Ravel - Impressionismus in der Musik

  • Das sind natürlich ganz hervorragende, klassische Aufnahmen - wobei mir M. Haas etwas zu nüchtern ist -, bei Gilels finde ich vor allem spannend, dass es ihm trotz des viel langsameren Tempos gelingt, den Charakter des Stücks sehr markant und eigenwillig darzustellen. Aber für mich bietet die vernichtend besprochene Neuaufnahme einen faszinierenden und keineswegs (!) weichgespülten anderen - atmosphärischeren - Ansatz und es bleibt der sehr fade Geschmack zurück, dass es hier auch um etwas anderes ging.


    Viele Grüße, Christian

  • Aber für mich bietet die vernichtend besprochene Neuaufnahme einen faszinierenden und keineswegs (!) weichgespülten anderen Ansatz und es bleibt der sehr fade Geschmack zurück, dass es auch um etwas anderes ging.

    Um was auch immer es ging, finde ich es einfach vermessen, bei Kompositionen vom Rang der "Miroirs" ein für allemal festlegen zu wollen, in welcher Weise sie interpretiert werden müssen. Skelettartige Klarheit, antiromantische Kühle und maschinenartige Präzision ist eine Möglichkeit, aber bei weitem nicht die einzige. Bei Bruce Liu fehlt es keineswegs an Transparenz, aber sein Hauptaugenmerk gilt der Farbigkeit, und man kann ja wohl kaum ernsthaft behaupten, dass das bei diesem Programm mit französischer Musik verfehlt sei. Lius Klavierspiel ist bei aller Ernsthaftigkeit und Ausdruckstiefe eben immer auch das: Spiel. Es strahlt eine Freude an Nuancen, Varianten, Farben und auch am eigenen Können aus und lässt immer der spontanen Idee ihren Raum. Auf mich wirkt das (vor allem auch live im Konzert) wunderbar unverkrampft und in den unzähligen Schattierungen und Nuancen extrem lebendig. Sein Können ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Holger hat seine Meinung dazu - ausführlich - begründet, ich kann nicht erkennen, dass er dabei dogmatisch geworden ist.


    Ich kann seiner Argumentation nicht nur folgen und sie verstehen, sie deckt sich mit meinem Empfinden.


    Allein die Kritik an seinen Ausführungen irritiert mich etwas.


    Wer sagt denn, dass man gleicher Meinung sein muss?


    Wenn es schmerzt, umso besser!


    Dadurch beleuchtet man doch in der Regel seinen eigenen Standpunkt neu und prüft die dahinterstehenden Argumente nochmals.


    Und stellt ggf. fest, dass es unterschiedliche Ansichten und Geschmäcker gibt.


    So darf es doch sein, oder?

  • Zum Verständnis:


    Für mich ist es unabdingbar bei den meisten Stücken Ravels, dass sie sperrig daherkommen.


    Das weckt zuerst die Aufmerksamkeit und anschließend die intensivere Auseinandersetzung mit dem Werk.


    Die tiefer versteckte Schönheit ist und bleibt dem gewöhnlichen Zuhörer mMn verschlossen.

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  • Allein die Kritik an seinen Ausführungen irritiert mich etwas.


    Wer sagt denn, dass man gleicher Meinung sein muss?

    Die Kritik gilt nicht den Ausführungen, sondern der Art ihrer Publikation - diese geschah auf eine Weise, die keinen Widerspruch und keine Diskussion duldet. Ich musste den Beitrag erst hier rüberziehen.

    Ansonsten begrüße ich unterschiedliche und kontroverse Meinungen, aber man sollte sie zulassen und aushalten können.

  • Hallo Christian,


    wir reden ja drüber, das machen wir doch immer.


    Bisher war das doch - auch von der Moderation her - nicht ausgeschlossen.


    Es grüßt


    Karl

  • Die Kritik gilt nicht den Ausführungen, sondern der Art ihrer Publikation

    Derzeit haben zwei Mitglieder m.W. die Möglichkeit, in ihren exklusiven Threads zu schreiben, ohne dass kommentiert werden kann. Beide beziehen sich nicht selten auf Zitate und Diskussionsbeiträge aus dem übrigen Forum und vice versa können deren Beiträge als Zitat in andere Threads aufgenommen werden. Ich finde, dass das nicht zu beanstanden ist, zumal man sieht, das sehr wohl zu den aufgespießten Gegenständen diskutiert wird. Was nun Liu betrifft: alles, was Christian zu zu seinen Fähig- und Fertigkeiten sagt ist gewiss richtig, ebenso die Beschreibung des Spiels. Ich bin indes sehr bei Holger und Kalli, dass meine persönlichen Vorstellungen von Ravel deutlich von dem entfernt sind, was ich bei Liu höre. Ich würd's jetzt nicht verreißen; es reicht mir, mich zu meinen Penaten zurückziehen zu können. Ein paar davon habe ich oben vorgestellt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Für mich ist es unabdingbar bei den meisten Stücken Ravels, dass sie sperrig daherkommen.

    Das weckt zuerst die Aufmerksamkeit und anschließend die intensivere Auseinandersetzung mit dem Werk.

    Die tiefer versteckte Schönheit ist und bleibt dem gewöhnlichen Zuhörer mMn verschlossen.

    Aufmerksamkeit wird auch (und in der Klassischen Musik wohl häufiger) durch Schönheit geweckt. Ansonsten frage ich mich, wer denn dieser "gewöhnliche Zuhörer" eigentlich ist bzw. wodurch man sich umgekehrt von ihm abhebt, und woher Du eigentlich so genau weißt, was in ihm vorgeht. Fragen über Fragen...


    Ich bin indes sehr bei Holger und Kalli, dass meine persönlichen Vorstellungen von Ravel deutlich von dem entfernt sind, was ich bei Liu höre.

    Das kann ich sogar nachvollziehen, aber andererseits kann ich mir als Hörer kaum etwas Langweiligeres vorstellen als die Erfüllung meiner persönlichen Vorstellungen durch andere.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Zitat

    Aufmerksamkeit wird auch (und in der Klassischen Musik wohl häufiger) durch Schönheit geweckt. Ansonsten frage ich mich, wer denn dieser "gewöhnliche Zuhörer" eigentlich ist bzw. wodurch man sich umgekehrt von ihm abhebt, und woher Du eigentlich so genau weißt, was in ihm vorgeht. Fragen über Fragen...

    Vielleicht verstehen wir den Begriff "Schönheit" hier unterschiedlich.


    Wenn James Last klassische Stücke aufgeführt hat, klang das für viele Zuhörer schön.


    Auch für den Klassikkenner?

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  • Vielleicht verstehen wir den Begriff "Schönheit" hier unterschiedlich.

    Den Begriff der Schönheit hattest Du ja in die Diskussion eingebracht. Also wäre es auch an Dir, ihn zu definieren.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

  • Ich sprach von tiefer versteckter Schönheit, du von Schönheit.

    Hmm. rein logisch betrachtet würde ich den Begriff "versteckte Schönheit" doch in Schönheit und das Attribut versteckt zerlegen, so dass man , wenn man darüber spricht, doch eigentlich beides definieren können sollte.

  • Ich sprach von tiefer versteckter Schönheit

    Das macht die Sache nur schlimmer, weil Du weder "tief versteckt" noch "Schönheit" definierst. Da bleibt nur ein inhaltsleeres Schlagwort übrig, das keinen Hochmut gegenüber dem "gewöhnlichen Hörer" rechtfertigt.

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    (Theodor W. Adorno)

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  • Wo erkennst du Hochmut?

    In Deiner Abgrenzung zum "gewöhnlichen Hörer", von dem Du ohne Begründung behauptest, dass er im Gegensatz zu Dir die in der Tiefe verborgenen Schönheiten nicht kapiert. Aber lassen wir das, ich will Dir Dein wohliges Überlegenheitsgefühl nicht weiter trüben. Statt dessen lieber ein passendes Gedicht von Eugen Roth:


    Der Weise

    Ein Mensch, den wüst ein Unmensch quälte,
    Der lang und breit ihm was erzählte
    Und der drauf zu erfahren zielte,
    Was er, der Mensch, wohl davon hielte,
    Sprach, kratzend sich am Unterkiefer:
    "Ich glaub, die Dinge liegen tiefer!"

    Gestürzt in einen Streit, verworrn,
    Der, nutzlos, anhub stets von vorn,
    Bat er, sich räuspernd, zu erwägen,
    Ob nicht die Dinge tiefer lägen.

    Ja, selbst den Redner auf der Bühne
    Trieb, zwischenrufend, dieser Kühne
    Vor seines Geistes scharfe Klinge:
    "Es liegen tiefer wohl die Dinge!"

    Der Mensch hat, ohne je den Leuten
    Die Tiefen auch nur anzudeuten,
    Es nur durch dieses Wortes Macht
    Zum Ruhm des Weisen längst gebracht.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • andererseits kann ich mir als Hörer kaum etwas Langweiligeres vorstellen als die Erfüllung meiner persönlichen Vorstellungen durch andere.

    Das wäre auch schon deshalb schwierig, weil ich keine Partituren lesen kann. Ich bin also schon auf Aufnahmen und Aufführungen angewiesen, mithin also auf Deutungsangebote. Und da gibt's dann solche, zu denen ich immer wieder greife (Francois, Haas, Meyer), solche -wie die des von mir durchaus geschätzten von El Bacha- die mir zu zahm, wenngleich schön gespielt sind, gewissermaßen gepudert, und solche, bei denen so richtig nichts rüberspringt. In die letzte Kategorie zählt für mich zunächst die Aufnahme von Liu. Zunächst schreibe ich deshalb, weil sich das durchaus ändern kann. Weshalb ich auch harsche Verrisse (außer bei HJLin) vermeide, wie ich auch ebensowenig eine Aufführung ekelig finden kann. Gestern beim Wiederhören fand ich das "Vallé de Cloches" in der Aufnahme von Monique Haas ebenso spannend wie hinreissend. Mal schauen, wie das aussieht, wenn ich heute Abend meine alten Samson Francois-Platten auflege.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Zitat

    In Deiner Abgrenzung zum "gewöhnlichen Hörer", von dem Du ohne Begründung behauptest, dass er im Gegensatz zu Dir die in der Tiefe verborgenen Schönheiten nicht kapiert. Aber lassen wir das, ich will Dir Dein wohliges Überlegenheitsgefühl nicht weiter trüben

    Warum so aggressiv und spöttisch?

  • Warum so aggressiv und spöttisch?

    Lieber Karl bevor es hier psychologisch weitergeht, wäre ich an einer logischen Fortsetzung interessiert. Du bist mir noch eine Antwort schuldig, die ich im Sinne des Verständnisses wichtig finde.


    Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist die "tiefe versteckte Schönheit" von Schönheit abgeleitet. Dann werden wir um ein Verständnis von Schönheit nicht herumkommen, sollte man die Äußerung verstehen wollen, Alternativ ist "tief verdeckte Schönheit" ein eigenständiger Begriff, der unabhängig von Schönheit wäre. Dann wäre dieser zu klären.


    Insbesondere, wenn man ihn nicht klärt, bleibt er nicht mehr als ein Wedelbegriff, der mit der Implikation, dass er gewöhnlichen Hörern verborgen bleibe, ja dann ein einfaches Verorten der eigenen Hörerfahrung erlaubt und damit ein gewisses Unwohlsein produziert.


    Das ist dann so eine Art Esoterik, wo hier jemand Einblicke hat, die nicht erklärt werden müssen und wo bei Unverständnis die eigene Begrenzung schuld sein muss.


    Das sollte die Frage


    Wo erkennst du Hochmut?


    eigentlich ausreichend beantworten.

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  • Warum so aggressiv und spöttisch?

    Pardon, aber jetzt mische ich mich doch noch ein - vorhin habe ich kurz überlegt und dann Abstand genommen -, auch wenn ChKöhn meine Unterstützung nicht benötigt. Doch ich hätte an seiner Stelle ganz genauso spöttisch und dezent aggressiv reagiert, mit Verlaub!


    Der Kollege astewes gibt sich alle Mühe - das fällt Dir hoffentlich auf, werter Karl.

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Doch ich hätte an seiner Stelle ganz genauso spöttisch und dezent aggressiv reagiert, mit Verlaub!

    Ich wollte nicht aggressiv sein, bin aber zugegebenermaßen etwas verärgert. Aus der Fragestellung hätten sich interessante Gedanken entwickeln können, z.B. ob "Schönheit" in der Kunst Selbstzweck ist oder eine Funktion erfüllt, ob es auch "zu viel" Schönheit geben kann, ob diese ausschließlich im Auge des Betrachters liegt oder auch objektivierbar ist usw.. Solche Gedanken können aber nicht diskutiert und entwickelt werden, wenn jemand einfach nur behauptet, er würde "tief versteckte Schönheiten" wahrnehmen, die dem "gewöhnlichen Hörer" verschlossen blieben, und dann auf Nachfragen keinerlei Antworten gibt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

  • Ich mische mich in Diskussionen hier ja nicht mehr ein.


    Nur ein kurzer Hinweis:


    "Äußere Schönheit", die gefällig ist und Jedermann gleich erkennt versus verborgene "innere Schönheit", welche das gewöhnliche Auge nicht sieht. Das ist ein uralter Topos. Platon Symposion. Das Paradox der "inneren Schönheit", die man nicht sieht verkörpert Sokrates. Außen eine potthässliche körperliche Erscheinung und innen die eigentliche Schönheit, die schöne Seele.


    Aufgegriffen in der modernen Kunst hat das z. B. Wassily Kandinsky.

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  • "Äußere Schönheit", die gefällig ist und Jedermann gleich erkennt versus verborgene "innere Schönheit", welche das gewöhnliche Auge nicht sieht.

    Ja klar, hier wird aber dann auch gerne von der Schönheit der Seele gesprochen.


    Ich hätte aber noch eine andere Idee. Als Beispiel: Bartoks schöne Sonate für zwei Klaviere ist sowohl harmonisch als auch rhythmisch nach bestimmten Mustern aufgebaut (Goldener Schnitt) Das ist etwas, was man am Anfang ohne Untersuchung natürlich nicht wahrnehmen kann. Auf der anderen Seite kann aber längere Hörerfahrung mit diesem Stück diese inneren Proportionen freilegen, ohne sie explizit zu machen. Es ist dann ein anderes Hörerlebnis und damit auch eine andere Erfahrung von Schönheit. Schöne Melodien im üblichen Sinne hat die Sonate ja eher nicht.


    Damit hätten wir schon zwei Möglichkeiten. Und das mit dem Durchschnittshörer ist mir immer noch nicht klar.

  • Zitat

    Ich wollte nicht aggressiv sein, bin aber zugegebenermaßen etwas verärgert. Aus der Fragestellung hätten sich interessante Gedanken entwickeln können, z.B. ob "Schönheit" in der Kunst Selbstzweck ist oder eine Funktion erfüllt, ob es auch "zu viel" Schönheit geben kann, ob diese ausschließlich im Auge des Betrachters liegt oder auch objektivierbar ist usw.. Solche Gedanken können aber nicht diskutiert und entwickelt werden, wenn jemand einfach nur behauptet, er würde "tief versteckte Schönheiten" wahrnehmen, die dem "gewöhnlichen Hörer" verschlossen blieben, und dann auf Nachfragen keinerlei Antworten gibt.

    Schönheit liegt im Auge des Betrachters, ist also subjetiv.


    Als schön empfingen wir dabei Dinge, die uns gefallen.


    Und damit zurück zu Ravel.


    Meine Behauptung beruht auf meiner eigenen Erfahrung mit dieser Musik.


    Mit den anfangs für mich so sperrigen Interpretationen einzelner Künstler wusste ich so Garnichts anzufangen, aber es sind genau diese geworden, die mir den Zugang zu diesen eigenartigen und außergewöhnlichen Klangschöpfungen des Komponisten erschlossen haben.

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