150. Geburtstag von Jean Sibelius — Seine Bedeutung heute


  • Unter den Jubilaren des Jahres 2015 in der klassischen Musik sticht er besonders prominent hervor: Johan Julius Christian ("Jean") Sibelius, geboren am 8. Dezember 1865 in Hämeenlinna, Finnland, seinerzeit Russländisches Reich. Die Klassikwelt begeht die 150. Wiederkehr seines Geburtstages. Grund genug, einen eigenen, diesem Anlass gewidmeten Thread ins Leben zu rufen.


    Wie ist die Bedeutung von Sibelius heutzutage einzuordnen?


    In Skandinavien und in den angelsächsischen Ländern wäre es wohl eher müßig, überhaupt diese Frage zu stellen. In den USA wurde Sibelius in einer repräsentativen Umfrage der 1930er Jahre zum bedeutenden Komponisten gewählt und schaffte es 1937 aufs Titelblatt des "Time Magazine" (s. o.). Dergleichen wäre im deutschsprachigen Raum wohl heute noch undenkbar. Bis in die 1960er Jahre gab es tatsächlich auch nur sehr sporadisch Sibelius-Aufnahmen aus Deutschland und Österreich. Man geht wohl recht in der Annahme, wenn man die Wende dorthin datiert, denn um 1965 nahmen sich sowohl Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern als auch Lorin Maazel mit den Wiener Philharmonikern des finnischen Komponisten an. Letzterer brachte eine Gesamtaufnahme der sieben Symphonien heraus, die neben den Zyklen von Sir John Barbirolli (Hallé Orchestra) und Leonard Bernstein (New York Philharmonic) die beginnende Stereo-Ära dominierten.


    Noch 1982 listete Reclams Konzertführer lediglich die ersten beiden Symphonien von Sibelius auf. Aus heutiger Sicht geradezu absurd. Mittlerweile sind zahlreiche Werke des Komponisten auch im deutschen Sprachraum bis ins Standardrepertoire vorgedrungen, mindestens die 1., 2. und 5. Symphonie, das Violinkonzert, die Tondichtungen "En Saga", "Finlandia" und "Tapiola", die "Karelia"-Suite, die "Lemminkäinen"-Suite (besonders "Der Schwan von Tuonela") sowie der Konzertwalzer "Valse Triste". Doch auch bis dato selten aufgeführte Werke wie "Kullervo", "Pohjolas Tochter", "Die Okeaniden", "Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang", "Die Waldnymphe", "Der Sturm" oder "Luonnotar" erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Das Sibelius-Jahr mag in dieser Hinsicht noch einiges bewirken.


    Was steht im Sibelius-Jahr 2015 an?


    Was Wien angeht, hier das Programm der laufenden Spielzeit 2014/15:


    Musikverein:
    - Violinkonzert; J. Fischer; St. Petersburger Philharmoniker/Temirkanov (Mai)
    - Auszüge aus "Kuolema", Symphonie Nr. 3; Wiener Symphoniker/Elts (Mai)
    - Symphonie Nr. 3; ORF RSO Wien/Meister (Mai)


    Konzerthaus:
    - Auszüge aus "Pelleas und Melisande"; Wiener Symphoniker/Saraste (Januar)
    - Symphonie Nr. 2; Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia/Pappano (Mai)
    - Symphonie Nr. 1; Wiener Symphoniker/Vänskä (Juni)


    Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich enttäuscht darüber, dass Wien hier einige Chancen verpasst. Wieso etwa zweimal die 3. Symphonie von zwei verschiedenen Orchestern und nicht lieber dafür etwas anderes?


    Wie sieht es in anderen Städten aus?


    Liebe Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das RSO Stuttgart bringt nächste Woche die 2. Symphonie unter Norrington.


    Am 9.3. spielt ASM das Violinkonzert mit dem CGOA.


    UND DAS WAR ES AUCH SCHON BIS ZUR SOMMERPAUSE ;(

  • Lieber Joseph II.,


    was die Vorreiterrolle der englischsprachigen Welt b.z.w. die Datierung des Beginns einer breitenwirksamen Sibeliusrezeption in Deutschland/Österreich auf die 60er betrifft: Erscheinen Dir diese Ausführungen implausibel?


    Zitat

    Samstag, 20. Dezember 2014, 13:32

    Zitat von "Gombert"
    Anfang 1903 war die Erstaufführung der 2. Sinfonie in Berlin vorgesehen, zunächst durch Busoni, dann durch Strauss. Dies zerschlug sich zunächst - immerhin dirigierte Busoni ersatzweise die Uraufführung der revidierten Fassung von En Saga. Die "ausserskandinavische" Erstaufführung der Zweiten fand m.W. schliesslich im Januar 1904 in Hamburg unter Max Fiedler statt. Dabei verglich der Hamburger Kritiker Ferdinand Pfohl das Werk immerhin mit Brahms. Die erste Sinfonie wurde erst 1907 aufgeführt, zuerst in Lübeck, dann auch in Berlin und in Leipzig unter Arthur Nikisch, der zuvor schon mehrfach und mit Erfolg Finlandia und "Schwan..." dirigiert hatte - etwas später folgte Weingartner in Wien.
    Zudem fand die Uraufführung mehrerer sinfonischer Dichtungen in Deutschland statt. Und natürlich auch die "Weltpremiere" des wohl immer noch bekanntesten Werks, des Violinkonzerts (in der heute üblichen Fassung) durch Richard Strauss und die Hof[nachmalige Staats-]kapelle Berlin.


    In seiner noch immer noch grundlegenden Sibeliusbiographie verdeutlicht Erik Tawastjerna die fundamentale Bedeutung Deutschlands für die frühe Sibeliusrezeption so: "After the first decade of the century Sibelius was to become a great name in the Anglo-saxon world. But all this originated with Germany. It was the successes of Heidelberg, Hamburg and Berlin, and the work of Breitkopf and Härtel and Robert Lienau, that the foundations of his international reputation were laid." (Bd. 1, S. 294)

  • Auch meine Auflage des Reclam-Führers (17. durchgesehene und verbesserte, 2001) hat ausführlich nur die 2. und 4. Sinfonie. Was allerdings auch daran liegt, dass Kullervo, En Saga, Karelia-Suite, Finlandia, Tapiola, Violinkonzert und Lemminkainen-Legenden je ca. 0,5-1,5 Seiten erhalten haben.


    Insgesamt hat Sibelius 13 Seiten. Etwa so viel Raum wie Debussy. Schönberg hat knapp 15 Seiten, Ives knapp 5.
    Vgl. Nielsen, Magnard, Vaughan Williams je knapp eine Seite kursorisch ohne Besprechung eines Einzelwerks; Glasunov 2 Seiten, R. Strauss 26, Reger 10, Rachmaninoff 11


    Das von Konold herausgegebene Lexikon Orchestermusik Romantik hat jedoch alle Sinfonien, Kullervo, Violinkonzert und einige weitere. ca. 35 Seiten (ggü. ca. 45 R. Strauss und ca. 65 Tschaikowsky).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Gombert,


    danke für das Zitat Deines höchst interessanten Beitrages, auf den ich damals nicht mehr gesondert einging. Das war mir in dieser Bandbreite tatsächlich nicht bekannt. Aufführungen gab es also offensichtlich genügend. Indes trifft es wohl gleichwohl zu, dass es vor ca. 1960 nur zu relativ wenigen Sibelius-Aufnahmen auf deutschem Boden kam. Eine grundlegende Abneigung der "großen Alten" unter den deutschen Dirigenten scheint es indes nicht gegeben zu haben, wie diverse Aufführungen belegen: Klemperer dirigierte die 2. Symphonie anlässlich des 70. Geburtstages des Komponisten (1935), Knappertsbusch dirigierte das Violinkonzert in den frühen 50ern und von Furtwängler existiert sogar ein Mitschnitt von "En Saga" (1943).


    Danke dennoch!

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    (von Joseph II.) Wie sieht es in anderen Städten aus?

    Zitat

    (von lutgra) UND DAS WAR ES AUCH SCHON BIS ZUR SOMMERPAUSE ;(


    Tja, relativ betrachtet sieht es in meiner Gegend auch nicht besser aus, jedenfalls was die heimischen Orchester betrifft.


    Das London Philharmonic hat gar keinen Sibelius im Programm. Das Royal Philharmonic Orchestra spielt ihn - und zwar die Karelia-Suite.
    Auch das London Symphony Orchestra bringt es auf ein ganzes Stück (Violinkonzert). Aber gemach, da gibt es ja noch die finnischen Chefdirigenten. Etwa Sakari Oramo mit seinem BBC Orchestra, der dirigiert: 1x Finlandia, 1xKarelia. Endlich mal ein originelles Programm! Beim Philharmonia Orchestra übernimmt Salonen die 5. und Tuonela. Den Rest überlässt er Ashkenazy, der seine Aufmerksamkeit ebenfalls den abgelegenen Werken widmet: 2. Sinfonie, Finlandia, Karelia...


    Soviel zum Thema "Überlegene Sibeliusrezeption in der angelsächsischen Welt"! ;)

  • Lieber Joseph, schön, dass Du dieses wichtige Thema gleich zu Jahresbeginn eröffnet hast. Ich hatte dieses Jubiläum noch nicht so bewusst zur Kenntnis genommen, obwohl es hier im Forum gewiss schon einmal erwähnt wurde. Sei es drum. In Zeitungen und Zeitschriften, die ich lese, auch im Netz, ist mir bislang kein entsprechender Hinweis untergekommen. Nun weiß auch ich Bescheid. Danke. Besonders aufregende neue Aufnahmen erwarte ich nicht. Kann das Vorhandene, an dem kein Mangel ist, überhaupt noch getoppt werden? Alles ist möglich. Ich kenne ja bei weitem nicht alle Aufnahmen, glaubte bisher immer, mit Barbirolli, Maazel, Sanderling, Davis, Ashkenazy, Rozhdestvensky, Berglund und den vielen Einzelaufnahmen gut bedient zu sein. Wichtiger wären mir Konzerte. Ich habe live noch nicht sehr viel gehört von Sibelius. Bis zur Sommerpause habe ich auch hier in Berlin keine geballten Termine entdeckt, die auf so einen wichtigen Jahrestag würden schließen lassen. Vielleicht bietet die Saison 2015/16 mehr. Gespannt bin ich, ob es neue Bücher gibt. Das bisherige Angebot hält sich hierzulande in Grenzen.


    Noch 1982 listete Reclams Konzertführer lediglich die ersten beiden Symphonien von Sibelius auf. Aus heutiger Sicht geradezu absurd.


    Diese Bemerkung wundert mich auch. Ich habe mir eben mal einen umfangreichen Konzertführer in zwei Bänden von Karl Schönewolf aus dem Regal geholt. Er ist 1962 im Ostberliner Henschelverlag erschienen, später dann immer mal wieder neu aufgelegt worden. Sibelius hat ein eigenen Kapitel, besprochen werden alle sieben Sinfonien und die allermeisten sinfonischen Werke, kurz, knapp, sehr wohlwollend, meist auf den Punkt. Man kann damit als Einsteiger durchaus etwas anfangen, wie ich eben mal wieder bei Durchblättern feststelle. Gründliche Analysen sind allerdings nicht zu erwarten. Sie sehen die Bücher in meiner Ausgabe aus:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die Berliner Philharmoniker machen unter ihrem Chefdirigenten Sir Simon Rattle einen ganzen Sibelius-Zyklus.


    Los geht's mit diesem Konzert:


    http://www.berliner-philharmon…e/kalender/details/20344/


    dann gehts weiter mti diesem Konzert:


    http://www.berliner-philharmon…e/kalender/details/20350/


    und dann kommt dieses Abschlusskonzert:


    http://www.berliner-philharmon…e/kalender/details/20353/


    Also doch eine geballte Ladung, zumindest alle sieben Sinfonien und noch das Violinkonzert! :) :yes: :jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Na, er gibt fleißig Konzerte mit dem Lahti SO, dabei jede Menge Sibelius.
    Schau mal hier


    Da ich mir davon ziemlich viel angeschaut habe, wäre bei einem Assoziationstest auf die Frage: Sibelius?
    meine Antwort: Okko Kamu. :thumbsup:

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Na, er gibt fleißig Konzerte mit dem Lahti SO, dabei jede Menge Sibelius.
    Schau mal hier


    Vielen Dank. Ich habe ihn ja vor urlanger Zeit live in Stockholm erlebt mit einem mitreißenden Ravel-Bolero. Dazu machte er noch einen sehr sympathischen Eindruck.
    Gerade lese ich auch, dass er plant, die 7 Sibelius-Symphonien in den nächsten Jahren einzuspielen. Der Site hatte allerdings kein Datum, sah aber aus, als wäre er aktuell.

  • Ich glaube schon, daß Sibelius heute weitgehend in der Klassikwelt verankert ist, er ist einfach ein "interessanter" Komponist.
    Man sollte den "Feierlichkeiten" anlässlich seine 150. Gebuirtstages keine allzu große Bedeutung beimessen, denn derlei ist doch weitgehend aus der Mode. In der Vergangenheit hat man solche Jubiläen genutzt um eine neue Aufnahmeserie (beispielsweise aller Sinfonien) des jeweiligen Komponisten marktgerecht zu präsentieren - heute holt man bereits gestrichen Einspielungen wieder hervor. Aber alles in allem gibt es keinen Grund zur Klage, zumindest was den Tonträgermarkt betrifft. Es gibt mindestens eben so viele Zyklen seiner Sinfonien, wie von Franz Schubert - wenn nicht sogar mehr. Auch im Forum wurde Sibelius ausführlich gewürdigt, schon 2007 - aber auch in den Folgejahren. Naxos - und das ist dort eher die Ausnahme hat ihm ZWEI Serien mit seinen Sinfonien gewidmet. Die Attacken von Leibowitz und Leibowitz haben ihm auf Dauer nichts anhaben können - Im Gegenteil. Im Konzertführer von Csampai/Holland werden dies Angriffe mit vornehmer Zurückhaltung als "fragwürdig" bezeichnet, ein anders Werk bezeichnet sie wesentlich ungeschönter als " auf überraschend niedrigem Niveau" Hier bei Tamino hat vor einiger Zeit eine recht intensive Beschäftigung mit Sibelius stattgefunden. Mals sehen ob diese Fäden wieder aufgegriffen und weiter gesponnen werden.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Also doch eine geballte Ladung, zumindest alle sieben Sinfonien und noch das Violinkonzert!


    Oh, Gott! Das hatte ich gar nicht mitbekommen. Es liegt wohl daran, dass mein Interesse für die Berliner Philharmoniker unter Rattle nicht mehr sehr ausgeprägt ist. Danke, Stimmenliebhaber, für Deine richtigstellenden Informationen. Vielleicht gehe ich sogar in eines der Konzerte. Nur möchte ich nicht drei Sinfonien von Sibelius hintereinander hören. Das würde ich nicht aushalten, weil ich Sibelius liebe. Aber das ist mein Problem.


    In meinem Beitrag Nr. 7 wollte ich eigentlich noch die Frage aufwerfen, ob es sein kann, dass Sibelius zunächst im Osten Deutschlands einen höheren Stellenwert hatte als im Westen?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In meinem Beitrag Nr. 7 wollte ich eigentlich noch die Frage aufwerfen, ob es sein kann, dass Sibelius zunächst im Osten Deutschlands einen höheren Stellenwert hatte als im Westen?

    Das kann schon deshalb sehr gut sein, weil man ihn so wunderbar in die "Nationalen Schulen" stecken konnte: Moniuszko in Polen, Smetana und Dvorak in Böhmen, natürlich auch die Russen, Grieg in Norwegen und Sibelius in Finnland.
    Diese "Nationalen Schulen" waren für die DDR natürlich eine progressive Bewegung und wurden in den Musik-Lehrplänen verbindlich unterrichtet, auch Sibelius. Für die DDR als Land in Nicht-Adorno-Hand war es also ein progressiver Komponist und passte wunderbar ins Schema, während der Melodiker im Adorno-Land BRD auf Skepsis und Ablehnung stieß.


    Dass sich die finnischen Unabhängigkeitsbestrebungen primär gegen Russland richteten, spielte in der DDR erstaunlicherweise eine sehr untergeordnete Rolle... 8-)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Da müsste man vermutlich genauer hinsehen, Konzertprogramme studieren usw.
    Es gibt aus Eterna-Beständen eine Sinfonien-GA unter Sanderling (vermutlich aus den 1970ern?) und eine "kombinierte" (oder nicht ganz komplette?) mit Garaguly in 1,2,7?, Kegel in der 4. usw., die zumindest teilweise schon Anfang der 1960er entstand.


    Es gibt bei so etwas natürlich selbstverstärkende Effekte. Wenn ein ein Komponist/Werk nicht sehr populär ist, kommt es nicht oft aufs Programm und vor dem Zeitalter günstiger Schallplatten wird es dann eben auch nicht besonders populär. (Und je nach Qualität des Orchesters und Sorgfalt der Proben wird ein wenig vertrautes Stück mitunter auch tatsächlich schlechter gespielt, vermute ich.)
    Mein Eindruck ist, dass einige wenige Werke schon lange oder durchgehend auf dem Programm standen, allen voran das Violinkonzert, die 2. Sinfonie und einige der populären kurzen Stücke wie Finlandia.
    Auf Tonträgern besteht aufgrund der sehr großen Popularität im skandinavischen und englischsprachigen Raum ja kaum ein Mangel an Sibelius-Aufnahmen.
    Rattle war wohl seit je ein Sibelius-Verfechter, während Abbado diesen Komponisten anscheinend ignoriert hat. Barenboim hat (auf Aufnahmen) anscheinend auch nur das Violinkonzert dirigiert, ebenso Ozawa. Fehlanzeige bei Haitink (ein Dirigent, dem ich aus unerfindlichen Gründen Sibelius-Affinität unterstellt hätte). Vielleicht gibt es aber nur keine Einspielungen/Mitschnitte mit diesen Künstlern.

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  • Gerade lese ich auch, dass er plant, die 7 Sibelius-Symphonien in den nächsten Jahren einzuspielen. Der Site hatte allerdings kein Datum, sah aber aus, als wäre er aktuell.


    Der Zyklus von Okko Kamu soll im Sibelius-Jahr 2015 erscheinen, so meine letzte Information. Vielleicht wurde/wird der ja im Zuge dieser Live-Aufführungen, die als Video zugänglich sind, erstellt.


    "He is chief conductor of the world famous Lahti Symphony Orchestra in his native Finland where he has recently finished recording a complete Sibelius cycle for BIS for release in 2015 which follows an earlier one he shared with Herbert von Karajan and the Berlin Philharmoniker for Deutsche Grammophon." (Quelle)


    Es könnte wirklich sein, dass sich einige Orchester für die Spielzeit 2015/16 noch mehr einfallen lassen. Sibelius wurde am 8. Dezember 1865 geboren, womit er genau genommen eher in diese Spielzeit passt. So könnte uns ja noch mehr erwarten. Man hofft es zumindest. ;)

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    – Luís de Camões

  • Zu Sibelius passt ganz gewiss auch Okko Kamu. Weiß jemand, wo er geblieben ist? Ich finde, er ist zu Unrecht vergessen.

    Lieber Hans, Kamu ist ein recht aktiver Sibelius-Dirigent, der bereits in den 1970ern angefangen hat, die Sinfonienen für die DGG aufzunehmen. Ob er bis Nr. 7 gekommen ist kann ich nun nicht sagen, da ich mit 1-3 (auf der Rückseite von Nr.3 eine sensationelle Aufnahme von En Saga) recht glücklich war. Du hast recht: Kamu ist ein vorzüglicher Sibelius-Dirigent. Damals hat Bernstein auch Sibelius aufgenommen. Entsprechend häufig war der Finne auch im Rundfunk zu hören. Der WDR unter Hiroshi Wakasugi müsste auch Aufnahmen von Sibelius-Sinfonien im Archiv haben. Meiner persönlichen Wahrnehmung nach wurde Sibelius in den 1970ern viel im Rundfunk gespielt, war auch prima auf Tonträger zu bekommen. Die all-time-greatest Platte war Karajans Einspielungen der Tondichtungen Finlandia, Valse Triste, dem Schwan von Tuonela und Pojola. Die Musik ist ja auch gut anhörbar, nicht experimentell und reiht sich in das kultrelle Erwachen auch der gegenüber liegenden baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen ein, wo man ein paar Jahre nach den Erfolgen von Sibelius, aber doch im zeitnahen Umfeld etwa mit Heino Eller versuchte, eine eigene nationale Musiksprache zu entwickeln. Da gibts vieles Hörenswertes. Aber ich schweife ab.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Zitat von »Rheingold1876« In meinem Beitrag Nr. 7 wollte ich eigentlich noch die Frage aufwerfen, ob es sein kann, dass Sibelius zunächst im Osten Deutschlands einen höheren Stellenwert hatte als im Westen?


    Was die Aufführungsfrequenz betrifft, ist es - abgesehen von der nachvollzienbaren Argumentation des Stimmenliebhabers - natürlich auf ganz banaler Ebene auch eine Frage der persönlichen Vorlieben der Dirigenten. Prägend war etwa die Wertschätzung, die Kurt Sanderling entwickelt hatte (deren Ursprung nach eigener Aussage bei einem Gastspiel der Leningrader Philharmoniker in Helsinki zu finden war - da musste irgendein Werk eines aus der Gastnation stammenden Komponisten her...).


    Zudem dürften die Beziehungen in Richtung Skandinavien weniger angespannt gewesen sein als zum eigentlichen westlichen Europa. Das manifestiert sich in regelmässigen Gastauftritten von Garaguly, Berglund etc.


  • Lieber Thomas,


    schön zu hören, dass sowohl Sibelius wie auch Okko Kamu von unseren "Schwergewichtlern" nicht vergessen sind.
    Neuerdings wird ja die Bedeutung Sibelius´ als romantischer Naturschilderer in Frage gestellt. Für mich besteht sie dennoch, auch wenn seine Werke keinen einheitlichen Charakter aufweisen.
    Als unheilbarer Romantiker hat es mir der Teil seiner Tonsprache angetan, der auf eigenartige, fast rätselhafte Weise diese geniale Mischung aus Naturromantik und nordischer Sagenwelt vermittelt.

  • Der Zyklus von Okko Kamu soll im Sibelius-Jahr 2015 erscheinen, so meine letzte Information.

    Es liegt wohl daran, dass mein Interesse für die Berliner Philharmoniker unter Rattle nicht mehr sehr ausgeprägt ist.


    Vorab Wertungen abzugeben wäre verfehlt. Ich hoffe dass uns sowohl bei Rattle (jetzt mit den Berliner PH) wie bei Kamu (dieses Jahr) angemessen gute GA der Sibelius-Sinfonien erwarten.


    Kamu hatten sich in den 70er-Jahren die DG-Sibelius-Sinfonien-GA geteilt: Kamu (1-3) + Karajan (4-7). Weitere Sibelius-Sinfonien-Aufnahmen mit Kamu sind nicht bekannt.
    Damals hatte ich die DG-LP-Box - und genau mit den recht zahmen und trocknen Kamu - Aufnahmen in dieser Box war ich eben genau gar nicht sehr glücklich und hatte ewig bedauert, dass Nr.1 - 3 nicht mit Karajan vorhanden waren. Mein Eindruck wurde bestätigt, als ich dann diese Sinfonien mit Bernstein (CBS); Karajan mit Nr.1 und 2 (EMI) und dann erst recht auf CD mit Ashkenazy (Decca) hörte und kaufte.


    Rattles - GA aus Birmingham (EMI) würde ich als die Emotionsloseste aller Zeiten bezeichnen; da teille ich ohnehin die Ausprägung von Reingold.


    :!: Deshalb nun meine Hoffnung für 2015 auf eine neue und angemessene Sichtweise beider """Sibelius-Dirigenten""" 8| ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Ich habe mal in meinen Aufzeichnungen gestöbert, zumindest die zweite bis sechste Sinfonie hat Kamu mit dem Lahti SO im letzten Jahr aufgeführt, die fünfte und sechste jeweils in der Originalversion.
    Diese Konzerte waren aber sicher nicht für die CD-Veröffentlichung gedacht, denn auf der Seite des Lahti SO lese ich gerade:


    27.01. Sinfonien 1 und 6
    21.03. Sinfonien 2 und 4
    25.04. Sinfonien 3, 7, 5


    Wir dürfen also gespannt sein....

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    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Kamu hatten sich in den 70er-Jahren die DG-Sibelius-Sinfonien-GA geteilt: Kamu (1-3) + Karajan (4-7). Weitere Sibelius-Sinfonien-Aufnahmen mit Kamu sind nicht bekannt.
    Damals hatte ich die DG-LP-Box - und genau mit den recht zahmen und trocknen Kamu - Aufnahmen in dieser Box war ich eben genau gar nicht sehr glücklich ..


    Alles andere hätte mich bei Dir gewundert 8-)


    Nun legt Karajan allerdings auch nicht eben eine schmissige Sohle aufs Parkett, und es ist schon sympathisch, daß der Weltstar damals dem jungen Kollegen mit einer Aufgabenteilung beim Sibelius-Zyklus aufs internationale Parkett verhalf (Kamu ist eigentlich Geiger). Nach wie vor finde ich aus diesem Gemeinschaftszyklus die Sinfonien Nr.3 (Kamu) und 5 (Karajan) sehr hörenswert (in diesem besonderen Fall sage ich auch gar nichts gegen das glatt polierte Karajan-Orchester).


    Barbirolli, Berglund und Rosdestwensky sind freilich fabelhafte Alternativen. Bei Roshdestvesnksy entzückt zudem noch der alte russische Orchesterklang (wenn man den mag). Bernstein wurde seinerzeit im Rundfunk rauf und runter gespielt, ist allerdings bei mir im Vergleich zu den anderen nicht als favourit durchgedrungen, ebensowenig Mazel oder Rattle (mit seinem Birmingham-Orchester; hier hat mich vor allem die dumpf Aufnahmetechnik der EMI gefuchst, die durch die Interpretation in keiner Weise wettgemacht wurde. Seltsam, aber hier bin ich mit Wolfgang einer Meinung.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Vielleicht ein paar kurze Anmerkungen zu Aufnahmen von Werken Sibelius': das Violinkonzert wurde schon in der frühen LP-Ä'ra mehrfach aufgenommen. Zweimal allein durch den Dirigenten Sixten Ehrling, der David Oistrach und Camilla Wicks begleitetet. Jene zweite Aufnahme wurde von Sibelius selbst als mustergültig bezeichnet. Pau Kletzki nahm für Columbia die 2. Sinfonie auf. 1958 widmet Kirsten Flagstad eine ganze LP Liedern von Jean Sibelius. Gewiss, dass ist nun keine Aufnahmenflut, gibt aber auch lediglich die Ameinsenperspektive meiner eigenen kleinen Plattensammlung wieder. Jussi Jalas möchte nicht unerwähnt lassen, den Schwiegersohn von Sibelius. Der hat vor allem die sinfonischen Dichtungen für DECCA aufgenommen. Der Meinung, dass es sich hier um Referenzaufnahmen handeln würde, möchte ich mich allerdings nicht anschließen.


    Möglicherweise war der es rezeptionshinderlich, dass der Meister recht früh meinte, genug gearbeitet zu haben und einfach um 1930 das Komponieren einstellte. Deutschland wird in den 1950er Jahren einiges an Nachentdeckungsbedarf gehabt haben.


    Was mir allerdings in der Tat auffällt: Aufnahmen der Sinfonien unter deutscher Stabführung sind wohl Fehlanzeige. Kurt Sanderling war wohl der einzige deutsche Dirigent, der die Sinfonien aufgenommen hat.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • 1958 widmet Kirsten Flagstad eine ganze LP Liedern von Jean Sibelius.


    Es war ein großes Einverständnis zwischen beiden, wie auch diesem Foto zu entnehmen ist.



    Die LP ist mit den Jahren in unterschiedlichster Aufmachung erschienen, eine davon ist diese:



    Natürlich gibt es auch einen Umschnitt auf CD, der gleichfalls in mehreren Varianten vorliegt:



    Diese Lieder mit Orchesterbegleitung, die nur zum Teil von Sibelius selbst stammt - ursprünglich waren es Klavierlieder - gehören für mich zu den bewegendsten Werken des Komponisten. Aufgenommen wurden sie Februar 1958 und Januar 1959 für die Decca in der Kingsway Hall London. Produzent war John Culshaw, der die Sängerin sehr verehrte und sie eigentlich als Brünnhilde für den berühmten "Ring des Nibelungen" unter Solti haben wollte. Sie lehnte ab. In der Flagstad, die damals bereits die 60 deutlich überschritten hatte, finden die zum Teil sehr hymnischen Gesänge eine absolut entsprechende Interpretation - groß, weit, ausgreifend, majestätisch. Wie ein Panorama in Musik.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Jene zweite Aufnahme wurde von Sibelius selbst als mustergültig bezeichnet.

    Lieber Thomas,


    ich habe auch jahrelang immer in Sibelius-Beiträgen geschrieben was Sibelius gesagt hat: "Er versteht mich von allen wohl nohc am Besten !"
    Inzwischen wissen wir, dass Sibelius immer dankbar war, wenn seine Werke aufgeführt wurden und so hat er alle Dirigenten hoch gelobt !
    Insofern ist die Aussage zu Sixten Ehrling nicht als so entscheidend zu werten. (Habe Ehrling mit Sib aber in der Beethovenhalle gehört - war erste Klasse !)



    Jussi Jalas möchte nicht unerwähnt lassen, den Schwiegersohn von Sibelius.

    Ich habe die Sibelius-Doppel-CD (Decca) mit einigen sinf. Dichtungen (Der Sturm u.a.) mit Jussi Jalas. Aber ich kann bestätigen was Du auch schreibst: :( Das sind so ziemlich die langweiligsten Sibelius-CD´s die ich besitze.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Die von Segerstam ist unterwegs.


    Und die CD glänzt (neben der Leminkäinen-Suite) noch durch eine ganz hervorragende Aufnahme von TAPIOLA:



    ONDINE, 1996, DDD


    Hier wird zwar voll das Klischee bedient: "Der nordische Komponist in den nebligen Wäldern", aber es passt. Eine atmosphärisch gespannte Segerstam-Aufnahme, die Spass macht.
    Auch Klangtechnisch ungleich besser als die Segerstam-Sinfonien-Aufnahmen bei Chandos (Brillant-Übernahme) incl. der klnagtechnischen Ärgernisse der Sinfonien Nr.1 und 2 dort.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Auch Klangtechnisch ungleich besser als die Segerstam-Sinfonien-Aufnahmen bei Chandos (Brillant-Übernahme) incl. der klnagtechnischen Ärgernisse der Sinfonien Nr.1 und 2 dort.

    Die Brilliantaufnahmen kenne ich nicht. Vermutlich war er selbst mit dem Ergebnis unzufrieden und hat sie deshalb noch einmal eingespielt.


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