Beethoven: 3. Sinfonie "Eroica"

  • Wehlener Sonnenuhr von Martin....
    Willi!
    Das Hörspiel "Under Milkwood" von Dylan Thomas, Namensgeber von Bob D.. und Walisischer Nationalheros muss man gehört haben. Es gibt div. Versionen. Darunter eine nur mit Walisern. Man ahnt gar nicht, wer alles aus Wales stammt.


    Doch noch bin ich nicht "voll".
    Weiter geht es! "Starless and bible Black" (auch ein Zitat aus Under Milkwood)
    Gruß Hans

  • Heute war die Interpretation Chaillys dran, die wahrscheinlich von allen meinen zahlreichen "Eroicas" die allerschnellste ist. Mit 42:20 min ist sie nochmal 2 Minuten schneller als die letzthin von mir zum Zeitvergleich mit den Krivine-Aufnahmen herangezogene Aufnahme Gardiners und 4 Minuten schneller als die Aufnahme Krivines.
    Und sie ist noch explosiver als die Krivinesche Aufnahme und wahrhaftig von Beethovenscher Kraft erfüllt. Noch ein Vergleich zu der Krivine-Aufnahme fällt mir ein. Das Spiel der Pauken ist hier ebenso exponiert wie das der Paukistin Madame Potin-Girao bei Krivine, aber die Pauken des Gewandhausorchesters klingen dunkler, voller und, dem heroischen Charakter der Eroica angemessen, wuchtiger. Vor allem im Kopfsatz fiel mir auf, dass sie das musikalische Geschen noch mehr strukturieren, als dies in der Krivineschen Aufnahme der Fall ist. Der Paukist (die Paukistin) muss sich hier bei Chailly alleine schon aus einem anderen Grund mehr exponieren:

    Zitat

    Chailly: Einer meiner Vorgänger, der dritte Gewandhauskapellmeister Johann Philipp Christian Schulz, hatte bereits zu Beethovens Lebzeiten einen kompletten Zyklus der der Sinfonien in Leipzig aufgeführt und zwar mit einem kleienren Orchester, - allerdings in einem wesentlich kleineren Saal, in den gerade einmal 600 Leute hineinpassten. Heute spielen wir vor 2000 Zuschauern in einem großen Saal, in dem auch die Live-Aufnahmen für die CD entstanden sind. Logisch, dass wir unseren Klang auf diese Bedürfnisse ausrichten müssen, das heißt, aber ab der "Eroica" mit einer großen Besetzung von 16 Ersten und 16 Zweiten Violinen und 8 Kontrabässen. Das ist eine riesige Maschine, die erst einmal in Gang gesetzt werden muss. hier ist ein ungeheurer Feinschliff der Dynamik nötig, da haben Sie es in einer klein eren Besetzung natürlich sehr viel einfacher. Aber es ist bemerkenswert, wie das Gewandhausorchester das bewältigt aht und dabei immer virtuoser geworden ist. Transparenz und die richtige Balance zu erreichen war eines unserer größten Ziele, und iwr hoffen, dass wir das erreicht haben.


    Für mein Empfinden hat Chailly hier diese Ziele erreicht. Das Klangbild war sehr ausgewogen und die Transparenz immer wieder erstaunlich. Auch in sehr kompakten Abschnitten konnte ich einzelne Läufe der Bratschen und der Zeiten Geigen vernehmen, an die ich mich aus anderen Aufnahmen einfach nicht erinner konnte.
    Besonders hervorzuheben waren einmal mehr die Bläser, vor allem die Hörner im Trio des Scherzos. So schön (kraftvoll) habe ich sie selten gehört. Alles in allem ist diese "Eroica" m.E. ein großer Gewinn in der Geschichte dieser Symphonie, vor allem, weil hier etwas neues von einem Non-HIP-Orchester zu hören ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo Willi.


    vielen Dank für deine Chailly-Einschätzung. Hört sich interessant an, aber ich werde mir die Einspielung nicht zu legen. Obwohl ich die Eroica jetzt seit vier Jahren liebe, habe ich noch keine Aufnahme so oft gehört wie die von Krivine. Sie spricht mich einfach musikalisch an. Es macht sich somit eine Zufriedenheit bei mir breit, die jegliche Kauflust unterdrückt.


    Krivine läßt den Kopfsatz einfach unglaublich "straight" spielen, entschuldigung, manchmal passen englische Ausdrücke besser als deutsche "Phrasen". ;)


    Und zieht es das ganze Werk so durch.


    Viele Grüße Thomas

  • Und zieht es das ganze Werk so durch.

    Ja Thomas, aber bei mehreren Vergleichen halte ich inzwischen einige Sinfonien bzw. Sätze in ihnen mit Järvi oder Herreweghe noch einen Tick besser.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hallo Bernward,


    auch hier habe ich das Problem: Soll ich deinem Tipp folgen, mir die Interpretationen zulegen, denn er scheint mir absolut schlüssig, oder es doch bei Krivine belassen?


    Vielleicht ist es ja so, das mir gerade auch die Eroica von Krivine im Zusammenhang der GA so besonders gefällt? Zum Beispiel "der klangliche Sprung von der Zweiten zur Dritten?"


    Du siehst, die Kaufkriterien tendieren ins Endlose...


    Viele Grüße Thomas

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Hier heute mal ein echtes Schwergewicht. Gehört habe ich sie schon vorgestern, aber wegen privater Gründe komme ich erst heute zum Posten. Hier zunächst die Satzzeiten, die das mal etwas erhellen sollen:
    19:40-15:45-6:06-11:24 = 52:55. Mir fällt im Moment keiner aus meiner Sammlung ein, der die Eroica mit einem längeren "Allegro con brio" begonnen hätte. Selbst Celi, der in der Gesamtzeit noch beinahe fünf Minuten länger ist, nimmt den Kopfsatz kürzer: 16:35-19:13-6:52-14:27 = 57:07. Dafür dehnt er die Marcia funebre aus, aber dazu komme ich, wenn ich die Celi-Box bespreche.
    Hier haben wir es mit einem sehr langen, bedächtig im Tempo, aber gleichsam sehr spannungsreich und sehr heroisch gespeilten Kopfsatz zu tun, in dem die großen Steigerungen sehr majestätisch daherkommen, alles exzellent musiziert, auch hier mit sehr transparentem Klang, was vor allem wieder für die tieferen Streicher zutrifft und mit der traditionellen Orchesteraufstellung zu tun hat, hohe Streicher links, mittlere Streicher in der Mitte, tiefe Streicher rechts. Bei diesem gewaltigen Orchesterapparat sind natürlich die Pauken nicht so exponiert, sind aber bei guter Aufmerksamkeit und gutem Hörvermögen klar zu erkennen, wie überhaupt bei diesem überschaubaren Tempo, die einzelnen Paukentöne sehr gut zu unterscheiden sind.
    Die Marcia funebre ist in durchaus normalem Tempo gehalten, es ist durchaus ein Adagio, sehr traditionell musiziert, durchaus Beethoven angemessen und in den lang angelegten Crescendi sehr dramatisch mit großen Reibungen. Das reißt mit. Das Scherzo, nur eine knappe Minute länger als bei Chailly, bringt einmal mehr das exzellente Orchesterspiel des Gewandhausorchesters zutage, wie es auch 45 Jahre später bei den Aufnahmen Chaillys fröhliche Urständ' feiert. Dies alles mündet in ein großartiges Finale, wo alle Tempi und alle dynamischen Unterschiede sozusagen eine "goldene Mitte" zeitigen, einen Beethoven der Mitte, was hier wirklich positiv gemeint ist (eben bis auf den wirklich sehr getragenen Kopfsatz).


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • 19:40-15:45-6:06-11:24 = 52:55. Mir fällt im Moment keiner aus meiner Sammlung ein, der die Eroica mit einem längeren "Allegro con brio" begonnen hätte. Selbst Celi, der in der Gesamtzeit noch beinahe fünf Minuten länger ist, nimmt den Kopfsatz kürzer: 16:35-19:13-6:52-14:27 = 57:07. Dafür dehnt er die Marcia funebre aus, aber dazu komme ich, wenn ich die Celi-Box bespreche.


    Hallo Willi,


    die "nackten Zahlen" haben hier wenig Aussagekraft, denn es ist entscheidend, ob die 19:40 die Satzlänge mit (was ich vermute) oder ohne Wiederholung darstellt.
    19:40 ist zwar ein durchaus "getragenes" Zeitmaß, aber z.B. Giulini (mit dem LA Philharmonic Orchestra) hat noch einmal fast eine Minute "draufgegelgt" mit 20:34.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    natürlich ist dieser Satz mit Wiederholung. Von Giulini habe ich leider nur die Sinfonien nr. 6, 8 und 9 mit dem LSO und dem New Philharmonia Orchestra. Natürlich bevorzugt auch er etwas getragenere Tempi, wie wir ja auch von seinen Bruckner-Aufnahmen wissen, aber auch seine Interpretationen sind ebenfalls derart spannungsgeladen, dass das getragenere Tempo sich als durchaus schlüssig erweist.


    Liebe Grüße


    Willi

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Nun habe ich die Eroica mit Celi vorliegen, auf die ich in meinem Konwitschny-Posting ja schon hingewiesen hatte. In der Tat übertrifft nicht nur Celibidache die Furtwänglerschen Zeitmaße meiner Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern (LP), sondern ebenso die zum Vergleich stehenden und von mir schon besprochenen Sir Colin Davis und Franz Konwitschny.
    Während aber letzterer den Kopfsatz ausdehnt, nehmen Fu und Celi die Marcia funebre breiter, was ja auch dem Charakter des Stückes mehr entspricht. Ich persönlich kann Interpretationen, die im Vergleich mit diesen durch die Marcia "eilen", in diesem Punkt nicht so viel abgewinnen, was ich in der o.a. Besrechung der Chailly-Aufnahme (12:11!!) nicht angemerkt habe, weil sie mich anders überzeugt hat, aber in diesem Kontext muss ich es erwähnen. Celi hebt in der Tat weite Teile der Marcia funebre auf eine zwar eindringlich musizierte, aber gleichsam entspannte, ja fast philosophische Ebene, verleiht diesem Satz mehr noch als dem Kopfsatz etwas ungeheuer Maestätisches und gleichzeitig Trauriges. Auch bei diesem Orchester ist eine unwahrscheinliche Klangtransparenz erreicht, die die Strukturen vor allem der Streicherläufe, der mittleren und der tiefen, sehr schön offenlegt. Die beiden großen Bläser-Steiegerungen in Dur kommen hier besonders schön zur Geltung wie ebenso der große, sich anschließende moll-Höhepunkt. Auch die Freunde der Pauken kommen bei dieser Aufnahme voll auf ihre Kosten.
    Was weiter positiv anzumerken ist, ist die riesige Klangkuppel, die Celibidache aufbaut, die den heroischen Charakter dieser Symphonie noch besonders unterstreicht. Dem entsprechen auch die Hörner im Trio des Scherzos, die sensationell sind und nicht schmettern, sondern singen.
    Und im Variationenfinale muss ich im Nachhinein Meister Karajan in seiner Einspielung von 1962 Abbitte leisten, dessen Tutti-Bläser-Variation kurz vor Schluss ich immer als etwas zu langsam angesehen hatte, aber jetzt in der von Celi gleichfalls so langsam gespielten Stelle fiel es mir wie Schuppen von den Augen: das klingt mitreißend majestätisch, eindringlich und durchdringend, bevor die jubelnde Coda anhebt, in der Celibidache sein Tempokonzept um keinen Millimeter aufgibt, sich nicht fortreißen lässt um in ein Accelerando zu verfallen. Obwohl ich das auch mag, überzeugt mich aber hier die Konsequenz Celibidaches. Diese Aufnahme hat gehalten, was vor wenigen Wochen die "Zweite" versprochen hat.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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  • Guten Morgen,


    ganz lieben Dank für deine Zeilen, das hast du sehr, sehr gut beschrieben. Die Box enthält ja außer der ersten alle Beethoven Sinfonien - wenn ich das richtig gelesen habe. Ich mag Celis Bruckner ( 3-9) sehr - kannst du den "Rest" der Box auch empfehlen ? ( bei Haydn und Mozart kann ich mir Celi nicht so richtig vorstellen...beim romantischen Repertoire ist das für mich keine Frage).


    mit freundlichen grüssen


    kalli

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    kalli: ...kannst du den Rest der Box auch empfehlen?

    Vor längerem habe ich die eine oder andere Brahms-Sinfonie gehört, die mir sehr gefallen hat, mehr noch nihct, ich muss auch erst mit meinen neu erworbenen Beethoven-GA's weitermachen, z.B. hier mit dieser:

    Goodmans Eroica-Interpretation ist eine Wucht. Obwohl der Kopfsatz 17:19 dauert, ist er recht zügig musiziert. Goodman spielt halt alle Wiederholungen, und schon von Anfang an merkt man, dass das schon in der Zweiten unter Monica Huggett festgestellte hellere Klangbild noch einmal etwas heller geworden ist. Die Pauken stehen noch weiter vorne, ich würde sagen, rechts direkt hinter den ebenfalls rechts postierten Kontrabässen.
    Die ganze Sinfonie ist, wenn man einmal die Marcia funebre ausnimmt, ein temporaler Steigerungslauf. Die Marcia ist in normalem Tempo gespielt (13:43), das erlebt man allerorten, aber was man hier noch erlebt, ist eine weiter Schärfung des Klangs. Alles klingt aggressiver, beinahe furchterregender. Ein imposanter Trauermarsch.
    Ab dem ersten Takt des Scherzos dann ist kein Halten mehr. Da braucht sich Goodman keineswegs hinter Chailly oder Krivine oder Järvi zu verstecken. Das gefühlte Tempo ist mindestens ebenso schnell. Die Hörner im Trio gehen sehr viel Risiko, da kommt ann in einem Horn auch mal ein Kiekser raus, aber das ist nicht rausmanipuliert worden. Mir gefällt dieser kernige, schroffe Ton der Hörner sehr gut.
    Die Krönung des Ganzen ist dann erwartungsgemäß das Finale. Der schon im Scherzo zunehmende Vorwärtsdrang will hier kein Ende nehmen, obwohl die Qualität des Spiels keinen Augenblick lang nachlässt. Nach einem kurzen Verharren in der langsamen bläserbetonten Tuttivariation kurz vor Schluss bricht dann das Orchester in eine Codaraserei à la Furtwängler aus. Absolut mitreißend- wuchtig, großssymphonisch.
    Für diese Eroica kann ich eine volle Empfehlung aussprechen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • 1. Satz: Allegro con brio


    Der Beginn ist sehr "heroisch" mit den bereits bekannten Tugenden: durch die exzellente Aufnahmetechnik wird ein transparentes Klanbild erzeugt, die Tutti sind sehr akzentuiert, die sechs Fortissimoschläge scheinen wie in Stein gemeißelt. Wenn "con brio" keine Tempobezeichnung ist, und das ist ja wohl so, dann ist dieser Satz allerdings mit sehr viel Brio musiziert. Die Streicher spielen wieder äußerst homogen, die hohen Streicher mit angemessener Schärfe, die tiefen mit satter Wärme, auch die Holzbläser sind wieder ausgezeichnet.
    Gewaltig erhebt sich die Durchführung mit der Dissonanzsteigerung kurz vor dem e-moll-Seitenthema in der Oboe. Das gemäßigte Tempo trägt viel zum Verständnis dieses gewaltigen Satzes bei. In dieser Gesamtaufnahme ist er mit 19:34 min. der zweitlängste Instrumentalsatz nach dem Adagio molto e cantabile (19:48 min.) und wird als Kopfsatz der Eroica in meiner Sammlung nur noch übertroffen von dem Kopfsatz aus der GA von Franz Konwitschny (19:40, siehe Posting Nr. 306) und dem von Giulini mit dem L.A. Philharmonic (20:34 min., ebenfalls s.o. Norberts Posting Nr. 307). In der Reprise folgt dann die triumphale Wiederholung des Hauptthemas in den Blechbläsern. Am Schluss des Satzes treten auch die Pauken deutlich aus dem Schatten hervor.


    2. Satz: Marcia funebre: Adagio assai


    Endlich hört man wieder ein veritables Adagio (17:33 min.), große Sinfonie- großer Satz- großer Klang mit schroffen Kanten, ganz bedächtige Annäherung an die beiden großen Bläsersteigerungen. Vor allem die zweite ist glorios mit markanten Pauken, dann die Reprise, in der langsam der dritte, tragisch düstere, auch mal schrille schreitende Totentanz "zelebriert" wird: - mitreißend! Ganz große Tonkunst- schon leiten die Kontrabässe den nächsten Höhepunkt ein: die "Trompten von Jericho" mit den nachfolgenden klagenden Holzbläsern unter Führerschaft der Oboe. Besonders gut gelungen erscheint mir auch die kurze Wandlung nach Dur, bevor die Stimmung wieder trostlos wird: die Pauken kündigen den nächsten schroffen Blechbläsereinwurf an, dann folgt die nächste bezaubernde, wieder langsam schreitende Wandlung, zwischen Dur und Moll changierend, bevor der Satz trostlos langsam im von den Kontrabässen eindrucksvoll gezupften Moll-Sumpf versinkt.
    Dies sind die Gedanken, die mir bei Sir Georgs intensiver Interpretation der Marcia kamen.


    3. Satz: Scherzo: Allegro vivace


    Es ist wirklich Allegro vivace. Sir Georg kann auch schnell (seine 5. Mahler z.B. dauaert nur 66 Minuten, seine 6. bis 9. Mahler sind allesamt unter 80 Minuten). Die Pauken feiern wieder fröhliche Urständ. Alles klingt wie eine Befreiung von der quälenden Last des Todessatzes. Im Trio treten die großartigen Hörner in etwas gemäßigtem Tempo auf. Die Reprise lässt Sir Georg wieder im schnelleren Tempo spielen. Alles wunderbar plastisch, auch die kurze Coda mit den auftrumpfenden Hörnern und Pauken.


    4. Finale


    Die Einleitung und die erste, mit den gezupften Streichern beginnende Variation sind sehr majestätisch, beinahe gravitätisch. In der nächsten Streichervariation wird das Tempo dann merklich angezogen. Die nachfolgende Bläservariation wird rauschhaft gespielt. Gleich darauf in der Fugenvariation wird es nach zartem Anfang sehr dicht und voll, bevor die Flöten ihren herrlichen Tanz beginnen. Dann folgt der Ungarische Marsch- wunderbar, vom Ungarn Solti adäquat interpretiert- dann wider die Flöten und Oboen- die Streicher- alles hüpft und tanzt durcheinander. Es folgt eine große Blechbläser-Variation, bevor wir im langsamen Oboen/Fagott-Teil innehalten, das Echo von den tiefen Streichern, wieder die Bläser, die die große Adagio-Variation (die in der 62er Version weiland von Karajan extrem langsam (Largo) gespielt wurde): Herrlich triumphal diese Blechbläser, die überleiten zur hüpfenden Streichervariation (saltarello-artig), die mit den sich anschließenden Blechbläsern zur unvergleichlichen, äißerst schnellen Coda überleiten: herrliche Hörner, Trompeten und Pauken! Ein leichtes Accelerando am Schluss mit dem gehaltenen letzten Akkord. Das Niveau der Zweiten wurde hier m. E. nicht nur erreicht.



    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    diese Solti-Aufnahme war sehr viele Jahre mein absoluter Favorit für die Eroica. Damals habe ich noch so gekauft, das nichts doppelt war. Ich habe auch meine Erstaufnahme mit Klemperer (EMI) danach nie wieder hören wollen ....
    Auch Karajan, der später in meine Sammlung kam, kommt an diese Grösse nicht heran. Aus heutiger Sicht halte ich die drei DG-Aufnahmen im Vergleich zu Solti eindeutig für schwach ... aber das ist nicht unser Thema.


    Ich habe 2009 mit grösster Erwartung die Digitalaufnahme von 1989 kennen und schätzen gelernt.
    Da Solti hier vom strafferen Tempo her ganz auf meiner Wellenlänge liegt, ziehe ich diese der grossen Analogaufnahme vor. An interpretatorischer Grösse steht sie mit der Analogaufnahme auf gleicher Höhe.


    Die Spielzeiten auch hier im Vergleich: ADD / DDD ...1. 19:34 / 17:55 - 2. 17:33 / 15:19 - 3. 5:54 / 5:32 - 4. 12:19 / 11:16



    Eine ebenfalls grosse Aufnahme der Eroica ist auch die Solti-Aufnahme mit den Wiener PH (Decca, 1958), die in einem ähnlichen Zeitrahmen wie 1975 liegt. Nur das Adagio war nie wieder so ausgedehnt, wie 1975 in deiner Aufnahme.


    Fazit:
    :angel: Solti und die Eroica - das ist in allen drei Aufnahmen etwas ganz aussergewöhnliches Grosses/Fabelhaftes, das man als Klassikhörer geniessen soll und kann ! Es läßt den Beethoven-Liebhaber einmal mehr begeistert zurück .... :D:D:D bis auf die "Stümper", die den Wert nicht erkennen ... (das als Vorwegnahme für gewisse Schreiberlinge).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Wiener Aufnahme, lieber Wolfgang, habe ich auch schon ins Auge gefasst, und auf die Digital-Aufnahmen warte ich seelenruhig. Man muss ja auch später noch was zu entdecken haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es liegen insgesamt vier Aufnahmen der "Eroica" unter Hans Knappertsbusch zwischen 1943 und 1962 vor: 1943 mit den Berliner Philharmonikern (Studio), 1951 mit dem Bremer Philharmonischen Staatsorchester (live), 1953 mit den Münchner Philharmonikern (live) und 1962 mit den Wiener Philharmonikern (live). Die ersten drei Aufnahmen sind relativ problemlos erhältlich, die letzte aber war zuletzt vergriffen, obwohl sie von gleich vier Labels (Seven Seas, Memories, Enterprise, Living Stage) aufgelegt wurde. Dankenswerterweise ist sie nun zumindest die Enterprise-Ausgabe als mp3-Download beim Werbepartner Amazon wieder erhältlich:



    Zunächst die Spielzeiten (Applaus und Zeit zwischen den Sätzen abgezogen):


    I. 17:16
    II. 17:11
    III. 6:53
    IV. 13:34


    Wir haben also eine Gesamtspielzeit von 54:54, womit Knappertsbusch eindeutig zu den langsameren Interpeten zu zählen ist, hier allerdings keine absolute Ausnahme darstellt und teilweise noch übertroffen wird, wie folgende Tabelle zeigt:


    tabelleeroica.png


    Ich zitiere kurz aus dem "Gramophone" vom April 1991:


    "[...] the compelling experience of hearing a great inspirational conductor at full flight in the concert hail."


    "In the Eroica Symphony and the Beethoven overture tempos are very slow, but Knappertsbusch shows a compelling grasp of line and pulse, and brings out cross-rhythms and important accents in the most illuminating fashion. This is a performance in the great old German romantic tradition which Knappertsbusch, here in his mid-seventies, was one of the last to preserve."


    In der Tat ist diese Aufnahme ungemein wuchtig und somit ein Idealbeispiel für eine große "altdeutsche" Interpretation in der Tradition der Spätromantik. Die Akzente, die Knappertsbusch setzt, werden grandios von den Wiener Philharmonikern umgesetzt. In den Forte-Stellen ist der betagte Dirigent durchaus fähig, eindrucksvoll das Tempo anzuziehen. Typisch Kna: sehr betonte Pauken und Blechbläser. Wie überhaupt die "heroischen" Stellen besonders klangschön ausgekostet werden: Die majestätische Coda des Kopfsatzes gelingt hier noch ein wenig monumentaler als in seiner Bremer Aufnahme. Ernst und erhaben der Trauermarsch, gemessen das Scherzo, sehr betont das Finale mit einer meisterhaft herausgearbeiteten Steigerung und einem furiosen Abschluß in der Coda. Nie hat man das Gefühl, daß es zu langsam oder behäbig ist.


    Nach dieser Aufnahme fragt man sich jedenfalls ernsthaft, wer Thielemann ist, was an seinem Beethoven so besonders sein soll und wieso Prof. Kaiser seine Interpretation der "Eroica" in eine Reihe mit Furtwängler und Knappertsbusch stellt. Das Gefühl "So und nicht anders!" habe ich jedenfalls nur bei den beiden letzteren.


    P.S.: Ein Tipp am Rande: Kurz darauf, am 31.05.1962, nahm Kna mit den Wienern noch die "Leonore" III-Ouvertüre auf. Das gibt es sogar auf DVD. Auch hier gilt: monumentaler geht nimmer (16:27).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • 1. Satz: Allegro con brio (16:30)


    Der Satz beginnt mit zwei unvermittelten sehr kurzen, sehr knackigen Tuttischlägen und geht dan im gleichen raschen Tempo weiter. Angesichts der Spielzeit von 16:30 Minuten kann das nur bedeuten, dass hier wirklich jede Note, die in der Partitur steht, auch gespielt wird.
    Das Klangbild ist sehr transparent, die Blechbläser treten funkelnd hervor, die Pauken sind noch dezent, dennoch klar vernehmlich. Die berühmten sechs Tuttischläge erleben wir als Peitschenhiebe mit nun klar hervortretenden, knackigen Pauken; schön auch, wie die Melodiestaffel durch die Bläser von den Celli begleitet wird. Bei der Wiederholung der sechs Tuttischläge scheinen die Pauken mit jedem Schlag etwas lauter: mitreißend.
    In der Durchführung ist die Linienführung der tiefen Streicher sehr prägnant, im Höhepunkt gerät die Dissonanz trefflich und leitet über zum ergreifenden e-moll-Nebenthema der Oboe, das hier sehr beschwingt vorgetragen wird, auch in der Wiederholung mit der Klarinette hält dieser Swing an- in jeder der geschärften Moll-Tuttisteigerungen hat das Orchester schier endlose Reserven.
    Die Reprise wird mit einem veritablen Paukenschlag eingeleitet: man merkt: der Paukist hat sich warmgespeilt. Das Cleveland Orchestra ist in Hochform: Dohnany auch (desgl. der Solotrompeter)!
    Der dritte Durchgang der sechs Tuttischläge ist noch knalliger (durch die Pauken). Doch schon erscheint wieder das Oboenthema, aber alles in diesem wunderbar wiegenden Takt (das geht aber nur in diesem Tempo)! Man ist versucht, zum Tempo zu sagen. "So, und nicht anders". Die Coda wird glänzend eröffnet durch den formidablen Solotrompeter.


    2. Satz: Marcia funebre- Allegro assai (15:10)


    Sehr verhalten beginnt es, auch im Tempo, wunderbar auch hier die Oboe, überirdisch die Streicher (wie ich es vor 25 Jahren schon bei Brahms Eins festgestellt hatte). Dies ist ein verhalten trauriger, aber keinesfalls trostloser Ausdruck- herrlich die wenigen Takte der Klarinette, die wiederum von der Oboe abgelöst wird, und in der ersten Blechbläsereinlage liegt viel Schärfe.
    In der Einleitung zur ersten Dur-Blechbläsersteigerung zieht Dohnanay das Tempo merklich an, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen; aber diese Steigerung ist inhaltlich schlüssig. Die zweite Blechbläsersteigerung ist rauschhaft- Gänsehaut pur: an dieser Stelle kann ich mich kaum an eine Gänsehaut erinnern: die Pauken haben wiederum das Ihrige dazugetan. Die Durchführung ist seher markant, von gewaltigen Paukenschlägen angetrieben: die Hörner und die Trompten treten heftig hervor. Dann hören wir eine Streichersteigerung, die von den Blechbläsern unterstützt wird und zur großen, ultimativen Steigerung in Moll führt, quasi fast als Ankündigung des Jüngsten Gerichts, aber gleich wieder vorüber, treten hier überirdische Streicherweisen an die Stelle der Weltuntergangsstimmung, doch auch nur kurz: hell und dunkel wechseln sich jetzt ständig ab., und Dohnany ist schnell, die Pauken sind gewaltig- dann setzen die himmlischen Geigen ein: dennoch ist alles ein strenges Voranschreiten, und die Marcia funebre weist schon auf Mahler voraus (Streng wie ein Kondukt).


    3. Datz: Scherzo- Allegro vivace (5:12)


    Auch hier habe ich einen äußerst schnellen Beginn konstatiert, aber mich eigentlich nicht mehr darüber gewundert. Dohnany hält sein Tempokonzept eisern durch. Wenn dem so sit, hat nicht erst Chailly die Beethovenschen Metronomangaben beachtet: diese Dohnanysche Lesart ist ein wahres Feuerwerk. Ich kenne keine Aufnahme, in der das Scherzo feuriger eröffnet wurde - und dann das Trio - diese Hörner: Mein Gott, was hat der Dohnany da für Hornisten gehabt (aber später in Hamburg hatte er ebenfalls ausgezeichnete Hornisten).
    Die Reprise kommt auch, er hat bisher nichts ausgelassen- der Rausch hält an: ich liebe dieses Scherzo und frage mich, ob noch eine Steigerung kommt.


    4. Finale: Allegro molto (11:25)


    Sie kommt, erstens, weil sich auch die Pauken abermals steigern: dieses alles ist Rhythmik am obersten Level: so wird der größte Rhythmiker aller Zeiten adäquat interpretiert, und die ungarischen Dirigenten (wie schon das Beispiel Sir Georg Solti zeigt), sind anscheinend für diese feurige Lesart prädestiniert.
    Fantastisch, wir organisch hier die Variationen ineinanderfließen, ein Höhepunkt sit auch hier die "ungarische Variation".
    In der folgenden leisen moll-Variation zieht Dohnany nochmals das Tempo an, bevor die Blechbläser sich wieder austoben und die Decke der Severance Hall in Cleveland zittert. Ruhe kehrt ein bei der folgenden Oboenvariation, wo die Oboe das selige Lied anstimmt, das dann von den Streichern übernommen und im Wechselspiel mit der Oboe weitergetragen wird, um die große prachvtolle Adagio-Tutti-Blechbläser-Variation vorzubereiten: sehr interessant ist hier der kurz angerissene Tromptenschlag auf der Eins, den man so auch nicht oft hört; dann schwillt alles wieder ab, um in die schwingende, leise Streichereinheit überzuleiten, die aber unvermittelt zum nächsten Moll-Höhepunkt führt, der die Coda einleitet mit wechselnden Streicher- und Holzbläserseufzern:
    In der Coda wachsen die Hörner und die Pauken, ach, einfach alle über sich hinaus- und Dohnany lässt sich nicht zu einer Tempoverschärfung treiben- nur zu einer Ausdruckssteigerung.


    - Eine der besten Eroicas bisher! (m.E.)


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • 1. Satz: Allegro con brio (15:34):


    Leinsdorf beginnt gemessen, aber durchaus mit Brio, und seine Interpretation fällt von Anfang an auf durch einen beinahe kristallinen Klang, der sich weiter fortsetzt, in der ersten Steigerung und hier wie auch später keine Spur von Belanglosigkeit. Für eine 43jährige Aufnahme ist das eine atemberaubende Transparenz, und die sechs Tuttischläge jagen mir einen Schauer über den Rücken. Leinsdorf wiederholt an dieser Stelle die Exposition nicht. Die langsamen Abschnitte haben bei Leinsdorf etwas Geheimnisvolles. Zu dieser Aufnahme musste er ganz sicher nicht überredet werden.
    Die Moll-Steigerung in der Durchführung ist mitreißend. Das e-moll-Thema in der Oboe erklingt bei 6:27, bei Dohnany (s.o.) war das, wenn ich mich recht entsinne, etwa bei 8 Minuten, aber der hatte ja auch die Exposition wiederholt und hatte ja generell ein höheres Grundtempo angeschlagen als Leinsdorf. Dieses Seitenthema wiegt hier sehr ruhig und leicht, bevor wieder die sonore Hinwendung zum Hauptthema erfolgt. In allen Steigerungen ist die Pauke wie ein unerbittlicher Puls zu vernehmen.
    Auch in der zweiten Moll-Steigerung ist wohl die nötige Transparenz geboten. Die Reprise erfolgt bei 8:58, der leicht schwebende Swing findet seine Fortsetzung, der in der nächsten Dur-Steigerung dann wieder etwas drängender wird. Die großen Streicherbögen sind faszinierend musiziert. Klanglich ist dies allererste Wahl, Leinsdorf setzt leichte Crescendo-Decrescendo-Akzente auf das Ende einer Phrase, z.B. in den tiefen Streichern, das hört man nicht immer. Die sechs Tuttischläge sind in der Wiederholung leicht abgemildert. Das Oboen-Seitenthema ist wiederum von lichter Melancholie, langsam wird die Coda vorbereitet, die sich immer stärker erhebt, mit prägnanten Pauken, die am Schluss noch "bedrohlich" crescendieren.


    2. Satz: Marcia funebre, Adagio assai (16:08):


    Dies ist in der Tat ein veritabler Adagio-Beginn, "genügend langsam" wie es in der Satzbezeichnung heißt, keinesfalls ein schon öfter gehörtes Andante. Hier wird wirklich Trauer empfunden. Diese weichen weiten Bögen sind ungeheuer spannend. Das weist in einer solcherart getragenen Interpretation schon weit in die Zukunft, auf Bruckner und Mahler hin. Auch hier herrscht in den tiefen Klangregionen (Celli und Kontrabässe) eine berückende Transparenz.
    Nun kommt die langsam in Dur vorbereitete erste Steigerung der Bläser und herrlichen Pauken mit der federnden Zwischensequenz hin zur zweiten Steigerung, wo er noch eins draufsetzt: das ist Gänsehaut pur:


    nein, lieber liebestraum, ich muss dir (zumindest bis hierhin), in deiner negativen Beurteilung von Leinsdorfs Eroica-Interpretation ganz und gar widersprechen. Dies ist ganz großes Kino. Es ist in meiner nun schon länger währenden vergleichenden Betrachtung von Beethovens Sinfonien in GA's äußerst selten, ich glaube sogar noch nie vorgekommen (höchstens bei Günter Wand, dem Großmeister der dramatischen Steigerungen), dass ich an dieser Stelle ein paar Tränen verdrückt habe, wie es hier der Fall war.
    In der Durchführung beginnt bei 6:47 der wirkliche Höhepunkt dieses Satzes. die gewaltige Moll-Fuge. Das ist schwerwiegensdes Drama pur mit unerbittlichen Hörnern, Pauken und Trompeten sowie den hohen Streichern, die unerbittlich begleiten hin auf dem Weg zum eruptiven Kulminationspunkt, von den Kontrabässen eingeleitet, von den "Jericho"-Trompeten fortgesetzt, der durch eine lyrische Sequenz abgelöst wird, wobei das Tempo vorübergehend etwas anzieht.
    Dann erscheint ein unendlich schöner lyrischer Gedanke in den Geigen, von den Celli fortgesetzt, bis es hin zum Ende immer leiser wird, nur mit einem kurzen mf-Strich in den letzten Takten. -Eine wahre Marcia funebre.


    3. Satz: Scherzo.Allegro vivace - Trio (6:07):


    Auch hier bleibt Leinsdorf seinem Tempo-Konzept treu: die temporalen Binnenverhältnisse der einzelnen Sätze stimmen. Auch das Klangbild bleibt erhalten. In den Tutti erhebt sich eine wunderbare Forte-Steigerung des Hauptthemas mit wiederum deutlich vernehmbaren Pauken. - Komisch, mir ist bis hierhin noch keinen Moment langweilig geworden.
    Dann erklingt zum ersten Mal das Trio mit den herrlichen Hörnern, wieder abgelöst vom Orchester, dann folgt das Trio zum zweiten Mal. Die Reprise setzt ein, durchaus Allegro vivace, aber keinesfalls Presto und wieder ein beeindruckendes Fortissimo in der Tutti-Wiederholung. Der Satz klingt aus.
    Auch dieser Satz bestätigt meinen Eindruck von den ersten beiden.


    4. Satz: Allegro molto - poco andante - Presto (12:01):


    Auf den ersten Takt legt Leinsdorf ein knackiges ff, in der ersten Variation fällt wieder die schöne Mitarbeit der Pauken auf. In der nächsten Variation zieht sich das Thema durch alle Streicher, bevor es dann von einer herrlichen Oboenwendung übernommen wird und in ein mitreißendes Tutti mündet. So reiht sich Variation auf Variation organisch aneinander. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass Beethoven ein absoluter Meister der Variationskunst war. Zwischendurch erscheint eine durchführungsartige Variation in Moll, bevor es in den Flöten wieder nach Dur geht und dann zur sogenannten "Ungarischen" Variaiton hinführt- Auch in dieser f-Variation ist noch Transparenz gegeben. Schon erscheint die nächste ff-Variation, eindrucksvoll in den Blechbläsern, bis wieder die Oboe eine Variation in einem melancholischen, ruhigen Verlauf in p einleitet, fast wieder in Adagio, hinführend zu der berühmten festlichen Adagio-Variation, bei der man ja weiland Karajan vorgeworfen hatte, er hätte sie zu langsam (Largo) gespielt, ein Vorwurf, den ich nicht widerlegen kann. Am Ende dieser Variation ahnt man schon die Coda, vernimmt aber vorher noch die leicht hüpfende Variation, die in eine mitreißende Moll-Steigerung mündet, dann in pp-p abdriftet, bis dann die
    Coda ertönt mit den herrlichen Blechbläsern und Pauken: die wahren Paukisten flippen in dieser Coda fast aus, so auch der von der Boston Symphony.


    Lieber liebestraum, versuche doch einmal, diese Interpretation mit dem Herzen zu hören, nicht mit der Stoppuhr (in der Hand).


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,

    da kann man mal sehen was "Gerüchte" und Kritiken ohne Begründung wert sind. Die Eroica sollte danach ja eine eher schwache Aufnahme aus dem Zyklus sein.
    :) So wie Du es deutlich und wiedermal dankenswert darstellst ist es auch diesesmal unverändert eine "anständige" Interpretation (um es werttfrei auszudrücken).


    Die langsamen Tempi bei Leinsdorf würden mich aber hier nichstdestotrotz warscheinlich nicht so voll begeistern.
    Eher die von Dir beschriebenen Bostoner Pauken - aber die habe ich auch bei meinen Favoriten ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    Leinsdorf ist nicht eigentlich langsam, wie wir durch Vergleiche (s.o.) feststellen können. Ich nehme dazu deinen und meinen Solti und noch die Hamburger Erioca von Günter Wand hinzu, und zwar nur mal die ersten beiden Sätze:


    Leinsdorf: 15:34-16:08,
    Solti ana: 19:34-17:33,
    Solti dig: 17:33-15:19,
    Wand: 18:00-14:38;


    Mir ist da auch noch eine andere Idee gekommen: ich kann mir kaum vorstellen, dass Solti so viel schneller geworden ist, das ist bei manchen anderen (auf Grund des Alters) so wie z. B. bei unserem sehr geschätzten Günter Wand (bei Bruckner) auch so. Die Unterschiede bei Solti könnten auch da herrühren, dass er in der späteren Aufnahme sowohl im Kopfsatz als auch in der Marcia funebre eine Wiederholung (möglicherweise der Exposition) ausgelassen hat. Um das genau zu erfahren, werde ich wohl warten müssen, bis ich die Digitalaufnahme in Händen halte.
    Leinsdorf hat die Wiederholung der Exposition im Kopfsatz ausgelassen, wie ich dargelegt habe. Da Günter Wand auch 18:00 Minuten gebraucht, hat er sie mit Sicherheit gebracht, da brauche ich gar nicht nachzuhören.
    Übrigens Karajan, der im Kopfsatz noch eine Minute schneller ist als Leinsdorf, ist ja bekannt dafür, dass er Wiederholungen ausließ, hat einen schnellen Kopfsatz und ein langsames Adagio assai gespielt:
    1962: 14:44-17:05,
    1977: 13:28-16:27,
    Er fasst also das Allegro con brio als schneller auf als beispielsweise Leinsdorf, Wand oder Solti und das Adagio assai wirklich als mehr Adagio, und in o.a. Tabelle von Joseph sind Barbirolli (1967), Klemperer (1970), Celibidache (1987) und Thielemann (2009) noch weitaus langsamer als Solti (1972-1974).
    Gewissheit kann ich erst bekommen, wenn ich bei allen mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen abschnittsweise Vergleiche mache, das habe ich in der Vergangenheit schon öfter gemacht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es gibt keine Wdh. im zweiten Satz der Eroica.
    15:34 im Kopfsatz ist ziemlich sicher ohne Wdh. (sonst würde er auf jeden Fall als sehr schnell auffallen) und entspricht 18-19 min mit Wdh., also eher breit. Der Unterschied sind ca. 3 min, allerdings sind die Tempounterschiede zwischen den Interpretationen hier so groß, dass die schnellsten mit Wdh. (Scherchen unter 15, HIPisten, Gielen, Zinman u.a. 15-15:30) weniger Zeit benötigen als Klemperer oder Furtwängler mit Wdh (15:30- 16+)


    Der Eindruck hängt allerdings oft nicht direkt an der Gesamtspielzeit, da natürlich Temposchwankungen auftreten. Je nachdem wird sich vermutlich ein stetiges Tempo eher langsamer "anfühlen" als ein schneller Beginn mit vielen Schwankungen.


    "schnell" würde ich in der Eroica einen Kopfsatz unter 16 min mit Wdh. bzw. unter 13-13:30 ohne nennen; "mittel" 16-18 mit und 14-15 ohne, "langsam" alles, was langsamer ist, also in etwa > 18 bzw. >15. Mir selbst ist der Satz meistens eher zu langsam, wenn >17 oder >14

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Die Tempofrage hat mich doch nicht ruhen lassen, und so habe ich einen ersten Check des Kopfsatzes vom Beginn bis zu der Stelle, an der die Wiederholung der Exposition (ohne die beiden anfänglichen Tuttischläge) einsetzt. Zum Vergleich habe ich die vier Aufnahmen herangezogen, die schon von meinem letzten Posting am Rechner lagen, Karajan 62, 77, Solti 72/74 und Wand 89. Dies sind die Zeiten:


    Karajan 1977: 2:55 min.,
    Karajan 1962: 3:10 min.,
    Wand 1989: 3:14 min.,
    Solti 1972/74: 3:33 min.,


    In der Tat ist die 1977er Aufnahme Karajans bei weitem die schnellste, sogar signifikant schneller als seine erste 1962, während Wands Aufnahme von 1989 fast deckungsgleich mit der frühen Karajan-Aufnahme ist. Solti ist hier in der Tat merkbar langsamer. Was mir nur so nebenbei auffiel, war die Tatsache, wie gut die Pauken in der Wand-Aufnahme schon hier in der Exposition zu hören sind.
    Soltis Aufnahme ist zwar hier die langsamste, was aber dank der Expressivität nicht so ins Gewicht fällt.


    Wenn ich meine jetztigen vergleichenden Betrachtungen der neun Sinfonien (Leinsdorf und Leibowitz) beendet habe, werde ich mich mal an exemplarischen Beispielen etwas mehr der Tempofrage widmen.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

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  • 1. Satz. Allegro con brio (12:45):


    Leibowitz nimmt das Grundtempo im Kopfsatz deutlich schneller als Leinsdorf (12:45 zu 15:34), trotzdem ist der Klang ebenfalls sehr transparent, sehr geschärft in den Bläsern und Streichern, die sechs Tuttischläge sind sehr knackig, aber ohne hervortretende Pauken, und sie jagen mir auch keine Schauer über den Rücken, wie sie das bei Leinsdorf getan haben.
    Das Ende der Exposition ist bei 2:55 min, damit ist die Exposition exakt im selben Tempo wie die Karajans in der 1977er Version. An irgendwelchen anderen Stellen hat Karajan aber dennoch etwas langsamer gespielt, weil sein Kopfsatz um 43 Sekunden länger ist: 13:28min. Das Fugato in der Durchführung nimmt Leibowitz bei dem vorgegebenen Tempo natürlich nicht so schwer, trotz des "leichteren" Rhythmus jedoch zwingend, die moll-Steigerung entwickelt sich großartig bis in die scharfe Dissonanz und das e-moll-Seitenthema in der Oboe erscheint schon bei 5:20, in dieser Sequenz treten in der nächsten Steigerung die Pauken mehr hervor. Die Reprise folgt dann bei 7:27 nach einer weiteren tollen Steigerung und langsamem Abflauen in den Steichern, auch sind hier die Hörner sehr beeindruckend, und die Pauken bleiben weiter im Vordergrund im Gegensatz zur Exposition, wo sie in den Gesamtklang integriert waren. Jetzt klingt das großartig. Aber das Klanggeschehen drängt wirklich sehr rasch vorwärts, fast wie ein Vivacissimo, und Leibowitz hält das Tempo gnadenlos durch, auch bei der langsamer scheinenden Wiederholung des e-moll-Seitenthemas. Die Coda reißt dann natürlich alles mit sich fort. Im Ganzen swingt dieser Satz schneller als bei Leinsdorf, nicht intensiver.


    2. Satz: Marcia funebre: Adagio assai (14:21):


    Die Marcia ist soeben im Adagio, nicht assai, aber noch vertretbar. Im Gegensatz zu Leinsdorf schwächt Leibowitz das Tempo in der Mrcia im temporalen Binnenverhältnis sogar mehr ab:


    Leinsdorf: 15:34 - 16:09 (+ 35 Sekunden),
    Leibowitz: 12:45 - 14:21 (+ 96 Sekunden);


    Beide haben aber längst nicht ein so krasses temporales Verhältnis der beiden Sätze zueinander wie Karajan, der die Marcia um 2:59 Minuten länger hat als den Kopfsatz , und scheinen mir da doch etwas organischer zu Werke zu gehen.
    In der ersten Bläsersteigerung zieht Leibowitz das Tempo merklich an, alles ist nach wie vor sehr transparent- die Betonung der Hörner gegen die führenden Trompeten klingt zwar eigenwillig, aber frappierend. Trotzdem klingt die Mrcia weniger "funebre", mehr "drammatico", natürlich mit mitreißenden Blechbläsern und Streichern. Auch die Pauken mischen munter mit, wenn auch nicht so unerbittlich wie bei Leinsdorf.
    Nun folgt die sehr beeindruckende moll-Steigerung, jetzt mit apokalyptischen Trompeten, die in dem Moment alles andere an die Wand spielen. In der folgenden Sequenz mit dem Haptthema sind die Pauken wieder prägnanter, dann wird auch hier die lyrische Streicherstelle sehr ausdrucksvoll vorgetragen, aber bei Leinsdorf klingt das alles etwas gelassener. Dann naht das Ende, in dem sich die Strukturen etwas auflösen, hier klingt das bei Leinsdorf noch etwas elegischer- dennoch: auch Leibowitz hat die Marcia sehr gut interpretiert.


    3. Satz: Scherzo: Allegro vivace (5:13):


    Auch in diesem Satz behält Leibowitz sein Tempoverhältnis (natürlich) bei, auch in den ff-Tutti sind die Pauken nun sehr gut zu vernehmen, teilweise so mitreißend wie bei Krivine und Järvi. Dieses Allegro vivace (eigentlich vivacissimo) passt sehr gut. Die Hörner im Trio sind einfach grandios, noch schöner als bei Leinsdorf. Dieses Scherzo ist m.E. von allen drei Sätzen am besten gelungen und macht Appetit auf das Variationenfinale.
    Chapeau auch für die Leistung des Paukisten.


    4. Satz: Finale: Allegro molto (10:45):


    Das Finale schließt fast attacca an in gewohnt hellem Klangbild mit wiederum berückenden, transparenten Streichern, eine sehr schöne Variation, auch die sich anschließende, die mit der herrlichen Oboe, diesmal in strahlendem Dur, eröffnet wird; die nächste fugenartige Variation im Durchführungscharakter ist auch sehr schwungvoll musiziert, ebenso wie die Flötenvariation, deren tänzerischer Rhythmus hier sehr schön ausgeführt wird und an deren Ende das Orchestertutti zur "Ungarischen" Variation überleitet, die auch sehr schön klingt, aber vielleicht mit etwas weniger Paprika als bei Leinsdorf. Dann geht es in den Geigen im Hauptthema weiter, das in der Folge einige Male abgewandelt wird.Auch in dieser Variation ist die Leistung der Hörner und Trompeten überragend, dann erklingt die p-Variation mit Oboe und Fagott und herrlich im Hintergrund mitspielenden Horn. Diese Konstellation habe ich ebenso wenig wie die schon in der Marcia erwähnte Stelle des gegen die Trompete auftretenden Horns bei Leinsdorf so gehört, und eigentlich kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, dass ich diese Stellen schon jemals so gehört habe. Aber vielleicht ist es mir ja bisher auch noch nicht aufgefallen.
    Eine sehr lyrische, innehaltende p-Variation bereitet uns auf die große, prachtvolle Adagio-Variation vor, die Leibowitz, obzwar prachtvoll, aber doch schneller und mit kürzeren Strichen musiziert als Leinsdorf, mit, wie ich finde, sich nochmals steigernden Hörnern. Dabei sit das fast nicht mehr möglich.
    Dann, kurz vor dem Abschluss, folgt noch die herrlich wiegende Variation, die sich bis zur Coda erst dramatisch steigert, dann zurückweicht, bis die Coda mit aller Macht hereinbricht- also in diese fantastischen Hörner habe ich mich direkt verliebt, die Coda ist geradezu entfesselt mit einem entfesselten Paukisten, ach was, mit einem entfesselten Orchester.
    Jetzt hat sich nach der zweifachen Hörnerstelle im Trio des Scherzos noch mal in der Coda des Variationenfinales mit aller Macht Gänshaut bei mir eingestellt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Dies ist in der Tat ein veritabler Adagio-Beginn, "genügend langsam" wie es in der Satzbezeichnung heißt, keinesfalls ein schon öfter gehörtes Andante. Hier wird wirklich Trauer empfunden. Diese weichen weiten Bögen sind ungeheuer spannend. Das weist in einer solcherart getragenen Interpretation schon weit in die Zukunft, auf Bruckner und Mahler hin. Auch hier herrscht in den tiefen Klangregionen (Celli und Kontrabässe) eine berückende Transparenz.
    Nun kommt die langsam in Dur vorbereitete erste Steigerung der Bläser und herrlichen Pauken mit der federnden Zwischensequenz hin zur zweiten Steigerung, wo er noch eins draufsetzt: das ist Gänsehaut pur:


    Oder Langeweile.


    Wodurch wird denn die "genügende Langsamkeit" erreicht? Doch wohl durch den Entzug der Eigendynamik in diesem Satz. Hier werden Phrasen überbetont, der ganze Satz in eine Briete gedehnt, in der natürlich genug Platz für Transparenz und weiche Bögen ist.


    Hier kommt bei mir auch Trauer auf, und zwar über eine Interpretation, die versucht, ein Großorchester partiturnah spielen zu lassen, die aber in ausgedehnten Klanggebilden hängen bleibt.

  • Oder Langeweile.

    Ja, bei schlechten Dirigenten mag das der Fall sein.



    Wodurch wird denn die "genügende Langsamkeit" erreicht? Doch wohl durch den Entzug der Eigendynamik in diesem Satz. Hier werden Phrasen überbetont, der ganze Satz in eine Briete gedehnt, in der natürlich genug Platz für Transparenz und weiche Bögen ist.

    Auch das kann bei schlechten Dirigenten, in schlechten Interpretationen vorkommen. Dass breite Tempi nicht zwangsläufig Musik ihre vorwärtsgerichtete, strukturelle Dynamik entziehen, dürfte aber spätestens seit Celibidache niemand mehr in Zweifel zu ziehen wagen.
    Oder man höre etwa Knappertsbuschs Eroicas. Hier ist man regelmäßig bei über 17 Min. für die marcia funebre, doch aufgrund überragender Detailarbeit gibt es keinen Moment der Langeweile, im Gegenteil, die Musik ist sets durchdrungen von innerer Spannung und übergeordneter Schlüssigkeit.



    Hier kommt bei mir auch Trauer auf, und zwar über eine Interpretation, die versucht, ein Großorchester partiturnah spielen zu lassen, die aber in ausgedehnten Klanggebilden hängen bleibt.

    Auch bei mir kommt Trauer auf, und zwar ob des Lesens immer gleicher Plattitüden. "Großorchester", "ausgedehnt", etc. Hier wird die derzeitige Mode, Beethoven in ausschließlich in raschen Tempi und mit kleinen Besetzungen zu spielen (ich schreibe Mode und ausschließlich, weil es diese schnelleren Deutungen auch schon früher immer wieder gab, siehe etwa Toscanini oder Leibowitz. Nur, die konnten das sogar in großer Besetzung :baeh01: ) unreflektiert als der Weg zum interpretatorischen Heil angesehen. Zwischen guten und weniger guten Interpretationen mit unterschiedlichen Ansätzen wird gar nicht mehr differenziert; schnell = gut & richtig; langsam = schlecht und falsch.
    Hurra! Dirigent sein ist endlich einfach geworden.


    Ähnlich stupide Schwarz-Weiß-Malerei findet sich sonst nur in einschlägig bekannten Regietheater-Threeds.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Oder man höre etwa Knappertsbuschs Eroicas. Hier ist man regelmäßig bei über 17 Min. für die marcia funebre, doch aufgrund überragender Detailarbeit gibt es keinen Moment der Langeweile, im Gegenteil, die Musik ist sets durchdrungen von innerer Spannung und übergeordneter Schlüssigkeit.


    Danke! Endlich eine Bestätigung dessen, was ich schon lange so finde. :)
    Auf welche seiner Aufnahme beziehst du dich denn konkret, lieber novecento? Ich finde, seine zwei besten sind aus Bremen 1951 und Wien 1962.


    Langsamkeit ungleich Langeweile. Das würde ich schon sagen. Ein belanglos gespielter, durch die Partitur gehetzter Beethoven ist doch auch nicht das Wahre.


    Und ja, richtig: Schwarz-Weiß-Malerei ist fehl am Platze. Für mich ist es kein Problem, die Eroica von Knappertsbusch, Furtwängler und Klemperer neben jener von Gielen, Dausgaard und Savall zu mögen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Auf welche seiner Aufnahme beziehst du dich denn konkret, lieber novecento? Ich finde, seine zwei besten sind aus Bremen 1951 und Wien 1962.

    Es ist die aus Bremen. Schon sehr extravagant, mitunter nimmt man die eine oder andere Akzentuierung mit einem leichten Schmunzeln zur Kenntnis. Aber gleichwohl spürt man in jedem Takt, dass hier jemand interpretiert, der ein ganz klare Vorstellung von dieser Musik hat und der fähig ist, diese eben so klar umzusetzen. Auch wenn Knappertsbusch nicht immer an der Partitur klebt, ist das Ergebnis aufgrund seiner in sich schlüssigen künstlerischen Aussage einfach großartig.



    Und ja, richtig: Schwarz-Weiß-Malerei ist fehl am Platze. Für mich ist es kein Problem, die Eroica von Knappertsbusch, Furtwängler und Klemperer neben jener von Gielen, Dausgaard und Savall zu mögen.

    Ja, genau! Zugegeben, jeder hat Präferenzen. Mit schnellen Adagio in der IX. kann ich mich einfach nicht anfreunden. Da bin ich zu sehr von Furtwängler verdorben. Aber dennoch weiten und schärfen verschiedene Ansätze den Blick auf Beethovens Musik. Und erst dann merkt man wirklich, dass unter den diametral gegnsätzlichen Interpretationsansätzen auf beiden Seiten Vortreffliches und weniger Gutes zu finden ist.
    Außer im Falle des Adagios der IX. ;)

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Auch bei mir kommt Trauer auf, und zwar ob des Lesens immer gleicher Plattitüden. "Großorchester", "ausgedehnt", etc. Hier wird die derzeitige Mode, Beethoven in ausschließlich in raschen Tempi und mit kleinen Besetzungen zu spielen (ich schreibe Mode und ausschließlich, weil es diese schnelleren Deutungen auch schon früher immer wieder gab, siehe etwa Toscanini oder Leibowitz. Nur, die konnten das sogar in großer Besetzung :baeh01: ) unreflektiert als der Weg zum interpretatorischen Heil angesehen. Zwischen guten und weniger guten Interpretationen mit unterschiedlichen Ansätzen wird gar nichtb mehr differenziert; schnell = gut & richtig; langsam = schlecht und falsch.
    Hurra! Dirigent sein ist endlich einfach geworden.

    Ich habe mich ganz klar auf eine bestimmte Interpretation bezogen.


    Hier wird wieder etwas zur Verallgemeinerung herangezogen, was ich in anderem Zusammenhang gesagt habe.



    Zitat

    die Musik ist sets durchdrungen von innerer Spannung und übergeordneter Schlüssigkeit.

    Bitte näher beschreiben, so sind das Floskeln, die ich überall finden kann.



    Zitat

    Auch das kann bei schlechten Dirigenten, in schlechten Interpretationen vorkommen. Dass breite Tempi nicht zwangsläufig Musik ihre vorwärtsgerichtete, strukturelle Dynamik entziehen, dürfte aber spätestens seit Celibidache niemand mehr in Zweifel zu ziehen wagen.

    Wer urteilt eigentlich über die Allgemeingültigkeit einer Interpretation? Oder anders gefragt: Braucht man das überhaupt?


    Celibidache bietet eine total andere Musik als Leinsdorf. Er bleibt nicht in Phrasen hängen.

  • Zitat

    Thomas Sternberg: Ich habe mich ganz klar auf eine bestimmte Interpetation bezogen.

    Na klar, auf die von Erich Leinsdorf un dem Boston Symphony Orchestra. Wie lange hast du dieses Aufnahme schon in deinem Bestand, und wie oft hast du sie schon ganz gehört? Hast du sie überhaupt?
    Ich stehe zu jedem Satz, den ich über die Interpretation Leinsdorfs gesagt habe, ebenso über die schnellere Lesart Leibowitz' oder die langsamen Interpretationen Furtwänglers, Soltis, Klemperers oder Karajans, jeweils auf die Marcia bezogen, um nur einige zu nennen. Und ich weiß, dass ich damit nicht alleine stehe.


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da haben wir uns ja schon mal drüber unterhalten, lieber liebestraum, da haben wir halt unterschiedliche Ansichten drüber, die wir hier frei äußern können, und das ist auch gut so. Kannst du mir denn bei dem folgen, was ich über Leibowitz gesagt habe?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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