CLAIRE WATSON
München ist ‚die‘ Opernstadt Deutschlands. Denn in keiner anderen deutschen Stadt wurden so viele Straßen und Plätze nach Opernsängern benannt wie hier: Hermine Bosetti, Maria Ivogün, Erika Köth, Annelies Kupper, Berta Morena, Lucia Popp, Marianne Schech, Margit Schramm, Sophie Stehle, Klara Vespermann, Paul Bender, Fritz Brodersen, Karl Erb, Georg Hann, August Kindermann, Heinrich Knote, Julius Pellegrini, Heinrich Rehkemper, Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Heinrich Vogl und Fritz Wunderlich. Und auch Claire Watsons Name findet sich im Münchner Stadtplan (Nymphenburg). Damit wird an eine der beliebtesten Sopranistinnen der Bayerischen Staatsoper erinnert und es soll nun auch endlich bei „Tamino“ so sein.
Claire Watsons Weg auf die Opernbühne war ungewöhnlich zielstrebig. Als Claire McLamore am 3. 2. 1924 – also vor 100 Jahren - in New York City in einem wohlhabenden Elternhaus geboren, wuchsen sie und ihre Brüder nach dem frühen Tod der Mutter, einer Cellistin, bei ihrer Großmutter mütterlicherseits auf. Diese war Pianistin und hatte Klavierunterricht bei Franz Liszt gehabt und deren Vater war der blinde Komponist Oliver Shaw (1779-1848), dessen Lieder und Militärmärsche noch heute populär sind. Claires britischstämmiger Vater war ein Mann des Militärs und später erfolgreicher Geschäftsmann. Schon früh entdeckte die Großmutter das Gesangstalent ihrer Enkelin und diese trat mit neun Jahren in einem Wohltätigkeitskonzert mit Volksliedern von Johannnes Brahms auf. Mit zwölf sang Claire vereinfachte Versionen von Isoldes Liebestod und Brünnhildes Schlussgesang und vierzehnjährig begann sie ein Gesangsstudium und trat einem Chor bei. Sie gewann ein Stipendium der renommierten Eastman School of Music in Rochester und sie heiratete Mr. Watson, einen Biophysiker; da war sie siebzehn Jahre alt. Mit 18 Jahren kam das erste Kind und als sie 22 Jahre alt war, war sie bereits dreifache Mutter, was sie auch in Robert Lemkes „Was bin ich?“-Sendung den deutschen Fernsehzuschauern unbeabsichtigt verriet.
Doch Claire Watson drängte es zur Oper, koste es was es wolle! Sie studierte in New York bei Sergius Kagen an der Juilliard School und privat bei Elisabeth Schumann, von der sie sich zur Liedersängerin ausbilden lassen wollte, weil das mit dem Familienleben besser vereinbar schien. Doch auch diese unterstützte sie in ihrem Wunsch, Opernsängerin zu werden und machte sie mit Otto Klemperer (mit dem Elisabeth Schumann in ihrer Hamburger Zeit eine skandalträchtige Beziehung hatte) bekannt, der sie nach Wien einlud. Als Claire Watson dort bei einer privaten Soirée mit Klemperer am Klavier eine Arie der Donna Anna und Elsas Traumerzählung vortragen wollte, diskutierte er mit ihr vorher – typisch Klemperer – ob Donna Anna von Don Giovanni verführt worden sei oder nicht. Ein Gast des Abends war der Bassist Emanuel List, der der Sängerin zu einem Vorsingen am Grazer Opernhaus verhalf, das so erfolgreich war, dass man sie für die Eröffnungsvorstellung der Saison 1951/52 sechs Wochen später als Desdemona in Verdis „Otello“ verpflichtete.
Zunächst vier Fernseh-Sendungen mit Claire Watson - zu der „Meistersinger“-Aufführung in München 1963 nehme ich im nächsten Beitrag Stellung:
„Paris und Helena“ (‚Paride ed Elena‘) (Christoph Willibald von Gluck): Helena – Claire Watson / Paris – Hertha Töpper / Amor – Jutta Goll / Pallas Athene – Annelies Kupper / Eine Spartanerin – Monika Kienzl / Ein Trojaner – Heinrich Weber / Das Ballett der Bayerischen Staatsoper München (Solotänzer: Helga Heinrich und Arnold Lukas) / Der Chor und das Orchester der Bayerischen Staatsoper München / Chorltg.: Wolfgang Baumgart / Dirigent: Hans Gierster / Choreographie: Gustav Blank / Ausstattung: Ita Maximowa / Regie: Hans Hartleb (München, Cuvilliés-Theater, TV-Sendung am 12. 6. 1964 gleichzeitig in der ARD, im ORF und in der SRG als Abschluss-Veranstaltung des ‚Prix Jeunesse‘, der 1964 erstmals statt fand.) Der ‚Prix Jeunesse‘ ist ein internationer Wettbewerb für Kinder- und Jugendfernsehen, der jährlich von der Stadt München, dem Freistaat Bayern, dem Bayerischen Rundfunk, dem ZDF, der UNESCO, der European Broadcasting Union und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien veranstaltet wird.
Glucks Oper wurde in Rudolf Gerbers deutscher Übersetzung in einer fragwürdigen Textbearbeitung (Zitat: ‚Du bist aber naiv!‘) von Hans Hartleb aufgeführt. Die Produktion von „Paris und Helena“ hatte am 29. 5. 1964 bei der Fränkischen Festwoche im Markgräflichen Opernhaus von Bayreuth Premiere (mit Ingeborg Bremert und Dagmar Naaff) und wurde anschließend bei den Schwetzinger Festspielen (mit Claire Watson und Hertha Töpper) gezeigt, wo sie auch akustisch vom Süddeutschen Rundfunk Stuttgart aufgezeichnet wurde.
„Le nozze di Figaro“ ('Die Hochzeit des Figaro') Wolfgang Amadé Mozart): Il conte di Almaviva – Ingvar Wixell / La Contessa – Claire Watson / Susanna – Reri Grist / Figaro – Walter Berry / Cherubino – Edith Mathis / Don Basilio – David Thaw / Dottor Bartolo – Zoltán Kelemen / Marcellina – Margarethe Bence / Antonio – Klaus Hirte / Barbarina – Deirdre Aselford / Don Curzio – Alfred Pfeifle / Der Chor der Wiener Staatsoper / Chorltg.: Walter Hagen-Groll / Die Wiener Philharmoniker / Dirigent: Karl Böhm / Ausstattung: Rudolf Heinrich / Inszenierung: Günther Rennert / TV-Regie: Hermann Lanske (Salzburg, Kleines Festspielhaus, Premiere am 25. 7. 1966). Auf DVD erschienen bei ‚TDK‘ und bei ‚Arthaus‘. Claire Watson verkörperte auch 1967 und 1968 die Gräfin bei den Salzburger Festspielen.
„Ariadne auf Naxos“ (Richard Strauss): Ariadne – Claire Watson / Bacchus – Robert Nagy / Zerbinetta – Beverly Sills / Harlekin – John Reardon / Truffaldin – Malcolm Smith / Brighella – John Ferrante / Scaramuccio – James Billings / Najade – Benita Valente / Dryade – Eunice Alberts / Echo – Carole Bogard / Herr Jourdain – Andrew Raeburn / The Boston Symphony Orchestra / Dirigent: Erich Leinsdorf / TV-Regie: William Cosel (New York, Carnegie Hall, 7. 1. 1969). Eine konzertante Aufführung der „Ariadne“-Urfassung von 1912 (mit der längeren und schwereren Zerbinetta-Arie), von ‚VAI Video Artists International‘ auf DVD veröffentlicht. (Der Audio-Mitschnitt erschien bei ‚Premiere Opera‘.)
„Die Walküre“ (Richard Wagner): (Erster Akt) Sieglinde – Claire Watson / Siegmund – Fritz Uhl / Hunding – Josef Greindl / Die Wiener Philharmoniker / Dirigent: Hans Knappertsbusch / Fernsehregie: Hermann Lanske (Wien, Theater an der Wien, 21. 5. 1963). Dieses Konzert wurde vom ORF live aufgezeichnet, auf DVD 2006 von ‚TDK‘ veröffentlicht und ist seit 2022 in der „ARD-Mediathek“ auch zu sehen. (Nur akustisch ist der Mitschnitt auch von ‚Living Stage‘ auf CD herausgegeben worden, gekoppelt mit der 4. Symphonie Anton Bruckners in der Interpretation von Hans Knappertsbusch.)
Carlo