Anton Bruckner: Sinfonie Nr 9 mit "neukomponiertem" Finalsatz von Peter Jan Marthé

  • Wobei Eichhorn meiner Meinung nach einen einfach wunderbaren Bruckner dirigiert.
    Schade, daß er nicht lange genug lebte, um dieses Cohrs-et-al.-Finale entsprechend im Repertoire zu positionieren. Eichhorn war überzeugt davon, die Neunte müsse mit diesem Finale aufgeführt werden.
    :hello:

    ...

  • Hi Norbert: Ja, die Aufnahme von Johannes Wildner ist ein sogenannter "Bearbeiteter Live-Mitschnitt" aus den Aufnahmen seiner Konzerte im April und Mai 1998. Die ursprünglich bei SonArte herausgekommene CD wurde bei der Übernahme durch Naxos (2003) offenbar klanglich nochmal nachbearbeitet (die Naxos-Produktion klingt besser).
    Hi Edwin: Mir kommt Marthe auch wie ein moderner Dr. Frankenstein vor. Das hat er mit Robert Levin gemeinsam, dessen Komplettierung von Mozarts c-moll-Messe auf mich ganz ähnlich wirkt...

  • Ein Nachtrag zu Eichhorn. Auch wenn man über Verstorbene nichts Schlechtes sagen soll... :untertauch:


    Leider halte ich seine Aufnahme des Finales insgesamt für wenig gelungen, denn er hat nicht nur an unzähligen Stellen Kapellmeisterretuschen eingeführt (z. B. im Choralthema). :motz:


    Auch die Tempi sind überzogen langsam. Besonders die Choralreprise kommt ja regelrecht zum Stillstand; dabei müßte doch das Grundzeitmaß des Te Deum herrschen (wie schon die Streicherfigur nahelegt). :no:

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    ... Auch wenn man über Verstorbene nichts Schlechtes sagen soll... :untertauch:


    nana, soll das forum zusperren? ;)
    da könnte ja z.b. edwin nur mehr über a.n. herziehen und müsste h.v.k. draußen lassen...
    nach einer gewissen karenzzeit -und die ist oben mit 12 jahren sicher schon abgelaufen- sollte man schon dürfen.


    :hello:

  • Hallo Ben,
    aha, da dachte ich natürlich, es wäre die damalige Fassung - diese Aufnahme hat übrigens meine Skepsis begründet, während Wildner mich mehr und mehr überzeugt.
    Eichhorn habe ich aber aufgrund der ersten drei Sätze in sehr guter Erinnerung. Vielleicht nochmals eine Überprüfung wert und mit Wildner vergleichen. Bei letzterem habe ich tatsächlich den Eindruck, daß er das Werk als Ganzes konzipiert und nicht nur Satz an Satz reiht. Auf jeden Fall bemerkenswert.
    :hello:


    P.S.: Was ist eigentlich bei Inbal los? Da habe ich nur Samale und Mazzucca vermerkt ohne die Wissenschafter?

    ...

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  • Hallo Observator,
    also HvK ist zweifellos tot und AN nicht. HvK war ein von mir keineswegs geschätzter Dirigent, hatte aber immerhin mit Musik zu tun. Aber wo habe ich mich über Handtaschen und Schmuck ausgelassen - denn immerhin ist AN ja primär wohl in diesen Jobs tätig. :D
    :hello:

    ...

  • Die Diskografie von John Berky gibt hier AUfschluss:




  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Hi Norbert: Ja, die Aufnahme von Johannes Wildner ist ein sogenannter "Bearbeiteter Live-Mitschnitt" aus den Aufnahmen seiner Konzerte im April und Mai 1998. Die ursprünglich bei SonArte herausgekommene CD wurde bei der Übernahme durch Naxos (2003) offenbar klanglich nochmal nachbearbeitet (die Naxos-Produktion klingt besser).


    Hallo Ben,


    danke für die Info.


    Naxos scheint die Aufnahme sehr gut nachbearbeitet zu haben, denn von einer Liveaufnahme ist nichts zu hören (wobei mich der Livecharakter einer Aufnahme nicht stört, im Gegenteil).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • An einen Hauptdiskutanten aus Wien:
    Wie fühlt man sich, wenn man noch nie in seinem Leben mit Tönen -sei es als Komponist oder Interpret - eine gültige Aussage über das Leben getroffen hat, wenn man noch nie eine Phrase - geschweigeidenn ein Musikstück - selbst artikuliert hat, aber täglich mit dem Instrument des Wortes - ohne sich je selbst musikalisch deklariert i.e. ausgedrückt zu haben - über echte Musiker zu Gericht sitzt. Mir fällt dazu immer nur der beklagenswerte Zustand ein, der die Voraussetzung zum Haremswächter darstellt.

    "Play, man, play!" (M. Davis)
    "We play energy!" (J. Coltrane)

  • Hallo Klaus,


    Ich weiß nicht ob Edwin gemeint war oder ich, gehe aber von ersterem aus:


    Edwin ist nicht nur Tamino-Mitglied und Kulturkritiker der Wiener Zeitung sondern auch Komponist....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • Natürlich war auf gute, vertraute alte Denunzianten-Art Edwin gemeint. Den Gemeinten persönlich anzusprechen oder sich zumindest nach Maßgabe schlau zu machen, fiel dem Verfasser dieses Postings offenbar nicht ein.


    Das schöne an solchen "Absonderungen" ist lediglich, daß sein Verfasser sich damit selbst desavoiert. :kotz:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • vollkommen richtig ... das ist das niveau (auf moderne bildende kunst bezogen) von ... 'das kann meine kleine tochter auch malen' ... :motz: :angry: :no: :kotz:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Ich hatte gedacht, und aufrichtig gehofft, hier solche anonyme Angriffe nicht zu erleben.
    Und obwohl es harmlos ist, verglichen mit was ich in einigen anderen Foren sah, bedauere ich dies trotzdem.


    Und selbst wenn es nicht anonym wäre, dann noch werden (un)geschriebenen Regeln der Etikette verletzt. So benimmt man sich nicht.


    Und wenn man wirklich seinen "Groll" nicht verheimlichen kann bzw. will, dann wäre eine PN oder Brief eine bessere Lösung.


    LG, Paul

  • Hallo,
    ich bin der selben Meinung wie Paul.
    Man darf den Edwin getrost fachlich "angreifen",ich glaube,
    das schätzt er sogar,
    aber : Der Ton macht die Musik,besonders in diesem Forum.



    :hello:Herbert-

    Tutto nel mondo è burla.

  • naja, so schlimm find ich's aber nicht (außerdem nicht anonym).
    der poster 'klaus laczika' (ich kenne ihn nicht!) ist ein neuling und kann daher nicht unsere profile anschauen, bzw. hat offensichtlich auch noch nicht viel von edwin hier gelesen. so hat er sich halt weit rausgelehnt und ist peinlich abgestürzt.
    ich will hier natürlich nicht streit und rauen sitten das wort reden, aber ein bisschen provokation von außen tut der lieben familie ganz gut... ;)
    (edwin mag sich entweder so :rolleyes: zurücklehnen, oder er feilt ohnehin an einer funkelnden entgegnung)
    :beatnik:

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  • Wenn man weiss, wer sich hinter "klaus" verbirgt, kann man vielleicht nachvollziehen, daß sich hier jemand einmal Luft machen wollte.
    Wer so kräftig und öffentlich draufhaut, wie Edwin, wird mit einer solchen Äusserung wie oben doch locker fertig.


    Und immer dran denken:

    Zitat

    Ein Musikerherz muß man sanft behandeln. Wir sind sehr empfindsam

  • Ich entschuldige mich für meine im Affekt geäusserte Attacke, ich wollte niemanden verletzen. Dennoch bin ich manchmal irritiert, mit welcher Leichtfertigkeit und Kaltschnäuzigkeit in diesem Forum Musiker und deren Leistungen abqualifiziert werden. Ich rede jetzt nicht von PJM sondern auch von anderen Interpreten in anderen Threads. Oft entsteht der Eindruck, die "Richter" haben nicht die leiseste Ahnung davon, wieviele tausende Stunden Arbeit ein Musiker investiert. Es ist sehr leicht, dann dem Produkt mit einigen nonchalanten Äusserungen jegliche musikalische Berechtigung abzusprechen.
    Mein Traum im Tamino-Forum wäre, über namentlich nicht bezeichnete Tonbeispiele zu diskutieren, dann muss jeder klar argumentieren, was ihm an Tempo, Klang, Phrasierung etc. gefällt oder nicht gefällt, die Identität der Interpreten wird dann erst später nach längerer Zeit gelüftet. Damit fallen alle Prägungen und Fixationen weg, es könnte sich aber zeigen, wie gut jemand wirklich hören kann.


    Nochmal, nichts für ungut, tut mir leid. Ich kenne selbst den Spruch"Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul." und nehme mein Eigentor zur Kenntnis.

    "Play, man, play!" (M. Davis)
    "We play energy!" (J. Coltrane)

  • Ganz ehrlich? - Ich freue mich ob der Klarstellung, sie wäre aber nicht notwendig gewesen, weil mir solche Attacken gleichgültig sind; d.h, ich nehme sie nicht persönlich.
    Der Grund dafür ist, daß man als Kulturjournalist tatsächlich immer wieder zu Gericht sitzt. Das ist nun einmal so.
    Gleichzeitig habe zumindest ich dabei gelernt, daß man auch über mich zu Gericht sitzen kann. Und ich habe in meiner anderen Existenz (als Komponist) schon etliche Verrisse kassiert - auch von Leuten, mit denen ich an sich befreundet bin. Ich bin sogar froh darüber, denn eine Freundschaft sollte meiner Meinung nach nicht zu einer Verfälschung der eigenen Meinung führen.
    Wenn man, egal auf welchem Gebiet auch immer, in die Öffentlichkeit tritt (also auch z.B. in einem Diskussionsforum wie Tamino), muß man nicht nur mit Reaktionen der Öffentlichkeit rechnen, man muß sogar einkalkulieren, daß sie eintreten. Wer dafür zu dünnhäutig ist, soll für sich im stillen Kämmerlein sitzen - kann ja auch ganz nett sein.
    :hello:

    ...

  • Genau, Edwin! Man ist ja selbst verantwortlich dafür, welche Schuhe man sich anzieht und welche nicht. :pfeif:


    Leute wie wir, die viel austeilen, müssen auch einstecken können -- wobei ich micjh zumindest bemühe, nicht unter die Gürtellinie zu zielen und aus der Sache heraus zu argumentieren, auch wenns mir manchmal schwer fällt. :stumm:


    Immerhin kann ich jedoch von mir mit einigem Stolz behaupten (ich lob mich jetzt mal selber, also Empfindsame bitte nicht weiterlesen :D), zumindest einer der wenigen Schreibenden über Musik zu sein (mal so formuliert), die immerhin genau wissen, was es bedeutet, beispielsweise eine komplettierte Neunte Bruckner zu dirigieren ... :yes:


    Können wir nun wieder zum Thema zurückkommen?

  • Sehr gerne komme ich nach kurzer Abscheifung zum Thema zurück.
    Sag einmal, Ben, mich hat's gleich am Anfang des Marthé ziemlich gerissen: Da kommt ein Pauken-Kawumm, das mich befremdet. In Eurer Fassung ist das sehr leise, so eine Art reduzierter Bruckner'scher "Urnebel", der mir nicht nur musikalisch schön, sondern auch sehr logisch erscheint. Ich glaube zu wissen, daß Bruckner den Anfang völlig fertig geschrieben hat - aber gibt's Deines Wissens nach vielleicht doch irgendein Skizzlein, das Marthés Dinosaurierauftritt zu Beginn legitimiert oder ist das gleich ein Signal "Was schert mich Bruckner, ich bin der Marthé"?


    :hello:

    ...

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  • Nun sind wir schon auf der 9. Seite dieses Monsterthreads, zwei Parallel-Threads behandeln das Thema auch. Meines Erachtens ist alles, was ich wahrscheinlich weniger eloquent als andere zum Thema beibringen kann, längst gesagt. Und wer schon mal in großen Gremien Diskussionen beiwohnen musste, an deren Ende die Diskussionsteilnehmer nicht müde werden, längst ausgetauschte Argumente erneut vorzubringen, nur eben in den eigenen Worten, der weiß, wie ungern ich mich jetzt noch zu Wort melde. Ich bringe also keine neuen Aspekte in die Diskussion. Ich bringe lediglich mich ein, mit dem bereinigenden Gefühl, es auch mal gesagt zu haben. Ein Akt der Psycho-Hygiene, gewissermaßen.


    Hier also meine 9 (!) Anmerkungen:


    1. Ich fände es gut, wenn Herr Marthe, der wie ein Mentekel über dem Forum schwebt, und dessen baldiges sich zu Wort melden ja schon mehrfach in Aussicht gestellt wurde, sich bald mal zu Wort meldet.


    2. Ich finde nicht so gut, dass er in Presseveröffentlichungen ganz schön über die Musikwissenschaft, deren Arbeitsergebnisse er sich dienstbar macht, vom Leder zieht.


    3. Klar bezieht auch er Prügel. Dennoch finde ich nicht so gut, dass es Versuche gibt, ihn in diesem und Parallel-Threads zum Opfer einer aus den Fugen geratenen Diskussion machen zu wollen (jetzt reden wir mal nur über die Musik: über die ist im original Marthe-Thread, bevor es Richtung Cover und Frisur gegangen ist, seitenweise diskutiert worden; viele Konzert-Besucher haben sich zu Wort gemeldet, offensichtlich nicht mit dem gewünschten Ergebnis).


    4. Ich finde nicht so gut, dass ich in einem Parallel-Thread, in dem es nur um die Musik gehen soll, aufgefordert werde, das Booklet zum Verständnis heranzuziehen (weil es dann ja doch nicht nur um die Musik geht).


    5. Lese ich das Booklet und auch das FAZ-Interview, frage ich mich, wie offensichtlich der Versuch, sich aus PR-Gründen zu so etwas wie einem „Enfant terrible“ machen zu wollen, denn noch ausfallen muss, ohne dass die Absicht, eben dies im Schilde zu führen, auffällt.


    6. Das „Sakrileg“, das Herr Marthe für sich aufgrund der Neukomposition des Finales von Bruckners Neunter in Anspruch nimmt, begangen zu haben, erinnert mich an den Roman gleichen Namens (in der deutschen Übersetzung) des amerikanischen Romanautoren Dan Brown (und die Wortwahl „Sakrileg“ seitens Herrn Marthe ist sicher kein Zufall), und dessen literarischen Wert ich als „spannenden Schund“ einstufen möchte. Herr Marthe steht meines Erachtens in einem Verhältnis zu Anton Bruckner, wie Dan Brown zu Thomas Mann.


    7. Jemand, der Bruckner laut CD-Cover „reloaden“ will, macht mich, der ich dachte, dass gerade hier bei Tamino ganz vielen der Zeitgeist und das Vordergründige auf die Nerven geht, misstrauisch.


    8. Jemand, der zur Rechtfertigung der eigenen Komposition nicht müde wird, auf dem Geisteszustand Anton Bruckners, dem Komponisten, den ich verehre wie keinen zweiten (er Österreicher, ich Deutscher; damit sei der Sinn oder Unsinn über das Landsmannschaftliche in Musik und Musikgeschmack zu diskutieren, auch abgehakt), herumzuhacken und behauptet, Bruckner habe nur noch unzusammenhängende Skizzen hinterlassen, macht mich traurig.


    9. Jemand, der Celibidache überlebt hat (der bekanntlich „gefährlicher als der Todesbiss einer Königskobra“ war, Zitat PJM), der sich selbst allen Ernstes als eine Art Medium begreift, durch das Bruckner sein Werk vollenden lässt, amüsiert mich.


    So, jetzt geht es mir besser. Nicht viel neues, auch nicht viel zur Musik, ich weiß...


    Zum guten Schluss nur noch ein Zitat von Herrn Marthe, das vielleicht Licht in die Dunkelheit bringen kann:


    „Singen Sie mal zehn Minuten einen einzigen Ton, dann sind Sie verrückt, das dehnte er aus auf 45 Minuten (...)“.


    Mehr möchte ich auch gar nicht dazu sagen. So, und jetzt haben wir uns alle wieder lieb! Es geht doch schließlich um unsern guten Anton, das eint uns doch! Ich hör mir jetzt die Neunte an! Erst Marthe (warum auch nicht), dann Wildner.


    Christian

  • Hallo Edwin,


    diese Paukenstelle ist doch inzwischen total abgelutscht; die ist sogar den Laien aufgefallen, und unwiederruflich ins Gehirn gebrannt. Da steckte System dahinter, jeder noch so grosse Depp soll natürlich merken:


    Jetzt kommt Marthé!


    Aber mal andersherum gefragt:


    Gibt es nach Deinem Eindruck "authentisches" Material, daß in diesem Satz, wenn auch maskiert oder verkleidet, nicht in irgend einer Form verarbeitet wird?


    Ich kann so ziemlich alles wiederfinden, wobei ich nicht die aufgeschriebenen Noten kenne, sondern nur das zur verfügung stehende Tonmaterial.


    PS: Christian, sehr guter Beitrag!! Das mit dem booklet war nur eine Idee, damit nicht alle über diese Paukenstelle schreiben. Denn im bboklet wird (zumindest mir) deutlich gemacht, warum man das dort hören "muss".

  • servus holger


    Zitat

    Original von Holger_Grintz
    Denn im bboklet wird (zumindest mir) deutlich gemacht, warum man das
    dort hören "muss".


    ist ein kunstwerk, das nur nach studium der 'gebrauchsanleitung' gehört
    (verstanden?) werden kann, überhaupt noch ein kunstwerk?


    ich persönlich lehne jede beschäftigung mit begleitenden texten ab (im
    klartext, ich lese sie weder vorher, noch nachher). wenn es nicht ohne
    tutorial geht, dann ist am werk etwas faul.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • faun


    dann bist Du zu beneiden, aber soweit bin ich leider noch nicht.
    Ich brauchte in der Schule auch immer "Sekundärliteratur", um Texte zu verstehen.
    Vielleicht kommt das irgendwann bei mir noch, daß die Töne direkt die richtigen Synapsen ansprechen...

  • Hallo Holger,
    dieses Marthé-Finale ist ein gewaltiges Problem - als Komposition ebenso wie als ästhetisches Faktum.


    Im ästhetischen Selbstbedienungsladen unserer Zeit stehen jedem Künstler zahllose Möglichkeiten offen, sein eigenes Werk mit der Tradition zu konfrontieren. Es ist nur die Frage, welches gewicht stärker ist: Das der eigenen Komposition oder das der vorhandenen, die als Basis oder Steinbruch genützt wird.


    Drei Beispiele:


    Der südtiroler Komponist Hubert Stuppner schreibt z.B. eine Streicher-Fantasie über Wagners "Tristan", die eine Art symphonische Studie über Melodien und harmonische Fortschreitungen im "Tristan" ist. Obwohl viele Takte so nicht bei Wagner stehen, hat man in jedem Moment das Gefühl, Wagner zu hören. Dennoch: Ein Werk von Hubert Stuppner.


    Der deutsche Komponist Hans Werner Henze komponiert ein Werk "Tristan", daser "Préludes für Klavier, Tonbänder und Orchester" nennt: Die zugrunde liegende Zwölftonreihe konzentriert die charakteristischen Intervalle von Wagners "Tristan", es gibt im Verlauf auch immer wieder deutliche Hinweise, ohne daß Wagner quasi wörtlich auftreten würde - bis knapp vor Schluß in einer wunderbaren, zutiefst erschütternden Passage ein "Tristan"-Zitat erklingt, während sich die klangliche Umgebung zunehmend verfremdet.


    Eher mit Stuppners Ansatz verwandt ist die "Carmen-Fantasie" des Russen Rodion Schtschedrin: Er schreibt Bizets Oper um als dreiviertelstündige Ballettmusik für großes Streichorchester und ein Arsenal von Schlagzeugen. Die Ideen von Bizet werden nicht angetastet, nur in neue Kontexte gestellt und mit einem neuen Klanggewand versehen.


    In allen diesen Fällen sind die "Nachkomponisten", also Schtschedrin, Stuppner und Henze, soweit gewesen, selbst die Verantwortung für ihre Bearbeitung oder Paraphrase zu übernehmen, es wurden keine Geister Verstorbener herbeizitiert und irgendwelche mystische rfahrungen mit welchen Gurus auch immer bemüht: Was es wiegt, das hat's. Bei Stuppner ein interessantes, wenngleich etwas langatmiges Experiment; bei Schtschedrin ein brillantes Werk, das mir, ich gestehe es offen, noch mehr Vergnügen bereitet als Bizets von mir durchaus geschätzte Oper; bei Henze eine erschütternde musikalische Darstellung von Einsamkeit, Verzweiflung und Todesnähe.


    Nun wagen wir ein Gedankenexperiment. Ein Komponist, nicht sehr bekannt, nicht über die Maßen häufig aufgeführt, aber von einem unstillbaren Geltungsdrang beseelt, nennen wir diesen Meister meinetwegen Hannes Petrus Mabúslin, kommt auf eine Idee: Er stellt sein neuestes Werk nicht einfach zur Diskussion, sondern hängt sich an ein geniales Fragment an. Mabúslin "vollendet" also Mozarts "Requiem".
    Und er macht es auf folgende Weise: Er läßt alles, was Mozart komponiert hat, unberührt. In die nicht komponierten Stellen fügt Mabúslin seine eigenen Kompositionen ein, indem er teilweise Themen aus dem "Requiem" für eine Art Big-Band-Sound arrangiert, teilweise eigene Themen einfügt. Und nun frage ich mich:
    - Ist das nun Mabúslins "Requiem"?
    - Ist es Mozarts "Requiem" vollendet ("vollendet"!!!) von Mabúslin?
    - Ist es Mabúslins "Requiem" unter Verwendung der Mozart-Fragmente?
    Oder ist es am Ende eine Mischung aus allem, die als "Mozart overloaded" unter die Leut' gebracht wird?


    Soll heißen: Bei einem solchen Unterfangen kann man den Hintergrund wahnsinnig schwer wegblenden - weshalb ich im Moment noch nach einer Möglichkeit für mich suche, in dem "Jetzt geht es um die Musik"-Thread eine Stellungnahme abzugeben, die mehr enthält als "Ist grauenhaft instrumentiert".


    Man kann eben nicht ausblenden, was Bruckner geschrieben hat (der, nebenbei bemerkt, schon bei seiner "Dritten" total vertrottelt gewesen sein muß, weil Marthé ja auch diesem Werk die Gnade seiner Bearbeitung angedeihen lassen musste).
    Und was Bruckner in diesem letzten Satz geschrieben hat, ist grandiose Musik. Sie ist so unfaßbar in ihrer Ausdrucksgewalt, daß man sie nicht verschweigen sollte.
    Gerecht wird man ihr meiner Meinung nach mit zwei Möglichkeiten:
    1) Eine Aufführung der Fragmente - was letzten Endes aber nur für Musikwissenschaftler und Bruckner-Insider wirklich spannend ist.
    2) Eine Aufführungsfassung, die an Bruckners über weite Teile erkennbaren Willen so knapp als möglich, und zwar unter weitestgehender Ausschaltung von persönlichen Stilmerkmalen der "Vollender", dranbleibt.

    Ich muß gestehen, daß ich mich, nachdem ich mich in letzter Zeit sehr intensiv mit der Problematik befaßt habe, zum zweiten Punkt bekehrt habe und damit der Fassung von Samale, Cohrs et al. den Vorzug gebe.


    Doch zurück zu Marthé: Würde er sein Werk nennen "Bruckner goes Hollywood" oder wäre dieser Satz eine Filmmusik zu dem berührenden Streifen "Heidi und Toni", in dem Heidi den Komponisten Anton Bruckner überredet, als Alp-Öhi seine letzten Tage zu fristen - ich hätte nichts dagegen. Man könnte den Satz etwa in einem Konzert von Mahlers "Erster" spielen oder vielleicht als Sandwich zwischen Mozarts "Maurerischer Trauermusik" und Schuberts "Unvollendeter".


    Aber das läßt Marthé nicht zu, er beharrt auf dem Konnex mit Bruckners "Neunter".


    Deshalb gehen meiner Meinung nach auch Alfreds pro-Marthé-Argumente ins Leere: Ich habe es noch nie erlebt, daß ein Komponist ein eigenes, eigenständiges Werk an die Aufführung eines bestimmten anderen Werkes bindet. Sozusagen müßte der oben genannte Henze festschreiben, daß sein "Tristan" nur in Zusammenhang mit Wagners Vorspiel zur Oper aufgeführt werden darf oder Mahler hätte verfügen müssen, daß seine "Zweite" nur in Monsterkonzerten gespielt werden darf, in denen auch Hans Rotts Symphonie erklingt. Usw. usw.


    Soll heißen: Wenn Marthé "sein" Bruckner-Finale an die Neunte Bruckner bindet, und zwar als Schlußsatz, ist das natürlich das Zeichen, daß Marthé dieses Finale als das Finale von Bruckners Neunter Symphonie begreift und begriffen wissen will und nicht als eigenständiges Stück. Wäre letzteres der Fall, müßte er es übrigens vor der Bruckner-Symphonie spielen, denn das gewichtigste Werk eines Konzerts kommt, wenn es auch noch das längste ist, in der Regel am Schluß.


    Nun: Es ist also Marthés Finale zur Neunten Bruckner (auf das "zur" lege ich hier großen Wert!).
    Nun hat aber Bruckner selbst dieses Finale weitgehend komponiert.
    Was soll es also, diese Komposition wieder auseinanderzunehmen, in einzelne Themen aufzubrechen und mit einer eigenen etwas dicklichen Instrumentierungssoße zu servieren?
    Bricht jemand das Finale von Mozarts "Jupiter" in einzelne Themen auf, bosselt sie neu zusammen, und sagt dann: Das sei halt Maxi Übergscheitlers Finale der "Jupiter"-Symphonie?


    Aber da wir ja schon eine "neue" Dritte Bruckner haben, würde mich auch das nicht mehr wirklich wundern...


    :hello:

    ...

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  • Hallo Edwin:
    Zum einen glaube ich, daß eine Aufführung des Fragments als solches für ein Publikum wirklich spannend und interessant sein kann; es kommt eben darauf an, wie man es macht. Wir haben in Tokyo damals in einem Werkstatt-Konzert im ersten Teil das erläuterte Fragment gespielt (wobei ich zwischen den Tonbeispielen ein Gespräch mit einem japanischen Musikwissenschaftler führte, der auch übersetzte), im zweiten Teil dann die Vervollständigung. So kann man hörend erfahren, was übrig geblieben ist und was wir dann daraus gemacht haben.
    Zu Deiner Frage mit den Pauken: Es gibt von Bruckner allerdings keine dynamische Bezeichung dieser Stelle, auch in keiner der ausgeschiedenen, früheren Stadien oder in den Particellskizzen. Wer sich allerdings mit Bruckners Gewohnheiten auskennt, und sich die Struktur dieses ganzen Crescendos bis zum Ausbruch des Hauptthemas anschaut, würde auch nicht im Entferntesten auf die Idee kommen, diese Stelle ff decrescendo zu beginnen. Da waren sich alle Finale-Bearbeiter von Oeser bis Carragan selten einig. Bruckner hat überhaupt nur zwei Final-Sätze laut begonnen -- das der f-moll Sinfonie und das der ersten Sinfonie c-moll, die jeweils mit starker Instrumentierung bzw. Tutti beginnen.

  • Nach langer Überlegung, wie meine Stellungnahme über Marthés Dirigat der Neunten Bruckner und sein Finale zu diesem Werk im "Reden wir über die Musik"-Thread ausfallen soll, habe ich beschlossen, meine Kritik nicht dort zu äußern, sondern in diesem Thread.
    Das hat Gründe.
    Der wichtigste davon ist, daß ich der dortigen Forderung, mich ausschließlich auf Marthé zu beziehen, weder folgen will noch folgen kann.
    Ich kann es nicht, weil ich nicht meine anderen Erfahrungen mit diesem Werk ausblenden kann.
    Ich will es nicht, weil ich sonst Marthé die Ehre antun würde, ihm eine Sonderstellung einzuräumen, die ich auch anderen, bedeutenden Interpreten Bruckners nicht einräume.


    Im folgenden nun meine Gedanken und persönliche Meinungen zu dem Fall.


    Zuerst meine Überlegung: In welcher Reihenfolge höre ich die Sätze: In der ästhetisch richtigen, also Marthé, dann Bruckner 1,2,3 - um nur ja das Gefühl zu vermeiden, das Finale zur Neunten Bruckner könne das Finale der Neunten Bruckner sein?
    Oder doch so, wie Marthé es haben will, also Bruckner 1,2,,3 - danach Marthé?


    Ich entscheide mich für die erste Version: Erst Marthé, dann Bruckner.
    Was höre ich in diesem Finale zur Neunten Bruckner?
    Mir fallen auf:
    - Theatralische, aber inhaltsleere Gesten
    - Eine bombastische, ziemlich dicke Instrumentierung, die stellenweise einfach unschön, mitunter jämmerlich banal, mitunter aber auch kraftvoll klingt - aber kaum je wie echter Bruckner, sondern eher wie jemand, der Bruckner nachahmt, ohne die Details genau zu beachten.
    - Ein Mittelteil, der völlig orientierungslos scheint.
    - Ein Finale, das in seiner lautstarken Bombastik nicht erhaben ist, sondern erhaben sein will unddadurch die Grenze zur Lächerlichkeit streift.
    - Einige wunderbare Themen und Motive, die Bruckner selbst zuzuschreiben sind, die aber in neuen, sinnentleerten Zusammenhängen auftreten.


    Nun also zu den Sätzen, die echter Bruckner sind.


    Die Tempi sind völlig absurd. Es geht nicht um "zu langsam", es geht darum, daß Marthé der Musik den Puls nimmt.
    Eine Celibidache-Nachfolge? - Ich ketzere: Auch Celibidache war als Brucknerdirigent mehr anerkannt als gut. In seiner letzten Phase (EMI-Aufnahmen) ist Manches so zerdehnt, daß kein Spannungsbogen mehr möglich ist.
    Aber Bruckner war doch ein faszinierender Rhythmiker, man spürt es bei Schuricht, bei Wand, bei Tintner, bei Roschdestwenskij, bei Jochum, sogar bei Karajan und selbst bei den korrumpierten Fassungen, die Knappertsbusch spielte.
    Aber Celibidache hat eine andere Auffassung - gut, es ist halt seine Ansicht.


    Nur soll es niemand nachmachen. Zerdehnen von Tempi, um Tiefsinn zu suggerieren, der gar nicht vorhanden ist, ist Unsinn.


    Bei Marthé wälzen sich also drei Sätze Bruckner auf eine Weise dahin, wie ich es eigentlich noch nie bei einem Dirigenten, der ernst genommen werden will, erlebt habe. Die Musik wird bis zur Karikatur überzeichnet, Bruckners scharfkantige Instrumentierung wird abgeschliffen, ihrer Kontraste beraubt, sie klingt stumpf, schlecht (oder willkürlich anders) ausbalanciert. Dem Scherzo fehlt die rhythmische Triebkraft, dem Adagio der weitbogige Spannungsaufbau. Obendrein sind die Bläser abermals schlecht (oder willkürlich anders) ausbalanciert, die Feinabstimmung bei den Streichern läßt ebenfalls zu wünschen übrig, ein vernünftiges Verhältnis von Oberstimme-Mittelstimme-Baß ist offenbar gar nicht angestrebt. Während andere Dirigenten immer wieder bemüht sind zu zeigen, wie Bruckners Werke sich über besessene Detailarbeit zu ihren Höhepunkten auftürmen, scheint Marthé das genaue Gegenteil zu wollen: Weg mit den Details - zugunsten eines sich dahinwälzenden Tonstroms, dessen permanenter Einheitsklangbrei weniger zermalmend als anödend ist.


    Nur: Wieso ist mir dieses Defizit beim sogenannten "Finale" nicht aufgefallen?


    Ich beiße die Zähne zusammen und unterziehe mich also nochmals des Finales - womit Marthé zu seinem Willen kommt und ich das ohne diesen Kontext weiter nicht nennenswerte Mucikstück an der Stelle höre, für die es Marthé komponiert hat.


    Nein, dieses Finale klingt anders.
    Einerseits, weil es anders instrumentiert ist, nämlich aus der Kenntnis der Partituren von Mahler, Richard Strauss, aber auch John Williams und einem Dutzend anderer Hollywood-Komponisten.
    Es wird indessen auch anders gespielt, die dynamische Bandbreite ist größer, die Differenzierung erfolgt in feinerer Abstufung.
    Es liegt also nicht an den zu engen Grenzen des wackeren Jugendorchesters, es liegt am Konzept des Dirigenten.


    Und mit einem Mal wird mir das unsinnige, geradezu perfide Konzept klar: Drei Sätze lang darf Bruckner gar nicht seine volle Kraft entfalten. Denn wir haben es ja, Marthé will es so, mit einem Initiationsritus zu tun. Drei Sätze lang darf die "Erfüllung" nicht eintreten, weil Marthé sie sich für sein eigenes Finale aufhebt. Drei Sätze lang wird diese Musik als mäandernd, ziellos, kraftlos dargestellt, weil ja erst das Finale die Krönung darstellen soll. Ein Finale, wohlgemerkt, das Bruckner so nie gewollt, nie komponiert, nie skizziert hat. Zugunsten eines mit Bruckners Finale nur durch die gemeinsamen Themen verbundenen Orchesterwerks werden also drei Sätze Bruckners als eine schwache, gelähmte, nur stellenweise aus ihrer Lethargie erwachende Musik denunziert.


    Im Zusammenhang mag es funktionieren, im Zusammenhang mit Marthés Dirigat der drei Sätze mag Marthés Finale tatsächlich bestehen können.


    Daß dem so ist, adelt freilich weniger den Komponisten Marthé, als es gegen den Bruckner-Interpreten Marthé spricht.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ...
    Aber Bruckner war doch ein faszinierender Rhythmiker, man spürt es bei Schuricht, bei Wand, bei Tintner, bei Roschdestwenskij, bei Jochum, sogar bei Karajan und selbst bei den korrumpierten Fassungen, die Knappertsbusch spielte...


    Es ist sehr schade, daß Kna aus seiner Zeit heraus die 'Originalfassungen' nicht mehr wahrgenommen hat. Kaum ein anderer hat den Rhythmus, den Sog, den 'Drive' der brucknerschen Symphonik so zur Geltung gebracht wie er. Bruckner hat das Rasen des Kosmos mitkomponiert, das wir nicht bemerken, wenn wir an den Nachthimmel schauen.


    Gruß

  • Was Edwin Baumgartner hier sagt ist so gut, einleuchtend und entspricht 100%ig meiner Meinung, dass das Thema Marthe für mich nun beendet ist - vielen Dank für diese Ausführungen.

  • Hallo Edwin,


    ich beneide Dich um Deine Fähigkeit, zu schreiben, ganz ehrlich.
    Da ist mit Argumenten nichts entgegenzusetzen, es ist einfach schlüssig.


    Du hättest das aber auch gut in den Parallelthread schreiben können, denn so "restriktiv" sind die AUflagen dort nicht.


    Da steht eindeutig: Vergleiche mit bestehenden Einspielungen, die Sätze 1-3 betreffend, sind erlaubt.


    Viele Grüsse,
    Holger

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