Lieber orsini,
Du sprichst einen sehr, sehr wichtigen Aspekt bei der Beurteilung des Gesanges an, nicht nur beim Lied, auch in der Oper und weitergehend selbst bis zur U-Musik. Auch ich glaube, daß die übergroße Mehrheit der Musikliebhaber Noten nicht oder nur unzureichend lesen kann. Und trotzdem haben sie ein eigenes Urteil über Sänger. Und das sollte keiner verdammen, der nicht die Fähigkeit hat wie Helmut Hofmann, Caruso41 u.a. hier im Forum. Nicht jeder will und kann jeden Ton und jede Silbe zerpfücken um dann zu interpretieren, wie sich in ein und demselben Stück Sänger unterscheiden.
Einige Fachleute auch hier im Forum (zum Glück nicht alle) mögen ruhig voller Verachtung auf die Nichtfachleute blicken, das wäre ja nicht schlimm. Aber ihre Verachtung und Geringschätzung hier zum Ausdruck zu bringen, das führt zu einem Gefühl, nicht "dazuzugehören." Und das halte ich für grundfalsch. Wir hören doch Stimmen gerne, in Oper und Lied, weil uns die Stimme etwas gibt, etwas, was mehr ist als bloße Notenwiedergabe, etwas, was uns das Drumherum vergessen lassen kann. Es muß doch außerhalb der exakten Analyse ein weiteres Kriterium geben, was uns veranlaßt, Musik und Gesang zu einer der schönsten Nebensache der Welt zu machen. Wenn Sänger nur gehört würden, um Stimmanalysen durchzuführen und die Emotion außer acht gelassen würde, dann sähe es schlecht um das zahlende Publikum aus!!
Mir geht es so wie Dir, darüber, ob ein Interpret, eine bestimmte Musik mich erreicht oder nicht, darüber entscheiden eine ganze Reihe Kriterien. Die Stimme selbst, das Bauchgefühl, was sie vermittelt, die Umgebung, die persönliche Stimmung usw. Es gibt Tage, da mag ich einfach keine Klassik und höre z.B. Countrymusik oder Elvis oder die BeeGee`s, und es gibt Tage, da brauche ich Klassik, an manchen Tagen Orchestermusik, und an anderen Tagen Oper. Es gibt auch Tage, da brauche ich keine Musik, da bleibt das Radio oder der CD-Player stumm.
Übrigens kann ich Noten lesen. Ich will mir aber das Hören einer Arie nicht zerstören, wenn ich dazu die Noten in der Hand halte und krampfhaft versuche, Abweichungen vom Notenmaterial und vom Text festzustellen. Da würde ich mein Bauchgefühl, meine Emotion abschalten müssen. Und damit meine Art, Musik zu genießen.
Herzlichst La Roche
Hallo La Roche, wir sind ja nicht oft einer Meinung, aber hier stimme ich dir mit vollster Überzeugung zu, mir macht es auch keine Freude vergleichend eine Arie/Lied zu zerpfücken. Es muss einfach von innen kommen und eine Aussage transportieren die meinem Gefühl entgegenkommt, ich lese auch immer wieder den Text mit auch wenn ich ihn auswendig kenne, so höre ich doch was der Sänger/in mit dem jeweiligen Text anfangen kann! Das muss sich dann aber nicht nur im reinen Schöngesang vollziehen. Besonders wichtig finde ich, was ich als erstes vernehme ist die Stimme und wenn die nicht gefällt ist es bei mir schon fast vorbei, und das ist doch auch das was Orsini beschäftigt da soll er sich auch mal keine größeren Gedanken darüber machen, er soll das hören was ihm gefällt. Übrigens kann auch ich so la la Noten lesen, für mein Chor singen reicht es wohl.
Ich lese liebend gerne H.Hofmanns Lieder Thread's auch wenn ich nicht immer alles nachvollziehen kann, so sind jedoch immer viele Anregungen dabei und ich höre manchesmal beim Nachhören ganz anders und achte mehr auf dieses und jenes!
LG Fiesco