte auch Werke des Ostpreußen Reichardt.“ , dann deckt sich das mit meiner Feststellung: Schubert kannte die Lieder Zelters und Reichardts. Er hat von deren Art der Liedkomposition gelernt, und in der Auseinandersetzung mit deren Liedern seinen eigenen "Stil" entwickelt."


    Wenn man "Wegebereitung" in diesem Sinne versteht, dann kann man den Begriff so verwenden. Genau dieses sollte klargestellt werden.


    Aber vielleicht sollte man hier auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Bedeutung Reichardts und der ganzen zweiten Berliner Schule auch darin besteht, dass sie wesentlich dazu beigetragen haben, dem Lied den Rang eines eigenständigen musikalischen Kunstwerks zu verleihen, und es damit aus der Ecke der reinen Hausmusik herausholten. Auch insofern liegt eine Art der "Wegbereitung" vor, - wenn man die Sache einmal historisch sieht.


    Und der zweite wichtige Punkt, der hier noch einmal betont werden muss, besteht in der von der Berliner Schukle praktizierten Orientierung der Komposition am Gehalt des dichterischen Werkes. Auch das war vorher in dieser Form nicht üblich. Zelter mokierte sich nicht ohne Grund über die Liedkomponisten, die den dichterischen Text "als eine Art Lerchenspieß für irgendeine Melodie" betrachteten und missbrauchten.


    Von all dem hat Schubert zweifellos "profitiert", indem er vorgefundene Formen des Liedes als Grundlage für die Entwicklung eigener kompositorischer Ideen verwenden konnte. Die Ausrichtung der Liedkomposition am lyrischen Text, an seiner sprachlichen Struktur und seinem Gehalt, konnte er jedenfalls von den Berlinern übernehmen. Er ist dabei dann aber seinen ganz eigenen Weg gegangen, der bekanntlich zu ganz neuen Formen der Kunstlieds führte, was die Radikalität der Umwandlung von lyrischemTextes in musikalischen Text betraf.


    Und noch etwas brachte Schubert mit, - worüber Reichardt eben nicht in dem Maß verügte: melodische Inspiration und musikalisches Genie. Es ist überaus eindrucksvoll, dies einmal an einem Beispiel zu erleben. Reicardt hat - wie auch Schubert - Goethes "NACHTGESANG" vertont:


    O gib vom weichen Pfühle
    Träumend ein halb Gehör!
    Bei meinem Saitenspiele,
    Ach, schlafe! was willst du mehr? ...


    Die melodische Linie, die Reichardt dem Lied zugrundelegt, ist überaus eingängig und in ihrem lyrischen Wohlklang dem Text voll angemessen. Bei dem Wort "weichen" fügt er ein Melisma in die Gesangslinie ein, und dem Schlussvers der Strophe gibt er das Gewicht, das ihm zukommt, indem er die Melodie zunächst ansteigen lässt, damit er auf "schlafe" einen abfallenden Bogen legen kann. Sowohl dieses Wort, als auch das "was willst du mehr?" werden dann noch einmal wiederholt. Das ist genau diese Art von "Sich-Einlassen" auf den Text, die Goethe so sehr an Reichardt - und auch Zelter natürlich - geschätzt hat.


    Und wenn man dann Schuberts Lied hört, begreift man, was musikalisches Genie ist. Die melodische Linie ist in ihrer Struktur viel schlichter als die bei Reichardt. Aber sie hat eine Eigenschaft, wie man sie eben nur bei Schubert findet. Sie besteht zwar aus einzelnen Melodiezeilen, aber von denen geht jede aus der anderen mit einer Selbstverständlichkeit hervor, als würde die eine aus der anderen geboren werden. Und am Strophenende stellt das Gefühl einer in sich vollendeten Geschlossenheit ein. Wobei das Verblüffende ist: Im Unterschied zu Reichardt lässt Schubert seine Melodie nicht auf der Tonika enden, sondern auf der Terz! Und dennoch wirkt sie viel in sich geschlossener als die Reichardts!


    Das ist der letzten Endes unbegreifliche Zauber der Schubertschen Melodie, den man auch bei diesem Lied wieder einmal erleben kann. Neben der viel höher entwickelten kompositorischen Struktur der musikalischen Faktur des Schubertliedes liegt in dieser Eigenart der Schubertschen Melodie der Grund dafür, dass Reichardts Lieder der Vergessenheit anheimfielen, diejenigen Schuberts aber bis heute immer wieder aufs Neue beglücken.

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