Der Komponist Wilhelm Furtwängler

  • Viel unbekannter als der Dirigent ist der Komponist Wilhelm Furtwängler. Drei große Symphonien hat er uns hinterlassen, daneben einige kleinere Werke. Zwar wurde der Komponist Furtwängler bereits in anderen Threads angeschnitten, zu einem eigenen schaffte er es bis dato aber nicht. Dem sei hiermit abgeholfen.


    Interessanterweise sah sich Furtwängler zeitlebens sogar in erster Linie als Komponist. Bereits zeitgenössisch dürfte das allerdings anders wahrgenommen worden sein, von heute ganz zu schweigen. Lediglich die 2. Symphonie und die Symphonie h-moll dirigierte er selbst, es liegen etliche Aufnahmen vor: Berlin 1951 Studio, Wien 1953 live, Stuttgart 1954 live [siehe unten], Frankfurt/M. 1952 live [Wilhelm-Furtwängler-Gesellschaft TMK 2006019], Hamburg 1948 live [Société Wilhelm Furtwängler SWF 921/2].




    Besonders empfohlen werden die Aufnahmen unter George Alexander Albrecht mit der Staatskapelle Weimar [Arte Nova]:




    Daneben gibt es noch offenbar sämtliche (?) Werke unter Alfred Walter, erschienen bei Marco Polo:





    Auch berühmte Dirigenten, der Furtwängler-Verehrer Daniel Barenboim, Eugen Jochum und Wolfgang Sawallisch, wagten sich an die 2. bzw. 3. heran und nahmen sie mit dem CSO bzw. BRSO auf:




    Ferner gibt es noch einen Mitschnitt der 3. unter Keilberth von 1956 [Wilhelm-Furtwängler-Gesellschaft TMK 017198].


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das Klavierkonzert in der Einspielung bei MARCO POLO kenne ich mittlerweile vom bislang einmaligen Hören.


    Es ist ein im Umfang und vielleicht auch Anspruch noch einmal gesteigerter Pfitzner bzw. Reger, deren Klavierkonzerte ich zwar bevorzugen würde, was aber keine Abqualifikation einer Musik sein soll, die durchaus griffig und virtuos erscheint, vom Pathos ganz zu schweigen, aber wohl auch kein rechtes Ende und keine rechte Mitte findet. Schöne Stellen finden sich allenthalben.


    Als Sammler von Klavierkonzerten möchte ich diese Entdeckung keineswegs missen.


    Womit hast Du bis jetzt konkrete Hörerfahrung gemacht, Joseph?


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Die Zweite Sinfonie mit dem CSO unter Barenboim ist ganz gut. Das Orchester spielt hervorragend und tut alles, um Furtwängler als großen Komponisten dastehen zu lassen. Einige tolle Stellen gibt es ja auch tatsächlich in dieser Sinfonie!
    Nur leider ist sie eben viel zu lang. Das große Manko des Dirigenten Furtwängler, nämlich ein Werk auf den Punkt bringen zu können, offenbart sich auch hier in der Komponistenrolle. Er findet einfach kein Ende und scheint auch gar nicht genau zu wissen, was er da eigentlich komponieren will. Er fängt halt einfach mal an und sieht dann eben, was so alles passiert. Kann man natürlich so machen, ist aber nicht wirklich überzeugend.
    Wenn man dagegen die beiden Sinfonien von Otto Klemperer sieht, zeigt sich der Unterschied. Klemperer fasst sich kurz, ist prägnant und konzise, ufert nicht ins Endlose aus, ist streng, klar, markant. So, wie er eben auch als Dirigent war. Mir ist diese Art wesentlich sympathischer als der schwammig-undeutliche Furtwängler.



    Gruß,
    Agon

  • Vielleicht darf ich ergänzen, dass es von Furtwänglers Sinfonischem Konzert für Klavier und Orchester h-moll nicht nur das Adagio in einer Edwin Fischer/Wilhelm Furtwängler-Aufnahme gibt (das Adagio wurde im April 1939 im Studio aufgenommen), sondern es gibt auch einen Live-Mitschnitt des gesamten Werks vom 19. Januar 1939 zu kaufen, zum Beispiel in dieser Edition:

    Fischer und Furtwängler benötigten am 19. Januar 1939 für das gesamte Klavierkonzert 64 Minuten und 13 Sekunden: der von Wolfgang gezogene Vergleich zu Pfitzner und Reger (mir fiele auch noch Busoni ein), was den zeitlichen Umfang der Musik anbetrifft, ist daher absolut berechtigt.
    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Womit hast Du bis jetzt konkrete Hörerfahrung gemacht, Joseph?


    Hallo Wolfgang,


    bisher kenne ich nur die 2. unter Furtwängler selbst. Gerade im Moment lerne ich seine 1. kennen.


    Bis dato möchte ich sagen, daß ich mich gar nicht so sehr an Bruckner erinnert fühle, was ja oft behauptet wird. Prägnante, einprägsame Themen sind eher Mangelware. Wobei nach einem ersten Hören so ein Urteil vielleicht voreilig ist. Ich bin gespannt auf weitere Eindrücke durch andere seiner Kompositionen.


    LG
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Fischer und Furtwängler benötigten am 19. Januar 1939 für das gesamte Klavierkonzert 64 Minuten und 13 Sekunden: der von Wolfgang gezogene Vergleich zu Pfitzner und Reger (mir fiele auch noch Busoni ein), was den zeitlichen Umfang der Musik anbetrifft, ist daher absolut berechtigt.

    Dann - Meister Swjatoslaw - ist David Lively (den ich auch mit dem Busoni-Konzert besitze) zusammen mit dem slowakischen Orchester unter Alfred Walter (- ich dachte immer, das wäre so ein no-name-Dirigent für Billigware nur mit der zentralen Literatur :whistling: ) allerdings ausgesprochen zügig unterwegs - meiner Erinnerung zufolge mit einer guten Dreiviertelstunde. :D


    Das Busoni-Konzert halte ich übrigens für interessanter als Reger, da spannender in der musikalischen Gesamtanlage. Pfitzners Konzert wiederum ist - eigentlich durchwegs - nicht ohne melodischen Wiedererkennungswert. Das wiederum würde ich Furtwängler nicht zubilligen, selbst wenn sich immer wieder schöne Passagen (sei es melodisch, harmonisch oder auch strukturell-virtuos) finden. Summa summarum: Ganz reicht hier die Kapellmeistermusik nicht an die drei anderen Herren heran, meines Erachtens.


    Einerseits reizen mich jetzt doch auch die Sinfonien, oder zumindest offensichtlich die zweite zumindest, andererseits ... :S ... andererseits wurde dann schon wieder Klemperer genannt. Schreibt der spätromantisch oder eher neuklassisch oder eher wie Adorno - Herr Agon? Das Konzise wäre ja zum Kennenlernen gar nicht so schlecht... ;) :)


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Nachdem ich jetzt in alle drei Symphonien hineingehört habe (dank YouTube), möchte ich ein kurzes Resümee ziehen:


    Zunächst hörte ich mir die 2. unter Furtwängler selbst an. Zum Kennenlernen sind alte Monoaufnahmen vielleicht nicht ideal. Mein Eindruck bei der 2. war, daß wenig prägnante Themen vorkommen und daß es sich irgendwie endlos hinzieht. Der 4. Satz gefiel mir am besten. Sie wirkt desillusioniert über weite Teile, was auf die Zeitgeschehnisse (verlorener Krieg, vieles zerstört) anspielen könnte.


    Ganz anders und viel positiver die Hörerfahrungen mit der 1. und 3.:


    Insbesondere die 1. gefiel mir ausnehmend gut. Sie erinnert mehr als die 2. und 3. noch an Bruckner. Sie ist wohl auch die triumphalste der drei, was mit der Entstehungszeit zusammenhängen könnte: Sie wurde letztlich über einen Zeitraum von fast 40 Jahren geschrieben, zwischen 1906 und 1943. Die Finalcoda erinnert ein wenig an die von Bruckners 5.


    Die 3. hat einige Stellen, die mir schon eher modern denn "spätestromantisch" anmuten. Sie wirkt teilweise resignierend, was nicht verwundert, entstand sie doch in den schweren letzten Lebensjahren Furtwänglers.


    Auf jeden Fall sind alle drei hörenswert und haben ihre Meriten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es gibt sogar ein Te Deum von Furtwängler:



    Kennt das wer?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dann - Meister Swjatoslaw - ist David Lively (den ich auch mit dem Busoni-Konzert besitze) zusammen mit dem slowakischen Orchester unter Alfred Walter (- ich dachte immer, das wäre so ein no-name-Dirigent für Billigware nur mit der zentralen Literatur :whistling: ) allerdings ausgesprochen zügig unterwegs - meiner Erinnerung zufolge mit einer guten Dreiviertelstunde. :D


    Lieber Wolfgang,
    ich kenne vom Sinfonischen Konzert für Klavier und Orchester h-moll nur die beiden Aufnahmen von Fischer und Furtwängler - und wäre noch nicht einmal auf die Idee gekommen, dass es auch noch andere Einspielungen gibt. Wenn David Lively, den Du nennst, nur gut 45 Minuten braucht, muss er Striche vorgenommen oder Wiederholungen weggelassen haben. Allein der erste Satz dauert ja schon mehr als eine halbe Stunde! Hier das Zahlenwerk bei Fischer/Furtwängler:
    1. Satz: 31:42
    2. Satz Studio: 10:59
    2. Satz live: 11:08
    3. Satz: 21:20


    Zu den Kompositionen von Dirigenten wie Furtwängler, Klemperer, Bruno Walter, André Previn etc. kann man vielleicht mit Fug und Recht sagen, dass ihre interpretatorischen Leistungen bei Werken anderer Komponisten einfach weitaus höher einzuschätzen sind als ihre eigenen kompositorischen Leistungen (wobei ich gerade Furtwänglers Klavierkonzert durchaus mag - jedenfalls bei einem solch phänomenalen Solisten wie Edwin Fischer, der vielleicht noch mehr herausgeholt hat aus diesem Werk, als bei Lichte betrachtet in ihm gesteckt hat). Umgekehrt waren Hindemith, Britten oder Strawinsky zwar auch ganz brauchbare Dirigenten, aber letztlich doch im kompositorischen Bereich weitaus fähiger. Wer wirklich in beiden Bereichen (Dirigieren, Komponieren) absolut gleich gut war, war meiner Meinung nach Leonard Bernstein: auch dies macht das Faszinosum dieses Mannes aus. Bei Pierre Boulez möchte ich persönlich diese Aussage nicht treffen: ihn schätze ich persönlich hauptsächlich als Dirigent, während ich seine Kompositionen nicht allzu sehr mag. Aber das mögen andere mit Fug und Recht ganz anders sehen, deshalb möchte ich mich insoweit überhaupt nicht aus dem Fenster lehnen.

  • ;(


    Es tut mir leid, dass ich wieder einmal Mist verzapft habe. Man sollte sich vergewissern und nicht aus der Erinnerung irgendetwas Vermutetes niederschreiben.


    Das Klavierkonzert von Furtwängler dauert auch bei Lively 63 Minuten.


    Damit sind aber wenigstens meine anderen Äußerungen nicht widerlegt.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    In diesen Tagen soll bei Profil die Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 D-dur (1938 – 39) von den beiden hübschen Musikerinnen, Sophie Moser, deutsche Geigerin und Schauspielerin sowie der russischen Pianistin Katja Huhn, erscheinen. Bis anhin wurde der Fokus bei Furtwänglers Werk eher auf sein sinfonisches und konzertantes Werk gelegt.


    Hier gibt es nun endlich die Gelegenheit auch Furtwänglers Kammermusikschaffen kennen zu lernen. Das Werk wurde zügig gespielt und Sophie Moser gestaltet mit etwas Vibrato, was wohl gewollt war, stammt das doch recht lange (45 Minuten) etwas sperrige Stück im spätromantischen Stil doch aus den 30er Jahren. Die Sonate weist viele dramatische Tempo- und Dynamikwechsel auf und ist in drei Sätze gegliedert.



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Es tut mir leid, dass ich wieder einmal Mist verzapft habe. Man sollte sich vergewissern und nicht aus der Erinnerung irgendetwas Vermutetes niederschreiben.


    Das Klavierkonzert von Furtwängler dauert auch bei Lively 63 Minuten.

    Macht doch überhaupt nichts, lieber Wolfgang. Ist mir (und mit Sicherheit auch allen anderen) ebenfalls schon mindestens 50mal passiert, dass man etwas in einer bestimmten Weise zu erinnern glaubt und beim Nachschauen, wenn man es dann nachprüft, war es doch ein klein wenig anders.
    Herzliche Grüße
    Dein Swjatoslaw

  • Ich höre gerade nochmal Furtwänglers 2., diesmal aber mit dem CSO unter Barenboim (Teldec 2001):


    Von der Orchesterqualität bin ich begeistert. Was Barenboim der Partitur entlockt, das konnte man bei Alfred Walter mit dem Slowakischen Philharmonischen Staatsorchester bestenfalls erahnen. Auch die Tontechnik ist sehr viel besser in der Teldec-Aufnahme.


    Allen Interessenten lege ich von daher, neben den Aufnahmen unter dem Komponisten selbst, diese ans Herz.


    Was die 1. und 3. angeht, so ist man vermutlich mit der Staatskapelle Weimar unter George Alexander Albrecht am besten bedient: Orchestral den Slowaken vorzuziehen, und auch die Klangqualität ist wiederum besser. Zudem läßt auch Albrecht den 4. Satz der 3. Symphonie spielen (anders als Sawallisch auf Orfeo).


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Nachdem ich mir heute die andere Aufnahme der 1. (es gibt ja leider nur zwei), dirigiert von G. A. Albrecht, angehört habe, möchte ich ein kurzes Resümee machen:


    Die 1. gefällt mir von Furtwängler am besten. Das liegt vermutlich daran, daß sie die bruckner-ähnlichste seiner Symphonien ist. Sie wirkt auf mich, als würde sie aus dem späten 19. Jahrhunder stammen.


    Zu der Aufnahme: Die Staatskapelle Weimar spielt sehr gut. Die Tempowahl und Betonungen Albrechts sind allerdings zuweilen merkwürdig. Die finale Schlußcoda gelingt ihm merkwürdig emotionslos. Die Pauken sind nicht so präsent wie in der Marco Polo-Aufnahme unter Alfred Walter. Der hält den Spannungsbogen irgendwie besser aufrecht und steigert sich mit dem Slowakischen Philharmonischen Staatsorchester zu ungeahnten Höhen. Viele Themen gehen bei Albrecht irgendwie unter. Bei Walter hört man die Schönheit der Partitur besser heraus. Der Vergleich mit der Finalcoda von Bruckners 5. tut sich bei ihm viel eher auf. Daher würde ich letztlich die günstigere Aufnahme von Marco Polo bevorzugen:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • KVS

  • beiden hübschen Musikerinnen, Sophie Moser, deutsche Geigerin und Schauspielerin sowie der russischen Pianistin Katja Huhn,

    Die Musikerinnen sind nicht nur sehr hübsch, sondern auch tüchtig und haben sich mit Begeisterung in die erste d-moll-Sonate und die etwas kürzere zweite C-Dur-Sonate eingearbeitet. Aber die beiden Beethoven-Violinsonaten, die sie zugleich aufgenommen haben, sind noch viel durchschlagender. Trotzdem zeigen Furtwänglers Sonaten, daß er ein ernstzunehmender Komponist war.

    KVS

  • beiden hübschen Musikerinnen, Sophie Moser, deutsche Geigerin und Schauspielerin sowie der russischen Pianistin Katja Huhn,

    Die Musikerinnen sind nicht nur sehr hübsch, sondern auch tüchtig und haben sich mit Begeisterung in die erste d-moll-Sonate und die etwas kürzere zweite C-Dur-Sonate eingearbeitet.Aber die beiden Beethoven-Violinsonaten, die sie zugleich aufgenommen haben, sind noch viel durchschlagender. Trotzdem zeigen Furtwänglers Sonaten, daß er ein ernstzunehmender Komponist war.

    KVS

  • Ich habe mich für Furtwänglers Sinfonien nie erwärmen können, obwohl ich es mehrfach versucht habe. Das - so dachte ich - liegt wohl an mir. Dann fand ich bei Katz "die mißbrauchte Muse" - ich hatte wegen etwas völlig anderem nachgeschlagen- sinngemäß den Satz: "Furtwängler habe sich selbst als Komponist doch etwas überschätzt"

    Und soeben konnte ich eine uralte Amateur-Rezension aus dem Jahre 2003 lessen "80 ;imuten des Grauens"

    So würde ich es nicht formulieren - eher "80 Minuten Langeweile".....

    Allerdings gibt es auch positive Stellungnahmen - vorzugsweise aus dem englischsprachigen Raum


    Es ist übrigens interessant, daß wenige Intpreten, die nebstbei komponierten , was Aussergewöhnliches komponiert haben.


    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Es ist übrigens interessant, daß wenige Intpreten, die nebstbei komponierten , was Aussergewöhnliches komponiert haben.

    Ich müsste jetzt erstmal überlegen, welcher heute noch bekannte Komponist zu seiner Zeit nicht auch Interpret war? Bach? Mozart? Beethoven? Wagner? Brahms? Strauss? Beim näheren Überlegen erscheint mir diese Schubladen-Einteilung (Interpreten / Komponisten / Interpreten, die nebenbei komponierten / Komponisten, die nebenbei interpretierten?) höchst merkwürdig.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das waren aber alles keine Interpreten, die "nebenbei" komponierten, sondern Komponisten, die auch interpretierten.

    Bei Joachim, Sarasate und Ysaye, vielleicht schon bei Paganini, Moscheles oder Thalberg könnte man dagegen schon meinen, dass sie relativ gesehen vielleicht doch bessere Interpreten als Komponisten gewesen sind. Natürlich wird es immer Fälle geben, in denen man die Leistungen auf beiden Gebieten sehr achtbar findet. Wie vermutlich Liszt, Bernstein, Boulez oder Previn.

    Zwar muss ich zugeben, deren Musik kaum oder gar nicht zu kennen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Walter, Klemperer, Furtwängler, Kubelik, Gielen, Maazel, Dorati, Hamelin von irgendwem zu den bedeutenden Komponisten ihrer Zeit gezählt wurden. Zu den bedeutenden Dirigenten dagegen wohl schon.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Es ist übrigens interessant, daß wenige Intpreten, die nebstbei komponierten , was Aussergewöhnliches komponiert haben.


    ich habe nicht den Eindruck, dass Walter, Klemperer, Furtwängler, Kubelik, Gielen, Maazel, Dorati, Hamelin von irgendwem zu den bedeutenden Komponisten ihrer Zeit gezählt wurden. Zu den bedeutenden Dirigenten dagegen wohl schon.

    "Dirigierende Komponisten sind schon Ärgernis genug, doch Dirigenten, die in ihrer Freizeit komponieren, sind eine echte Plage. (…..) Wilhelm Furtwängler schrieb drei höchst prätentiöse, doch sehr wenig originelle Sinfonien. (….)." Norman Leberecht, "Ausgespielt" (Schott Verlag, Mainz, 2007).

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich besitze von Furtwängler die Zweite, von ihm selbst dirigiert, und aus dem "Sinfonischen Konzert" das Adagio mit Edwin Fischer am Klavier und Furtwängler am Pult. Durch beide habe ich mich bis zum Ende durchgehört, doch bei ersten Durchgang ist es bis heute auch geblieben. Das ist kein Werturteil (dazu bin ich gar nicht befähigt), aber ich denke, daß es den meisten Musikfreunden so geht.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Es ist übrigens interessant, daß wenige Intpreten, die nebstbei komponierten , was Aussergewöhnliches komponiert haben.

    Werke von Furtwängler besitze ich nicht mehr ... aus den genannten Gründen.

    Ich hatte mal 2-3 LP´s von Furtwängler, mit Sinfonien und dem Sinfonischen Konzert. Ich hatte aber nie Lust mir diese später jemals auch auf CD zu besorgen ...


    Zum Zitat von Alfred oben:

    Mir fällt jetzt auch nur eine herausragende Ausnahme ein: Leonard Bernstein hat so einiges geschrieben, das auch heute noch als aussergewöhnlich starke Musik bezeichenet werden kann, wenn man an West-Side-Story + die Sinfonische Tänze daraus, die 3 Sinfonien, Serenade für Violine und Orchester und einige Ballettmusiken u.v.a. denkt - :angel: und speziell für mich persönlich den Hammer = On the Waterfront-Sinfonische Suite nach der Filmmusik "Die Faust im Nacken".


    Wenn Furtwängler nur ansatzweise solche starken Sachen wie Bernstein komponiert hätte, würde ich anders denken.



    Dirigierende Komponisten sind schon Ärgernis genug, doch Dirigenten, die in ihrer Freizeit komponieren, sind eine echte Plage.


    Lieber nemorino,
    diese Aussage kann ich weder nachvollziehen noch teilen.


    Ich finde es nachvollziehbar, dass ein Dirigient auch mal die Lust verspürt selber etwas zu komponieren und dann (egal wann) diesen nicht zu unterschätzenden Aufwand einer Komposition betreibt.

    Auch wenn es keine grossen Werke, wie die der grossen Komponisten sind, so können sich Sinfonien von Antal Dorati, die gesamte Werkreihe von Jewgenij Swetlanow, die Sinfonien und Orchesterwerke von Jose Serebrier (um jetzt nur diese wenigen zu nennen) durchaus sehen und hören lassen.

    Selbst die Werke von Andre Previn, den ich als Dirigenten nicht immer so ausserordentlich schätze, sind gar nicht so übel: Violinkonzert für A.S.Mutter, Klavierkonzert, Gitarrenkonzert.

    Auch Christoph Penderecki ist umgekehrt als Dirigent absolut kein Ärgernis. Das sind ja alles Komponisten/Dirigenten aus dem 20.Jhd die ich bei mir voll im Programm habe.


    Leif Segerstam macht von der Anzahl der Sinfonien zu viel des Guten und das Ergebnis geht oft eher ins ungenissbare ... letztendlich aber dennoch interessanter als Furtwängler.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • diese Aussage kann ich weder nachvollziehen noch teilen.

    Lieber Wolfgang,


    ich lege zunächst Wert auf die Feststellung, daß diese Aussage nicht original von mir stammt:), sondern ein Zitat aus dem Buch "Ausgespielt" von Norman Lebrecht ist.


    Ergänzend möchte ich hinzufügen, daß der Satz im Zusammenhang mit Otto Klemperers recht umfangreichen kompositorischen Erbe zusammenhing. Klemperer wollte unbedingt einige seiner Werke einspielen und ging damit seiner Plattenfirma EMI sehr auf die Nerven. Schließlich heuerte er auf eigene Kosten das Philharmonia Orchestra an und mietete die Royal Albert Hall zwecks Aufnahme seiner Sinfonien. Dem Vernehmen nach ist es aber schließlich bei einigen Proben geblieben …..

    Norman Lebrecht meint dazu noch: "Echte Komponisten haben nicht nur etwas zu sagen, sondern der Dirigent Otto Klemperer kann auch die zugrunde liegende Spannung spüren und ihrer Musik eine Erhabenheit verleihen, die seiner eigenen ganz und gar fehlt."

    Außer dem kurzen "Merry Waltz" kenne ich kein Stück von Klemperer, kann also dazu gar nichts weiter sagen. Als Dirigent ist und bleibt er für mich ein Gigant, seine Aufnahmen füllen bei mir ganze Regalreihen!


    Natürlich gibt es Ausnahmen: Leonard Bernstein nennst Du selber, er hat einige Werke hinterlassen, die Bestand haben werden, und sowohl Gustav Mahler als auch Richard Strauss waren ja nicht nur berühmten Komponisten, sondern dem Vernehmen nach auch ausgezeichnete Dirigenten.

    Ich hatte mal 2-3 LP´s von Furtwängler, mit Sinfonien und dem Sinfonischen Konzert. Ich hatte aber nie Lust mir diese später jemals auch auf CD zu besorgen ...

    Genau so ging es mir auch (ich denke sogar, daß wir die gleichen Aufnahmen hatten, die Sinfonie auf DGG und das "Sinfonische Konzert für Klavier und Orchester" mit Edwin Fischer auf ELECTROLA (EMI).

    Und weil hier exakt davon die Rede war, fand ich das - zugegeben überspitzte - Zitat passend.


    Im übrigen verwundert es mich, daß Du so gar nichts mehr zum Faaker See gesagt hast :), oder hast Du meinen Eintrag übersehen?


    LG Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das waren aber alles keine Interpreten, die "nebenbei" komponierten, sondern Komponisten, die auch interpretierten.

    Ich glaube nicht, dass die Dienstherren des Thomaskantors das so unterschrieben hätten. Und auch bei Mozart und Beethoven ist das so klar nicht. Daher halte ich auch nichts von solchen Kathegorisierungen und Einteilungen Komponisten hier vs. Interpreten dort.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ergänzend möchte ich hinzufügen, daß der Satz im Zusammenhang mit Otto Klemperers recht umfangreichen kompositorischen Erbe zusammenhing. Klemperer wollte unbedingt einige seiner Werke einspielen und ging damit seiner Plattenfirma EMI sehr auf die Nerven. Schließlich heuerte er auf eigene Kosten das Philharmonia Orchestra an und mietete die Royal Albert Hall zwecks Aufnahme seiner Sinfonien. Dem Vernehmen nach ist es aber schließlich bei einigen Proben geblieben …..


    Lieber nemorino,


    da vernahm man falsch, denn zumindest die 2. Sinfonie und das 7. Streichquartett hat Klemperer aufgenommen:


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    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • da vernahm man falsch

    Lieber Norbert,


    …. da bin ich wohl einer Falschinformation aufgesessen:untertauch:! Die Mahler 7 ist so ziemlich die einzige Studio-Aufnahme Klemperers aus seiner Londoner Zeit, die ich nicht besitze, deshalb ist mir auch nicht aufgefallen, daß dort Klemperer-Werke mit dabei sind. Obwohl kein Mahler-Fan, habe ich die Nr. 2, 4 & 9 mit Klemperer im Regal, nur die 7. nicht. Kennst Du die Aufnahme der Klemperer-Sinfonie? Ein Bestseller ist sie sicher nicht geworden - ähnlich den Furtwängler-Werken. Da das "New Philharmonia Orchestra" spielt, ist sie nach der Legge-Ära entstanden. Vielleicht als späte Verbeugung vor dem Lebenswerk Klemperers, der zu EMIs Verkaufserfolgen nicht unbeträchtlich beigetragen hat. Im England der 50er und 60er Jahre war Klemperer eine schier unangreifbare Institution, seine Londoner Konzerte waren Pflicht für jeden britischen Klassikliebhaber.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber nemorino,


    ich besitze die gezeigte Doppel-CD, habe sie aber seit Ewigkeiten nicht mehr gehört, da ich die Interpretation von Mahlers 7. Sinfonie als quälend langsam empfinde. Die Spielzeiten: 27:47, 22:08, 10:28, 15:42 und 24:15 oder, anders ausgedrückt, 27 Minuten (!) langsamer als Rafael Kubelik (Audite).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert,


    der "späte" Klemperer war ja für seine getragenen Tempi bekannt und gefürchtet. Allerdings sind diese Tempi einigen Werken durchaus gut bekommen, sie aufzuführen würde jetzt aber zu weit führen.

    Ich habe von Mahler 7 nur eine einzige Aufnahme im Bestand, diese:

    Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Claudio Abbado (Aufnahme: 1 & 2/1984, Orchestra Hall, Chicago).

    Aber ich habe sie eine Ewigkeit nicht gehört:(!

    Die Spielzeiten unterscheiden sich jedenfalls deutlich von Klemperer:

    1. Satz: 21.27 / 2. 16.37 / 3. 8.55 / 4. 14.01 / 5. 17.44 Minuten. Da liegen in der Tat Welten dazwischen (ich weiß nicht, ob Abbado eventuell irgendwo gekürzt hat, kann ich mir aber bei ihm gar nicht vorstellen).


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber nemorino,


    auch wenn das alles mit Furtwängler als Komponist wenig zu tun hat: Die Abbado-Aufnahme besitze ich auch. Die Zeitmaße bewegen sich alle im "normalen Rahmen" ohne irgendwelche Kürzungen.


    Gegen langsame Tempi an sich habe ich nichts, bloß wirken Klemperers Tempi bei Mahlers 7. Sinfonie bleischwer. Die Musik "kommt nicht vom Fleck", aber das Thema ließe sich ggfs. in einem passenderen Thread fortführen...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich glaube nicht, dass die Dienstherren des Thomaskantors das so unterschrieben hätten. Und auch bei Mozart und Beethoven ist das so klar nicht. Daher halte ich auch nichts von solchen Kategorisierungen und Einteilungen Komponisten hier vs. Interpreten dort.

    Mal abgesehen davon, dass der Rat der Stadt Leipzig so etwas nicht entscheiden sollte, gab es diese Unterscheidung zu Bachs praktisch noch nicht und selbst zu Beethovens Zeiten waren sowohl nichtkomponierende (professionelle) Interpreten (fremder Werke) als auch nichtinterpretierende Komponisten noch extrem selten. Allerdings haben zB Beethoven und Mozart soviel ich weiß relativ selten Werke anderer Komponisten gespielt, sobald sie einmal als Komponisten etabliert waren. Auch das unterscheidet sie von den meisten professionellen Interpreten ab Ende des 19. Jhds. und auch von vielen interpretierenden Komponisten, die nämlich oft/meistens fremde Werke interpretierten.

    Das ändert aber nichts daran, dass das 1920 eben anders war als 1720 oder 1820. Zwar sind die meisten Komponisten weiterhin Interpreten (oft notgedrungen, weil Komponieren nicht genügend Geld einbringt). Aber zahlreiche Interpreten sind keine Komponisten. Oder eben keine besonders erfolgreichen. Nochmal, will irgendjemand ernsthaft Furtwängler oder Klemperer als relevante Komponisten des 20. Jhds. verteidigen? Deren Rang als Komponist irgendwie in die Nähe ihrer Bedeutung als Interpret käme?

    Struck by the sounds before the sun,
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