Alle sprechen über dasselbe Musikwerk

  • "Ganz zum Überfluss" möchte ich noch zu beschreiben versuchen, was mich an den Davidsbündler-Tänzen fasziniert: Vor allem anderen ist es die Freiheit der Fantasie, das "Fantastische", das Erkunden von Fremdartigem, auch Verstörendem, die wilde Leidenschaft und zarte Innigkeit. In manchen dieser Eigenschaften und vor allem in ihrer Vielfalt gehen die Tänze noch über die Kreisleriana oder den Carnaval hinaus, nur die C-Dur-Fantasie steht für mich als Schumanns wahrscheinlich bedeutendstes Klavierwerk über allem. Ich beschäftige mich mit den Tänzen seit Jahrzehnten und staune dennoch immer wieder über kühne Einfälle wie z.B. den Übergang zur Reprise des 6. Tanzes, wo ganz plötzlich die Triolenbewegung durch zwei Duolen der linken Hand und den rhythmischen Stillstand der rechten in Frage gestellt wird. Das Besondere daran ist: Das ist eigentlich kein Übergang sondern ein Fremdkörper, so als ob für einen Moment das Stück in eine ganz andere Richtung gehen könnte, gar nicht weiß wie, dann aber doch zur Reprise findet. Das sind nur eineinhalb Take, aber ich kenne in der Musik nichts Vergleichbares (und so etwas wie die rhythmischen Verschiebungen zwischen beiden Händen in diesem Tanz gab es bis dahin auch nicht; sie dürften György Ligeti gefallen haben...). Oder die vollkommen unerwartete, auch rätselhafte Wiederholung des 2. Tanzes am Ende, der dann aber ebenso unerwartet aus seiner träumerischen Stimmung zu einer fantastischen, leidenschaftlichen Steigerung führt.

    Diese unvergleichliche Vielfalt an Charakteren und Ideen wäre nur ein großes Stückwerk, wenn sie nicht durch die strenge Faktur zusammengehalten würde. Angefangen von Clara Wiecks "Motto" über die allgegenwärtige Polyphonie bis zu einem ausgeklügelten Tonartenplan sind die einzelnen Stücke dicht miteinander verwoben. Der Zyklus ist grenzensprengend fantasievoll und gleichzeitig "gelehrt". Die beschriebene "Nervosität" sehe ich vor allem in dieser nur mit größter Anstrengung zu bändigenden Fantasie, die immer neue Einfälle hervorbringt, sie sofort entwickelt, aber oft schon gleichzeitig mit dem nächsten Einfall fortfährt. Dadurch wirken auf mich die wenigen Ruhepunkte, vor allem der 14. Tanz, umso bewegender. Nachdem ich vor ca. 15 Jahren Schumanns Krankenakten aus Endenich (herausgegeben von Bernhard Appel) und Peter Härtlings darauf beruhenden Künstler-Roman gelesen habe, kann ich dieses Stück nicht mehr ohne gedankliche Verbindung dazu und ohne tiefes Mitgefühl hören oder spielen. An dieser Stelle möchte ich nicht verhehlen, dass ich die Verknüpfung einer - angeblichen oder tatsächlichen - "Geisteskrankheit" mit einem "fragwürdigen Charakter" fast persönlich verletzend, jedenfalls grob unangebracht und unsensibel fand.

    Die Schumannsche Gedankenwelt ist extrem reichhaltig, voller Kühnheit und Genialität, kann aber gerade deshalb in ihrer Wildheit und Schamlosigkeit auch verstörend wirken. Ihre Interpretation muss das meines Erachtens als ein wichtiges Element zulassen, sollte dabei aber gleichzeitig das Interesse am Unerhörten wecken. Das setzt einen offenen, unvoreingenommenen Hörer voraus, der bereit ist, in der Erfahrung des Fremden, Neuartigen von Schumanns Musik auch sich selbst zu hinterfragen. Wer sich darauf einlässt, wird reich belohnt.

  • An dieser Stelle möchte ich nicht verhehlen, dass ich die Verknüpfung einer - angeblichen oder tatsächlichen - "Geisteskrankheit" mit einem "fragwürdigen Charakter" fast persönlich verletzend, jedenfalls grob unangebracht und unsensibel fand.

    Auf diese Spitze gegen mich möcht ich - moderater als ich eigentlich sollte - doch etwas antworten.X(

    Unsensibel: Herr Schumann war nicht besonders sensibel, wenn er andere kritisierte.

    Dazu kommt, daß es eine Generationsfrage ist meine Generation - und vor allem die vor mir - war etwas direkter als man es heute - falschfreundlich amerikanisch mit allen Behübschungen tut.

    Wir haben eben etwas so gesagt wie angebracht war. Wen ein Kritiker eine vernichtende Kritik schrieb, dann war sie eben vernichtend - teilweise genüsslich vernichtend. Aber man hat nicht alles in einen

    Wust von Zuckerwatte verpackt - wie es heute üblich ist. Da gäbe es noch viel zu sagen - aber es ist sinlos. ich werde gegen den Zeitgeist nicht ankämpfen - Ich verbitte mir indes jegliche Kritik an meiner Person - implizit oder direkt. Das lediglich deshalb, weil ich hier in meiner Eigenschaft als oberste Instanz des Forums in gewisser Weise gefesselt bin und nicht in der Schärfe antworten kann, für die ich im privaten Bereich bekant und gefürchtet bin. Meine im Plauderton vorgetragenen Angriffe haben schon manchen zum Weinen gebracht -Ich schreie nicht, ich schimpfe nicht ich bin nur sarksatisch und ich treffe immer ins Herz. Also bitte - man fordere mich nicht heraus. Hier im Forum möchte ich keine Probe meiner Redekunst geben. Aber meine eigentliche Stärke liegt in meinem vernichtenden abweisenden Blick- mit dem bringe ich faktisch jeden zum Schweigen - ein Bonus, den ich hier im Forum nicht nutzen kann - und auch nicht will.

    Die Frage nach der Geisteskrankheit von Schumann ist bis heut nicht endgültig geklärt - Die zeitgenössischen Ärzte - und seine Ehefrau wollten es aber so sehen. Clara war scheinbar nicht unglücklich daß er dort war wo er war.

    Persönlich halte ich Schumanns Suizidversuch - vermutlich im Vollrausch* - für ein "Eheproblem" Niemand wirft seinen Ehering ind den Fluss, wo er sich ertränken will. Die damaligen Ärzte hirlten aber an ihrer Diognos fest - und Schumann wollte scheinbar ebensowenig zu seiner Frau zurück - wie sie zu ihm. Die fragwürdige Person halte ich indes aufrecht.Welcher intakte Charakter führt schon ein "Ehetagebuch" worin sogar vermerkt wurde, wann das Ehepaar Geschlechtverkehr hatte. Für heutige Historiker natürlich ein gefundenes Fressen.

    Liest man die verschiedenen Lebensbescheibungen in deutsch und englisch (interessant auch im KLEXIKON !!;))dann wird man meiner subjekiven (durch 'IMO' eindeutig erkennbar gemscht) Einschätzung der Persönlichkeit nicht allzuviel Widerstand entgegensetzen. "Psychisch labil" wird man immer wieder in den Texten - direkt oder indirekt formuliert - finden...

    Aber all das ist Privatsache. Die Musik Schumann indes nicht. Und sie gefällt mir nicht. Bemüht habe ich mich. Die umfangreiche CD-Sammlung mit seinen Werken ist mein Zeuge.

    Und nun zurück zum Sachlichen:

    Die Schumannsche Gedankenwelt ist extrem reichhaltig, voller Kühnheit und Genialität, kann aber gerade deshalb in ihrer Wildheit und Schamlosigkeit auch verstörend wirken.

    Den hervorgehobenen Teil möchte ich hier voll und ganz unterstreichen.


    mfg aus Wien

    Alfred



    *)Diagnose eines heutigen Psychiaters)

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich verbitte mir indes jegliche Kritik an meiner Person - implizit oder direkt.

    Das habe ich nicht getan. Ich habe Deine Verbindung von "Geisteskrankheit" und "fragwürdigem Charakter" kritisiert. Dabei bleibe ich. Eine Geisteskrankheit heißt so, weil sie eine Krankheit ist, auch wenn man das in den von Dir verklärten alten Zeiten anders gesehen hat und entsprechend mit "Geisteskranken" umgegangen ist.

    Was Du über Schumanns persönliche Hintergründe schreibst, ist in weiten Teilen ein Wiederkäuen der üblichen abgeschmackten Spekulationen. Falls Dich das Thema interessiert (was anscheinend nicht der Fall ist), empfehle ich für den Einstieg das o.g. Buch von Bernhard Appel, die Edition der "Ehetagebücher" (die Du auf eine Chronik des Geschlechtsverkehrs reduzierst, obwohl allein deren Personen- und Werkregister rund 60 Seiten umfasst), Veröffentlichungen von Michael Struck und anderen. Übrigens hat der von Dir als leuchtendes Gegenbeispiel genannte Mendelssohn zusammen mit seiner Frau Cécile sogar ein Tagebuch ihrer Hochzeitsreise verfasst. Schau doch mal rein, vielleicht findest Du da lüsterne Kost, über die Du Dich anschließend echauffieren kannst.

  • Ich finde es immer schwierig, Persönlichkeit eines Künstlers mit seiner Kunst zu vermischen. Es ist sicher naheliegend, aber man verbaut sich auch eventuell Zugänge. Es ist am Ende bei Schumann auch nicht anders als bei Karajan. Sich nicht um die Biographie und biographische Äußerungen kümmern zu müssen, ist ein Luxus des Rezipienten, den ich fast immer ausgiebig genutzt habe.


    Ich habe wirklich lange überlegt, was ich hier vorstellen soll. Zeit hatte ich ja genug :). Hängen geblieben bin ich nun bei einem Künstler, der geradezu dazu auffordert, sich Gedanken über Zusammenhänge zwischen Beruf und Berufung zu machen.


    Der Amerikaner Charles Ives (1874-1954) enstammte einem Elternhaus, das musikalische Anregung geben konnte. Ives war interessiert und bekam auch eine gewisse Ausbildung, entschied sich aber für einen Beruf in der Versicherungsindustrie, wo er sehr erfolgreich war. Es war ihm wohl klar, dass das, was ihn musikalisch bewegte, zu seiner Zeit keine große Chance auf Anerkennung hatte. Auf der anderen Seite gestattete es sein späteres Vermögen, als Mäzen für befreundete Künstler zu wirken (siehe Wikipedia)


    Ich kam mit Charles Ives über eine Einspielung seiner zweiten Klaviersonate durch den Pianisten Herbert Henck in Berührung. Es war noch zu der alten Vinylzeit. Mittlerweile besitze ich die Einspielung auch auf CD.


    Um diese Sonate soll es nun gehen. Sie ist ein ein langes, umfangreiches Werk und sicher nicht bei einer Erstbegegnung vollständig zu begreifen. Auf der anderen Seite kam mir das Werk aber immer schon sehr interessant vor. Es entstand zwischen 1911 und 1915 und ist später immer wieder revidiert worden. Ives hatte das Gefühl, dass er die Beziehung zu den Transzendentalisten erläutern müsste. Wer Interesse an solchen Erläuterungen hat, lese seine Essays before a Sonata . Man bekommt einen gewissen Eindruck von seiner Form des Humors.


    Zitat von Wikipedia aus der Einleitung

    In einer Fußnote zur Einleitung heißt es: „These prefatory essays were written by the composer for those who can't stand his music – and the music for those who can't stand his essays; to those who can't stand either, the whole is respectfully dedicated.“

    Ich bin noch weit von einem umfänglichen Verständnis entfernt und habe nicht viel mehr als eine naive Begeisterung zu bieten!


    Es ist ein viersätziges Werk, von dem jeder einzelne Satz einen der amerkanischen Transzendentalisten im Titel trägt und damit einen musikalischen Bezug zum Charakter der Person herstellen soll. Mir hat das nie viel geholfen. Der Titel der Sonate "Concord, Mass. 1840-60" erklärt sich dadurch, dass Concord in Massachussettes ein Zentrum der amerikanischen Transzendentalismus war. Ein Zusammenhang mit der klassischen Sonatenform ist IMO nur sehr oberflächlich herzustellen. Der erste Satz spannt den Rahmen und weist die Dimension des Werkes auf, der zweite wäre so einen Art Scherzo, der dritte dann das Adagio.


    Ives entspricht auf der einen Seite dem Stereotyp des Amerikaners. Eine gewisse Unbedarftheit im Umgang mit den Heiligtümern der Klassik - er scheut sich nicht, so etwas wie den Yankee Doodle oder andere damals populäre Melodienzu zitieren - ist offensichtlich. Auf der anderen Seite ist seine Verehrung für Beethoven aber kaum zu überhören, einmal direkt durch Zitate, aber auch durch die stellenweise Gewalt der Musik.


    Die Sonate ist ein Panorama und wechselt von Einfachheit zu Komplexität ohne große Vorbereitung. Dass einiges dieser Sonate vorher komponierten, verworfenen Werken für Orchester entstammt, ist noch an kleinen Restteilen für Flöte und Viola zu erkennen.


    Genug zur Einleitung. Sehr gerne würde ich die Einspielung Hencks zeigen. Leider steht die nicht zur Verfügung. Erhältlich ist noch eine von Marc-André Hamelin, der sie lustigerweise mit Barbers Sonate kombiniert.



    Eine recht neue, schöne Einspielung ist die von Jeremy Denk. Eine Live-Einspielung bietet Stephen Drury.



    Auch Hamelin findet sich mit einem Konzert von 2023 im Web



    Bei Interesse für die Noten kann ich eine Hilfe anbieten: http://www.el-atril.com/partit…No%202-Concord%20Mass.pdf

  • Ich finde es immer schwierig, Persönlichkeit eines Künstlers mit seiner Kunst zu vermischen. Es ist sicher naheliegend, aber man verbaut sich auch eventuell Zugänge. Es ist am Ende bei Schumann auch nicht anders als bei Karajan. Sich nicht um die Biographie und biographische Äußerungen kümmern zu müssen, ist ein Luxus des Rezipienten, den ich fast immer ausgiebig genutzt habe.

    Ich finde es gerade bei Schumann unerlässlich, zum Verständnis seiner Musik die persönlichen Hintergründe zu studieren. Um mal nur eine Äußerlichkeit zu nennen: Die ganzen "Nimm sie hin denn, diese Lieder"-Zitate in der C-Dur-Fantasie, der zweiten Symphonie usw. sind doch z.B. nur vor dem Hintergrund der heimlichen Verlobung, konfliktreichen Eheschließung usw. wirklich verständlich, aber auch die leidenschafltiche Gespanntheit, ja Überspanntheit der Musik.


    Der Amerikaner Charles Ives (1874-1954) enstammte einem Elternhaus, das musikalische Anregung geben konnte. Ives war interessiert und bekam auch eine gewisse Ausbildung, entschied sich aber für einen Beruf in der Versicherungsindustrie, wo er sehr erfolgreich war. Es war ihm wohl klar, dass das, was ihn musikalisch bewegte, zu seiner Zeit keine große Chance auf Anerkennung hatte. Auf der anderen Seite gestattete es sein späteres Vermögen, als Mäzen für befreundete Künstler zu wirken (siehe Wikipedia)


    Ich kam mit Charles Ives über eine Einspielung seiner zweiten Klaviersonate durch den Pianisten Herbert Henck in Berührung. Es war noch zu der alten Vinylzeit. Mittlerweile besitze ich die Einspielung auch auf CD.


    Um diese Sonate soll es nun gehen.

    Sehr schöne Wahl! Ich habe die Sonate vor zwei Monaten in Berlin mit Pierre-Laurent Aimard im Konzert gehört, was ein extrem eindrucksvolles Erlebnis war. Demnächst mehr dazu...

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  • Ich finde es gerade bei Schumann unerlässlich, zum Verständnis seiner Musik die persönlichen Hintergründe zu studieren. Um mal nur eine Äußerlichkeit zu nennen: Die ganzen "Nimm sie hin denn, diese Lieder"-Zitate in der C-Dur-Fantasie, der zweiten Symphonie usw. sind doch z.B. nur vor dem Hintergrund der heimlichen Verlobung, konfliktreichen Eheschließung usw. wirklich verständlich, aber auch die leidenschafltiche Gespanntheit, ja Überspanntheit der Musik.

    Das ist eine das Wesen von Schumanns vor allem früher Musik in seinem Kern treffende Feststellung. In seiner Liedmusik liegt dieser enge Konnex von subjektiver psychischer Disposition, personalen lebensweltlichen Gegebenheiten und kompositorischer Produktion ungewöhnlich offen zutage. In seinem mit dem Titel "Myrthen" versehenen Opus 25 etwa.


    Dieses ist „seiner geliebten Braut“ gewidmet und sollte ihr zur bevorstehenden Hochzeit geschenkt werden. Deshalb eröffnet er es in vielsagender Weise mit Rückers Gedicht „Du meine Seele, du mein Herz“ und gibt dem Lied den Titel „Widmung“. Mit der Komposition begann er im Januar 1840, wurde aber erst Anfang April fertig. Das aber reichte hin, Clara das Werk in einer mit einem grünen Myrtenkranz auf dem Deckblatt versehenen Ausgabe einen Tag vor der Hochzeit feierlich zu überreichen.

    Der hohe Grad an personaler Emotionalität, der in dieses Opus eingeflossen ist, manifestiert sich z. B. in dem Brief an Clara vom Februar 1840:

    „Seit gestern früh habe ich gegen 27 Seiten Musik niedergeschrieben, von dem ich Dir weiter nichts sagen kann, als daß ich dabei gelacht und geweint vor Freude. Das Tönen und Musizieren macht mich beinahe tot jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt.“

  • Manchmal frage ich mich, was denn da in meiner ca 7000 CD umfassenden Klassiksammlung enthalten ist, denn die meisten Komponisten, Werke etd die hier in diesem Thread vorgestellt werden kenne ich nicht mal und will sie (zumeist ) auch gar nicht kennenlernen. Da stellt sich (mit) die Frage: Habe ich so einen abstrusen Geschmack - oder die derzeitige Crew des Tamino Klassikforums ?

    Die Kombination von Yves und Barber ist IMO eine gute Wahl: Ich würde BEIDE freiwillig nicht hören. Ich habe gestern mit mir gerungen ob ich die zweite Runde dieses Threads aussteigen sollte, bin dann aber zu der Überzeugung gekommen, daß dies "Feigheit vor dem Feind" wäre - ausserdem ein schlechtes Beispiel - und daß man ein wenig an Qualen schon aushalten muß. Da kommt mir meine sanft sadomasochistische Neigung zupass.:untertauch:


    Es war ihm wohl klar, dass das, was ihn musikalisch bewegte, zu seiner Zeit keine große Chance auf Anerkennung hatte.

    Welch gerüttelt Maß an Selbsterkenntnis und Urteilsfähigkeit ! Ich bin da ganz bei ihm - erweitere aber dahingehend, daß das heut - wenn überhaupt - nur unwesentlich anders sein dürfte.


    Sieht man dem Pianisten auf die Finger, dann muß manschon bewundern welch akribatische Fähigkeiten er hat, wie er das Werk meistert. Leider schlägt sich das im klanglichen Endergebnis nicht nieder. Da bringt es auch nichts, wenn man mittels eines Brettes alle schwarzen Tasten - bzw einen ausgewählten Bereich davon - niederdrückt: Verlorne Liebesmüh.


    Wer gibt für solch ein Werk eine Eintrittskarte aus ? Wer kauft die CDs ?

    Rein rethorische Fragen - denn eigentlich interessiert mich das nicht.


    Ich hätt in früheren Zeiten gesagt, daß niemand es hören will - aber heute bin ich abghärtrt und abgeklärt: Ich sehe all die scheißlich teilweise schiefen Türme die unser Stadtbild verschandeln, all die FassFood und Borger Ketten und ihre Speiseharten, den Gesant, wenn jemand in der U-Bahn sowas isst. All die primitiven Tatooträger, die es teiweise schon in die Studios von Nachrichtensender hineingeschaft haben, all die Immigranten, die das Wiener Flair zerstören, Die "Influencer" und "youtuber" und alsl das Geschmeiss (man wird mir wieder Unfreundlichkeit vorwerfen - in Wahrheit ist es nur eine realistische Einschätzung :baeh01: )

    In diesem Umfeld wundern mich auch nicht die Auswüchse von Musik des 20. Jahrhunderts - und schon gar nichts was aus den USA kommt.....

    Das war mein erster Beitrag zu Ives - Pflichtgemäß werde ich nochmals hören. Ich habe ungefähr eine Vorstellung davon, wer sich hier für Ives einsetzen wird - bin aber gespannt wie sich die anderen aus der Affaire wursteln werden.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich habe die Concord-Sonate immer gemocht, bildet sie doch auf dem Klavier das ab, was ich in den berühmten Orchesterstücken liebengelernt hatte. Trotzdem halte ich die "Hits" Central Park in the Dark, Three Places in New England, Orchestral Set No. 2 für leichter zugänglich. Diese habe ich aber nie live gehört, die Sonate aber schon, damals noch mit jugendlichem Enthusiasmus, der inzwischen eingerostet ist.

  • Da stellt sich (mit) die Frage: Habe ich so einen abstrusen Geschmack - oder die derzeitige Crew des Tamino Klassikforums ?

    Lieber Alfred, ich vertrete den radikalen Gedanken, dass es möglich sein kann, dass zwei verschiedene Menschen verschiedenen Geschmack haben können, ohne dass einer davon notwendigerweise schlecht sein muss. :)


    Meine Sammlung ist fast genauso groß wie Deine und ich vermute, dass auch sie unter den von Dir verschrieenen Leuten mit Tattoo wenig Anerkennung finden wird, obwohl sie eventuell mit Deiner Sammlung außer Mozart, Mendelssohn und Haydn nur eine sehr kleine Schnittmenge haben wird. So kann es gehen.


    Die Komposition geht auf Skizzen aus dem Jahr 1904 zurück und wurde mehr oder weniger 1915 fertiggestellt. das war dann eine Zeit, wo sich die kultivierten Völker in Europa gnadenlos in den Schützengräben massakrierten. Da wird eine Sonate, die den geistigen Einfluss der Transzendentalisten und damit eine Selbstbesinnung des Menschen, musikalisch verkörpern will, sicher neben dem Geschehen in Europa kulturell bestehen können :)


    Der dritte Satz The Alcotts ist vielleicht ein Einstieg für Dich, wenn ich auch der Meinung bin, dass das Zerstückeln den Werken nicht immer gut tut.


    BTW Wir sind noch im ersten Durchgang ;)

  • Wer gibt für solch ein Werk eine Eintrittskarte aus ? Wer kauft die CDs ?

    Ich jetzt gerade eben, denn ich muss feststellen, dass ich zwar vier Sinfonien von Ives in meiner Sammlung habe, auch die von KSM angesprochenen sinfonischen Dichtungen, "The unaswered Question", das ich durch Cerry Duyns Roman "Dantes Trompete" kennenlernte, zu meinen Unverzichtbaren gehört, hingegen aber aber keinen angeschlagenen Klavierton von Ives verfüge, schändlich. Obwohl Axels Empfehlungen immer eine sichere Bank sind, der Henck sogar verfügbar wäre, habe ich auf den mir sehr vertrauten Tziman Barto gesetzt. Dessen Aufnahme sollte in den nächsten Tagen eintreffen:



    Ich würde mich zuvor gerne auch meinerseits zu den Davidsbündlern äußern und hoffe, dafür heute Nachmittag Zeit zu finden (und das Verständis von Axel, wenn sich der Beitrag mit seinem schönen Neuvoschlag kreuzt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Ich kenne von Ives nur "The Unanswered Question". Für eines unserer Stücke in meiner Schultheatertruppe haben wir das als Einleitungs- und Schlußstück verwendet. Nach der Aufführung wurde ich bestürmt, was das für eine tolle Musik sei.

    Ich habe bisher treulich den Klavier-Bias mitgemacht, richtig begeistert haben mich die Sachen nicht. Das erklärt sich dadurch, dass ich beim Klavier sehr festgelegt bin. Dennoch habe ich bei Schumann dazugelernt, die drei Stücke mit der Pianistin Tiffany Poon haben mir gut gefallen. Natürlich werde ich mir Concord anhören, aber ich möchte doch sagen, dass dieser thread anfängt, etwas einseitig zu werden. Auf der anderen Seite: so wird man doch gezwungen, etwas zu hören, was man nicht auf dem Schirm hat.

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • Ich verstehe die Klagen über die sog. Einseitigkeit gar nicht. Wir hatten auf der einen Seite Haydn, Bach2, Byrd, Schubert, Beethoven, Mozart und Schumann. Auf der anderen Seite Klami, Ligeti, Pepping und nun Ives. Darunter Streichquartett, Kantate, Chorstück, Sinfonische Dichtung, Oktett, Chorfantasie, Trauermusik, Klavierkonzert, Sinfonie und Klavier Solo. Das ist tatsächlich doch sehr ausgeglichen!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich verstehe die Klagen über die sog. Einseitigkeit gar nicht. Wir hatten auf der einen Seite Haydn, Bach2, Byrd, Schubert, Beethoven, Mozart und Schumann. Auf der anderen Seite Klami, Ligeti, Pepping und nun Ives. Darunter Streichquartett, Kantate, Chorstück, Sinfonische Dichtung, Oktett, Chorfantasie, Trauermusik, Klavierkonzert, Sinfonie und Klavier Solo. Das ist tatsächlich doch sehr ausgeglichen!

    Das ist das alte Thomas' sche Theorem: "Wirklich ist, was man dafür hält!".

    Daher: 1.:untertauch: 2.:cheers:

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • Ich finde den Ives ganz interessant, habe aber bisher nur den ersten Satz verkostet. Mehr kann ich mir auf einmal nicht antun, weil er immer knapp an der Musik ist, ohne aber, abgesehen von ein paar kurzen Momenten, je Musik zu sein. Mal sehen, was die anderen Sätze bringen.

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  • Es ist schon mehrfach gesagt worden, dass der erste Satz der Fünften von Beethoven mit Melodie nicht viel am Hut hat.

    Dennoch ist er gut auf dem Fahrrad pfeiffbar :saint:8):pfeif:


    Ich möchte mich noch meinerseits zu den Davidsbündlern äußern: zunächst mein herzlicher Dank an Christian für eine umfassende Werkvorstellung, die mich regelrecht erschlagen hat. Inhaltlich kann ich da gar nichts zu beitragen oder ergänzen. Zudem war ich erstaunt, wie wenig Aufnahmen de Davidsbündler sich in meiner Sammlung befinden: wenn nicht noch irgendwo was auftaucht sind's gerade vier. Arrau, Kempff, Zu Xiao Mei und LeSage. Verschiedentlich war hier zu lesen, das die Stücke sperrig wären. So habe ich das auch empfunden. Etwa bei der CD von Zou Xiao-Mei, die die Davidsbündlertänze mit den Waldszenen koppelt. Als die Davidsbündler vorbei waren und die ersten Takte der Waldszenen anhuben dachte ich mir, na bitte, geht doch. Wie ungerecht der Musik gegenüber , denn ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass man sehr genau hinhören muss, um den Reiz dieser Stücklein festzustellen. Hat sich Schumann auch so gedacht, wird heute aber nicht immer so gemacht. Hördurchlauf eins und zwei fand im Auto statt, Nr.3 beim Kochen in der Küche. Wenn es je eines Beleges dafür bedurft hätte, dass das nur bedingt eine geeignete Möglichkeit des Musikhörens sei, dann waren es dies drei Hördurchläufe, die in mir immer mehr die Idee des Sperrigen, de Kopflastigen bei diesem Werk festsetzten. er Wandel kam, als ich mich dann in Ruhe an meinen Plattenspieler gesetzt hatte und die Platte mit der Aufnahme von Claudio Arrau auflegte. Einfach dasitzen und unabgelenkt der Musik lauschen (Fingerwegvomdanebenliegendembuche). Und da tauchen sie dann auf, die diversen hier verborgenen Perlen des Werkes, teilweise verborgen hinter ruppigen Vorspielen. Und offenbar darauf angelegt, nahtlos durchgespielt zu werden. Was mir auffiel, als die Arrau-Platte umgedreht werden musste. 15 Tänze gingen auf Seite 1, der letzte (nach ruppiger Einleitung) hatte eine ganz bezaubernde Melodie, das Ganze mal an Liszt, mal an Chopin denken lassend. Ein ruppiger Abschluss und es klang, als wäre der Cut beim Seitenwechsel mitten im Werk. Die Bezeichnung "Frisch" für diesen Satz trifft es bei Kempff eher als bei Arrau, dem allerdings eine wundervoll verträumt-melancholische Deutung gelingt. Bis zum Eintreffen der Ives-CD werde ich auch den anderen Aufnahmen von den Davidbündlern die Ruhe beim Anhören gönnen, danke Christian nochmal für diesen Ohren- und Wahrnehmungsöffner und freue mich auf die Beschäftigung mit Ives. Dieser Thread in seiner Vielfältigkeit macht richtig Freude!


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Wer gibt für solch ein Werk eine Eintrittskarte aus?

    Ich zum Beispiel, hatte ich ja oben geschrieben. Ich bin sogar extra für das Konzert nach Berlin gefahren (pro Strecke rund 400 km) und habe dort übernachtet. Also gut: Es stand nicht nur die Concord Sonata auf dem Programm sondern vor der Pause das komplette Klavierwerk von Arnold Schönberg. Unter den Umständen kannst Du das ja sicher nachvollziehen.


    Es ist schon mehrfach gesagt worden, dass der erste Satz der Fünften von Beethoven mit Melodie nicht viel am Hut hat.

    Deren Hauptmotiv ist übrigens ein zentrales Element der Concord Sonata. Es wird sehr oft und gut hörbar zitiert. Man muss halt hinhören.


    Der dritte Satz Alcott ist vielleicht ein Einstieg für Dich, wenn ich auch der Meinung bin, dass das Zerstückeln den Werken nicht immer gut tut.

    Mit dem dritten Satz zu beginnen, könnte in diesem Fall sogar eine gute Idee sein, weil das Konzept der Sonate u.a. darin besteht, mit maximaler Komplexität zu beginnen und dann die Ideen allmählich zu separieren (also genau der umgekehrte Weg der klassisch-romantischen Sonate). Auf diese Weise erscheint das zentrale Hauptthema, das alle vier Sätze durchzieht, erst am Ende des dritten Satzes. Natürlich soll man das eigentlich auch dort erst in aller Klarheit hören, aber zum Verständnis des Ganzen (immer vorausgesetzt, dass ein solches erwünscht ist, was hier anscheinend nicht bei allen der Fall ist) kann es trotzdem beitragen, einmal mit dem dritten Satz zu beginnen. Das Thema (nach Ives die "Human Faith Melody") ist dieses:



    Wie man sieht, enthält es in der Mitte das berühmte Beethoven-Motiv und variiert es danach. Außerdem kann man das Thema ohne Probleme pfeifen ;). Das "Emerson"-Thema im ersten Satz verwendet die selben fünf Töne wie der Beginn dieses Hauptthemas, aber in anderer Reihenfolge (e-d-a-c-g), was als Verfahren an Kreuzsymbolik bei Bach erinnert.

  • In der Literatur, der bildenden Kunst und in der Musik gibt es Werke, die ich ablehne oder gerne sehe oder höre. Daneben gibt es auch Werke, deren "Sprache" ich nicht verstehe oder anders ausgedrückt, die für mich keinen "Geschmack" haben. Es ist schwer, das auszudrücken, wie immer, wenn man über Musik schreibt. Also: "Concord" schmeckt nach nichts und ich sehe auch keine "Zutaten", die das ändern könnten. Daher werde ich über das Stück nichts mehr schreiben, aber Montag in 14 Tagen natürlich wieder diese Rubrik ansehen.

    Manchmal ist wenig immer viel! (Thorsten Legat)

  • In der Literatur, der bildenden Kunst und in der Musik gibt es Werke, die ich ablehne oder gerne höre. Daneben gibt es auch Werke, deren "Sprache" ich nicht verstehe oder anders ausgedrückt, die für mich keinen "Geschmack" haben. Es ist schwer, das auszudrücken, wie immer, wenn man über Musik schreibt. Also: "Concord" schmeckt nach nichts und ich sehe auch keine "Zutaten", die das ändern könnten. Daher werde ich über das Stück nichts mehr schreiben, aber Montag in 14 tagen natürlich wieder diese Rubrik ansehen.

    Vernünftiger Vorschlag.

  • Deren Hauptmotiv ist übrigens ein zentrales Element der Concord Sonata. Es wird sehr oft und gut hörbar zitiert. Man muss halt hinhören.

    Ja, das ist so. In jedem Satz gibt es klare Zitate. Ich habe aber auch den Eindruck, dass die rhythmische Figur in leicht abgwandelter Form das ganze Werk durchzieht.


    Es soll - so habe ich jetzt gelesen - auch Anspielungen an die Hammerklaviersonate geben. Die habe ich aber noch nicht bewußt gehört.

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  • Es soll - so habe ich jetzt gelesen - auch Anspielungen an die Hammerklaviersonate geben. Die habe ich aber noch nicht bewußt gehört.

    Letzteres ist auch kein Wunder, denn Ives arbeitet bei seinen Zitaten oft mit bewusster Unschärfe, mit Verunklarung, Andeutungen, Mehrdeutigkeiten usw.. Zu seinen Techniken gehören dabei die Fragmentierung, die Veränderung einzelner Töne innerhalb von Melodien, das Hinzufügen "falscher" Töne, die harmonische Verzerrung, dissonante Begleitung und manches mehr. Es gibt auch melodische Fragmente, die an mehrere verschiedene bekannte Melodien erinnern, ohne dass eine davon als einzige bzw. Hauptquelle festzumachen wäre. Ziel all dessen ist offenbar, Assoziationen zu wecken, statt Vertrautes wiederzuerkennen. Als Hörer soll man sich fragen, ob man wirklich das hört, was man zu hören glaubt. Die Hammerklavier-Assoziation kann z.B. in dem o.g. Thema durch die Tonfolge e-e-e-f-e-c (im Notenbeispiel in der zweiten Zeile, direkt nach dem Zitat aus der Fünften) ausgelöst werden, die der Intervallstruktur des Beginns von op. 106 entspricht.

  • Um also zu Ives zurückzukommen und zur Frage, ob das Musik sei, würde ich zur Beantwortung der Frage die Fachliteratur heranziehen dahingehend, ob die Stücke von Ives in der Literatur zu Musik behandelt werden und ob dabei der Status als "Musik" in Frage gestellt wird (ebenso Ligeti). Der Befund ist eindeutig: Das ist Musik.

  • Um also zu Ives zurückzukommen und zur Frage, ob das Musik sei, würde ich zur Beantwortung der Frage die Fachliteratur heranziehen dahingehend, ob die Stücke von Ives in der Literatur zu Musik behandelt werden und ob dabei der Status als "Musik" in Frage gestellt wird (ebenso Ligeti). Der Befund ist eindeutig: Das ist Musik.

    und 4:33 ist dann auch Musik?

  • und 4:33 ist dann auch Musik?

    Zu 4:33 wird der Hinweis nicht fehlen, dass es da auch um Grenzüberschreitungen geht, um die Frage, was ein Werk und was Musik ist. Das heißt, dass der Status von 4:33 als Musik schon in Frage gestellt wird, so würde ich das zumindest auffassen.

  • Je besser ich die Concord-Sonata kennenlerne, desto mehr Gewicht bekommt für mich das Lyrische, Gesangliche, auch Zarte. Die beiden letzten Sätze sind ja offensichtlich davon geprägt, aber auch der erste und sogar der stellenweise wilde zweite zeigt neben den ganzen Schroffheiten immer wieder die lyrische Kehrseite, bis zur extremen Konfronatation beider Seiten in der Mitte des zweiten Satzes. So gesehen durchzieht das klasissche Sonatenprinzip der Konfrontation entgegengesetzter musikalischer Charaktere das ganze Werk. Und natürlich ist die Behauptung, die Sonate enthalte keine "Melodien", hanebüchener Unsinn. Beeindruckend und unterhaltsam finde ich aber auch ihren Humor, wenn z.B. der zweite Satz plötzlich eine Art Saloon-Musik fröhlich parodiert. Die zum Teil biestigen, aggressiven Reaktionen bis hin zu despotischen Vernichtungsfantasien tragen hier zwar inhaltlich nichts zur Sache bei, haben aber immerhin ihren eigenen Unterhaltungswert.

    Dass Charles Ives im Hauptberuf Versicherungsagent war, könnte übrigens Wolfgang Hildesheimer bei seiner "Lieblosen Legende" mit dem Titel "Gastspiel eines Verischerungsagenten" inspiriert haben, in der er den gefeierten Pianisten Frantisek Hrdla beschreibt, der gegen seinen Willen von einem strengen Vater zur Pianistenkarriere gedrängt wurde, dessen eigentliche Leidenschaft aber immer das Versicherungswesen blieb. Diese umwerfend komische Geschichte beginnt mit dem herrlichen Satz: "Wer jemals den Pianisten Frantisek Hrdla gehört hat, wird diesen ungeheuren Eindruck niemals vergessen, selbst wenn er es versucht." :hahahaha:

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  • Je besser ich die Concord-Sonata kennenlerne, desto mehr Gewicht bekommt für mich das Lyrische, Gesangliche, auch Zarte. Die beiden letzten Sätze sind ja offensichtlich davon geprägt, aber auch der erste und sogar der stellenweise wilde zweite zeigt neben den ganzen Schroffheiten immer wieder die lyrische Kehrseite, bis zur extremen Konfronatation beider Seiten in der Mitte des zweiten Satzes.

    Ja, der dritte Satz ist ausgesprochen lyrisch, obwohl er ja, so empfinde ich das, aus Bausteinen, die auf Beethoven zurückgehen, aufgebaut ist. Das harmonische Spiel finde ich persönlich ergreifend - besonders bei Hencks Interpretation -. Es gibt eine solche Stelle im letzten Satz von Busonis Sonate, wo ich auch immer vollständig gebannt bin.


    Dieses Spiel mit den musikalischen Gegensätzen als Sonatenprinzip aufzufassen finde ich sehr gelungen.


    Beeindruckend und unterhaltsam finde ich aber auch ihren Humor, wenn z.B. der zweite Satz plötzlich eine Art Saloon-Musik fröhlich parodiert.

    Man kann dieses harmonische Zerreißen ja auch Verarbeitung verstehen. Bei Weill gibt es auch so seltsame Stellen, wo die Melodien verfremdet werden, aber bei weitem nicht so radikal wie hier bei Ives.

  • Er ist zwar kein direkter Teilnehmer unserer kleinen Truppe, aber ich lasse ihn mal trotzdem mit Ives zu Wort kommen. Er hat sogar noch nette biographische Informationen für uns. David Hurwitz


  • Es wurde hier von mir erwähnt und war zum Teil Gegenstand der Diskussion:


    Pink Floyd, Atom Heart Mother



    Ich wollte es Euch nicht vorenthalten und verabschiede mich hiermit aus dem Thread.

  • Gerstern hatte ioch die CD von Tzimaon Barto in der Post. Und habe die Sonate gestern Abend gehört. MAcht durchaus Lust aufs Wiederhören, wenngleich ich -was jetzt aber keine Einschränkung ist- imit dem Begriff "Sonate" hadere. Als Klavierwerk scheint mir die Concoird-Sonate eher so etwas wie vier Tondichtungen für Klavier (im ertsne Satz sanft unterstützt durch eine Viola, im Finalssatz durch eine Flöte).


    Von den vier Transzendentalisten ist Henry Thoreau recht bekannt, sein Buch "Walden" ist ein Klassiker, nicht nur für die Aussteigerszene, auch sein Essay über die "Pflicht um Ungehorsam dem Staat gegenüber" ist lesenswert. Emerson und (Nathaniel) Hawthorne sind mir namentlich nur über Thoreau bekannt, der Sekretär des ersten und befreundet mit dem zweiten war.


    Tzimon Barto ist ja eigentlich ein König des langsamen Spiels, deswegen gebe ich mal aus dem Kopf die Spielzeiten an, mit den ich "Concord" gestern gehört habe. 19-14-8 und 13 min.


    Das Werk wirkt auf mich insgesamt ruhig, hie und da klingt etwas an, das ein Zitat sein könnte, das ich aber nicht zuordnen kann. Bei Brendel habe ich mal den Satz aufgeschnappt, dass eine Klaviersonate von Mozart wenig Noten habe, weshalb sie für Kinder fast zu leicht zu spielen wären, für Musiker hingegen extrem schwierig mit Blick auf den zu gestaltenden Zwischenraum. Das kam mir beim Hören in den Sinn, denn "Concord" scheint auch mit "Wenig" Noten auszukommen, wennglich ich mir nicht vorstellen, kann, dass das Werk so ohne Weiteres von Schülern gespielt werden kann. Aber aus meine Laiensicht scheint es mir schwer zu spielen, oder die Noten Klang werden zu lassen. Das ist Tzimon Barto bei meinem Erstkontakt mit der Sonate gelungen, und ich werde ihr mindestens noch einen weiteren Hördurchlauf gönnen. Vielleicht bestelle ich flink noch den Henck hinterher, um etwas zum Vergleichen zu haben. Gefällt mir jedenfalls gut, die "Concord"-Sonate.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Tzimon Barto ist ja eigentlich ein König des langsamen Spiels, deswegen gebe ich mal aus dem Kopf die Spielzeiten an, mit den ich "Concord" gestern gehört habe. 19-14-8 und 13 min.

    Mit diesen Spielzeiten ist er tatsächlich am oberen Ende. Hamelin spielt die Sonate in seinen zwei Aufnahmen einmal


    16:20 - 10:37 - 5:39 - 11:36 (1988)

    15:40 - 10:18 - 5:17 - 11:45 (2004)


    Ich kenne die Aufnahme von Barto nicht, könnte mir aber gut vorstellen, dass da auch deutliche gestalterische Unterschiede zu Hamelin zu hören sind.


    Henck ist mehr auf der mittleren Schiene unterwegs


    17:47 - 12:11 - 5:32 - 13:59 (1978)


    Hencks Interpretation ist sehr dynamisch, aber wie ich finde auch strukturell durchsichtig. Aimards Interprettion, die ich heute noch hörte, ist von der Länge mit Hencks vergleichbar, aber sonst sehr verschieden. Aimard ist für mich einer der kontrolliertesten Interpreten. Dynamische Exzesse wie bei Henck kommen nicht vor. Auf der anderen Seite spielt er Lyrisches deutlicher hervor. Auf jeden Fall auch eine ausgezeichnete Interpretation. Ich könnte mir vorstellen, dass er live vielleicht noch etwas mehr aus sich herausgeht ... Leider habe ich die Sonate nicht live von ihm gehört.

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