Anton Bruckner: Sinfonie Nr 9 mit "neukomponiertem" Finalsatz von Peter Jan Marthé

  • Hi Paul! Der Beitrag ist in englischer Sprache ... :yes:


    Unter "Komponisten" zu "Bruckner" gehen, dann "9. Sinfonie Finale"


    Der direkte Link zum Text als pdf:
    audio-muziek.nl/componisten/bruckner_symphony_9_finale.htm


    Man muß nur noch die drei Buchstaben und den Punkt voranstellen.

  • Hi Paul! Die Seite ist niederländisch, aber der Artikel ist auf Englisch; vielleicht eine automatische ÜBersetzung?
    Ich hab es eben nochmal ausprobiert und bin auf den englischen Beitrag gekommen. Das pdf zum Herunterladen ist in jedem Fall englisch!

  • hallo, jetzt wollte ich mich mal relativ unvoreingenommen dem thema widmen - und dann las ich den bericht 'unter bruckner' in der faz vom 3.12., seite 30 (interview mit marthe und kirsten liese). unabhängig davon, daß die dame wohl wenig bruckner-ahnung hat (oder es zumindest gut verbirgt) ist das, was marthe sagt: die anti-pr in eigener person. und das schlimme ist, er glaubt wohl, was er da von sich gibt. schade.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Ben hat es mir gemailt ( :jubel: ) - und nachdem ich jetzt vom :kotz: wieder zurück bin, stelle ich es als Zitat herein. Für allfällige Magenverstimmungen ist der Leser selbst verantwortlich.
    :hello:



    Sonntagszeitung Feuilleton
    Unter Bruckner
    Der Komponist Peter Jan Marthé über seine Vollendung der Neunten
    Sinfonie, Indien und Sergiu Celibidache



    Hallo Edwin, hallo Forianer,


    Wie mir soeben mitgeteilt wurde ist dieser Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hochaktuell und zudem via Internet kostenpflichtig.


    Um Probleme mit dem Urheberrecht zu vermeiden, sehe ich mich leider gezwungen ihn aus dem Thread zu entfernen, was mir persönlich sehr leid tut.


    mfg
    Alfred Moderation


    ...

  • Zitat

    Ich war nur Medium. Ich hätte von diesem Finale nicht eine einzige Zeile zu schreiben vermocht, hätte mich nicht eine überirdische Kraft geführt


    Und damit hört endlich die unsägliche Kritik auf. So, und ich geh jetzt mein Mittagessen auspendeln...

  • Ach, wisst Ihr, Christoph Daum hat sich auch vor einen Haufen Kameras gestellt, und gesagt:


    " Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.."


    Gemeint war, die freiwillige Entnahme einer Haarprobe, um sich damit vom Drogenkonsum zu exculpieren.
    Ich denke mal, er hat in diesem Moment selber daran geglaubt, was er da gesagt hat, und das ist doch das wichtigste.


    Inzwischen ist Daum doch wieder aktiver Trainer, sogar in Deutschland, wo war das denn nochmal ....? :D


    Heute fragt keiner mehr danach...., und seine Leistung als Trainer wird weltweit anerkannt, auch wenn er seine Mannen manchmal über glühende Kohlen laufen lässt.

  • Zitat

    ist dieser Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hochaktuell


    Aha, interessant.
    Bei uns ist's just anders herum - die aktuellen darf man zitieren (was auch auflagefördernd wirkt), die alten sind u.U. kostenpflichtig.
    Man lernt doch nie aus...


    :hello:

    ...

  • Ich versteh nur nicht ganz, warum Bruckner zum Schluss geistig umnachtet gewesen sein soll? Ich finde nicht, dass das so klingt!

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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  • Lieber Alfred, da es sich bei diesem geschlossenen Forum um keine kommerzielle Seite handelt, ist meines Wissens eine Wiedergabe des Beitrags im Rahmen eines privaten postings kein Copyrights-Verstoß, ebenso wenig wie eine Verbreitung in Pressespiegeln... Dafür führt die FAZ übrigens unter anderem Beiträge an die VG Wort ab, die dann für ihre Autoren eine entsprechende Tantieme (Pressespiegel und Bibliothekstantieme) ausschüttet.


    Ich weiß aber nicht, wie das in Österreich geregelt ist. Es wäre in unser aller Interesse, wenn Du Dich diesbezüglich mal schlau machen würdest.


    Im übrigen stelle ich den Text einzelnen Mitgliedern gern auf Anfrage per PN zur Verfügung.

  • Hallo Ben


    Zitat

    Lieber Alfred, da es sich bei diesem geschlossenen Forum um keine kommerzielle Seite handelt,...


    Was nicht ist kann ja noch werden. Du unterschätzt Alfreds strategische Langzeitplanung. Der Börsegang wird still und heimlich, dafür aber nicht weniger sorgfältig vorbereitet...


    :D :D :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Die Nutzungsbedingungen der FAZ sind da ziemlich eindeutig:


    Zitat

    2. Die Inhalte dürfen von den Nutzern nur für eigene persönliche Zwecke verwendet werden. Die Weitergabe von Portal-Inhalten an Dritte (auch auszugsweise) ist ohne unsere Zustimmung nicht gestattet. Es ist untersagt, die zum Portal gehörenden Webseiten oder deren Inhalte mittels eines Hyperlinks in einem Teilfenster (Frame) einzubinden und/oder darzustellen.


    "http://www.faz.net/s/Rub8B298A3529D148029248B045249C1C1E/Doc~E573EEC41015C4EC096B0B7778A9518C3~ATpl~Ecommon~Scontent.html"


    Auch die Weitergabe per PN ist demnach schon verboten, wobei das ja keiner nachprüfen kann.

  • Hallo Masetto,
    Bruckners "geistige Umnachtung" ist meines Wissens nach auch kompletter Unsinn. Vielleicht kann Ben Cohrs da mehr dazu sagen.
    Was ich weiß: Bruckner hatte, wie viele alte Menschen, Konzentrationsstörungen, die aber nur in den paar letzten Tagen seines Lebens einen Umfang annahmen, daß man wirklich von Verwirrung sprechen kann.


    Die Skizzen zum Finale (die wesentlich weiter gediehen sind, als Marthé das wahrhaben will - aber den Stand der Forschung wischt er ja mit einer virtuosen Geste einfach weg) offenbaren keineswegs einen verwirrten Geist, sondern einen nach wie vor intellektuell hochstehenden Komponisten, der mit der Materie ringt.


    Wer glaubt, aus den Ausstreichungen und Korrekturen eine geistige Umnachtung herauslesen zu können, der hat noch nie Manuskripte offenbar geistig noch weit umnachteterer Komponisten wie Beethoven oder Janácek gesehen.


    Der Trick ist aber völlig durchschaubar: Wenn Bruckner als geistig umnachtet denunziert wird, braucht man sich nicht mit den Finale-Skizzen auseinanderzusetzen und kann die gewohnte dreisätzige Fassung spielen.
    Marthé wiederum hat die Möglichkeit, aufgrund Bruckners "geistiger Umnachtung" seinen Kitsch-Bombast abzusondern, denn Bruckner hat in seinen wenigen lichten Momenten noch ein paar Themen hingekriegt, aber wie man sie verarbeiten muß, hat erst sein Medium Marthé erkannt.


    Wäre die ganze Affäre nicht so traurig, man könnte eigentlich über den ganzen Quatsch herzlich lachen - und das Finale zur Diskussion stellen: Entweder in einer Aufführung der Skizzen, wie Harnoncourt den Weg gezeigt hat; oder in der Version Cohrs et al., der ich, nach anfänglicher Skepsis, mit stetig wachsender Sympathie begegne.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Der Trick ist aber völlig durchschaubar: Wenn Bruckner als geistig umnachtet denunziert wird, braucht man sich nicht mit den Finale-Skizzen auseinanderzusetzen und kann die gewohnte dreisätzige Fassung spielen.
    Marthé wiederum hat die Möglichkeit, aufgrund Bruckners "geistiger Umnachtung" seinen Kitsch-Bombast abzusondern, denn Bruckner hat in seinen wenigen lichten Momenten noch ein paar Themen hingekriegt, aber wie man sie verarbeiten muß, hat erst sein Medium Marthé erkannt.


    Hallo Edwin,
    sei doch nicht so gemein :D :D :D,
    man muß den Marthe-Satz ja nicht so eng mit der Sinf.Nr.9 verbinden, es ist doch eine tolle Musik, die dabei raußgekommen ist.


    Man darf die Sache nicht so eng sehen - "Kitsch" ist es doch nur für Dich wegen den gebotenen Zusammenhängen mit Bruckner und Marthe.
    Betrachtet man die Musik ganz allein (so wie ich), so ist doch ein passabler Satz entstanden, dem ein gehöriger Gänsehautfaktor nicht abzusprechen ist.


    Ich gebe auch zu das ich angesprochenen Fassungen mit Harnoncourt und die Version-Chors et al. nicht kenne und daher ganz unvoreingenommen an das Hörvergnügen, das es für mich war, herangegangen bin.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Lieber Alfred: Nach Auskunft eines Freundes, der Anwalt für Urheberrecht ist, ist ein Passus wie: "Die Weitergabe von Portal-Inhalten an Dritte (auch auszugsweise) ist ohne unsere Zustimmung nicht gestattet." nicht rechtswirksam; er würde nämlich beispielsweise jegliche wissenschaftliche Auswertung und Diskussion von Zeitungsartikeln und damit die Arbeit jedes Historikers völlig unmöglich machen.
    Die Weitergabe eines Textes oder Textauszugs ist bei Zitierung der Originalquelle und Kenntlichmachung des Zitats weiter kostenfrei erlaubt. Eine Verwertung eines Artikels im Rahmen eines Pressespiegels ebenfalls.
    Der einzige Grund dafür, warum solche Klauseln in solchen Websites stehen, ist der, daß die Anbieter natürlich ein kommerzielles Interesse daran haben, daß ihre kostenpflichtigen Angebote Schotter bringen ...

  • Hier also nun ein paar Zitate aus dem Interview der FAZ vom 2. 12. 2006 mit Marthe, kommentiert von mir.


    »Der legendäre Organist des Bruckner-Stifts St. Florian, Augustinus Franz Kropfreiter, machte mich vor elf Jahren mit Bruckners hinterlassenen Fragmenten vertraut. Damals war die Forschung noch nicht soweit, es standen noch nicht alle Fragmente zur Verfügung, aber eines war klar: daß die losen Skizzenblätter das erschütternde Zeugnis eines schwerstkranken, geistig umnachteten Mannes sind - kaum entzifferbare Hieroglyphen. Deshalb war mein erster spontaner Gedanke: Finger weg!«


    [KOMMENTAR: 1995 war die Forschung durchaus schon so weit; die Studienpartitur des Finale-Fragments erschien 1994; die Manuskripte sind zumindest als Mikrofilm im Lesesaal der Musiksammlung der ÖNB für jedermann zugänglich. Neu aufgefunden wurde seitdem lediglich eine fehlende Seite Particellskizzen zum Satzbeginn; insofern standen auch alle Fragmente zur Verfügung. Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen in der korrekten Einordnung und Bewertung des Materials. Es handelt sich -- nochmals -- nicht nur um lose Skizzenblätter, die den geringeren Teil des Bestandes ausmachen, sondern um die fortlaufend numerierte, im Entstehen begriffene Autographpartitur. Wer sich in der Faksimile-Ausgabe beispielsweise die Sequenz der letztgültigen, fertig instrumentierten Bogen 2E und 3E oder das gesamte, instrumentierte Choralthema auf den Bogen 8 bis 12 ansieht -- vollständig und mit allen Ganztaktpausen in schweigenden Stimmen -- und dann die Schrift mit den Manuskripten beispielsweise zum ersten Satz vergleicht, würde niemals auch nur auf den Gedanken kommen, Bruckner sei zum Zeitpunkt des Abfassens der Finale-Exposition geistig umnachtet gewesen.]


    »FRAGE: Was halten Sie von der wissenschaftlichen Ausgabe des fragmentarischen Finalsatzes, bot sie Ihnen eine Orientierungshilfe? ANTWORT: Das hat doch bitte mit dem wirklichen Bruckner rein gar nichts zu tun. Sie müssen im Original sehen, wie Bruckner gekritzelt hat, Striche hinschmiert, durchstreicht, skizziert, was kaum entzifferbar ist. Die Partitur von etwa 500 Takten, die der Musikwissenschaftler John Phillips erstellt hat, der Jahrzehnte damit verbrachte, die Zettel zu sortieren, ist sicher als bemerkenswerte Leistung zu honorieren. Aber trotzdem ist dies sicher nicht das große Finale, mit dem Bruckner sein symphonisches Riesenwerk zu beschließen gedachte. Irgendein Hornakkord, ein paar Takte für Streicher, wo die Bläser fehlen, dann leere Seiten - dies als das Bruckners Ansprüchen gerecht werdende Finale zu bezeichnen ist doch blanker Unsinn.«


    [Kommentar: Bruckner selbst betrachtete diesen Satz als das Finale seiner Neunten! Nur -- um dies verneinen und damit die eigene Arbeit überhaupt rechtfertigen zu können, bleibt Herrn Marthe allerdings nichts anderes übrig, als diese Partitur, die von zahlreichen anderen ganz anders bewertet wird, als »blanker Unsinn« zu diskreditieren. Tatsache ist: Viele der Partitur-Seiten sind nicht weniger sauber und sicher geschrieben wie die Manuskripte der übrigen drei Sätze auch. Und wer mit Bruckners Autographen vertraut ist, auch von den früheren Werken her, der weiß: Bruckenrs eigentliche Particellskizzen, die der Partitur vorausgingen, waren immer rein private Notate, und natürlich hat er in diesen Notaten immer schon rumgekritzelt, durchgestrichen, neu geschrieben. Alle großen Bruckner-Forscher von Auer über Orel, Haas und Nowak bis hin zu Phillips sind mit diesen Eigenarten und Handschriften bestens vertraut. Nur der völlig Unkundige vermag in solchen Notaten keinen Sinn zu erkennen. Aber, wie gesagt -- alle erhaltenen, letztgültigen Bogen der Partitur sind sicher und flüssig hingeschrieben; viele Manuskriptseiten beispielsweise aus dem Te Deum, aus Helgoland, der Achten Sinfonie oder den ersten drei Sätzen der Neunten sehen zum Teil sogar erheblich schlimmer aus!]


    »FRAGE: Das sieht Nikolaus Harnoncourt anders. Er hat mit den Wiener Philharmonikern diesen fragmentarischen Finalsatz eingespielt. ANTWORT: Das ist meines Erachtens das beste Beispiel dafür, auf welchem Tiefstand heute die klassische Musik und die Musikwissenschaft stehen, daß sie auf die wirklich wesentlichen Fragen gar nicht eingehen, nämlich wo liegt der Sinn einer solchen "wissenschaftlichen Rekonstruktion". Musikwissenschaftler mahnten mich vorab wiederholt, ich solle auf "musikwissenschaftlichem Boden" bleiben. Da kann ich nur wiehern wie ein Pferd. FRAGE: Warum? ANTWORT: Weil mir klargeworden ist, daß es einen tieferen Sinn hat, daß Bruckner seine Sinfonie nicht mehr vollenden konnte: Der schöpferische Geist dieses Universums weht, wann und wo er will. Die
    Neunte ist keine Mumie, die nicht berührt werden darf, von dieser Vorstellung müssen wir uns endlich verabschieden. Wieso können wir das nicht auch so handhaben, wie es in der Rockbranche selbstverständlich ist: Da geht niemand in ein Konzert, um einen bestimmten Komponisten zu hören, sondern um etwas zu erleben. Es ist doch vollkommen überflüssig, darüber zu diskutieren, ob diese oder jene Note von Bruckner ist oder nicht. Auch die klassische Musik ist nichts anderes als ein unmittelbarer Draht in die Transzendenz, ein Erlebnis, daß sich mit dem Besuch einer Kathedrale vergleichen läßt. Da gehen Sie nicht hinein und denken: Moment mal, die Hauptsäule ist von einem anderen Meister, der 200 Jahre später gelebt hat.«


    [Mich würde nachwie vor interessieren, welche ungenannten Musikwissenschaftler explizit Herrn Marthe nun eigentlich in dem von ihm geäußerten Sinn »gewarnt« haben. Mir sind keine Namen bekannt, auch keine entsprechenden Veröffentlichungen oder Artikel, in denen soetwas vorab gesagt wurde. Mir scheint, Herr Marthe konstruiert hier ganz bewußt ein Feindbild, um sich als Verfolgten darzustellen. Andernfalls würde er Namen nennen. Zur Frage des Sinns einer wissenschaftlichen Rekonstruktion haben wir übrigens in unseren Veröffentlichungen immer wieder Stellung genommen -- sowohl Phillips und ich in unseren Ausgaben der Bruckner-Gesamtausgabe und in gemeinsamen Publikationen, wie auch Samale und ich im Kommentar unserer Neuausgabe der Komplettierung. Ich verweise auch auf die Äußerungen des Dirigenten und Komponisten Robert Bachmann in einem diesbezüglichen Interview für den Band Musik-Konzepte 120-122. Schließlich wiederspricht sich Herr Marthe selbst: Wenn es so überflüssig wäre, darüber zu diskutieren, ob diese oder jene Note von Bruckner ist oder nicht, dann würde sich nicht nur diese Kontroverse erübrigen, die er selbst angezettelt hat; dann dürfte er auch kein Problem haben, unsere, sagen wir mal, Realisation der Finale-Partitur als genuine Schöpfung von Wert anzuerkennen ...]



    »FRAGE: Der Finalsatz wirkt stilistisch so brucknerisch, daß man annehmen könnte, er stamme tatsächlich aus dessen Feder. Wie ist die Partitur entstanden? ANTWORT: Am Anfang stand die Erkenntnis, daß gerade das Finale zur Neunten von Bruckner vollkommen anders disponiert wurde, als er dies in allen seinen bisherigen Sinfonien umgesetzt hatte: Das erste Thema war bis dato immer monumental, stand eindeutig für Gott, das zweite war eine gesangvolle, beseelte Passage, das dritte eine einstimmige Melodie, die für Transzendenz stand. Beim Finale der Neunten vermittelt das erste Thema Chaos und Instabilität, ein Brodeln wie am Anfang der Schöpfung. Darauf folgt eine melodische Linie ohne Substanz und Eigenschaften, als ob sie im Buddhismus ihre Wurzeln hätte. FRAGE: Hat Ihr vollendeter Finalsatz deshalb keine der für Bruckner typischen gesanglichen Motive, die in anderer Tonart im zweiten Thema aufleuchten? ANTWORT: Na klar, denn mitten in der Arbeit an diesem zweiten Thema war es, als würde mich jemand am Schopf packen und 8000 Meter hoch schleudern. Plötzlich finde ich mich in der glasklaren Luftregion des Himalajas wieder - weitab von unserem irdischen Alltag, als ob sich der Geist reinigen würde. Da wurde mir klar, daß Bruckner nicht das zweite Thema an sich verändert haben wollte, sondern nur seine Aura. Ich brauchte sodann diese Urzelle einfach zu verwandeln: in ihren Verwandlungen wird sie nur noch geheimnisvoller.«


    [KOMMENTAR: Es ist unverschämt, ja geradezu schon grotesk, wie Herr Marthe hier versucht, Bruckners ureigene Konzeption -- nämlich das instabile Hauptthema, die daraus entwickelte, karge Gesangslinie und dem Choralthema -- als eigene Entdeckung zu verkaufen. Erstaunlich, daß er dann Bruckners eigenes Hauptthema durch ein völlig neues, selbst komponiertes ersetzt hat... Und ob die Interviewerin die Kompetenz hat, beurteilen zu können, ob der Marthe-Satz »brucknerisch« wirkt, scheint mir angesichts der Dümmlichkeit ihrer Fragen -- nun, sagen wir mal vorsichtig, mehr als zweifelhaft.]

  • Es handelt sich übrigens bei der gewählten Form (Zitate mit Kommentar) in der Tat um einen "eigenen persönlichen Zweck".
    Du könntest allerdings als Tamino-Admin mal direkt bei der FAZ anfragen, ob es erlaubt ist, daß Mitglieder einzelne Aussagen aus Interviews oder Auszüge aus Rezensionen und Artikeln im Rahmen des Forums verwenden und diskutieren.

  • Urheberrecht ist eine heikle Sache.


    An sich wird vieles geduldet, was rechtlich nicht gedeckt ist, weil sich niemand drum kümmert.


    Jedoch ist das am ehesten eine Ermessenssache desjenigen der den eigentlichen Text verfasst hat.
    Zitate von ein bis 3 Sätzen mit Quellenangabe werden jedoch kaum verfolgbar sein, sie sind üblich - in Wissenschaft, wie im Zeitungswesen.
    Längere Zitate jedoch - beispielsweise ganze Zeitungsartikel fallen eindeutig unter das Urheberrechtsgesetz und bedürfen der expliziten Einwilligung des Autors oder dessen Verlages.
    Ich persönlich habe weder Zeit noch Lust mich in dieser Hinsicht aktiv zu zeigen .- das muß jeder Beitragsersteller selbst erledigen, bzw muß er damit rechnen, daß er selbst allfällige Haftungen übernimmt und Tamino schadlos halten muß.
    Es mag sein, daß manche Klauseln in Bezug auf das Urheberrecht im Falle eines Prozesses nicht durchsetzbar wären - aber wer will das schon durchfechten.


    Ähnliches gilt auch für allfällige Ehrenbeleidigungen etc.


    Tamino ist derzeit das führende deutschsprachige Klassikforum, auch wir werden immer wieder zitiert. Persönlich sehe ich das als einen Vorteil an,
    solange es mit Quellenangabe ist und die "übliche Länge" nicht überschreitet. - Das hat aber mit der juristischen Frage überhaupt nichts zu tun.


    Und nun zurück zum EIGENTLICHEN Thema


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Wenn ein Unbeleckter in Sachen Bruckner, wie ich einer bin, diese Diskussionen hier verfolgt, der ist natürlich begeistert, wenn sich Fachleute sozusagen unter "meinen" Augen ein Stelldichein geben. Vor allem, wenn Vertreter anscheinend grundsätzlich verschiedener Ausgangsweisen ihr Vorgehen rechtfertigen, wobei in meinen Augen Herr Cohrs nach Punkten uneinholbar vorne liegt. Was ich damit begründe, dass jemand, der sich auf "übernatürliche Kräfte" beruft sich gegen Kritik immunisiert. Alleine das finde ich nicht sonderlich schlimm. Aber sich zurückziehen und Pfeile auf andere abschießen, dass finde ich intellektuell unredlich. Herr Marthe wird meine Meinung nicht nur verzeihen, er wird sie gar nicht wahrnehmen, das ist mir schon klar. Aber jetzt, wo wir uns theologischen Gebieten nähern, frage ich mich ernsthaft und ohne jede Ironie -bzw. ich frage das eigentlich Herrn Cohrs- ob eine musikwissenschaftliche Auseindersetzung mit den Prinzipien Herrn von Däni... ähm, Marthes nicht müßig ist?

    Eine weitere Frage, die ich mir stelle, ist: Vielleicht klingt die Komposition von Herrn Marthe trotzdem gut?

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  • Hallo Teleton,
    der österreichische Komponist Gottfried von Einem wurde einmal mit der Komplettierung des Bruckner-Finales beauftragt. Er sah sich die Skizzen an und meinte, es sei für ihn unmöglich, weil zuviel vorhanden sei, um frei gestalten zu können, aber zuwenig, um nur auffüllen zu müssen. Vor allem die Coda bereitete ihm größte Sorgen.
    Also ließ er das Ganze - aber er komponierte um das Choralthema die "Bruckner-Dialoge", die er - meiner Meinung nach zurecht - als ein Werk von Gottfried von Einem ausgab.
    Das ist eine mit großem Können gemachte Partitur, die durchaus effektvoll ist und "bruckner'schen Geist" atmet, ohne diverse esoterische Brimborien bemühen zu müssen, um diesen "Geist" zu beschwören.
    Wenn schon, dann so.
    Aber bitte nicht sagen: Bruckner hat es mir so in die Feder diktiert. Denn wenn das stimmt, dann ist Bruckners noch immer arg verwirrt - vor allem, weil wer mit seinen grandiosesten Ideen nichts anfangen kann.


    Ich rate Dir, auch wenn Ben jetzt protestiert, weil es nicht die letztgültige Fassung ist, zur Wildner-Einspielung des Cohrs-&-al.-Finale: Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Bruckner dieses Finale im Sinn hatte, wie Cohrs & al. es darstellen. Schließlich ging es um seine Neunte und nicht um "Star Wars".


    :hello:

    ...

  • Nein, Edwin, keinerlei Protest. Im Gegenteil: Das ist im Moment die am ehesten empfehlenswerte erhältliche Einspielung. :yes:


    Wobei ich auch mal sagen möchte, das Johannes Wildner ein ausgesprochener Bauchmensch ist und sich mit höchstem emotionalen Engagement gestürzt hat. Vor allem hat er sich ein Interpretationskonzept für die Neunte als Ganzes erarbeitet, was man der Aufnahme auch deutlich anhört. Nicht zuletzt, weil er sich ohnehin als einer der ersten auch schon vor diesem Live-Mitschnitt mit dem Finale auseinandergesetzt hat -- in Gestalt mehrerer Aufführungen mit dem Haydn Orchestra Bozen im Jahr 1995. :jubel:


    Lieber Blackadder: Auch oder gerade weil Herr Marthe auf der musikwissenschaftlichen Ebene nicht argumentieren will, bleibe ich meinerseits für einen Dialog offen. Andererseits ist es als Fachmann meine Pflicht, die gröbsten fachlichen Entstellungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Deswegen werde ich auch weiter versuchen, fachlich richtig zu stellen, wenn (nicht nur Herr Marthe) jemand derartig dumme und sachlich falsche Statements veröffentlicht.

  • Zitat

    Herr Marthe wird meine Meinung nicht nur verzeihen, er wird sie gar nicht wahrnehmen, das ist mir schon klar.


    Das würde ich NICHT so sehen, er hat sich als Mitglied angemeldet - und ist bereit (im anderen Thread) MUSIKALISCHE Fragen zu beantworten - jedoch keine über Plattencover, Frisurmoden etc.


    Über Tempowahl, den vierten Satz, stilistische Brüche, Verwertung von Originalmaterial von Bruckner - darüber diskutiert er gern mir Euch - im andreren Thread


    Zitat

    Eine weitere Frage, die ich mir stelle, ist: Vielleicht klingt die Komposition von Herrn Marthe trotzdem gut?


    Oh, ich kenne eine ganze Menge von Leuten, die das hinter vorgehaltener Hand bejahen würde. Öffentlich will sich ja niemand äussern (von den Profis mal abgesehen) weil man keineswegs was falsches sagen will.
    Fast jeder, der sich bisher öffentlich zu Aufnahme äusserte fand irgendwas zu bemängeln - jeder was anderes. Aber den vierten Satz - der einen Tabubruch darstellt - über den will sich niemand äussern.


    Gäbe es im Internet professionelle Kritiken - ja da könnte man sich anhängen ohne zu blamieren - Aber sooo ?


    Wer möchte schon aufs falsche Pferd setzen ???


    Soweit MEINE Einschätzung der Situation :hello:


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo,
    mir reicht die Sinfonie so,wie ich sie seit meiner Jugend kenne,
    auch mit der Länge bin ich einverstanden.Ich glaube,ein
    zusätzlicher Satz würde keine Verbesserung des Werkes bringen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Wobei ich auch mal sagen möchte, das Johannes Wildner ein ausgesprochener Bauchmensch ist und sich mit höchstem emotionalen Engagement gestürzt hat. Vor allem hat er sich ein Interpretationskonzept für die Neunte als Ganzes erarbeitet, was man der Aufnahme auch deutlich anhört. Nicht zuletzt, weil er sich ohnehin als einer der ersten auch schon vor diesem Live-Mitschnitt mit dem Finale auseinandergesetzt hat -- in Gestalt mehrerer Aufführungen mit dem Haydn Orchestra Bozen im Jahr 1995. :jubel:


    Hallo Ben,


    ist Wildners Naxos-Aufnahme denn live aufgenommen?
    Das Beiheft erwähnt lediglich die Aufnahmedaten (20./21. April und 12 Mai 1998).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Zitat

    Oh, ich kenne eine ganze Menge von Leuten, die das hinter vorgehaltener Hand bejahen würde. Öffentlich will sich ja niemand äussern (von den Profis mal abgesehen) weil man keineswegs was falsches sagen will.


    Oooooch, ich habe da kein Problem mit öffentlichen Äußerungen. Sie werden auch im anderen Thread erfolgen, sobald ich mich nochmals dieser Quälerei des Marthé-Finales ausgesetzt haben werde; ich muß nur noch mit der Partitur überprüfen, ob Bruckners Geist wirklich auf seine alten Tage so senil geworden ist, seinen Medien solchen Bombast vorzugeben.


    Ich will jetzt einmal, so weit es in diesem Fall geht, ohne Polemik sagen, was mich am Marthé-Finale stört (aufgrund der rigorosen Vorgaben im anderen Thread geht es dort nicht):


    1) Es hat mit Bruckner wenig zu tun.
    Von dem Finale ist wesentlich mehr vorhanden, als man gemeinhin glaubt - auch ich bin diesem Irrtum aufgesessen, erst Ben konnte mich eines besseren belehren.
    Marthé aber kümmert sich nicht um Bruckners Architektur, sondern schreibt eine freie, das Original überwuchernde bis mißachtende Fantasie über dieses Finale.
    Soll er.
    Aber er soll den Anstand haben zu sagen, es sei eine Bruckner-Fantasie von Marthé, nicht es sei eine Fassung von Bruckners Finale. Dann nämlich kann man Marthé mit Gottfried von Einems "Bruckner-Dialogen" vergleichen - denn dort gehört dieses Stück Marthés hin.


    2) Marthé begegnet der Wissenschaft aggressiv und beruft sich auf höhere Inspiration.
    Wer, wenn nicht die Wissenschaft, soll die Skizzen und Entwürfe ordnen? Diese Entwürfe müssen die Basis sein. Denn wenn es darum geht, Bruckners Finale zu rekonstruieren, geht es doch wohl um Bruckners Gedanken und nicht um das, was ein Bearbeiter gerne hätte, was Bruckners Gedanken hätten sein sollen.
    Gegen höhere Inspiration zu argumentieren, ist allerdings sinnlos.
    Wenn Marthé behauptet, Bruckners Geist habe ihn inspiriert, dieses Finale auf diese Weise zu "vollenden", dann ist das ebenso aussagekräftig, wie wenn ich behaupte, Bruckners Geist habe mir nach Anhören dieses Marthé-Finales mitgeteilt, er habe sich geirrt, man solle das Marthé-Finale lieber nicht mehr aufführen.
    Weder das eine noch das andere ist nachprüfbar.
    Wenn die Nachprüfbarkeit aber nicht gegeben ist, halte ich es lieber mit der Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse akribisch nachweist.


    3) Es klingt nicht nach Bruckner
    Ich halte die Diskussion, ob Marthés Finale gut klingt oder nicht für, pardon, falsch.
    Marthé hat nicht behauptet, er komponiere ein gut klingendes Orchesterstück, und es ist daher nicht die Frage, ob Marthés Finale gut klingt oder nicht.
    Es geht doch um Folgendes: Marthé verkauft seine Bruckner-Fantasie unter dem Anspruch, das Finale der Neunten "vollendet" zu haben.
    Damit stellt sich nicht mehr die Frage, ob es gut oder schlecht klingt, ob es gewaltig, genial oder inferior ist, sondern nur, ob es Bruckner angemessen ist.
    Antwort: Nein, es ist Bruckner nicht angemessen, denn es veräußerlicht Stilmerkmale Bruckners, um aus diesen leblos gewordenen Gesten einen künstlichen, quasi gefälschten Bruckner zusammenzubauen. Damit verhält sich Marthés Finale zu echtem Bruckner wie eine Leiche zu einem lebenden Menschen.


    Und damit zu der Frage, die ich nun endlich für mich beantworten will: Klingt es gut?
    Ja, es klingt gut.
    Aber auch die Filmmusik von Philip Glass zum Horrorstreifen "Candyman" klingt gut.
    Hier aber geht es, wie gesagt, nicht um guten Klang, sondern um das Finale von Bruckners Neunter.
    Insgesamt ist es ein ähnlicher Fall wie der des kleinen Pepi, der eine Deutschschularbeit zum Thema ein Sommertag am Strand hätte schreiben sollen und einen Aufsatz über einen Wintertag in der Stadt geschrieben hat. Der kleine Pepi hat, obwohl der Aufsatz nicht einen Rechtschreibfehler enthalten hat, dennoch ein Nicht Genügend bekommen.
    Und weshalb?
    Wegen Themenverfehlung...!


    :hello:

    ...

  • Hallo,


    Leider bin ich schon am Sprung - aber nur kurz EIN Satz:


    Zitat

    Aber er soll den Anstand haben zu sagen, es sei eine Bruckner-Fantasie von Marthé

    ,


    Prinzipiell wird es als neu hinzukomponiertes - nicht rekonstruiertes - Finale deklariert.


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Edwin,


    Danke für den Hinweis auf die Naxos-Wildner-CD der Bruckner: Sinfonie Nr.9.
    Das wird eine meiner nächsten CD-Käufe sein.


    Danke auch dein klares Statement zu "Marthe´s Bruckner-Fantasie".
    Diese Sätze kann ich klar nachvollziehen.
    ;) Dennoch gefällt mir diese Musik ausgezeichnet.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Prinzipiell wird es als neu hinzukomponiertes - nicht rekonstruiertes - Finale deklariert.


    Lieber Alfred,
    leider eben nicht. Es wird als "neu komponiertes Bruckner-Finale" ausgegeben.
    Es gibt aber ein von Bruckner selbst weitgehend komponiertes Finale.
    Was würdest Du denn als Mozart-Fan sagen, wenn einer hergeht, das Requiem Mozarts auf der Basis von Mozart-Themen als Billig-Version von Mozarts Stil fertigschreibt und sagt: Mozarts Geist sei über ihn gekommen, dieses Werk jetzt endlich zu vollenden?
    Ich nehme an, wieherndes Lachen käme über Dich.
    Aber Dein Gelächter ist nichts gegen meines, wenn ich das Marthé angeblich eingegebene Finale höre...
    :hello:

    ...

  • Es gibt auch einen, dem vorhandenen Material zum Zeitpunkt der Einspielung Rechnung tragend, recht gelungenen Versuch unter Kurt Eichhorn, unter anderem in dieser Box enthalten:

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