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Fest verbunden mit dem Namen Giovanni Gabrieli ist der Begriff der cori spezzati, der geteilten Chöre*, auch bekannt als Venezianische Mehrchörigkeit. Dabei geht es um die Trennung der Musiker in zwei oder mehr Gruppen, die an unterschiedlichen Orten im (Kirchen-) Raum postiert werden. Erfunden hat Gabrieli das nicht - bereits Adrian Willaert (1490-1562) benutzte dieses Mittel, aber er hat diese Technik zur Perfektion gebracht.
Wann Giovanni Gabrieli geboren wurde, ist nicht genau festzustellen. Irgendwann um 1555 erblickte er - wahrscheinlich in Venedig - das Licht der Welt. Sein Onkel Andrea Gabrieli brachte ihm das musikalische Rüstzeug bei, mit dem er mit knapp zwanzig Jahren in die Welt hinaus zog. Er ging nach München und wurde Mitglied der dortigen Hofkapelle. Sein Chef dort war kein geringerer als Orlando di Lasso. 1579 verließ er München wieder, um nach Venedig zurückzukehren. Was er in den folgenden Jahren trieb, scheint nicht näher bekannt zu sein. Erst 1584/85 taucht sein Name wieder auf, er wurde zum zweiten Organisten an San Marco ernannt, der bedeutendsten Kirche am Platz. Der erste war noch immer sein Onkel. Als der zwei Jahre später starb, rückte Giovanni rückte in erste Position auf. Zusätzlich übernahm er 1585 den Organistenposten an der Scuola Grande di San Rocco.
Damit hatte er zwei der wichtigsten und anerkanntesten Posten der damaligen Zeit überhaupt inne. Und er nutzte dieses Privileg aus und erarbeitete sich ein außergewöhnliches Ansehen in ganz Europa, und ganz speziell nördlich der Alpen. Viele junge Musiker und Komponisten zog es zu ihm, um sich unter seiner Anleitung in der musicalischen Wissenschaft zu vervollkommnen, unter anderem auch Michael Praetorius und Heinrich Schütz. Letzterer sah ihn am 12. August des Jahres 1612 sterben. Beide haben sich sehr geschätzt und ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Und noch im Vorwort zu einer von Schützens eigenen Symphoniae Sacrae heißt es: At Gabrielius, Dei immortales, quantus vir - Gabrieli, unsterbliche Götter, was für ein Mann!
Giovanni Gabrieli veröffentlichte seine Werke in etlichen Drucken. Die zweifellos bedeutendsten sind aber die beiden Bände der Sacrae Symphoniae (Band I 1597 und Band II posthum 1615) und die Canzoni et sonate (ebenfalls 1615). Im Band I der Sacrae Symphoniae bietet einen reichhaltigen Überblick über sein Schaffen bis dahin. Es finden sich darin neben über 40 Vokalwerken auch 16 rein instrumentale Stücke, die gelegentlich als erste Orchesterwerke bezeichnet werden. Das bekannteste dieser Stücke, ist sicherlich die Sonata pian' e forte à 8, eines der frühesten Werke mit vorgegebenen Dynamikbezeichnungen.
Was zeichnet nun Gabrielis Musik aus? Zum einen ein sonorer großer Klang mit reichlich Baßfundament. Das wird durch die verwendeten Instrumente erreicht, Zinken für die hohe Stimme, sonst Posaunen und Orgel. Es war eine generelle Vorliebe der Venezianer, einem üppigen tiefen Klang zu haben. Zu den reichlichen Blechbläsern gesellten sich verhältnismäßig wenige Streichinstrumente. Aber Gabrieli verstand es auch, höchst abwechslungsreich und originell zu komponieren. Neben groß besetzten Prachtwerken (z.B. Buccinate in neomenia tuba à 19, aus Sacrae Symphoniae II) finden sich auch madrigalesk anmutende Stücke mit z.T. ungewöhnlicher Chromatik (Timor et tremor à 6, aus Reliquiae sacrorum concentuum 1615).
Giovanni Gabrielis Musik ist noch stark in der Renaissance verwurzelt, aber sie blickt auch offen in das kommende hinein. Gabrieli verstand es, alt hergebrachte Stilmittel (Kontrapunkt und Polyphonie) mit neuen Dingen (Basso continuo) zu einem großartigen Ganzen vereinigen.
herzliche Grüße,
Thomas
*Unter dem Begriff "Chor" versteht man in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich eine Gruppe von Sängern, sondern auch Instrumentalgruppen oder instrumental - vokal gemischte Gruppen können damit gemeint sein.