Wo gibt es heute noch konservative Operninszenierungen zu sehen?

  • die oft als Kulturbanausen verschrieenen Amis


    Ein ja auch wirklich dämliches Vorurteil - und sicher nicht nur, weil es im Zuge der Massenemigration der Jahre 1933 bis 1945 einen intensiven Kulturtransfer von Deutschland und Europa in die USA gab...


    Die Bilder aus Seattle sehen vielversprechend aus - leider wird es bei mir wohl frühestens im Dezember wieder etwas mit den USA....


    Für April kurz geliebäugelt mit: "Lohengrin" in Warschau (11., 13., 15. und 17. April). Allerdings: New York holt sich Bieito, Warschau Antony McDonald, und was der mit dem "Lohengrin" an der Welsh National Opera gemacht hat, sieht zumindest leider nach "Regietheater light" aus:




    Schade, wird in Polen doch eigentlich auch noch in musikalischen Fragen die Tradition hochgehalten.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Es scheint eine traditionelle Inszenierung zu werden:



    Die Salzburger Festspiele feiern den 200. Geburtstag Giuseppe Verdis, und ARTE zeigt Peter Steins Neuinszenierung von 'Don Carlo' in einer Starbesetzung: Jonas Kaufmann in der Titelrolle, Matti Salminen als Filippo II., Anja Harteros als Elisabetta und Thomas Hampson als Rodrigo.


    Übetragung bei Arte: Freitag, 16. August um 20:15 Uhr


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Danke Harald, das sieht ja ganz gut aus, die werde ich in jedem Falle aufnehmen. Da scheint endlich aus Salzburg - nach für mich so gerade noch hinzunehmenden Meistersingern und dem öden Falstaff wieder mal etwas Vernünftiges zu kommen. Hoffentlich bemüht der Regisseur nicht auch zusätzliche unpassende Elemente.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Zitat von Kurzstückmeister: Räusper ... was ist mit Lucio Silla?

    Ja, lieber Kurzstückmeister, darüber habe ich gelesen, aber die werden wir ja wohl im Fernsehen nicht zu sehen bekommen, daher können wir auch wenig dazu sagen. Aber - wie schon an anderer Stelle geäußert - in Salzburg gibt es manchmal doch Ausnahmen von der "modischen" Regel, und wenn es diesmal sogar 2 wären, stimmt das schon ein wenig hoffnungsvoll.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Nach 3 Jahren Pause in diesem Thread möchte ich damit fortfahren, und ich gehe zurück ins Jahr 2012, wo die ersten Bilder von Zefirellis "Don Giovanni" Ausstattung angeblich bereits existierten, die aber aus unerforschlichen Gründen hier nicht eingestellt wurden. Inzwischen (seit 2015) gibt es sogar Videoclips davon, welche ich hier einstelle.
    Bei aller Liebe zur Prachtentfaltung dieser Inszenierung, möchte ich doch eine unterschwellige Kritik verlauten lassen: Es ist beinahe zuviel des Guten, die handelnden Personen treten de facto in den Hintergrund, sind schwer wahrzunehmen bei all der "Action" auf der Bühne. Aber vermutlich lässt sich dies bei den gegebenen räumlichen Verhältnissen nicht anders lösen.



    Dennoch eine weitere Erbsenzählerei von mir. Die Tafel erinnert eher an einen Altar, als ein Tafel, die Wandvorhänge bringen Unruhe ins Bild und sind IMO des Guten zuviel. DENNOCH: BEEINDRUCKEND
    Die Höllenfahrt beispielsweise: Unvergleichlich!!!!



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Rudolfo39 hat mich, nach dem ich über eine Operettenaufführung der Wichita Grand Opera (Lehars "Lustige Witwe") posiitiv berichtet habe auf deren Inszenierung von "Il Barbiere di Siviglia" von Rossini sufmerksam gemacht, die ebenfalls "traditionell" ist. Zumindest ist sie nicht das, was wir hierzulande unter "Regietheather" verstehen, wenngleich die Regie allenorts positiv zu sehen ist.
    Vielleicht zum Ort der Aufführung ein Wort: Wichita ist eine Stadt im US Bundesstaat Kansas, und mit ca 382.000 Einwohnern die größte in dieser Region.
    Die Aufführung entspricht dem guten Niveau einer Mittelstadt, ist weder prunkvoll noch sparsam ausgestattet. Die Sänger sind unterschiedlich, aber man kann zufrieden sein. Die Kostüme sind angemessen, gelegentlich aber auch ein wenig übertrieben (Dr. Bartolo und Don Basilio). Gesungen wird in englischer Sprache, was die Wirkung einiger Arien herabsetzt.
    Interessant ist, daß die Stärken und Schwächen bei dieser Aufführung anders verteilt sind als man üblicherweise gewohnt ist, auch wird man Pointen, die man längst auswendig kennt, vermissen, sie werden anders eingebaut.
    Graf Almaviva ist eine Idealbesetzung. So einen schönen jungen Grafen (Benton Hayes) hat es nur selten auf Opernbühnen gegeben. Der Darsteller des Figaro (Michael Nansel) dürfte dort der Bariton vom Dienst und gleichzeitig ein Publikumsliebling sein. Besonders bemerkenswert und auffällig ist die stark vordergründige Choreographie. Die Darsteller agieren gelegentlich wie Ballettänzer, sowohl in Gruppe als auch einzeln. Die Rolle der "Berta" wurde aufgewertet. Üblicherweise als dickliche , niesende Matrone dargestellt, wird die hier von einer jungen Zofe dargestellt, die andauernd sportliche Übungen - zur Musik passend - macht. Almaviva als "Don Alonzo" kommt winken mit Farbigem Tuch in hot-Pink auf die Bühne, was das Publikum teilweise verstand. Generell strotzt diese Aufführung von mehr oder versteckten Schlüpfrigkeiten, man beachte zu Beginn der Oper wo Lindoro sich im Spiegel Betrachtet und Frisur und Kleidung "ordnet".
    Oder das "eindeutige" Verhalten Rosinas in der Gesangsstunde - köstlich!



    mfg aus Wien
    Alfred


    PS: Die Produktion stammt von 2014

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner in Füssen


    In Zusammenarbeit mit dem (ja leider eingestellten) Richard-Wagner-Festival Wels findet, verschoben von 2020, im Festspielhaus Füssen am 29.09. und 02.10.2021 eine Aufführung von „Tristan und Isolde“ statt.


    Ich hoffe sehr, dass die Aufführung, die man sich als „konservativ“ im besten Sinne wünschen darf, stattfindet.


    Nach einer Regie von: Herbert Adler

    Spielleitung: Daniel Hackenberg

    Ausstattung: Dietmar Solt

    Dirigent: Lothar Zagrosek

    Tristan: Peter Seiffert

    Isolde: Lioba Braun

    König Marke: Matti Salminen

    Brangäne: Hermine May

    Kurwenal: Michael Kupfer-Radecky

    Melot / Steuermann: Caspar Singh

    Junger Seemann/Hirte: Franz Gürtelschmied

    Orchester: Filharmonie Brünn

    Chor: Projekt-Chor Musikfestspiele Königswinkel


    Peter Seiffet ist im Tamino-Forum ja hoch geschätzt (Peter Seiffert, ein deutscher Tenor), Lioba Braun hat auch mit Wagner reüssiert und war regelmäßig in Wels dabei. Ich freue mich sehr!

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Tristan: Peter Seiffert

    Isolde: Lioba Braun

    König Marke: Matti Salminen

    Wollte Matti Salminen (75) seine Karriere nicht schon längst beendet haben? Und das hohe Paar ist auch nicht mehr das jüngste. ;)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Wollte Matti Salminen (75) seine Karriere nicht schon längst beendet haben? Und das hohe Paar ist auch nicht mehr das jüngste. ;)

    Alte Recken, die es nochmal zeigen wollen. Zollen wir ihnen Respekt.

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



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  • Die Besetzung ist doch im wahrsten Sinne des Wortes "konservierend" und passt daher wohl perfekt zu einem konservativen Regiekonzept. Die Braun ist dann 64 und Seiffert 67. Und ich meine, der großartige Salminen hat auch mit dann 76 Jahren noch mehr beizutragen als manch anderer, weit jüngerer Rolleninterpret.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Besetzung ist doch im wahrsten Sinne des Wortes "konservierend" und passt daher wohl perfekt zu einem konservativen Regiekonzept. Die Braun ist dann 64 und Seiffert 67. Und ich meine, der großartige Salminen hat auch mit dann 76 Jahren noch mehr beizutragen als manch anderer, weit jüngerer Rolleninterpret.

    Und der wirklich noch ganz junge Franz Gürtelschied intoniert die "alte Weise" .... ....

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Heißt er nicht Franz Gürtelschmied, der hier berteits als Startenor gehandelt wird.


    U4T9zNnCjXyazsWfpiIFMyCUSFlwuW7APLBYQvRam4x5sZ6y0qqohzT-Ts3VJj84Aq4fg4ueo_ryt_BJjM4aO4U0Vqj0qwq42Z5uZY3Z3e1P7NRV5wPPLBFkYpCFUA

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In der MET inszenieren sie nicht nur vorwiegend konservativ sondern auch originell - die Vorstellung sind alles andere als reaktionär sondern schlicht sehr gut. Ich weiß aber nicht ob ich diesbezüglich up to date bin, mein letzter Besuch dort war 2019.

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Zeffirellis "La Bohème" an der Wiener Staatsoper - eine Erfolgsgeschichte seit 1963

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    Eine im besten Sinne konservative Operninszenierung hat die Wiener Staatsoper seit 60 Jahren im Repertoire: Puccinis "La Bohème" in der Produktion von Franco Zeffirelli von 1963 (Regie und Bühnenbild). Für die großartigen und historisch korrekten Kostüme zeichnete Marcel Escoffier verantwortlich. Mittlerweile ist es gar die zweitälteste noch gespielte Inszenierung an der Wiener Staatsoper (nach "Tosca"). Weitere Photos von der Inszenierung findet man auf der Website.

    Die Inszenierung stellt eine seinerzeitige Übernahme von der Mailänder Scala dar und feierte am 9. November 1963 (mit zweitägiger Verspätung infolge eines Streiks) unter Staatsoperndirektor Herbert von Karajan ihre Premiere. Mittlerweile hat sie nicht weniger als 452 (!) Aufführungen hinter sich. Aus dieser 452. Aufführung komme ich gerade. Und ich kann nur bestätigen: Von ihrer einstigen Magie hat die Produktion bis heute nichts eingebüßt. Die relative Schlichtheit des ersten und vierten Bildes ist der völlige Kontrast zur Massenszene im zweiten Bild, die mit das Beeindruckendste darstellt, was ich je live auf einer Opernbühne gesehen habe. Das Paris zu Beginn der Julimonarchie 1830 wird quicklebendig und ersteht vor den Augen des Zuschauers. Viel (sinnvolle) Bewegung auf der Bühne, von "Rampensingen" keine Spur. Sehr realistisch, die Schattenseiten nicht beschönigend. Gleichwohl kommt auch der Humor nicht zu kurz. Wer "Die Elenden" von Victor Hugo mag, ist hier genau richtig.


    Das ausverkaufte Haus am Ring konnte eine Opernmagie miterleben, wie sie heutzutage fast schon ausgestorben ist. Zudem war das künstlerische Niveau insgesamt erfreulich hoch, wobei Benjamin Bernheim als Rodolfo gewiss der gesangliche Höhepunkt war. Rachel Willis-Sørensen gab eine vielleicht etwas reife Mimì. Geheimfavoriten waren das amüsante Pärchen Marcello (der Russe Boris Pinkhasovich) und Musetta (die Ukrainerin Anna Bondarenko) - auch schauspielerisch köstlich. Hinzu gesellten sich sehr adäquat Stefan Astakhov als Schaunard und Peter Kellner als Colline. Übrigens alle bis auf Bernheim Rollendebütanten an der Wiener Staatsoper. Zum Schmankerl gerieten die Auftritte von KS Hans Peter Kammerer als Hausherr Monsieur Benoît und vor allem als Staatsrat Alcindor. Das Staatsopernorchester unter der koreanischen Dirigentin Eun Sun Kim (Musikdirektorin in San Francisco) zupackend, stellenweise vielleicht etwas laut. Sehr gut Chor, Extrachor und die Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper.


    Fazit: Ganz große Kunst von Franco Zeffirelli, der am 12. Februar 2023 hundert Jahre alt geworden wäre. Ein Exempel, wie Regie und Bühnenbild funktioniert und über Jahrzehnte Bestand haben kann.


    Bravo Zeffirelli!!! :hail::hail::hail:


    Für Kurzentschlossene: Die Produktion steht auch noch am 22., 25., 28. und 31. Jänner 2023 auf dem Spielplan (und hoffentlich noch lange darüber hinaus). Alle anderen können sich die Zeffirelli-Inszenierung zumindest als Video von der Scala besorgen.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões