Johannes Brahms Werke - Welches sind Eure Lieblingsinterpretationen?

  • Unsere Sicht auf die Welt begrenz unseren Horizont. Ich bin seit der Entdeckung von YouTube als schier unerschöpflicher Quelle klassischer Musik dabei, menen Horizont zu erweitern und habe Komponisten und / oder Solisten entdeckt, deren Namen ich noch nie gehört hatte. Kleines Beispiel:

    Brahms Klavierkonzert op 15 d-moll mit Pavica Gvozdić unter Oskar Danon (mit einem Zagreber Orchester?, zumindest stammt die Aufnahme von 1980 aus Zagreb)

    Mit knapp 44 min eine der schnelleren Aufnahmen (danach scheint eine Grenze erreicht zu sein, sowihl Horowitz (Toscanini) als auch Fleisher (Monteux) scheitern grandios an unter 42 Minuten, die Zahl der Fehler wächst dramatisch und läßt in beiden Fällen ob der technischen Probleme keine Interpretation mehr zu.) Hat jemand schon mal die Namen gehört? Ich jedenfalls vorher nicht. Dei Aufnahme ist von A bis Z schlüssig und gelungen.

    (Kurzkommentar: Firkusny ist gut - entspricht in seiner holprigen Spielweise (Schlusssatz) meinen Erwartungen und ist NICHT gewaltig!) (da ist Gvozdic um Klassen besser!)

    "His philosophy was to transmit the music to the public and not boring the public. A concert is not a lecture, a concert you go for enjoyment." WTH

  • Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur, Op. 83


    Auch hier ist es eine Sisyphos-Aufgabe, aus der Überfülle von Aufnahmen kärgliche drei Favoriten auszusuchen. Das muß zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten führen.


    Vielen Dank, lieber Novalis, für Deine Nominierungen. Ich kenne allerdings davon nur eine: Richter/Leinsdorf (RCA, Aufnahme: Chicago, 17.10.1960). Die ist natürlich grandios und hat weltweit Furore gemacht. Doch ich persönlich ziehe diese seines Landsmannes einen kleinen Tick vor und räume ihr Platz 1 ein:

    Brahms / Chicago Symphony Orchestra, Reiner, Gilels – Brahms Concerto No. 2  In B-Flat, Op. 83 (1958, Vinyl) - Discogs

    Emil Gilels (Klavier) mit dem Chicago Symphony Orchestra, Dirigent: Fritz Reiner (Aufnahme: Chicago, 1958).

    Das hat nicht zuletzt etwas mit dem Dirigenten zu tun, der mir nicht nur der "idealere Begleiter", sondern auch der sensiblere Kenner der Partitur zu sein scheint.


    Auf den Plätzen 2 und 3 sind diese beiden Aufnahmen gelandet:

    Johannes Brahms, Geza Anda · Ferenc Fricsay, Berliner Philharmoniker –  Klavierkonzert Nr.2 B-dur (1963, Vinyl) - Discogs

    Géza Anda (Klavier) und die Berliner Philharmoniker, Dirigent: Ferenc Fricsay (Aufnahme: 5/1960, Jesus-Christus-Kirche, Berlin).

    Die beiden Ungarn harmonieren prächtig, was sie bereits hinreichend bei den Bartok-Konzerten bewiesen haben. Für mich hat sie nicht nur hohen musikalischen, sondern auch nostalgischen Wert: Mit dieser Aufnahme habe ich das zweite Brahms-Konzert erstmals kennengelernt.

    Anda hat später (1967) eine weitere Aufnahme mit Karajan (DGG) vorgelegt, die nicht so einheitlich gelungen ist.


    Johannes Brahms, Hans Richter-Haaser, Berliner Philharmoniker, Herbert von  Karajan - Brahms: 2. Klavierkonzert B-Dur Op. 83 - Columbia - C 91 052,  Columbia - 33 WCX 1680: Johannes Brahms , Hans Richter-Haaser ,Karajan-Edition (Brahms) - Richter-Haaser, Karajan, Bp, Brahms, Johannes:  Amazon.de: Musik

    Hans Richter-Haaser (Klavier) und die Berliner Philharmoniker, Dirigent: Herbert von Karajan (Aufnahme: 11/1958, Grunewaldkirche, Berlin).

    Hier harmonieren Pianist und Dirigent großartig, für mich ist das eine der schönsten Aufnahmen des Konzerts überhaupt und eine Erinnerung an einen leider viel zu wenig beachteten großen deutschen Klavierspieler in der Nachfolge von Gieseking, Backhaus und Kempff. Richter-Haaser hat nur recht wenige Aufnahmen hinterlassen, er wirkte in späteren Jahren vor allem als Klavierpädagoge an der Musikhochschule in Detmold. Er starb, 69jährig, während einer Probe zu obigem Konzert 1980 in Braunschweig.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo


    Sonate für Klavier und Violoncello (Cellosonate) Nr.2 F-Dur Op.99


    Brahms komponierte diese späte Sonate für den wohl damals herausragenden Cellisten Robert Hausmann. Hausmann war der Cellist des Joachim Quartetts. Er muss wohl einen sehr voluminösen Ton gehabt haben. Der Klavierpart ist typisch brahmsig kompakt und manuell anspruchsvoll. Die Uraufführung erfolgte mit dem Widmungsträger Hausmann und Brahms selbst.

    Diese Sonate lernte ich zusammen mit der ersten auf besagter DG-MC mit Rostropowitsch/Serkin kennen.


    Mir standen 7 Aufnahmen auf CD zur Verfügung. Ich finde diese Sonate viel facettenreicher und harmonisch interessanter als die erste Cellosonate. Daher benötigte ich hier doch 3 Hörrunden, um mich für die 3 Lieblingsaufnahmen zu entscheiden. Von den 4 Aufnahmen, die es nicht geschafft haben, möchte ich kurz 2 erwähnen: ein Live-Mitschnitt mit Heinrich Schiff/Christian Zacharias und eine Aufnahme mit Stegenga/Entrement. Philippe Entremont spielt sensationell, mit rundem Klavierton, sehr sonor und symphonisch. Schiff und Zacharias spielen überragend, leider ist die Aufnahmetechnik nicht so gut. Jetzt die 3 Nennungen:


    Janos Starker, v’cello

    György Sebök, p


    (Mercury, ADD, 1964)



    Für mich überragend ist das wunderbar verwobene Spiel dieser langjährigen Musizierpartner ungarischer Herkunft. Janos Starker bevorzugt ein eher zügiges und schnörkelloses Spiel mit feinem Strich. Aufnahmetechnisch top und sehr luzide.


    Mischa Maisky, v’cello

    Pavel Gillilov, p


    (DG, DDD, 1998)


    Brahms: Cello Sonata No.1 in E Minor Op.38

    Dies ist eine sehr virtuose und hochemotionale konzertante Darbietung. Maisky besitzt den ‚goldenen‘ Ton, sehr voluminös und zieht einen romantischen Ansatz vor. Pavel Gililov spielt mit vollem Risiko ohne Verfehlungen.


    Mstislav Rostropowitsch, v’cello

    Rudolf Serkin, p


    (DG, DDD, 1982)



    Rostropowitsch kommt diese Sonate äußerst entgegen. Sein Ton ist voluminös und doch mit feinen Abstimmungen bei entsprechenden dynamischen Vorschriften. Rudolf Serkin spielt kongenial und transparent diesen wirklich schwierigen Klavierpart. Wenn ich mich recht erinnere, fanden beide Künstler erstmalig zusammen, Serkin schon im hohen Alter. Es isr wunderbar, wie diese großen Musiker sich in den Dienst des Werkes stellen und mit blindem Verständnis füreinander spielen.


    LG Siamak

  • Klavierkonzert Nr. 1 op.15


    Dass sich der Thread entwickelt sich megainteressant entwickelt ist Euren aussagekräftigen Eindrücken zu verdanken. Klasse !


    Das einzig herausragende an seiner Interpretation ist, dass er noch etwas länger als Glenn Gould mit Leonard Bernstein braucht, damit erschöpft sich auch schon das positiv Hervorzuhebende.

    Deine Eindrücke regen zumindest zum Nachdenken an. Als Kenner der Brahms-KK (mit 150 Aufnahmen) weißt gerade Du, wo der Hase läuft. Freut mich einen offenbar sehr versierten neuen Tamino hier begrüssen zu dürfen, lieber Harry.

    Mir gefallen die Zimerman/Bernstein-Aufnahmen von der orchesteralen Brillanz her recht gut und an Zimerman habe ich eigentlich nie etwas auszusetzen.


    Das besonders das Brahms - KK Nr.1 mit Zimerman / Bernstein (DG) bei mir nicht an erster Stelle steht, liegt klar am zu langsamen Tempo. Und das würde ich genau nicht positiv hervorheben !

    Wenn bereits der 1.Satz 21 Minuten weit übersteigt, so komme ich mit diesen Aufnahmen nicht mehr zurecht.


    Während ich Serkin/Szell in die Nähe von Rubinstein/Reiner rücken würde, schätze ich an der DGG-Aufnahme mit Emil Gilels und Eugen Jochum von 1971 einmal das großartige Zusammenspiel sowie die phänomenale "Begleitung" durch die Berliner Philharmoniker, zum anderen die außergewöhnliche Klangschönheit und kantable Ausformung der Partitur. Eigentlich überflüssig zu sagen, daß Gilels natürlich in Bestform ist.

    Wir liegen auch hier wieder auf einer Linie. Bis auf eine Ausnahme ... lieber nemorino.

    Ich war heute nahe dran mir die KK Nr.1 und 2 in der neusten (und offenbar am besten remasterten Ausgabe) bei den DG Originals mit Gilels / Jochum zu bestellen. Ich kenne beide Aufnahmen nicht. 8) Habe dann erst einmal in den Kritiken und Beiträgen über diese Aufnahmen nachgelesen und weis nun warum ! Ich glaube Dir jedes Wort, was Du zu diesen Aufnahmen schreibst / Gilels muss herausragend sein, daran habe ich keine Zweifel. Glaube aber, dass Jochum mir einfach zu klangschön ist ... und das brauche ich bei den Brahms KK in der Form eben nicht. Ich habe sogar gelesen, dass hier sogar Langeweile vorherrscht (laut Zitat von Ex-Tamino s.bummer). Ausserdem klingen die DG-Aufnahmen recht mulmig / dumpf. ;) Reiner mit Gilels (RCA) ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt.


    Für mich gilt auch heute noch folgendes, was ich schon vor 10 Jahren schrieb:


    Zitat von teleton

    George Szell ist dann auch der, der es wirklich versteht dem Klavierpart das spannenste Orchester an die Seite zu stellen und damit dem Klavierpart eine gleichwertige und höchst packende Orchesterbegleitung zu geben. :thumbup: Szell ist für mich der "Spiritus Rector" für die Brahms Konzerte - eine bessere packendere und angemesseneres Orchester habe ich bei keiner Aufnahme je gehört.

    :angel: Von daher kommen für mich als Favoriten nur die beiden Szell-Aufnahmen in Frage:


    Fleisher / Szell

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    SONY, 1958, ADD


    Diese CBS-Aufnahmen mit Fleisher hatte ich früher mal als CBS-Doppel-LP. Das war klanglich die Katastophe: total verraucht, verfärbt und mit Kanalaussetzern, Knacker - eben "kratzwaretypisch". Habe selten einen so positiven Unterschied zwischen LP zur CD wahrnehmen können - ganz ausgezeichnet auf CD !



    Serkin / Szell

    51yWbdBxUVL._SY300_.jpg

    SONY, 1968, ADD



    Die mit Curzon / Szell soll auch ganz grossartig sein, obwohl der 1. Satz 23 Min dauert ... das werde ich gelegentlich mal austesten (leider ist das KK Nr.2 mit Curzon / Knappertsbusch in Mono).


    Mit neueren Aufnahmen tue ich mich etwas schwerer. Ich habe auch die Freire / Chailly - Aufnahmen (Decca), die Novalis in Beitrag 30 nennt. Da finde ich nur das KK Nr.2 wirklich gelungen.


    :angel: Als dritte Nominierung kommt dann für das KK Nr.1 nur noch die wunderbare Rubinstein / Reiner - Aufnahme (RCA) für mich in Frage.

    Von dieser wurde ich in meiner frühen Jugend geprägt (die waren unter meinen ersten LP´s == das war eine braune 2 LP-Box bei der das KK NR.2 von Krips geleitet wurde).

    Hier ist alles total stimmig; auch das vorwärsschreitende Tempo ganz in meinem Sinne. Das Aufnahmedatum 1954 der Stereoaufnahme hat mich später auf CD total verblüfft, zumal die wirklich angemessen gut klingt. (;) Das war auf der LP nicht angegeben --- ^^ gut so, denn sonst hätte ich die gar nicht gekauft ! :pfeif: ).


    Ich habe diese CD-Ausgabe:

    41CHd-7H9RL.jpg

    RCA, 1954 Stereo, ADD




    :( Gar nicht mag ich die flachen Pollini / Abbado-Aufnahmen KK 1 und 2 mit den Berliner PH (DG). :) Dagegen finde ich die Aufnahmen mit Pollini / Wiener PH / Böhm (DG) / das KK 2 mit Abbado / WPH, wirklich gut.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    mein Eindruck ist leider, daß die Beteiligung an diesem Thread bisher nur recht spärlich ist. Vor allem die Teilnehmer sind fast an einer Hand abzuzählen:(. Aber was nicht ist, kann ja noch werden ....


    Doch zunächst möchte ich Dir für Deine Ausführungen zum

    Klavierkonzert Nr. 1 d-moll, Op. 15

    danken. Auf Gilels/Jochum komme ich später, aber da Du Dich zu lebhaften Tempi, vor allem im Kopfsatz, bekennst:


    Wenn bereits der 1.Satz 21 Minuten weit übersteigt, so komme ich mit diesen Aufnahmen nicht mehr zurecht.

    möchte ich Dir eine IMO sehr gute, hierzulande aber wenig bekannt gewordene Interpretation empfehlen:

    Johannes Brahms - Concerto No. 1, In D Minor, Op. 15

    Gary Graffman (Klavier) und das Boston Symphony Orchestra, Dirigent: Charles Münch (Aufnahme: 4/1958, Boston).

    Ich habe bewußt das Original-Cover abgebildet, die zeigt, daß es sich um eine Stereo-Produktion handelt.

    Das Tempo im 1. Satz dürfte Dir gelegen sein: 19.40 min. Die übrigen Sätze: 2. 13.04 / 3. 11.14 min.

    Es ist eine jugendlich feurige Version, nicht zuletzt durch Charles Münch befeuert, wie mir scheint. Der war ja für seine flotten Tempi bekannt (z.B. Beethoven 9, Violinkonzert mit Jascha Heifetz).

    Rubinstein / Reiner - Aufnahme (RCA)

    Es ist kaum zu glauben, aber die entstand bereits im April 1954! Es war m.W. die erste Stereo-Produktion eines klassischen Werks von RCA. Aus mir nicht bekannten Gründen wurde sie, zumindest bei uns, nun in Monofassung angeboten; noch im Katalog von 1962 wird sie nur in Mono mit der Best.Nr. LM 1813 geführt. Für mich ist es die klassische Aufnahme dieses Konzertes.

    Die mit Curzon / Szell soll auch ganz grossartig sein, obwohl der 1. Satz 23 Min dauert

    Das stimmt nicht ganz, lieber Wolfgang, die CD liegt hier vor mir und weist folgende Zeiten aus: 1. Satz: 22.12 / 2. 16.01 / 3. 12.00 min.

    Für mich eine ganz wunderbare Interpretation, nicht zuletzt durch Szells überlegenes Dirigat.

    Fleisher / Szell

    Das sind natürlich Super-Aufnahmen der beiden Brahms-Konzerte, und ich hätte sie ebenfalls gerne genannt, doch die Begrenzung auf drei hat mich andere Versionen nennen lassen, weil ich mir von vorneherein sicher war, daß sie hier ins Spiel gebracht würden. Was Serkin/Szell angeht, so habe ich die beim Konzert Nr. 1 zu meinen Favoriten gezählt.


    Zum Schluß noch ein Wort zu Mauricio Pollini:

    das KK 2 mit Abbado / WPH

    finde auch ich außerordentlich gut, ich denke, wir reden über diese Aufnahme:

    Klavierkonzert 2 - Pollini, Abbado, Wp, Brahms, Johannes: Amazon.de: Musik

    Die späteren mit den Berliner Philharmonikern kenne ich gar nicht, deshalb kann ich dazu nichts sagen.


    Wie schon eingangs gesagt, komme ich später auf Gilels/Jochum (DGG, 1972) zurück, da gibt es eine hochinteressante Rezension des damaligen deutschen Doyen der Klavier-Kritiker, Ingo Harden, die ich Dir gerne auszugsweise zur Kenntnis bringen möchte. Das würde aber jetzt zu weit führen. Nur soviel:

    Glaube aber, dass Jochum mir einfach zu klangschön ist

    Daran gibt es keinen Zweifel, aber genau das macht für mich den Wert dieser Aufnahmen aus, vor allem als echte Alternative zu den weiter oben von mir genannten Favoriten.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber nemorino,

    Danke für Deine Antwort und den weiteren Empfehlungen für das Klavierkonzert Nr.1 .


    *** Die Graffman / Munch - Aufnahme (RCA, 1958) würde mich ja auch sehr interessieren, zumal ich mit Graffman nur allerbeste Erfahrungen gemacht habe. Leider ist diese RCA-CDnur schwer und (mir zu teuer) zu beschaffen. ;) Bei meiner zur Verfügung stehenden Auswahl kann ich das aber gut verschmerzen. Man muss ja nihct alles haben ... wann soll man das alles hören ?


    *** Richter - Haaser / Karajan (EMI) habe ich auch schon lange auf dem Schirm. Diese soll aber klangtechnisch (trotz der ersten EMI-Stereoaufnahme) und die erste von Karajan mit den Berliner PH !!! nicht so überzeugend sein.


    *** Die Pollini - Aufnahme des KK Nr.1 ist mit Böhm (DG).

    Ja, die ist schon Klasse und ist ganz das Gegenteil von der Langeweile, die man Böhm (leider) so oft vorwirft. Das zeigt sich nebenbei auch bei der Tragischen Ouvertüre mit Böhm - eine fesselnde und hochdramatische Int. Bereits der dramatische Anfang des KK 1 fesselt den Hörer und solistisch gehört Pollini ohnehin zur Weltklasse ... aber trotzdem liegt sie hinter meinen 3 Favoriten ! Dafür als Bonbon klangtechnisch ganz ausgezeichnet und in meiner Ausgabe im aktuellsten Remastering:


    Die von Dir abgebildete CD des KK 2 (hier mit Abbado) ist in meiner DG-Doppel-CD enthalten:


    71CUPuB89hL._SL300_.jpg

    DG, 1979 (1.), 1976 (2.), ADD



    Kommen wir zum KK Nr.2 .....

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Klavierkonzert Nr.2 B-Dur op.83


    Ich schätze die Zimerman / Bernstein - Aufnahme des KK Nr.2 (DG) sehr, schon wegen dem emotional orchestralen Zugang durch Bernstein.

    Bin aber durch Harrys genannte Einschränkungen (die er weiter oben vor Beitrag 30 gemacht hatte), was den Klavierpart angeht, etwas in "schwimmen" geraten. Ich werde die genannten Passagen / Sätze in Kürze noch einmal nachhören, was er genau zu kritisieren hatte .....


    Mit meinen 3 Favoriten mache ich es kurz ... denn die sind klar:


    Erst einmal komme ich auch hier an George Szell nicht vorbei, die auch vom Tempo meinem Ideal entsprechen --->


    *** Serkin / Cleveland Orchestra / Szell (SONY)

    Stimmig und packend - so soll das KK 2 klingen ....

    Die gekoppelte R.Strauss-Burleske mit Ormandy gehört auch zu meinen Lieblingsaufnahmen des Werkes.

    41tm35PExIL.jpg

    SONY, 1966, ADD



    *** Fleisher / Cleveland Orchestra / Szell


    - die CD-Abb in Beitrag 34 -

    SONY, 1958, ADD



    *** Richter / Chicago SO / Leinsdorf

    Diese empfinde ich in jeder Beziehung als absolut perfekt. Novalis hatte sie bereits auch bei seinen Favoriten.

    Die Aufnahme mit Gilels / Reiner, die nemorino noch vor dieser vorzieht, habe ich noch nicht. Diese steht aber auf meiner EK-Liste, wenn sie mal preiswert auftaucht.


    71JMaHi7r-L._SL300_.jpg

    RCA, 1960, ADD




    :?: Welche Frage stellt sich (fast betrübt) auch hier wieder ?

    Wo sind aktuelle Spitzenaufnahmen, die mit diesen alten Edelsteinen mithalten können ?


    Gut -- Freire / Gewandhausorchester leipzig / Chailly (Decca) legt zumindest mit dem KK 2 eine astreine Aufnahme hin, die auch klangtechnisch überzeugen kann ... der grosse Atem meiner 3 Favoriten fehlt mir ....

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • 51Vg3F8GOKL._SY355_.jpg


    Mir war gar nicht klar, wie viele Jahre zwischen den Aufnahmen liegen. Die Konzert-Aufnahme des 2. KK aus Berlin zu Beginn habe ich in den letzten Wochen oft gehört - zu Hifi-Test-Zwecken allerdings.


    Die Aufnahme des 2. KK mit den Wiener Philharmonikern ist von 1976, der Konzertmitschnitt mit den Berliner Philharmonikern von 1995, der mit dem KK 1 ist von 1997. Dazwischen liegen also 20 Jahre, sprich: zwei Jahrzehnte! Da können sich Sichtweisen schon ändern, vor allem Pollinis Spiel war in den 70igern merklich anders als in den späten 90igern. Ich habe die Aufnahmen aber noch nicht verglichen. Pollini hat die beiden Konzerte zuletzt auch noch einmal mit Christian Thielemann aufgenommen. Da gefallen mir aber die älterten Aufnahmen mit Abbado besser, muss ich sagen, jedenfalls nach dem Reinhören zu urteilen.


    Was mich nur sehr wundert, ist, dass ein absoluter Klassiker, nämlich die Aufnahmen mit Claudio Arrau (mit Guilini als auch mit Haitink) hier nicht genannt werden. Für meinen Lehrer und Freund F.-J., Konzertpianist, waren und sind Arraus Aufnahmen immer das Maß aller Dinge gewesen. Sehr gut ist auch Ashkenazy/Haitink - die Aufnahmen habe ich allerdings nicht.


    Meine eigenen Favoriten kommen später... ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,

    Was mich nur sehr wundert, ist, dass ein absoluter Klassiker, nämlich die Aufnahmen mit Claudio Arrau (mit Guilini als auch mit Haitink) hier nicht genannt werden.

    Diese Feststellung trifft nicht ganz zu, lieber Holger, ich habe Arrau/Giulini bereits in meinem Beitrag 28 lobend erwähnt:

    Deshalb kann ich beide nicht in meine Favoritenliste aufnehmen, die ohnehin mal wieder mit Bauchschmerzen zustande gekommen ist, weil viele großartige Interpretationen unberücksichtigt bleiben mußten, wie z.B. Curzon/Szell (Decca), Fleisher/Szell (CBS) und Arrau/Giulini (EMI).

    Doch die Beschränkung auf 3 Aufnahmen ließ eine wirkliche Nominierung nicht zu, was aber nicht zuletzt an der IMO recht bescheidenen Klangqualität der Aufnahmen von 1960/61 liegt. Ich habe sie in dieser Fassung in meinem Bestand:

    Brahms: Klavierkonzerte Nr“ (Brahms Johannes ) – Tonträger gebraucht kaufen  – A02iam3E21ZZI

    Ich bin wahrlich kein Klangfetischist, aber ich denke, daß man zu dieser Zeit technisch zu besseren Aufnahmen in der Lage war. Alles klingt ein bißchen dumpf und wenig transparent. Von Arraus späteren Brahms-Aufnahmen für PHILIPS aus 1969 kenne ich nur die Nr. 1, die klanglich hervorragend ist, aber hier ist es der Dirigent, der mir im Vergleich zu Giulini doch ziemlich routiniert erscheint.


    LG Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Diese Feststellung trifft nicht ganz zu, lieber Holger, ich habe Arrau/Giulini bereits in meinem Beitrag 28 lobend erwähnt:

    Lieber Nemorino,


    oh, da muss ich um Pardon bitten! :hail: ^^


    Es gibt noch eine neuere Veröffentlichung von Arraus Rundfunkaufnahmen (die Solo-Aufnahmen habe ich, diese leider (noch) nicht). Weltbewegend ist die Klangtechnik aber (leider) offenbar auch nicht (bei Beethoven komischer Weise besser finde ich beim Reinhören, wo gerade Brahms etwas mehr Fülle vertragen hätte), allerdings wohltuend klar und sauber, aber Arrau wie es scheint in absoluter Hochform:



    :hello: Liebe Grüße

    Holger

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  • Lieber Wolfgang,

    Wie schon eingangs gesagt, komme ich später auf Gilels/Jochum (DGG, 1972) zurück, da gibt es eine hochinteressante Rezension des damaligen deutschen Doyen der Klavier-Kritiker, Ingo Harden, die ich Dir gerne auszugsweise zur Kenntnis bringen möchte.

    vorausschicken möchte ich, daß ich Dich mit der alten Kritik von Ingo Harden keineswegs "bekehren" möchte, sondern lediglich eine andere Sichtweise auf diese umstrittenen Aufnahmen zur Kenntnis bringen will. Im übrigen habe ich die sehr ausführliche Rezension auf die wesentlichen Aussagen verkürzt.


    ".... durch ausgiebiges Vergleichshören glaube ich sagen zu können, daß die Aufnahmen in zweierlei Hinsicht alle ihre Vorgänger übertreffen. Einmal klangtechnisch, in der offenkundig größeren Breite des Klangbilds und der deutlichen Tiefenstaffelung (....) Zum zweiten halte ich sie orchestral und im Miteinander-Musizieren .... überlegen. Das ist ein großes Wort angesichts der Konkurrenz von Wien bis Cleveland und will begründet sein .... Überlegen wirkt dieses Musizieren auf mich durch das fabelhafte Aufeinanderhören, das Übernehmen von Phrasen durch die Instrumentengruppen, das die Musik jenseits von Präzision und Dirigentenwillen atmen macht, lebendig klingen läßt und Jochum, Gilels und dem Orchester zu gleichen Teilen gutzuschreiben ist. Es findet ein herzerwärmendes philharmonisches 'Concerto grosso' statt, das die einkomponierten Verbindungen der Musik offenlegt wie nur ganz selten, gerade weil das Musizieren locker und unforciert bleibt ....

    Damit ist schon Stilistisches angesprochen, das beiden Aufnahmen gemeinsam ist, aber zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen geführt hat. Das Op. 15 wird für gewöhnlich als Beethoven-nahes Sturm-und Drang-Stück gesehen und dargestellt - Fleisher/Szell ist vielleicht das eindrucksvollste Dokument dieser Auffassung. Gilels und Jochum stellen dem eine Konzeption entgegen, die Brahms als Jünger Schumanns sieht. Der große Anfang wird zwar dynamisch voll ausgespielt, aber das Tempo ist breit, die folgenden lyrischen Themen werden verinnerlicht, versunken dargestellt und bestimmen damit den Gesamtcharakter stärker als üblich, das Klavier fügt sich in den musikalischen Ablauf ein, ohne 'wettstreiten' zu wollen. Wichtiger als das konzertierende Gegeneinander ist das subtile Aushorchen der Stimmungen, die organische Entfaltung des Geschehens, das volle Ausspielen aller Farben und dynamischen Werte (....) Gilels spielt die Dynamik ungemein breit aus, nimmt das Piano beinahe kammermusikalisch intim und die Höhepunkte mit voller Wucht, so schlank, geschmeidig und 'singend' sein Spiel sonst auch immer ist. Und da dies aus rein musikalischen Wurzeln erwächst, gewinnt das Musizieren eine verinnerlichte Expressivität und ungewohnte Hintergründigkeit. Brahms als deutscher Romantiker! Ich muß gestehen, daß dieser erste Satz mir tiefen Eindruck gemacht hat: ein großer interpretatorischer Wurf. Die beiden folgenden Sätze führen das Konzept folgerichtig weiter. Im Adagio sind wiederum das flexible Aufeinandereingehen und die sensible, ganz unpathetische Nachzeichnung der Stimmungen zu bewundern, das Rondo bleibt als Pendant zum Kopfsatz allerdings in Tempo und Ausdruck recht verhalten. Ob dies dem unwirschen d-moll des Hauptthemas voll gerecht wird, wage ich anzuzweifeln, und so würde ich hier den deutlich grantigeren Serkin vorziehen. Doch die Anlage des Satzes ist konsequent aus der Gesamtkonzeption entwickelt, es wird wieder wundervoll musiziert.

    Das B-dur-Konzert hatte Gilels schon früher mit Reiner aufgenommen: eine imponierende, 'konzertante' Einspielung. Die neue Darstellung mit Jochum ist, wie sich an vielen Details belegen läßt, viel ausgereifter. Auch hier ist, vom romantischen Hornruf des Beginns an, der nie schöner kam, bis zum Schluß sehr subtil die Partitur ausgehorcht und ihr Inhalt in Sonderqualität verwirklicht worden. Dabei herrscht auch hier der Ton ruhiger Gelassenheit vor - am deutlichsten wohl erkennbar im Scherzo, das Gilels jetzt viel breiter spielt als früher (.....)

    Insgesamt eine hocherfreuliche und wichtige Kassette, die nur einen Wunsch offenläßt: Daß es noch mehr Einspielungen in dieser Besetzung geben möge!" (entnommen FonoForum 11/1972).


    LG Nemorino



    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Holger,


    bei der Fülle von zitierten Aufnahmen ist es kein Wunder, wenn man etwas übersieht!


    Auch das zweite Konzert, um das wenigstens anzumerken, ist in der Kombination Arrau/Giulini geradezu phänomenal gespielt, leidet aber, wie auch Nr. 1, wieder unter der doch recht unterbelichteten Klangtechnik. Schade.


    Die SWF-Rundfunkaufnahmen Arraus kenne ich nicht. Sicher sind sie hörenswert, aber wann soll man das alles bewerkstelligen?^^


    LG nach Münster,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • vorausschicken möchte ich, daß ich Dich mit der alten Kritik von Ingo Harden keineswegs "bekehren" möchte, sondern lediglich eine andere Sichtweise auf diese umstrittenen Aufnahmen zur Kenntnis bringen will. Im übrigen habe ich die sehr ausführliche Rezension auf die wesentlichen Aussagen verkürzt.

    Lieber Nemorino,


    das ist wirklich eine seltene Kritik mit Qualität! Ich finde Gilels/Jochum geben den Werken die Schönheit und Größe eines romantischen Klavierkonzerts wie keine andere Aufnahme!

    Die SWF-Rundfunkaufnahmen Arraus kenne ich nicht. Sicher sind sie hörenswert, aber wann soll man das alles bewerkstelligen?

    Die Box mit den Solo-Aufnahmen musst Du Dir unbedingt besorgen. Da geht Arrau, wo er sich sonst eigentlich immer zurückhält, so richtig aus sich heraus! Das sind phänomenale Mitschntte! :)


    Liebe Grüße

    Holger

  • Sehr gut ist auch Ashkenazy/Haitink - die Aufnahmen habe ich allerdings nicht.

    Ja, klanglich sind diese auch ausgezeichnet. Als Ashkenazy-Fan hatte diese Ashkenazy / Haitink - Aufnahmen (Decca) auf zwei Einzel-Cds. Ich bin mit beiden Aufnahmen der KK Nr. 1 und 2 nie richtig warm geworden. Das Tempo ist mir deutlich zu breit. Ich bin da eher von Rubinstein, Serkin und Fleisher geprägt, die mir ungleich mehr liegen. Beim KK 2 "bleibt er im festlichen Hängen" (Zitat aus Stereoplay, dem ich zustimmen kann) --- ;) welch ein Unterschied erwartet den Hörer bei Richter / Leinsdorf !!!

    Die Decca-CDs hatte ich dann verkauft (könnte so ca 15 Jahre her sein), weil ich doch lieber auf meine Favoriten zurück greife. Hatte mir damals aber 2 CD-R für meine CD-Spindel angelegt, falls ich später doch noch einmal reinhören möchte .. man weis ja nie.


    Vielen Dank auch an nemorino für die höchst aussagekräftige Kritik FonoForum 11/72 zu den Gilels / Jochum-Aufnahmen. Jetzt weis ich noch mehr, was mich erwarten würde ... Giulini ist übrigens auch nicht mein Dirigent. Bei allem Wohlwollen für seine Qualitäten, aber der interpretiert mir durchweg zu langsam. Nix für meine ungeduldigen Nerven !

    Arrau wurde erwähnt, klar, der ist natürlich auch eine Hausnummer. 8) Aber wenn man einmal "seine" Aufnahmen gefunden hat, reicht das. Dann müsste man mir schon erzählen, dass bei einer Aufnahme das Piano "explodiert" und die Paukenfelle gesprengt werden ... :) man kann sich auch mit CD-Aufnahmen nicht zu sehr verzetteln.

    Ich gehe jetzt hier und da dazu über, CD-Aufnahmen die ich ohnehin nicht mehr hören möchte, weiter zu geben. Was soll man die platzverschwendend verstauben lassen ? ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,

    Die Graffman / Munch - Aufnahme (RCA, 1958) würde mich ja auch sehr interessieren, zumal ich mit Graffman nur allerbeste Erfahrungen gemacht habe.

    Die habe ich mir vor ein paar Jahren (nachdem ich die entsprechende LP auslagern mußte) in dieser Box, damals für knapp 15 €, angeschafft:

    Charles Munch conducts Romantic Masterworks

    Die ist allerdings inzwischen nur teuer zu erwerben, unter rd. 50 € geht da gar nichts.

    Die Aufnahme mit Gilels / Reiner, die nemorino noch vor dieser vorzieht, habe ich noch nicht. Diese steht aber auf meiner EK-Liste, wenn sie mal preiswert auftaucht.

    Wenn Du mit "gebraucht, gut" zufrieden bist, gibt es diese beim Urwaldfluß zur Zeit für schlappe € 3,50 + Versandspesen:

    Conciertos Piano N.2

    Im direkten Vergleich mit Gilels/Jochum ist hier viel mehr "Wumm" drin, während die DGG-Version (wie aus der FF-Rezension hervorgeht) vor allem auf klangliche Schönheit und Durchformung bedacht ist.


    Schönen Abend nach Bonn und

    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • :?: Welche Frage stellt sich (fast betrübt) auch hier wieder ?

    Wo sind aktuelle Spitzenaufnahmen, die mit diesen alten Edelsteinen mithalten können ? (Zitat von Teleton)


    Ist das die richtige Frage? Nicht vielleicht doch eher andersherum? (Sollte allerdings angesichts meiner Vorliebe für Horowitz nicht mit Steinen werfen.)


    Aber Kleinmut ist weder angebracht noch angemessen! Zum 1. (und 2. ) von Brahms ein paar Tipps:


    Riccardo Muti und Helene Grimaud (beide Konzerte Live) absolut herausragend! (Viele der - zweifellos geschmacksabhängigen - Tipps für Vorlieben teile ich ganz und gar nicht und habe sie trotz Verügbarkeit auf YouTube nur gehört und nicht gespeichert, weil sie eben nicht besonders herausragen, wenigstens nicht für mich. Ich muss Helene Grimaud immer mehrmals hören, bevor "sie" mir Zugang zu ihrer Gedankenwelt gewährt. Habe ich den aber erst gefunden, sind ihre Interpreteionen von A - Z zwingend und schlüssig. Mit dem selben Dirigenten (aus nicht ganz so grauer Vorzeit wie Serkin oder Casadesus) muss unbedingt die Aufnahme mit Alexis Weissenberg genannt werden. Ebenfalls ein Meilenstein der Interpretationen dieses Konzerts.


    Lars Vogt dirigiert die Royal Northern Symphonia


    Ganz frisch aus diesem Jahr vom Gürzenich Orchester mit Kyrill Gerstein Sonderpunkte für ungewöhnliche Ideen.


    Und von Open Air Konzerten in München Yuja Wang mit einem leicht unrasiert wirkenden Dirigenten. (beim 1. auch aus der Liederhalle in Stuttgart mit Roger Norrington, der hier - anders als in Bremen beim Dirigieren der Deutschen Kammerphilharmonie, einem Orchester, dass meine Ansprücher leider fast ins Unermessliche gesteigert hat mal keine altersbedingten Faxen macht.)


    Und: Der Vergleich läßt sich nur dank YT in signifikante Bereiche steigern, und während ich den Namen Seta Tanyel wenigstens noch aus dem Rundfunk der späten 70er / Anfang der 80er kenne, wäre ich ohne dieses Medium niemals an diese alles überragende Aufnahme des 1. Klavierkonzerts mit Vaclav Neumann als Dirigenten gekommen.


    Zu der (Ir)Relevanz meiner Beschreibungen: Stellt euch eine sich drehende Münze vor im Zentrum meiner / eurer Betrachtung vor. Drumherum eine gedachte Kugel in der Größe eines Wasserballs. Darauf wird eine Taschenlampe bewegt, die auf die sich drehende Münze leuchtet. Die Münze kann unendlich viele Positionen einnehmen, zu jeder Einzelnen dieser Positionen gibt es wieder unendlich viele Betrachtungswinkel. Das ergibt ungefähr die Relevanz meiner / eurer Beschreibungen von Interpretationen - mehr nicht, oder wir müssten unendlich viele Jahre beschreiben können ... (Aber auch nicht weniger ...)


    (Leider bin ich etwas schlampig geworden und lasse beim Speichern die Namen der Dirigenten weg, was es mir nicht erleichtert, die genauen Interpretationen wiederzufinden. Auch ist ein wöchentlicher Blick auf YT sinnvoll, weil die Aufnahmen, die man finden kann, häufig stark schwanken. Speichern ist übrigens mit dem Kaufpreis eins PCs bereits abgedeckt - zum privaten Gebrauch, versteht sich) Ich bin den Supereinstellern klassischer Musik sehr dankbar für ihr Wirken (Top of Damavand forever, Pianopera, Margobeloved, Musikpensionär und wie sie alle heißen, weil sie in den gut drei Jahren, die ich auf YT dabei bin, meinen musikalischen Horizont gewaltig erweitert haben. Garayev - kennt den jemand? (ein Komponist) Ismailova - kennt die jemand? (eine Pianistin) Wer immer nur Jochum (schätze an ihm nur das Musikerbonmot Eugen Ochum, von Jott verlassen) oder Serkin und Gilels erwähnt - ok, und dreissig andere - der verpasst fast vollständig die Musikszene. Bei Pianisten hilfreich: Suchen sie nach den Variationen Serieuses oder nach den Carmen Variationen von Bizet / Horowitz, Werke, die für eine unerklärte weltweite Kompetition genutzt werden. Nicht nur die üblichen Verdächtigen liegen hier ganz weit vorne, sondern Geheimtipps, auf die man ohne fremde Kenntnisse niemals gekommen wäre. VS: Nathan Brand, der einzige, der neben Horowitz mit einem Füllhorn eogener Ideen bestehen kann (und die Heerscharen von Fehlern zu Nichtigkeiten degradiert), neben Brendel, Perahia, von Alpenheim ... CV Stephane Blet, kennt den jemand? Der Einzige (!) der neben einer großartigen Interpreation auch noch vollkommen "flawless" spielt - unfassbar! Horowitz oder Wang (sieben verfügbar) oder Volodos mal dahingestellt. Da stellt sich doch gar nicht die Frage (siehe Zitat oben) Oder Georges Cziffra als einfühlsamer und überzeugender Bach Interpret? Aber ja doch!) Ist wieder ein wenig mit mir durchgegangen ... Letztes Thema - war auch in irgendeinem Forum hier mal angeschnitten - Wettbewerbe - hilfreich oder hinderlich? Dazu der - zu Recht - bei Brahms erwähnte Gary Graffman: Ich habe Lang Lang und Yuja Wang verboten, an Wettbewerben teilzunehmen. Oder Natasche Kudritzkaja (bekannt???) In der zweiten oder dritten Runde irgendeines Van Cliburn Wettbewerbes gescheitert. Na und? Mal reinhören: Rameau: Gavotte und sechs Doubles - ein Traum. Zuletzt noch einmal über Graffman: Horowitz vor Studenten: Er habe nur einmal als Juror an einem Wettbewerb teilgenommen, Mr Graffman wurde der 1. Preis NICHT zugesprochen, sondern XXX. Sie wissen ja selber, wen von den Beiden man heute noch kennt ...


    (mit den Klammern komme) ich gerne durcheinander ... :-)

    "His philosophy was to transmit the music to the public and not boring the public. A concert is not a lecture, a concert you go for enjoyment." WTH

  • Bei Youtube entdeckte ich gestern diesen Konzertmitschnitt des 1. Konzerts mit Vladimir Ashkenazy und Carlo Maria Guilini aus Los Angeles - wann hat man die beiden schon einmal zusammen gehört/gesehen? Ashkenazy zeigt alles bei diesem Konzert finde ich (mit einer wahrlich furiosen Coda am Ende) und Guilini und das Orchester sind fabelhaft. So bannend habe ich die Fuge im letzten Satz kaum gehört! Lustig: Neben dem groß gewachsenen Guilini sieht der sympathische Ashkenazy noch kleiner aus, als er ist! ^^



    Schöne Grüße

    Holger

  • Hallo


    Ich möchte mich auf jeden Fall beteiligen - kriege allerdings momentan zeitlich die Kurve nicht. Schließlich sollte ich auch zu dem entsprechenden Beethoven-Thread noch eine neue Zusammenfassung liefern...


    Auf jeden Fall kann ich meine Lieblingsaufnahme des Quintetts f-moll Op. 34 benennen, da ich die Aufnahme auch gerade über Kopfhörer genieße:


    Maurizio Pollini und das Quartetto Italiano.



    Gruß

    Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • 0794881802722.jpgMeine Lieblingsaufnahme des ersten Klaviertrios ! Finde ich leider nicht mehr bei unserem Werbepartner. Gruss Kalli

  • Für die


    Serenade Nr. 1 D-Dur, op. 11


    und die


    Serenade Nr. 2 A-Dur, op. 16


    nominiere ich:


    vs.


    Zwei Einspielungen, bei denen viel Wert auf Transparenz gelegt wird und die Orchester durch ein engagiertes, dynamisch gut abgestuftes Spiel für sich einnehmen. Die "Farbigkeit" im Orchesterspiel durch die Verwendung von Originalinstrumenten gibt für mich den leichten Ausschlag zu Gunsten von Andreas Spering.


    vs.


    Zwei "klassische Aufnahmen", die 1967 (Kertész) bzw. 1977/78 (Boult) entstanden und jeweils viel Liebe und Stimmung vermitteln. Beide Londoner Orchester glänzen mit Spielfreude. Bei István Kertész empfinde ich die Herangehensweise namentlich bei der ersten Serenade stellenweise als zu "großsinfonisch", deswegen nominiere ich Sir Adrian Boult.



    Ein "Grenzfall", denn Riccardo Chailly ist sehr zügig unterwegs und unterbietet mit einer Spielzeit für beide Serenaden von ca. 65 Minuten andere Aufnahmen um zehn bis 15. Was insbesondere bei der ersten Serenade in einigen Sätzen vielleicht etwas an Charme verloren geht, wird auf der anderen Seite durch Frische und "pulsierende Präzision" des hervorragenden Orchesters wieder wettgemacht.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Hallo,


    Klavierkonzert Nr.1 d-moll Op.15


    Brahms komponierte dieses Konzert als Unter-Dreißigjähriger in einem Prozess über einige Jahre, so dass es 1857 in Hannover unter der Leitung seines Mentors Joseph Joachim mit Brahms am Flügel uraufgeführt wurde. Stimmungsmäßig reflektiert das Werk Brahms’ Zuneigung zu Clara Schumann.


    Das 1. Klavierkonzert lernte ich während meiner Schulzeit erst nach dem 2. Klavierkonzert kennen ! Es handelte sich damals um die DG-Aufnahme mit Pollini, Böhm und den Wiener Philharmonikern auf MC. Die zweite Aufnahme damals war nach Erscheinen ebenfalls auf MC die EMI-Aufnahme mit Weissenberg/Muti/Philadelphia Orchestra.


    Nun standen mir auf CD 10 Aufnahmen zur Verfügung. Ich konnte nach der ersten Hörrunde 5 Aufnahmen in die zweite Runde nehmen: Weissenberg/Muti/PO, Berman/Leinsdorf/CSO, Gutierrez/Previn/RPOL, Zimerman/Rattle/BP und Buchbinder/Mehta/WP.


    Die alte Arrau-Aufnahme mit Giulini und dem Philhamonia Orchestra ist IMO in den ersten beiden Sätzen top, der letzte Satz wird IMO zu träge genommen (obgleich er Allegro ma non troppo bezeichnet ist). Die Rubinstein/Leinsdorf-Aufnahme mit dem Boston Symphony Orchestra ist wunderbar, leider aufnahmetechnisch nicht so toll. Außerdem fallen einige Instrumente durch Intonationsprobleme auf.


    Bei 2 der 5 Aufnahmen war ich mir rasch sicher, diese zu nominieren: Zimerman/Rattle und Buchbinder/Mehta. Schwierig war es, zwischen Berman/Leinsdorf und Weissenberg/Muti zu entscheiden.


    Krystian Zimerman, p

    Simon Rattle, cond

    Berliner Philharmoniker


    (DG, DDD, 2004)



    Wenn es eine perfekte Aufnahme gäbe, wäre es IMO diese Aufnahme. Zimerman war wohl mit seiner damaligen Live-Aufnahme unter Bernstein mit den Wiener Philharmonikern nicht zufrieden. ich hatte sie auf MC und zog sie der Weissenberg/Muti-Aufnahme signifikant vor. Die berliner Philharmoniker sind mit mikroskopischer Präzision disponiert, die räumliche Auflösung ist frappierend. Man sitzt mitten drin. Zimerman fügt sich dem Konzept minutiös ein. Die dynamische Bandbreite ist enorm. Wenn es einen Kritikpunkt gibt, dann der, dass die Interpretation extrem einstudiert ist und Spontaneität vermissen lässt.


    Rudolf Buchbinder, p

    Zubin Mehta, cond

    Wiener Philharmoniker


    (Sony, DDD, live, 2015)



    Es handelt sich um eine akustisch hervorragend eingefangene Live-Aufnahme aus Wien. Ich würde sagen, es handelt sich hierbei pianistisch betrachtet um einen Gegenentwurf der Zimerman-Aufnahme, ziemlich spontan und mit mehr Freiheit in der Formulierung. Buchbinder entdeckt da, wie so häufig, mit der linken Hand ‚neue‘ Linien und motivische Zusammenhänge. Die Wiener Philharmoniker unter Mehta spielen klanglich üppig und doch sehr differenziert.


    Lazar Berman, p

    Erich Leinsdorf, cond

    Chicago Symphony Orchestra


    (CBS/Sony, ADD, 1979)



    Es war letztlich eine momentane Entscheidung, diese Aufnahme als Lieblingsaufnahme zu deklarieren und nicht diejenige mit Weissenberg/Muti. Zwar ist diese CBS-Aufnahme klanglich nicht so gut eingefangen, aber man hört doch die Instrumentengruppen sehr deutlich heraus und Berman spielt mit wenig Pedal und sehr sonorem Anschlag. Man hört die Stimmen so klar konturiert. Die Virtuosität ist packend. ich empfinde das Zusammenspiel hier wie bei einem ‚Concerto grosso‘.


    LG Siamak

  • Doppel-Konzert: Konzert für Violine, Cello und Orchester a-moll op.102

    Das Doppelkonzert ist Brahms letztes Orchesterwerk und entstand 1887 während seiner Sommerferien in Hofstetten am Thuner See.

    UA 18.Oktober 1987 in Köln

    Das thematische Material war ursprünglich für eine fünfte Sinfonie gedacht; Brahms hatte aber dann den kuriosen Einfall daraus ein Konzert für Violine und Cello zu schreiben, was er dem Dirigenten Franz Wüllner im August 1887 freudestrahlend berichtete.


    Soweit ich das übersehen kann, habe ich auch nur 3 Aufnahmen von dem Doppel-Konzert, denn nachdem ich

    Francescatti / Fournier / Columbia SO / Bruno Walter (CBS) gehört habe, sah ich es als unnötig an, noch eine Weitere zu kaufen. Das ich dennoch 3 habe, liegt einfach an der jeweiligen Kopplung auf den CDs mit dem VC oder dem Tripelkonzert von Beethoven.

    Bruno Walter kurzweilige Int packt den Hörer mehr als alle gehörten Aufnahmen und spart nicht mit dramatischen Akzenten. Das geht selbst über die Szell-Aufnahme hinaus ! Das Zusammenspiel der Solisten empfinde ich als absolut perfekt.

    Klangtechnisch TOP (klingt nicht nach 1959 !)

    Spielzeit: 16:22 - 7:54 - 8:30


    414DFFV5AWL.jpg

    SONY, 1959, ADD



    Diese legendäre Aufnahme hat der Klassikhörer wegen des Beethoven - Tripelkonzertes mit Karajan:

    Oistrach / Rostropowitsch / Cleveland Orchestra / Szell (EMI)

    Das Tempo bei Szell ligt im gleichen Rahmen wie bei Walter. Leider ist die Int insgesamt nicht so anspringend wie unter Walter. Klangtechnisch recht mulmig und lässt somit zu wünschen übrig --- ich sage nur: EMI !


    413KJYZWK6L.jpg

    EMI, 1969, ADD



    Eine solistisch ausgefeilte Aufnahme mit dem hervorragenden Brahms - Dirigenten Bernstein:

    Kremer / Maisky / Wienr Ph / Bernstein (DG).

    Die Aufnahme ist klangtechnisch tadellos. Einziger Kritikpunkt ist das breitere Tempo der Satze 1 und 2, das ich bei Walter und Szell weit angemessener empfinde.

    Spielzeit: 17:49 - 8:23 - 8:52


    - hier die Abb der Einzel-CD -

    516W6V340VL.jpg

    DG, 1882, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hier ist im Prinzip alles gesagt, aber vielleicht noch nicht von jedem, also versuche ich zumindest zum Klavierkonzert Nr.1 d-moll Op.15 drei Nominierungen.


    mein Platz 1 ist Rubinstein, allerdings nicht in der genagten früheren Aufnahme, sondern 1973 unter Bernard Haitink mit dem Royal Concertgebouw Orchester. Ich verlinke einmal die DVD.

    Ja, Rubinstein ist in manchen Passagen nicht ganz präzise, aber ich empfinde in dieser Konzert-Aufnahme seinen vollen, runden Ton als so gelungen, dass ich sie gern auf den ersten Platz meiner Favoriten setze. Allein bereits einsetzende Klavierpart ist mir diese Nominierung wert. Zur Einschränkung: mit dieser Aufnahme habe ich das Werk vor langer kennen gelernt.


    Auf Platz 2 landen Leon Fleisher und George Szell. Zu ihnen ist in verschiedenen Threads alles gesagt.


    Auf dem dritten Platz wurde es schwierig, ich habe mich letztlich für Julius Katchen mit Rudolf Kempe und dem BBC Symphony Orchestra entschieden. Zu Katchen kam ich spät, als ich vor Jahren merkte, dass mir dieser Pianist einfach durchgegangen war.

    An dieser Aufnahme schätze ich neben dem zupackenden Spiel Katchens. Dem brio des Pianisten steht imO das Orchester kaum nach. Ich empfinde diese Aufnahme als wirklich emotional.

    Beste, abendliche Grüße

    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang,


    ich habe diesen Live-Mitschnitt mit Katchen/Kempe auch. Ja, sehr packend und mit viel Spontanität. Ich habe leider diese Aufnahme nicht in mein Finale genommen, da die Akustik IMO nicht so gut ist.


    LG Siamak

  • Zitat von Siamak

    Ich habe leider diese Aufnahme nicht in mein Finale genommen, da die Akustik IMO nicht so gut ist.

    Das ist, lieber Siamak, in der Tat wirklich ein kleines Manko, aber ich bin dahingehend recht tolerant und es ist auch wirklich schwer unter den hervorragenden Aufnahmen, die existieren eine faire Wahl zu treffen ... herzlich grüßend, JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • mein Platz 1 ist Rubinstein, allerdings nicht in der genagten früheren Aufnahme, sondern 1973 unter Bernard Haitink mit dem Royal Concertgebouw Orchester. Ich verlinke einmal die DVD.

    Lieber Jörn,


    diese DVD habe ich auch, aber noch gar nicht gehört! Das werde ich also demnächst nachholen! :)


    Nun mache ich einen Sprung und stelle meine "absulute" Lieblingsaufnahme der Brahms Balladen op. 10 vor. Ich sammle ja Aufnahmen der Brahms-Balladen. Zuletzt habe ich noch Krystian Zimerman gehört (die ersten beiden Balladen sind sehr hörenswert und eigenständig interpretiert, die Balladen Nr. 3 u. 4 fallen dann ab, besonders Nr. 4 ist mir zu glatt gespielt) und wie selbst beim Giganten Emil Gilels muss ich sagen: Keine Einspielung kommt an ABMs Jahrhundertaufnahme heran - die diesen Namen wirklich verdient:



    In Lugano im selben Jahr der Studioaufnahme hat er eine Fernsehaufnahme gemacht - die gibt es als DVD übrigens und als CD:



    Dann natürlich ABMs legendäre Einspielung der Paganini-Variationen. Die technische Beherrschung ist so absolut, dass das Klaviertechnische zur Nebensache wird. Wobei es natürlich interessant ist, seine diversen Mitschnitte über die Jahrzehnte in unterschiedlicher Auswahl der Stücke mit dieser frühen EMI-Studioaufnahme zu vergleichen!



    Eine Nominierung habe ich noch frei, die überlege ich mir noch! :)


    Liebe Grüße

    Holger

  • Hallo,


    Klavierkonzert Nr.2 B-Dur Op.83


    Das zweite Klavierkonzert entstand gut 20 Jahre nach dem ersten. 1881 wurde es mit Brahms als Pianisten in Budapest uraufgeführt. Schon Prof. Theodor Billroth, der berühmte Wiener Viszeralchirurg und Musikkenner sowie Freund Brahms’ war nach Erhalt einer Kopie der Partitur begeistert. Das Konzert ist sehr melodien- und liedbetont. Es ist von symphonischem Ausmaß mit seinen 4 Sätzen. Für mich stellt sich das Konzert so dar: 1. Satz - große Dimension mit großem Atem und kompakter Pianistik; 2. Satz - leidenschaftlich bis überhitzt mit der berühmten Episode im Mittelteil mit den pp-Oktavläufen in beiden Händen ‚sotto voce‘ und ‚legato‘; 3. Satz - Verarbeitung von Liedern mit dem berühmten Cello-Solo; 4. Satz - elegant und munter mit magyarischem Kolorit.


    Ich lernte das 2. Konzert vor dem 1. Konzert kennen. Als Schüler war meine Erstbekanntschaft mit der berühmten Gilels/Jochum-Aufnahme der DG auf MC. Dann kamen hinzu die alte Pollini/Abbado-Aufnahme (DG) und Arrau/Giulini (EMI) sowie die EMI-Aufnahme mit Bruno Leonardo Gelber, alles aus der Erinnerung großartige Interpretationen.


    Nun standen mir auf CD 13 Aufnahmen zur Verfügung. Nach einer großen ersten Hörrunde konnte ich 6 Aufnahmen in den ‚inneren Zirkel‘ weiterführen. Zu den ‚aussortierten‘ Aufnahmen muss ich unter rein pianistischen Belangen als herausragend folgende bezeichnen: Richter/Maazel & Magaloff/Otterloo ! Aber hier habe ich dann doch bemerkt, dass das Orchester in gleichem Maße zum Gesamtergebnis beiträgt !


    Nun, aus den 6 Verbliebenen (Richter/Leinsdorf, Anda/Karajan, Zimerman/Bernstein, Gutierrez/Previn, Brendel/Abbado und Buchbinder/Mehta) sich für 3 als Lieblingsaufnahmen zu entscheiden, war extrem schwierig !

    Letztlich sollte ich mir Kriterien erarbeiten, die Priorisieren: Ausgewogene Klangbalance zwischen Orchester und Klavier, räumliche Auflösung, Dynamik. Bei einer solchen Priorisierung ergibt sich IMO ein Vorteil für DDD-Aufnahmen. Nebenbei habe ich mir die Namen des jeweilig 1. Cellisten angeschaut, welcher das berühmte Solo im 3. Satz spielt. In der berühmten Studio-Aufnahme von Richter und Leinsdorf mit dem Chicago Symphony Orchestra war es Robert LaMarchina, Schüler von Feuermann, welcher schon als Jugendlicher unter Toscanini spielte und später Dirigent des Havanna Symphony Orchestras wurde.


    Alfred Brendel, p

    Claudio Abbado, cond

    Berliner Philharmoniker


    (Philips, DDD, 1991)


    Brahms: Piano Concerto No.2


    Hier hören wir einen sehr differenzierten, ja kristallinen Ansatz. Man sitzt in der 1.-3. Reihe. IMO erfährt man, warum die Berliner Philharmoniker so berühmt sind. Jede Instrumentengruppe ist makellos und die Phrasierung so gediegen und warm. Alfred Brendel und Brahms, Alfred Brendel und Claudio Abbado, eine Traumkombination, wer hätte das gedacht ? Letztlich habe ich diese Aufnahme Anda/Karajan vorgezogen. Der Ansatz ist nicht unähnlich im Duktus.


    Horacio Gutierrez, p

    André Previn, cond

    Royal Philharmonic Orchestra London


    (Telarc, DDD, 1988)


    Klavierkonzert 2 / Variationen


    Diese Aufnahme ist klanglich IMO eine ‚Wucht‘. Man sitzt mittendrin. Previn konzipiert effektvoll im Dienste der Aussage und dieses Londoner Orchester ist ebenfalls wunderbar in allen Instrumentengruppen. Horacio Gutierrez spielt hier auf der Höhe seines Könnens. Er ist Schüler von Adele Marcus in New York gewesen. Seine Pianistik und Virtuosität sind atemberaubend und doch integrativ für die Aussage des Werkes. Leider musste er recht früh mit dem Konzertieren aufhören wegen rheumatoider Arthritis. Ich habe diese Aufnahme gegenüber der berühmten Aufnahme mit Zimerman/Bernstein wegen des Klangbildes vorgezogen.


    Rudolf Buchbinder, p

    Zubin Mehta, cond

    Wiener Philharmoniker


    (Sony, DDD, live, 2015)



    Diese Aufnahme habe ich der berühmten Aufnahme mit Richter/Leinsdorf vorgezogen. Der Zugriff und Duktus im 1., 2. und 4. Satz ist ähnlich vehement und zügig. Buchbinder spielt wunderbar frei und seine linke Hand erarbeitet zusätzliche Aspekte, die bei anderen verborgen bleiben. Hinzu kommt, dass es sich um eine Live-Einspielung handelt. Buchbinder/Mehta präsentierten beide Klavierkonzerte an einem Tag, zuerst das 2. und dann das 1. ! Klanglich sind Solist und Orchester hervorragend ausbalanciert.


    LG Siamak

  • Hallo,


    Violinkonzert D-Dur Op.77


    Brahms komponierte das Violinkonzert von 1878-1879. 1879 wurde das Werk mit Joseph Joachim als Solisten und Brahms als Dirigenten im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Joseph Joachim unterstützte Brahms bei der Erstellung des Solo-Violinparts. Auch dieses Konzert hat symphonisches Ausmaß. Ungewöhnlich ist die Introduktion des 2. Satzes mit dem sanghaften Thema durch die 1. Oboe. Obgleich es sich nicht um ein typisches Violinkonzert vom brillanten Typ handelt, sind die manual-technischen Anforderungen an den Solisten erheblich.


    Während meiner Schulzeit lernte ich das Violinkonzert noch vor den beiden Klavierkonzerten auf MC mit der wunderbaren DG-Aufnahme des späten Nathan Milstein, Eugen Jochum und den Wiener Philharmonikern kennen. Danach folgten auf MC die Aufnahmen mit Zukerman/Barenboim, Ferras/Karajan, Heifetz/Reiner, Perlman/Giulini und Kremer/Bernstein.


    Nun standen mir auf CD 7 Aufnahmen zur Verfügung, davon 5 Live-Aufnahmen. Eine Aufnahme stand schon zu Beginn der Hörrunde fest, der Live-Mitschnitt mit Kremer/Bernstein/Wiener Philharmonikern. Ich hatte diese Aufnahme damals auf MC. Und tatsächlich, nach der ersten Hörrunde war ich mir bei den anderen 2 Nominierungen sicher.


    Gidon Kremer, v

    Leonard Bernstein, cond

    Wiener Philharmoniker


    (DG, DDD, live, 1982)



    Diese Live-Interpretation wird IMO auch in hundert Jahren sich behaupten. Wie Gidon Kremer hier mit intensiver Energie und Widerborstigkeit den Solopart angeht, ist überbordend. Sein Ton kommt mit wenig Vibrato aus und sein Strich ist sehr schattierungsreich. Die Verwendung des Präludiums d-moll für Solo-Violine von Max Reger als Kadenz im ersten Satz ist genial ! In der späteren Live-Aufnahme im Ansterdamer Concertgebouw 1996 (Teldec) spielt Kremer ähnlich energetisch, vielleicht eine Spur weniger widerborstig, und verwendet die Kadenz von G. Enescu. Harnoncourts Dirigat und das Orchester sind ebenfalls hervorragend, aber aufnahmetechnisch und klangtechnisch kann die Teldec-Aufnahme in keinster Weise mit der DG-Aufnahme konkurrieren.


    Isabelle Faust, v

    Daniel Harding, cond

    Mahler Chamber Orchestra


    (HM, DDD, 2010)



    Isabelle Fausts Violinspiel hat IMO gewisse Ähnlichkeiten mit dem Kremers, eine gewisse Sprödigkeit, die Schattierungspalette, vibratoarm. Sie hat sich im Booklet zu dieser Aufnahme und die Vorbereitung dazu geäußert. Sie studierte ausführlich den Briefwechsel zwischen Brahms und Joachim und dessen Violinschule. Äußerst interessant: sie verwendet im 1. Satz als Kadenz diejenige von Ferrucio Busoni ! Die Violine duettiert hier mit der Pauke ! (siehe Beethoven Op.61b). Das Mahler Chamber Orchestra verfolgt mit ihrem Dirigenten einen kammermusikalischen Ansatz, der einem die Ohren öffnet. Die Akustik ist exzellent.


    Vadim Repin, v

    Riccardo Chailly, cond

    Gewandhausorchester Leipzig


    (DG, DDD, 2009)


    Ich weiß jetzt nicht, wer der Ältere ist, IMO sind Vadim Repin und Maxim Vengerov derselben Generation anhängig. Die Live-Aufnahme Vengerovs mit Barenboim und dem Chicago Symphony Orchestra ist ebenfalls eine Top-Aufnahme ! Vadim Repin und Riccardo Chailly habe ich den Vorzug gegeben. Die Tempi sind bei letzteren zügiger und Repin spielt mit weniger Vibrato aber doch mehr Volumen und viel vehementer. Die Solo-Kadenz von Vengerov ist eine Eigenkomposition und passt stilistisch IMO nicht so zu Brahms und klingt mehr nach Vieuxtemps oder Wieniawski. Repin spielt die Heifetz-Kadenz, sie ist atemberaubend und genial gleichzeitig. Das Gewandhausorchester unter Chailly ist ein sehr warmes und in allen Instrumenten gleich-brillantes Orchester. Das Zusammenspiel ist perfekt und die Akustik großräumig, man sitzt in der 1.-3. Reihe.


    LG Siamak

  • Hallo,


    Konzert für Violine, Violoncello und Orchester (Doppelkonzert) a-moll Op.102


    Brahms komponierte sein letztes Orchesterwerk während seines 2. Thuner Aufenthaltes (1887) und wiederbelebte seine Freundschaft zu Joseph Joachim. Eine Art Generalprobe fand unter der Leitung des Komponisten mit Joachim und Hausmann als Solisten unter der Anwesenheit Clara Schumanns in Baden-Baden statt. Schließlich wurde es unter Brahms’ Dirigat mit den selben Solisten in Köln mit dem Gürzenich Orchester aufgeführt. Während Joachim, Hausmann und von Bülow es lobten, bezeichnete der Viszeralchirurg Prof. Billroth es als trostlos, langweilig und als Greisenkomposition !


    Ich selbst habe ebenfalls noch kein richtiges ‚Feeling‘ für dieses Werk entwickelt, obwohl ich es ebenfalls schon während meiner Schulzeit kennenlernte (auf MC die EMI-Aufnahme mit Perlman und Rostropowitsch, war es unter dem Dirigat mit Haitink ?). Ich höre dieses Werk nahezu nicht aus eigenem Antrieb.


    Nun standen mir 6 Aufnahmen auf CD zur Verfügung, davon 2 Live-Mitschnitte (beide mit Kremer). Die berühmte Aufnahme mit Oistrach/Rostropowitsch/Szell/Cleveland Orchestra konnte ich wegen IMO Übersteuerung des Remasterings nicht in die Endauswahl nehmen. Kremer/Maisky/Bernstein kommen im ersten Satz ‚nicht vom Fleck‘. Die Tempi sind sehr breit und die ganze Konzeption müde und schwerfällig aus meiner Sicht. Diese Aufnahme untermauert IMO das Billrothsche Statement. Kremer/Hagen/Harnoncourt ist keine schlechte Aufnahme. Hier nun meine doch eindeutigen Favoriten:


    Jascha Heifetz, v

    Gregor Piatigorsky, v’cello

    Alfred Wallenstein, cond

    RCA Victor Symphony Orchestra


    (RCA, ADD, 1960)



    Heifetz und Piatigorsky sind hier ein über Jahrzehnte eingespieltes Team. Die Virtuosität und die straffen Tempi sind IMO nicht zu toppen. Das RCA Victor Symphony Orchestra ist zwar ein Schallplattenorchester aber nicht zu unterschätzen. Viele Mitglieder gehören auch dem Chicago Symphony Orchestra an und sind ‚Reiner-geschult‘. Wallenstein ist ein optimaler Dirigent für Instrumentalkonzerte. Klangtechnisch ist diese Aufnahme in der Living Stereo-Serie wunderbar aufbereitet. In puncto Drive ist diese Aufnahme IMO unerreicht.


    Wolfgang Schneiderhan, v

    Janos Starker, v’cello

    Ferenc Fricsay, cond

    Radio-Symphonie-Orchester Berlin


    (DG, ADD, 1961)



    Hier haben wir IMO einen kammermusikalischeren Ansatz mit ebenfalls straffen Tempi und brillantem Stereo-Sound. Fricsay sorgt für das übergeordnete symphonische Konzept.


    Vadim Repin, v

    Truls Mork, v’cello

    Riccardo Chailly, cond

    Gewandhausorchester Leipzig


    (DG, DDD, 2009)


    Violinkonzert/Doppelkonzert Op.77/102


    IMO ein sehr ähnliches Konzept wie damals bei Fricsay. Der intensive geigenton Repins verästelt sich mit dem eher kühlen doch auch sonoren Ton Morks. Das Gewandhausorchester unter Chailly entfaltet sein reichhaltiges Klangspektrum. Man sitzt in der 1.-3. Reihe. Eine exzellente Akustik. Die Tempi sind IMO ideal.


    LG Siamak

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