Warum überlebt das Regietheater so lange ? - Versuch einer Analyse

  • Ich überspringe mal das ganze Gemäkel, das hier die Seiten füllt und beziehe mich auf Holgers Satz. Der verkündet apodiktisch, ohne etwas über de Begriff auszusagen. Was stellen die unterschiedlichen Disziplinen denn hierzu zur Diskussion (und in den Geisteswissenschaften sollte man wirklich nur nur Diskussion stellen)? Orfeo hat noch dankenswerterweise auf eine weitere Verwendung hingewiesen, die wohl kaum mit der in den oben angesprochenen Disziplinen vergleichbar sein dürfte.

    Das Beispiel von Orfeo betrifft die Hermeneutik - die hatte ich in meiner Liste in der Tat vergessen. Ich kann hier natürlich schlecht eine Vorlesung halten, sondern gebe nur den Stand der Dinge wieder.

  • Aber wo durch Werkanalyse nachweisbar ist, dass das Stück diesem Werkbegriff entspricht, ist Werkgerechtigkeit dann auch verbindlich.


    Wieso?


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ja, das ist eine gute Frage. Übrigens fehlt in der Liste bemerkenswerterweise ausgerechnet die Theaterwissenschaft, was einigermaßen prekär ist, wenn es um das Theater geht. Macht aber nichts. Wir wissen inzwischen, dass wir uns in sprachloser Bewunderung zu neigen haben, was immer der Herr Doktor von sich gibt.

  • Ich frage mich eher, ob der Begriff "Werkgerechtigkeit" ein gebräuchlicher Terminus außerhalb der Theologie ist - ein wenig Surfen in google books lässt mich daran zweifeln, dass das ein zentraler Begriff im Musikschrifttum sei. "Werkbegriff" natürlich schon.

  • Aber man muss ein Werk doch zumeist bearbeiten, um es aufführbar zu machen, mit Kürzungen allein ist es selten getan.

    Lieber Christian,


    die Forderung nach "Werktreue" richtete sich gerade gegen diese Praxis von sinnentstellenden Kürzungen. Davon berichtet Maurizio Pollini - dass Toscanini ein Pionier der "werktreuen" Aufführung von Verdi-Opern gewesen sei ohne sinnentstellende Kürzungen. Die Aufführungspraxis von Opern wird ja seit dem 19. Jhd. immer auch von einer opernkritischen Betrachtung begleitet. Da wird das immer wieder kritisiert - gerade von Komponisten.

    vielen Dank für diese interessanten Ausführungen. Aber ganz folgen kann ich nicht, denn es gibt ja beispielsweise kaum ein Werk der klassischen deutschen Literatur, das nicht ohne größere Veränderungen auf die Bühne gebracht wird. Zwar gibt es auch komplette Aufführungen eines Faust, aber das ist doch eher die Ausnahme. Und auch Goethe hat ja selber bekanntlich für die Bühne recht umfangreich bei sich und anderen Texte gekürzt und bearbeitet. Vor diesem Hintergrund ist für mich Dein Werkbegriff nicht wirklich praktikabel - zumindest nicht für dramatische Literatur -, denn die von Dir geforderte "Werkgerechtigkeit" wird ja oft schon vom Autor selbst nicht eingehalten.

    Ich hatte das im anderen Thread in einem längeren Beitrag ausgeführt, dass der Sinn der Aufführung nicht nur die Aufführung von Werken ist, sondern dazu gehört, die Aufführbarkeit herzustellen. Das schließ u.U. die Bearbeitung ein. Und genau da liegt - auch das hatte ich ausgeführt - der Unterschied zwischen einer hermetischen Werktheorie und einer Theorie ästhetischer Erfahrung. Wenn man wie letztere die rezeptionsästhetische Vermittlung mit einbezieht, bekommen damit auch Bearbeitungen einen Sinn, die natürlich aus ganz unterschiedlichen Gründen erfolgen können, was Gegenstand einer eigenen Betrachtung wäre.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Aber Theater ist nun mal nicht die Aufführung eines Werkes, sondern die Produktion eines neuen, das andere Werke in sich aufnehmen kann, nicht muss. Also ist Dein Argument hinfällig.


    Wenn Du es aber für gesichert hältst, dass Theater die Aufführung eines Werkes ist, zeige dies und zeige auch gleich wie dann Theater ohne ein solches aufzuführendes Werk möglich ist.

  • Weil sonst die Aufführung eines Werks kein Werk mehr aufführt, sondern dieses nur als eine Art Steinbruch benutzt wird, um aus ihm etwas ganz Anderes, ein völlig neues Haus, zu machen.


    Wieso sollte das nicht möglich sein? Die Analogie mit dem "Steinbruch" passt nicht, da es in einem Steinbruch eine dauerhafte Umarbeitung von Material gibt. Dies ist aber nicht der Fall, wenn man eine Aufführung macht, in der man sich nicht dem Gedanken der "Werkgerechtigkeit" verpflichtet fühlt. In diesem Fall besteht das ursprüngliche Werk unverändert weiter und kann in anderer Form zur Aufführung kommen. Generationen von Klavierschülern konnten "Für Elise" nicht zerstören, das Stück existiert noch immer.


    Anders formuliert: Wenn man eine Aufführung macht, die nicht zum Ziel hat, ein Werk aufzuführen, dann kann man dieser Aufführung bzw. ihren Machern nicht vorwerfen, dass sie kein Werk aufgeführt haben. Damit ist aber auch der Gedanke der "Werkgerechtigkeit" für eine solche Aufführung hinfällig, so dass dieser Gedanke nicht verbindlich sein kann und auch nicht aus dem Werkcharakter eines Stücks abgeleitet werden kann.


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  • Anders formuliert: Wenn man eine Aufführung macht, die nicht zum Ziel hat, ein Werk aufzuführen, dann kann man dieser Aufführung bzw. ihren Machern nicht vorwerfen, dass sie kein Werk aufgeführt haben. Damit ist aber auch der Gedanke der "Werkgerechtigkeit" für eine solche Aufführung hinfällig, so dass dieser Gedanke nicht verbindlich sein kann und auch nicht aus dem Werkcharakter eines Stücks abgeleitet werden kann.

    Wenn ich beanspruche, ein Werk aufzuführen, muss ich auch ein Werk aufführen, also werkgerecht. Sonst ist das eine Bearbeitung, die aus dem "Stoff", der sich im Libretto und in der Partitur findet, etwas ganz Anderes und Neues macht. Das ist dann etwas in der Art wie "Musical nach Motiven von Mozarts Zauberflöte", aber keine Aufführung von Mozarts Zauberflöte. Das hatten wir aber alles schon. Was ist daran nur so schwer verständlich... ;(

  • Wenn ich beanspruche, ein Werk aufzuführen, muss ich auch ein Werk aufführen, also werkgerecht.

    Ob das so ist, lassen wir mal dahingestellt. Aber aus Deinem Satz ergibt sich, dass er einzig und allein dann gilt, wenn der Anspruch erhoben wird, ein Werk aufzuführen. Das heißt, wenn dieser Anspruch nicht erhoben wird, nicht. Da nun dieser Anspruch tatsächlich nicht erhoben wird, ist der Einwand also hinfällig.


    Mir scheint, Du bist über Deine eigenen Beine gestolpert.

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  • Deine Behauptungen sind so forumiert, als gäbe es da einfach nur Unklarheit, einfach falsch. Ich habe in meinem Buch ein ganzes Kapitel über den Werkbegriff in der Musiktheorie und selbstverständlich die musikwissenschaftlichen und musikgeschichtlichen Forschungen zu dem Thema ausgewertet. Ich weiß also, wovon ich rede.

    Nein, meine "Behauptungen" sagen, dass es über den Werkbegriff in der Musikwissenschaft kontroverse Diskussionen gibt, aus denen bis heute keine eindeutige und von allen gleichermaßen akzeptierte Definition hervorgegangen ist. Das hat sich meines Wissens nicht einmal durch das Kapitel aus Deinem Buch geändert.


    Mir scheint, Du bist über Deine eigenen Beine gestolpert.

    Scheint mir auch so.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Das nun wirklich langweilig, weil die x-te Wiederholung des von Unverständnis für einen klaren Sachverhalt geprägten einfach falschen Betrachtung. Deswegen komme ich in meinem nächsten Beitrag wieder zum Threadthema zurück mit einem wirklich neuen Gedanken.

  • Dieser Thread strotz geradezu von Sophismen.


    Aber Theater ist nun mal nicht die Aufführung eines Werkes, sondern die Produktion eines neuen, das andere Werke in sich aufnehmen kann,

    :no::no::no::thumbdown::thumbdown::thumbdown:

    Was man hier für einen Eiertanz aufführt um durchzusetzen, daß man mit einem Theaterstück bzw Oper eigentlich machen kann was man will

    und daß eine Aufführung solch eines Machwerks eigentlich gar keine Aufführung des originalen Stückes ist, sondern ein daraus entstandesnes neue "Kunstwerk" (Letzeres halte ich für eine selbstgefälliger Anmaßung. Ob das ein Kunstwerk ist oder nicht wird in 100 Jahren entschieden werden)


    D. accord: Die Trümmer liegen ungeschützt herum und jeder grüßenwahnsinnige Handwerker dard sich selber Künstler nenne - ABER dann sollte man halt die Delikatesse und den Mut haben sie Namen der eigenlichen Autoren nicht mehr zu nennen und seineneigenen darunter zu setzen. Da würde dann nur wenige hingehen, weil das eine Warnung wäre.

    Als Theaterbesucher kann ich erwarten, daß das gespielt wird was im Opernführer beschrieben wird - ohne hinterhältige linke Mätzchen . Ich errinner mich, als ich 20 war wóllte ich meinen Horizont erweitern und etliche Werke der klassischen Opernliteratur kennenlernen (was mir auch gelang)

    Denn damals wurde noch das Original gespielt. Wer der Regisseur war hat mich damals nicht interessiert - und es war auch nicht notwendig das zu wissen.


    Aber man muss ein Werk doch zumeist bearbeiten, um es aufführbar zu machen, mit Kürzungen allein ist es selten getan

    Wer hat denn dieses Dogma aufgestellt.

    In gweissen Fällen mag das notwendig sein - in einem Provinztheater, welches technisch und personell nicht in der Lage ist die Regieanweisungen des Librettisten realisieren. Oder bei Schüleraufführungen. Manche Schüleraufführungen übertreffen übrigens viele Aufführungen des Regietheaters bei weitem.

    den Begriff 'Werkgerechtigkeit', den ich aus der Literaturwissenschaft nun gar nicht kenne -

    Kein Wunder - es war ja gar nicht nowendig den zu definieren. "Werkgerechtigekeir, Werktreue etc. das war ganz selbstverständlich, das brauchte man nicht zu erwähnen.

    Wir finden in der Vergangenheit lediglich hinweise auf oft vorkommende Unarten in der Öffentlichkeit ("Das öffentliche Ausspucken ist verboten")

    Verballhornungen von Theaterstücken waren nicht darunter und wurden daher auch nicht explizit reguliert...:hahahaha::hahahaha::hahahaha:


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 10.000

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Wenn ich beanspruche, ein Werk aufzuführen, muss ich auch ein Werk aufführen, also werkgerecht.


    Das ist halt der entscheidende Punkt: wenn ich es beanspruche. Das heißt aber nichts anderes, als dass der Werkgerechtigkeits-Gedanke nur dann verbindlich wird, wenn man den Anspruch erhebt, "werkgerecht" arbeiten zu wollen - also eine selbstkonsistente Logik.


    Die Alternative zu einer Aufführung mit diesem Gedanken ist keineswegs die "Bearbeitung", sondern schlicht die Abwesenheit des Gedankens. Es ist keineswegs zwingend gesagt, welches Ergebnis aus dieser Abwesenheit resultiert. Man kann das Material, mit dem man für die Aufführung arbeitet, nämlich durchaus auch sehr ernst nehmen, wenn man nicht vom Gedanken an "Werkgerechtigkeit" inspiriert ist. Umgekehrt können auch mit beanspruchter Werktreue Peinlichkeiten wie die im Kreis trabenden Pferde bei Zeffirelli herauskommen.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Der Fehler ist ganz auf Deiner Seite. Er ist nämlich Deine Meinung, dass es ausreicht, ein Argument zu ignorieren, um es zu entkräften. Das ist falsch. Ansonsten mag Dein Satz, dass »Werkgerechtigkeit« zwingend ist, wenn der Anspruch erhoben wird, ein Werk aufzuführen, stimmen oder nicht. Da dieser Anspruch nicht erhoben wird, besagt er gar nichts.

  • Wenn ich beanspruche, ein Werk aufzuführen, muss ich auch ein Werk aufführen, also werkgerecht.

    Aber aus Deinem Satz ergibt sich, dass er einzig und allein dann gilt, wenn der Anspruch erhoben wird, ein Werk aufzuführen. Das heißt, wenn dieser Anspruch nicht erhoben wird, nicht. Da nun dieser Anspruch tatsächlich nicht erhoben wird, ist der Einwand also hinfällig.

    Wurde in den letzten 3 Wochen komplett aneinander vorbeidiskutiert?


    Jetzt also nochmal ganz langsam und für Doofe:


    Wenn ich also ein Theaterplakat male oder drucke darauf " Die Zauberflöte. Oper in zwei Aufzügen von Wolfgang Amadeus Mozart" und hänge es aus, dann habe und hatte ich natürlich niemals die Absicht oder den Anspruch, " Die Zauberflöte. Oper in zwei Aufzügen von Wolfgang Amadeus Mozart" aufzuführen?


    Klingt doch alles eigentlich völlig logisch, oder?:thumbup:


    :/

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Ja. So ist es. Das habe ich schon öfter erläutert. Mir ist allerdings bekannt, dass solche Erläuterungen nicht zur Kenntnis genommen werden. Ihnen wurf also weder fundiert widersprochen, noch werden sie akzeptiert. Es geht einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Nichts Neues unter der Sonne, ich kenne das Verfahren seit gut 50 Jahren.

  • Das ist halt der entscheidende Punkt: wenn ich es beanspruche. Das heißt aber nichts anderes, als dass der Werkgerechtigkeits-Gedanke nur dann verbindlich wird, wenn man den Anspruch erhebt, "werkgerecht" arbeiten zu wollen - also eine selbstkonsistente Logik.


    Die Alternative zu einer Aufführung mit diesem Gedanken ist keineswegs die "Bearbeitung", sondern schlicht die Abwesenheit des Gedankens. Es ist keineswegs zwingend gesagt, welches Ergebnis aus dieser Abwesenheit resultiert. Man kann das Material, mit dem man für die Aufführung arbeitet, nämlich durchaus auch sehr ernst nehmen, wenn man nicht vom Gedanken an "Werkgerechtigkeit" inspiriert ist. Umgekehrt können auch mit beanspruchter Werktreue Peinlichkeiten wie die im Kreis trabenden Pferde bei Zeffirelli herauskommen.


    LG :hello:

    Mit anderen Worten: Eine Bearbeitung eines Stücks von Wagner bleibt für Dich auch dann ein Stück von Wagner, wenn überhaupt nicht mehr kenntlich ist, dass die Bearbeitung überhaupt noch Wagners Stück ist. Diese konstruktivistische Absurdität mag glauben wer will. Als Phänemonologe verlange ich die Ausweisbarkeit. Dass es sich bei der Bearbeitung überhaupt noch um Wagners Werk und nicht um eine vollkommen neue Schöpfung des Regisseurs, ist eben nur durch die Werkgerechtigkeit ausweisbar.

  • Wer hat denn dieses Dogma aufgestellt.

    In gweissen Fällen mag das notwendig sein - in einem Provinztheater, welches technisch und personell nicht in der Lage ist die Regieanweisungen des Librettisten realisieren.

    Das ist kein Dogma, Theaterstücke - ich rede hier nicht von Opernaufführungen! - wurden schon immer bearbeitet und angepasst, ich bitte da einfach mal nachzulesen. Als Gewährsmann hatte ich dafür einen Schriftsteller und Vollbluttheatermenschen aus Weimar genannt, der da überhaupt nicht zimperlich war. JWvG war eben auch ein hervorragender Pragmatiker und das nicht nur im Umgang mit seinen eigenen Texten (die ja teilweise schwierig und undankbar zu inszenieren sind). Das hat nichts mit Schüleraufführungen zu tun, mach bitte Deine Hausaufgaben, bevor Du so etwas sagst ;-)


    Hinter dieser Praxis verbrigt sich natürlich die Absicht, die Wirkung eines Stücks bestmöglich und erfolgreich auf der Bühne zur Entfaltung zu bringen. Ob dies immer im Sinne des Autors geschieht, war zumindest im 18Jh. meines Wissens noch kein Thema, heute ist es aber eins, wie wir hier sehen.


    Ich bin doch ein bissschen überrascht, dass bei diesem scheinbar ausdiskutierten Thema so grundlegende Dinge unbekannt sind. Man muss aber auch sagen, dass es von dieser Praxis, die ich vor allem aus dem Umfeld der Weimarer Klassik kenne, zu dem hier diskutierten thread-Thema ein sehr weiter Weg ist. Ich glaube auch, dass mein Gewährsmann aus Weimar niemals auf die Idee gekommen wäre, ein Stück rückwärts zu inszenieren, so wie es hier in München zum Leidwesen des Publikums eine Zeitlang sehr beliebt war.


    Viele Grüße

    Christian

  • Mit anderen Worten: Eine Bearbeitung eines Stücks von Wagner bleibt für Dich auch dann ein Stück von Wagner, wenn überhaupt nicht mehr kenntlich ist, dass die Bearbeitung überhaupt noch Wagners Stück ist.


    Nein, das ist keine korrekte Umformulierung meines Beitrags. Ich habe geschrieben, dass aus der Abwesenheit des Werkgerechtigkeits-Gedankens auf Seiten derer, die eine Aufführung schaffen, nicht folgt, dass das resultierende Produkt (also die Aufführung) eine "Bearbeitung" des Stücks zeigt oder verwendet. Mehr nicht. Wenn Du meinst, dass das nicht stimmt, müsstest Du ein Gegenargument liefern, aber mir nicht etwas unterstellen, das ich weder geschrieben noch gemeint habe.


    Übrigens müsste eine Bearbeitung eines Stücks von Wagner wieder ein Stück sein, also eine Kombination von notierter Komposition und notierter Dichtung.


    LG :hello:

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  • Mit anderen Worten: Eine Bearbeitung eines Stücks von Wagner bleibt für Dich auch dann ein Stück von Wagner, wenn überhaupt nicht mehr kenntlich ist, dass die Bearbeitung überhaupt noch Wagners Stück ist.

    Wie kommst Du auf diese Idee? Das ist wirklich eine Absurdität, aber sie geht ganz auf Dein Konto. (Dass sie mit Konstruktivismus nichts zu tun hat, ist ein Nebenwitz.) Du gehst einfach stur davon aus, dass es um die Aufführung eines Stücks geht. Nimm doch endlich mal zur Kenntnis, dass es darum NICHT geht. Theater ist NICHT die Aufführung eines Stücks, sonst könnte es ohne ein solches Stück, das aufgeführt wird, kein Theater geben. Das gibt es aber. Also stimmt Deine Voraussetzung nicht. Es sei denn, Du zeigst, warum Theater auch dann die Aufführung eines Stücks ist, wenn es nicht die Aufführung eines Stücks ist. Wenn Dir dieses Kunststück gelingt, sehen wir weiter. Bis dahin bleibt es dabei, dass Du ständig gegen Positionen polemisierst, die niemand vertritt. Das ist ziemlich lächerlich, findest Du nicht auch?

  • Das ist kein Dogma, Theaterstücke - ich rede hier nicht von Opernaufführungen! - wurden schon immer bearbeitet und angepasst, ich bitte da einfach mal nachzulesen.

    Opern auch. Vor allem in der italienischen und franzödischen Oper des 19. Jahrhunderts ist der Gedanke an eine endgültige Werkgestalt ganz lächerlich. Der widerspricht ganz einfach der Gattungsspzifik. Der Herr Doktor kann ja mal versuchen zu ermitteln, wie eine »werkgerechte« Fassung (ich spreche gar nicht erst von der Aufführung) des Gounodschen »Faust« aussieht. Da wünsche ich viel Glück und eine gut funktionierende Kristallkugel. Er kann ja vielleicht auch mit Gounod telefonieren, soll aber nicht enttäuscht sein, wenn der gar nicht an ein endgültig fertiges Werk gedacht hat.


    Der Gedanke, dass man Stücke so spielen sollte, wie sie der Autor angeblich gemeint hat, ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstmal gefasst worden und erst nach der Mitte des 20. Jahrhunderts von einem der Väter des sog. »Regietheaters« in der praktischen Arbeit angewandt worden. (Was bei dem, der sich den Begriff »Werktreue« sehr groß auf die Fahnen geschrieben hat, übrigens oft mit heftigen Eingriffen in die Struktur der Stücke verbunden war, weil er sehr wohl wusste, dass ein Theater ein Theater und kein philologisches Institut ist.)

  • Anders formuliert: Wenn man eine Aufführung macht, die nicht zum Ziel hat, ein Werk aufzuführen, dann kann man dieser Aufführung bzw. ihren Machern nicht vorwerfen, dass sie kein Werk aufgeführt haben. Damit ist aber auch der Gedanke der "Werkgerechtigkeit" für eine solche Aufführung hinfällig, so dass dieser Gedanke nicht verbindlich sein kann und auch nicht aus dem Werkcharakter eines Stücks abgeleitet werden kann.

    Das aufzuführende Werk betrachte ich als Vorlage. Es ist eben z.B. Rheingold von Richard Wagner. Wenn ein Theater mit Hilfe von Regisseuren, Dramaturgen, Sängern, Orchester, Bühnenbildnern...... diese Vorlage als Bühnenstück auf die Bühne umsetzen, ist und bleibt das das Rheingold von Richard Wagner. Oder können die Theatermacher das Gegenteil beweisen?

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich verlinke mal einen Zeitungsartikel zur Rechtslage bezüglich der Benennung von dem, was da im Theater aufgeführt wird:

    https://www.welt.de/print-welt…eliebte-Regietheater.html

    >>

    Neben dem Totalverbot (und Tantiemenverlust) besteht zudem noch die Tantiemen erhaltende Möglichkeit, die Nennung des Autorennamens zu untersagen oder auf die "Nach-Formel" zu bestehen und den Titel zu ändern.

    <<

    Am Spielplan der Semperoper lese ich bei den Opernaufführungen nichts davon, dass das neue Werke nach Opern alter Meister seien. Offenbar ist es rechtlich nicht egal, was da angekündigt wird.

  • Abgesehen davon, dass das ein juristisches Argument ist, dass in einer ästhetischen Diskussion nichts verloren hat, und nichts besagt, endet das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Dann kann jeder mit seinem Werk (Theaterstück, Roman, Gedicht, Komposition usw.) machen, was er will. Das führt also auch nicht weiter.

  • Doch, es sagt uns, dass es grundsätzlich nicht egal ist, ob auf dem Zettel steht "Wagner: Tristan" oder "Bieito: Tristan nach Wagner". Und sofern das erste da steht, nennt man das eine Aufführung von Wagners Werk. Zu behaupten, dass gar keine Aufführung von Wagners Werk zur Diskussion stünde ist daher nicht akzeptabel.

  • Das aufzuführende Werk betrachte ich als Vorlage. Es ist eben z.B. Rheingold von Richard Wagner. Wenn ein Theater mit Hilfe von Regisseuren, Dramaturgen, Sängern, Orchester, Bühnenbildnern...... diese Vorlage als Bühnenstück auf die Bühne umsetzen, ist und bleibt das das Rheingold von Richard Wagner. Oder können die Theatermacher das Gegenteil beweisen?


    Das Stück ist und bleibt "Das Rheingold" von Richard Wagner, aber die Aufführung ist nicht das Stück, sondern eine Musiktheater-Aufführung. Du schreibst ja selbst, dass das Stück als "Vorlage" für das Verfertigen einer Aufführung dient.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Es ist egal, wenn das Urheberrecht erloschen ist.

    Und die Prämisse, dass das Theater nicht die Aufführung eines Werkes ist, habe ich ausführlich hergeleitet. Wenn Du der widersprechen willst, zeige, dass die Herleitung defekt ist. Wenn Du einfach mit dem Fuß aufstampfst und darauf bestehst, dass es so sein muss, wie es Dir passt, machst Du Dich nur genauso lächerlich wie der Herr Doktor, der das auch ständig tut.

  • Nein, das ist keine korrekte Umformulierung meines Beitrags. Ich habe geschrieben, dass aus der Abwesenheit des Werkgerechtigkeits-Gedankens auf Seiten derer, die eine Aufführung schaffen, nicht folgt, dass das resultierende Produkt (also die Aufführung) eine "Bearbeitung" des Stücks zeigt oder verwendet. Mehr nicht. Wenn Du meinst, dass das nicht stimmt, müsstest Du ein Gegenargument liefern, aber mir nicht etwas unterstellen, das ich weder geschrieben noch gemeint habe.


    Übrigens müsste eine Bearbeitung eines Stücks von Wagner wieder ein Stück sein, also eine Kombination von notierter Komposition und notierter Dichtung.


    LG :hello:

    Der Sinn dieser Gedankengänge erschließt sich mir nicht. Letztlich spielt es doch keine Rolle, was der Regisseur glaubt, sondern was der Rezipient, also der Zuschauer, zu sehen bekommt auf der Bühne und wie er das dann beurteilt. Wenn ein Werk aufgeführt werden soll, reicht es eben nicht, dass irgendwelche Versatzstücke von ihm erkennbar sind, sondern es muss der Werkcharakter als solcher in der ästhetischen Erfahrung präsent sein. Und wenn er eben präsent ist, wird das Gesehene als werkgerecht beurteilt.

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