Im wunderschönen Monat Mai - Robert Schumann: Dichterliebe - Liederkreis op 48

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Liebe Dichterliebe-Fans,
    nachdem die Sommerpause ja nun vorbei ist und ich gerade eben die Fortsetzungsprobleme in Haydn-Symphonien-Thread studiert habe, hier mal eine Frage in die Runde:
    soll dieser Thread weitergehen und wenn ja in welcher Form?


    Liebe Liederfee,


    ich hoffe doch, es kann in alter Frische weitergehen. Nun hat auch bald das letzte Bundesland wieder Schule, die kollektive Ferienzeit ist also am Ende. Und dann sollte es auch hier wieder brummen.


    Zitat

    Wenn die Betreffenden "Liedbesprecher" aus Zeit- oder Lustgründen nicht mehr weitermachen môchten, könnte man auch erstmal zu den Cd-Besprechungen kommen oder aber die restlichen Lieder nicht mehr in der Zyklus-Reihenfolge sondern je nachdem, wer gerade Zeit und Musse zum Schreiben hat, besprechen.


    Das Fortschreiten im Zyklus hat ja Sinn gemacht [!], warum sollte man davon abweichen. Vielleicht muss man ja den einen oder anderen ersetzen, der sich gemeldet hat, nun aber keine Zeit oder keine Lust mehr hat. Eigentlich wollte ich mich jetzt auf die Mendelssohn-Lieder konzentrieren, aber wenn Not am Mann ist, übernehme ich halt den nächsten Beitrag - so sich nicht nach ein anderer findet.


    Hier noch einmal die Liste:


    1. Im wunderschönen Monat MaiEmotione


    2.Aus meinen Tränen spriessenEmotione


    3.Die Rose, die Lilie, die Taube Zwielicht


    4.Wenn ich in deine Augen seh Zwielicht


    5.Ich will meine Seele tauchen Zwielicht


    6.Im Rhein, im heiligen Strome F.Q.


    7. Ich grolle nicht F.Q.


    8.Und wüssten's die Blumen Graf Wetter


    9.Das ist ein Flöten und Geigen Chorknabe


    10.Hör ich das Liedchen klingenEmotione


    11.Ein Jüngling liebt ein Mädchen Audiamus


    12.Am leuchtenden Sommermorgen Petra


    13.Ich hab im Traum geweinetGrande Inquisitore


    14.Allnächtlich im Traume Chorknabe


    15.Aus alten Märchen Graf Wetter


    16. Die alten bösen Lieder F.Q.


    Wenn ich es recht sehe, ist nun die Nummer 11 aufgerufen und Audiamus ist dran. Wenn es bei ihm zeitlich (dauerhaft) hakt, dann melde ich mich als Ersatz - sollte sich nicht ein anderer finden.


    Aber bevor nun in dem Thread anderes tun, sollten wir erst mal unsere Hausaufgaben machen ...



    Zitat


    Ich môchte diesen Thread sehr ungern als (wenn auch sehr beachtlichen!!!!)Torso hier stehen lassen und um eure Stellungnahme bitten.
    Für mich persönlich ist klar, dass ich vor einer wie auch immer gearteten Klärung kein neues grosses Thema im Kunstliedforum anfangen werde.
    Das soll niemanden unter Druck setzen, wir könnten uns wie gesagt sehr gut auf ein Lied-Hopping oder vorgezogene Cd-Besprechungen einigen!


    Es ist leider immer so, wenn man der Wurm drin ist, ist er drin. Aber bei den paar Liedern, die noch nicht einmal so einen riesigen Umfang haben, sollten wir uns nicht mit dem Haydn-Threads vergleichen, die Anzahl von Sinfonien, die besprochen worden sind, liegt deutlich über der Zahl der Lieder - und die Sinfonien - selbst die frühen - sind deutlich länger.


    Liebe F.Q., vielen Dank für den Weckruf - ich hoffe, dass er nun auch alle Beteiligten - und nun vor allem Audiamus - erreicht hat.


    Liebe Grüße Peter

  • Liebe Fairy, lieber Peter,


    wenn mein "leuchtender Sommermorgen" noch bis zur Mitte der nächsten Woche warten könnte, würde ich ihn gern beisteuern. Ich habe im Moment leider kaum Zeit, hier hereinzuschauen; ab Dienstag wird es aber wohl in dieser Hinsicht wieder besser aussehen.


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Petra und lieber Peter, das ist prima!


    Niemand sollte sich von mir unter Druck gesetzt fühlen-ich weiss selbst am Besten, wie es ist, wenn man sich totteilen muss!
    Ich möchte nur einfach wissen, wie es aus der Sicht der Beteiligten in diesem Thread weitergehen soll (und ob überhaupt).
    Mir sind die Cd-Besprechungen hier sehr wichtig, weil ein Überblick über die verschiedenen Interpretationen dieses Werkes ein sehr leserfreundlicher Service- Aspekt sind und auch uns untereinander Hilfen geben.


    Ohne das wollte ich diesen Thread auf keinen Fall brachliegen lassen.


    Wenn sich aber noch in absehbarer Zeit Freiwillige finden, die erst die restlichen Lieder besprechen, machen wir wie geplant weiter. :hello:


    F.Q.


  • Lieber Audiamus,


    ich habe mich als Ausfallbürgschaft zur Verfügung gestellt, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe im Moment erst einmal die nächste Zeit beim Lösungsthread zu tun - und da kommt mir so etwas gar nicht besonders gelegen. Dazu bin ich dabei, mich bei Mendelssohn einzuarbeiten und wollte mich nun an sein op. 9 machen. Am liebsten wäre mir, Du würdest das schreiben - oder Du findest jemanden, der Dich vertritt.


    Entschuldige bitte meine offenen Worte, die Dich zum Schreiben eines Beitrages bei diesem Thread aufmuntern sollten. Aber wenn man aus dem Schlaf aufgeweckt wird, gibt es immer mal unwillige Reaktionen - in meiner Bekanntschaft gibt es einige Wecker, denen ein grauses Schicksal mitspielte. Da geht es mir als virtuell zwanghaft oder zwanglos zu Schumann Beitragender geradezu noch gut.


    Also, kümmere Dich nicht um meine Beulen und übernimm den Staffelstab (denn den halte ich ja immer noch), bevor wir ausgepfiffen oder gar von der Fee in gräßliche Frösche verwandelt werden.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter, liebe Dichterliebende,


    da mich eine Festschrift zu etwa zwanzig Jubiläen meiner Schule (man meint gar nicht, was man alles feiern kann) seit geraumer Zeit und noch weiterhin in Atem hält, würde es in allernächster Zeit bei mir nichts werden.


    Das Stocken von Threads und allgemeines Divertissement wurden ja nun nicht nur an dieser, sondern auch an anderer Stelle angemahnt, also Hemdsärmel hoch!

    Auch hier möchte ich keinen Drive aus irgendwas nehmen, so gebe ich den Stab gerne an Berufene weiter, denn Pfiffe und Frösche soll es in Tamino nicht hageln.


    Meine Entschuldigung gilt allen, die den liebenden Dichter gerne schneller fortgeführt gesehen hätten.



    audiamus



    .

  • Mon dieu ..... euch Frösche wüde ich nun wirklcih gerne an die Wand werfen, aber ob da Prinzen bei rauskommen????? ?( :D


    Ich schlage vor, dass wir besagten Beitrag zum "JÜngling mit der verkorksten Beziehungskiste" , auf den ich mich seitens Audiamus wirklich gefreut hatte, erstmal ruhen lassen und nächste Woche dann mit Petras Lied weitermachen.
    Peter hat vorerst ja ohnehin noch vier aufwändige Beiträge im Rätselthread zu schreiben und kann sich dann darauf konzentrieren.


    Vielleciht hat Audiamus ja irgendwann wieder Lust und Zeit und wenn nciht, dann findet sich entweder jemand anders oder eben nicht.
    Ich fidne es jedenfalls unter den Umständen jetzt nciht so glücklcih , das Lied an jemand anders weiterzugeben.


    Wie ich schon oben sagte, sollte da wirklich kein Druck vermittelt werden, ich wollte nur ,dass der Thread irgendwie weitergeht oder eben klar gesagt wird, dass kein Interesse besteht und dann Cd-Besprechungen folgen lassen.
    Dass hier dann so darauf reagiert wurde, bedaure ich wirklich!


    Also let's forget it und weiter im Text! :yes: :hello:


    Fairy Queen


    Habe mich mit Audiamus gekreuzt... also was nun hinfällig ist, bitte wegdenken.

  • Liebe Freunde der Dichterliebe,


    sich an einem grauen, herbstlichen Morgen mit Regen, Wind und leuchtenden Äpfeln am Baum in einen „leuchtenden Sommermorgen“ hineinzuversetzen, ist gar nicht so einfach – nichtsdestotrotz, hier kommen ein paar Gedanken zu meinem Lieblingslied aus der „Dichterliebe“:


    Am leuchtenden Sommermorgen
    Geh’ ich im Garten herum.
    Es flüstern und sprechen die Blumen,
    Ich aber wandle stumm.


    Es flüstern und sprechen die Blumen
    Und schau’n mitleidig mich an:
    Sey unserer Schwester nicht böse,
    Du trauriger, blasser Mann.


    Der Text des Liedes wird zitiert nach: Robert Schumann: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, Serie VIII, Supplemente, Bd. 2: Literarische Vorlagen der ein- und mehrstimmigen Lieder, Gesänge und Deklamationen, hrsg. v. Helmut Schanze unter Mitarbeit von Krischan Schulte, Mainz 2002, S. 205, abgedruckt in: Thomas Synofzik: Heinrich Heine – Robert Schumann. Musik und Ironie, Köln 2006, S. 35/36.


    Der Text arbeitet sehr stark mit Kontrasten, und es werden zwei Ebenen gegenübergestellt. Die eine ist zeitlich durch den „leuchtenden Sommermorgen“ und räumlich durch den Blumengarten repräsentiert, die andere durch den „traurigen, blassen Mann“, der in meinen Augen als Sinnbild (und vielleicht als Karikatur?) des unbehausten Romantikers darin umherschlendert und der als Ich erscheint. Die beiden Ebenen werden abwechselnd aufgerufen, weshalb ich die Verse chronologisch durchgehen möchte (und hoffe, dass es nicht zu lang wird :angel:):


    Der „leuchtende Sommermorgen“ in Vers 1 kann mit Licht, Vitalität, Farbigkeit assoziiert werden – nicht unbedingt Eigenschaften, die ich mit der Romantik verbinde, die ja eher die dunkle, nächtliche Seite der Natur betonte. Das Ich in Vers 2 scheint denn auch nicht recht zu wissen, was es in dieser vitalen Atmosphäre anfangen soll: keine zielgerichtete Bewegung, schon gar kein Aufbruch des romantischen „Wanderns“, eher ein zielloses Schlendern im Kreise. Außerdem ist der Garten als kultivierte Natur in diesem Gedicht der Motivik der „Wildnis-Natur“, wie sie uns in typisch romantischen Gedichten oft begegnet, entgegengesetzt.


    Vers 3 lässt den Romantiker hoffen: Die Blumen „flüstern und sprechen.“ Die sprechende Natur ist ja geradezu eines der klassischen Motive in der romantischen Literatur: Die Natur erzählt von alten Zeiten bzw. stellt die Verbindung zur göttlichen Transzendenz her. Auch das „Flüstern“ könnte in diese Richtung zielen: Man denkt an ein unbestimmtes Raunen, wie es in der Romantik gern als Motiv verwendet wurde. Danach folgt jedoch eine deutlichere Sprache, und die Verbindung von „Flüstern und Sprechen“ ist in einem Gedicht eigentlich recht ungewöhnlich. Vers 4 zeigt durch das kontrastive „aber“ wiederum, dass das Ich auch den sprechenden Blumen gegenüber ein Fremder bleibt. Es erweckt mit seiner stummen, weltabgewandten Attitüde eher die Assoziation eines romantischen Jünglings. Oder könnte man hier schon von einer leichten Karikatur des Romantikers sprechen?


    In Vers 5 wird der Blick durch die wörtliche Wiederholung des Verses 3 noch einmal auf die flüsternden und sprechenden Blumen gelenkt und damit diese zugleich als wichtiges Motiv herausgehoben, bevor in Vers 6 beide Ebenen zusammentreffen: Die Blumen schauen das Ich „mitleidig“ an. Also doch Verständnis, Versöhnung und eine Synthese der beiden Gegensätze? Es kommt darauf an, wie man die beiden Schlussverse interpretiert:
    Drückt die Bitte der Blumen, ihrer „Schwester nicht böse“ zu sein, ernsthaftes Mitgefühl für den „traurigen, blassen“ Mann aus oder mischt sich in das Mitgefühl auch ein wenig freundliche, vielleicht sogar leicht herablassende Ironie mit diesem Relikt aus einer fernen Zeit romantischer Utopie?


    Alberto Destro hat eine Statistik der Heine-Gedichte aufgestellt, die eine „Erwartungstäuschung“ aufweisen (Die Statistik für die Gedichte der Dichterliebe ist bei Synofzik, S. 33 abgedruckt). „Am leuchtenden Sommermorgen“ gehört seiner Ansicht nach nicht dazu. Meiner Meinung nach gibt es jedoch auch hier eine derartige Brechung: ein Spiel mit romantischen Motiven, die als überlebt dargestellt und ironisiert werden, aber nicht im Sinne eines sarkastischen „Abwatschens“ der romantischen Ideale, sondern eher als leise, schmerzliche Ironie, wie ich sie oft bei Heine heraushöre: Schmerz darüber, dass die Utopie der romantischen Liebe in der Realität nicht zu verwirklichen ist bzw. an ihr scheitert?


    Zu dieser Interpretation würde meiner Meinung nach auch die Bezeichnung der Frau als „Schwester“ der Blumen passen. Das traute „Schwesterlein“ der Blumen wird ja auch in Mendelssohns Lied „Auf Flügeln des Gesanges“ thematisiert, das auch auf einem Gedicht Heines basiert. Ich habe hier nicht genauer untersucht, aber ist es vielleicht, ähnlich wie das „Kindchen“ eine eher Heine-typische Bezeichnung?
    Man könnte jetzt argumentieren, dass die Frau als Naturwesen ja auch ein beliebtes Motiv der Romantik war: Teil eines Urgeschlechtes, das ursprünglich männlich und weiblich zugleich war, das danach jedoch in zwei sehr gegensätzliche Geschlechter aufgespalten ist. Dieses Naturwesen hatte in der Romantik jedoch oft noch einen Bezug zum Mythisch-Transzendenten, und sei es als Zauberin, die den Schlüssel zu verborgenem Wissen und zur Naturpoesie innehatte.


    In diesem Gedicht wird jedoch ausdrücklich eine biologische Verwandtschaftsbeziehung der Frau zu den Blumen aufgerufen und die Frau dadurch meiner Meinung nach viel stärker in die unromantische, rein physische/biologische Natur hineingestellt. Sie wird „entzaubert“ und die Logik der Blumen ist dementsprechend: Wenn die Frau wie die Blumen eine reine Naturschönheit ist, so ist ihr Verhalten determiniert und man kann halt nichts anderes machen als sie hinzunehmen wie sie eben ist.


    Ihr wird der „traurige, blasse Mann“ gegenübergestellt, der mir hier wieder wie eine Karikatur des romantischen empfindungstiefen Jünglings erscheint, ein Bruder im Geiste des unglücklichen jungen Mannes aus Schuberts „Schöner Müllerin“: „Ach Grün, du böse Farbe, du, was siehst mich immer an, so stolz, so keck, so schadenfroh, mich armen, armen, bleichen Mann.“ Die „Müllerin“ wurde ja seinerzeit als lyrisches „Rollenspiel“ in einer geselligen Runde konzipiert, in der „Dichterliebe“ könnte man unterschiedliche Diskurse über das romantische Liebesideal und das Scheitern desselben sehen – dieser Ansatz ist hier ja schon häufiger in die Debatte geworfen worden. Dazu würde auch die Tatsache passen, dass in der Vertonung der Gedichte des „Lyrischen Intermezzos“ die Reihenfolge so umgestellt wurde, dass zwischen den elegischen Liedern Nr. 10 und 12 als „Kontrastprogramm“ das in einem auf den ersten Blick spöttisch-flapsigen, betont nüchternen Ton gehaltene Lied „Ein Jüngling liebt ein Mädchen“ steht, in dem von der Situation des „Ich“ abstrahiert und das Ganze durch die epische Situation auf eine allgemeingültige Ebene gehoben wird – bis zum Schluss, der dann wieder eine „Erwartungstäuschung“ enthält.



    Zur Musik:


    Das Lied Nr. 12 ist im 6/8-Takt notiert und zeigt eine gleichmäßige, fließende Bewegung; die Vortragsbezeichnung ist: „ziemlich langsam“, wodurch das melancholische, stumme Schlendern des Ich auch musikalisch verdeutlicht wird. Die Kontrastwirkung, die in dem Gedicht zum Ausdruck kommt, wird hier quasi „eingeebnet“, indem musikalisch durch den zarten, elegischen Ton ganz auf die Ebene des Ich abgestellt wird. Die Tonart ist B-Dur; die Melodie der Singstimme klingt zunächst recht schlicht, wie ein leises, melancholisches Volkslied. Aber auch hier trügt der Schein; die Harmonie wird in einigen Takten durch Tonartwechsel „gestört“.


    Auf dem Notenblatt gesehen und mit meinen Laienohren gehört habe ich sie auch: die Wechsel der Tonart bei den Wendungen „Es flüstern und sprechen die Blumen“ (Takt 8 ) und „Sei unserer Schwester nicht böse, du trauriger, blasser Mann“ (Takt 17-19); auffällig hierbei ist auch wieder der offen wirkende Schluss der Gesangsstimme, die nicht auf den Grundton zurück führt. Thomas Synofzik (Musik und Ironie, S. 105, 106) stellt meine Laienohren auf musiktheoretische Füße, indem er dazu erläutert, dass im ersten Takt Figurationen eines übermäßigen Quintsextakkords erscheinen, die auf drei Arten aufgelöst werden können. Alle drei Möglichkeiten kommen im Lied vor: am Anfang eine Wendung zum B-Dur-Akkord in Quartsextstellung, in Takt 8 zum Dominantseptakkord zu H-Dur (mit der Singstimme eigentlich in Ces-Dur). Am Ende der zweiten Strophe erfolgt schließlich eine Auflösung nach F-Dur.


    Die Schlusstakte der Singstimme, in der die Bitte der Blumen dargestellt wird, sind durch mehrere musikalische Stilmittel hervorgehoben: Die Vortragsbezeichnung ist: „langsamer“ und „pianissimo“, das „Sei unserer Schwester nicht böse“ kann dadurch fast weltentrückt klingen (verstärkt noch durch den Wechsel nach G-Dur), möglich wäre es hier aber wohl auch, eine leise, sanfte Ironie in den Gesang zu legen. Daher meine Frage an die Sänger unter uns: Wie drückt ihr diese Zeilen aus, die für mich wirklich mehrdeutig aufgefasst werden können?


    Die Klavierbegleitung ist zunächst durch die fallenden Sechzehntel-Figuren für mein Empfinden sehr gleichmäßig aufgebaut; die Bewegung kann ich nur mit „Von unten steil nach oben steigend – wie in einem ,Höhenflug‘ und dann wieder gleichmäßig fallend“ umschreiben – wie ein Ideal, das immer wieder auf die Erde zurückgeholt wird (wahrscheinlich eine recht abseitige Interpretation, aber ich höre es so!).


    Diese strenge Rhythmik wird in dem langen Nachspiel (wohl eines der längsten in den Liedern der „Dichterliebe“) so aufgelöst, dass es (zumindest für mich) eher den Eindruck eines Vagen, Unbestimmten hat – obwohl das offene Ende, mit dem uns die Gesangsstimme zunächst zurücklässt, am Schluss des Nachspiels wieder auf den Grundton zurückgeführt wird. Also ist das, was zunächst so gleichmäßig erscheint, durch das offene Ende der Singstimme unbestimmt und wird durch das scheinbar so vage kunstvolle „Durcheinander“ des Nachspiels erst wieder zu einem harmonischen Ende gebracht?


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Petra, ich bin sehr froh und dankbar , das du diesen Thread weiterführst. :yes:


    Das besagte Lied gehört auch zu meinen liebsten Stücken aus der Dichterliebe,ich vergleiche es von der Stimmung und Atmosphäre gerne mit "Hör ich das Liedchen klingen" .


    Ich möchte Deiner ausfühlichen Besprechung im Moment nur ganz kurz eine sehr wichtige Parallele hinzufügen:


    Am leuchtenden Sommermorgen wird im Nachspiel der Dichterliebe wieder aufgenommen.
    Das gibt diesem Lied eine ganz besondere Bedeutung und ich würde gerne herausfinden, worin diese Bedeutung besteht.


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy,


    danke für diese Ergänzung, die ich auch für sehr wichtig halte. Ich habe mir das letzte Lied, in dessen Nachspiel diese Parallele auftaucht, noch einmal angehört und angeschaut: Nach der Singstimme wird das Nachspiel zu dem "leuchtenden Sommermorgen" anzitiert (und es erfolgt auch ein Wechsel vom 4/4 in den 6/4 Takt), dann kommt jedoch wieder ein "festeres", bestimmteres Motiv und zum Schluss wieder ein Anklang an die Elegie des "Sommermorgens".


    Die Bedeutung würde mich auch interessieren: Vielleicht ein Anklang an das "alte" Thema der Romantik mit Schmerz, Wehmut und Melancholie, das in dem "bestimmteren" Folgemotiv zwar verworfen wird, sich aber ganz leise am Schluss wieder hineinschmuggelt? Also ich finde, dass Schumanns Doppelbödigkeit der Heines hier nicht nachsteht :faint:.


    Liebe Grüße
    :hello: Petra

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Liebe Petra,


    das ist eine schlicht phantastische Vorstellung des "Sommermorgens". Hab ganz herzlichen Dank dafür! Möchtest Du noch auf einige "Musterinterpretationen" eingehen, die Dir besonders zusagen?


    Herzlich grüßt Dich



    Christian



    PS: Ich werde dann bald zur Weiterführung schreiten, ich muß meinen Text nochmal durchgehen.

  • Liebe Petra, ich phantasiere mal so vor mich hin: könnte die grosse Bedeutung dieses Lieds für das Ende des Zyklus mit dem letzten Satz zusammenhängen?
    "Sei unsrer Schwester nicht böse, du trauriger, blasser Mann"


    Der traurige, blasse Mann spiegelt sich für mich eindeutig in der melancholisch-elegischen und ganz und gar undramatischen Musik des Nachspiels-im Gegensatz zum letzten Lied!!!!!


    "Sei unsrer Schwester nicht böse" könnte evtl eine Endaussage und Extract der ganzen Dichterliebe sein.?


    Das Ende im Klaviernachspiel ist weder aggressiv, noch verzweifelt noch vollkommen hoffnungslos und leer.
    M.E. lässt dieser Zyklus durch sein Nachspiel die Möglcihkeit einer inneren Versöhnung des lyrischen Ichs und vielleicht sogar ienen Neubeginn an leuchtenden Sommermorgen der Zukunft offen. Letzteres ist nun sehr gewagt, aber nciht ausgeschlossen.


    Die Liebe soll zwar begraben werden, aber das Klaviernachspiel evoziert ganz Anderes, nämlich eben den Sommermorgen.


    Unser liebender Dichter ist kein Winterreisender und auf ihn wartet kein dem Tode geweihter Leiermann.
    Er geht vielmehr zur Sehnsiucht, Wehmut und Melancholie zurück-das endgültige Begraben der Liebe scheint zu scheitern.
    "Sei unsrer Schwester nicht böse" kann als Quintessenz auch heissen: Das ist der Lauf der Welt, der Lauf der Liebe und die Geliebte hat genausowenig Schuld an alledem wie eine Blume.
    Petra hat oben die Bedeutung der Frau als Naturwesen ja bereits sehr schön dargelegt. Schumann selbst hat Heines diesbezüglcih deutlichstes lied "Du bist wie eine Blume" in ganz wunderschöner Weise vertont. Der Vergleich Frau und Blume wird dort auf die Spitze getrieben.


    Du bist wie eine Blume
    so schön und hold und rein
    Ich schau dich an
    und Wehmut schleciht mir ins Herz hinein.


    Mir ist als ob ich die Hände
    aufs Haupt dir legen sollt
    betend dass Gott dich erhalte
    so rein und schön und hold


    Die Lieder, in denen Frauen mit Blumen vergleichen werden, sind Legion.


    Blumen haben keinen anderen Zweck als schön zu sein, zu duften und die Menschen zu erfreuen. Moral- oder gar Schuldbegriffe haben da keine Geltung
    Dazu könnte man noch Einiges aus verschiedenen Blickwinkeln sagen, ncith zuletzt auch aus Feministischen...... :D


    Ein bisschen ungeordnet, aber das liegt nicht nur an meinem assoziativen Suchen sondern auch daran, dass in Schumanns Musik so viel Geheimnis steckt, dass sich kaum oder gar nicht in Worte fassen lässt.


    Das für mich geheimnisvollste Lied "Ich hab im Traum geweinet" haben wir ja noch vor uns und ich freue mich serh, dass unser Grande sich dessen annehmen wird!


    Fairy Queen

  • Auch ich bin begeistert von Deiner Vorstellung, Petra! So unaufdringlich und gekonnt hat hier noch niemand die Mitte zu halten vermocht zwischen dem eignen Eindruck und dem, was man so lesen kann.
    Schließlich danke ich Dir, daß Du das substantivierte Pronomen "Ich" im Gen. nicht sichtbar flektiert hast (Erleichterung!) ;)...


    Nur ganz rasch erste Gedanken zu Deinen Ausführungen:


    a) Das "Frauenbild" scheint mir besonders in diesem Lied ein völlig verzweifeltes zu sein. Ich glaube, daß Du mit Deiner generellen physischen Determiniertheit des Lebewesens Frau schon in die richtige Richtung gehst, würde sogar nicht zögern, noch weiter zu mutmaßen.


    Dieser "Frau" kommt lediglich - wie eben Blumen - noch dekorative Bedeutung zu, und man muß sich fragen, ob das vor den Enttäuschungen mal anders war?


    Was will er denn eigentlich von seiner Frau, der traurige, blasse Mann? Die Versöhnung der Gegensätze (Natur und Kunst, Leben und Denken, Frau und Mann) wird kaum durch ständiges, in der immer iterierten Nachempfindung zusätzlich vertieftes Rumtrauern zu erwirken sein.


    Wenn denn "die Frau" nun wirklich zauberisches Naturwesen mit Schlüsselgewalt zur Weltformel sein sollte (was ich nicht glaube, dazu ist das Bild von Frau hier viel zu rudimentiert), warum bekümmert sich unser Bleichgesicht so wenig um die Gute, warum kreist er nur um die eigenen Gefühle und fragt nicht nach ihren, sagen wir mal, "alternativen Einsichten", "körperlichen Wahrheiten" oder wie immer man dergl. aus angefochtner männlicher Sicht benennen sollte, sondern schmort im selbstgewirkten Saft einer billigen Beziehungskiste? Hm?


    b) In Vers 3, bei "flüstern und sprechen", scheint mir Steigerung vorzuliegen, die stark vom Ich perspektiviert ist: Ein Geräusch (das Rascheln der Blätter im leichten Morgenwind etwa) wird gleich personal konnotiert ("flüstern") und alsbald sinnhaft ausgelegt ("sprechen"). Ein Flüstern ist nur eine Äußerungsform, ein Sprechen scheint unser "Ich" nachgerade verstehen und deuten zu können...


    Die Neuaufnahme dieser Wendung in Vers 5 spiegelt den Qualitätssprung und zeigt, daß sich hier etwas tut.


    c) Vers 6, bei "mitleidig", liegt in der Komposition eine deutliche und sicher für jeden Ersthörer zunächst recht schmerzlich empfundene Tonbeugung vor: "mit-léi-dig", heißt es da, durch Notenwerte vermittelt. Sollte sowas ohne Grund, und näher: ohne im engeren Sinne ironische Absicht geschehen sein?


    d) Das mannweibliche Urgeschlecht "der" Romantik, das Du anführst, Petra, läßt sich in der abendländischen Literatur auf Platons Symposion zurückverfolgen. Dort wird dem Komödiendichter Aristophanes ein skurriler (und wohl auf orientalische, genauer babylonische Quellen verweisender) Mythos in den Mund gelegt, nach dem das Menschengeschlecht zunächst aus kugelförmigen Individuen bestand, welche in zwei Hälften aufgespalten wurden (sie hatten praktischerweise schon vorher zwei Gesichter, acht Gliedmaßen u. dergl.). Seitdem sucht jeder seine zugehörige Hälfte (übrigens auch Männer Männer und Frauen Frauen)...


    Keine Ahnung, ob dieser Strang verfolgenswert erscheint. Du hast ihn aufgebracht, liebe Petra, vielleicht kannst Du aus der Romantik noch Beispiele bringen? Immerhin ist in diesem Motiv vieles zu finden, was den inhaltlichen Kern der Dichterliebe-Sache angeht, gar nicht so unergiebig vielleicht...



    Ich gehe weiter von der generellen ironischen Durchstrukturiertheit unseres Liederzyklusses aus, und freue mich, daß Petra das sehr ähnlich sieht.



    Alex.

  • Liebe Petra,
    Kompliment ! Zwei Anmerkungen aus der sängerischen Praxis :
    Genau genommen, besteht für jeden Sänger dieses Zyklus` die größte Herausforderung darin, während der oft "meterlangen " Nachspiele Konzentration, Körperspannung und sichtbare emotionale Beteiligung zu bewahren. Das längste Nachspiel ist natürlich das des letzten Liedes
    ( fast zwei Minuten, die zur Ewigkeit werden... ).
    Es gibt mindestens zwei Stellen in diesem Zyklus, Ironie hin, Ironie her, die den Interpreten geradezu herausfordern, sein innigstes, berührendstes Piano hören zu lassen - " ich liebe dich " ( Nr. 4 ) und " sei unsrer Schwester nicht böse, du trauriger, blasser Mann. "


    Ciao. Gioachino :hello:

    MiniMiniDIFIDI

  • Lieber Graf ,ich bin erfreut, dass sich einige unserer Gedanken doch tatsächlich gekreuzt haben!


    Dazu hier noch einige Anmerkungen und hoffentlch weitere Diskussionsanregungen .


    Ich beginne mit d), dem platonischen Kugelwesen-Mythos.
    Mir gefällt diese Vorstellung schon von jeher besodners gut, weil sie alle Liebes-Konstellationen einschliesst und hetero- wie homosexuelle Beziehungen in der Naturgegebenheit ansiedelt.
    Impliziert wird mit diesem Bild natürlich, dass es nur einen EINZIGEN passenden Partner im Universum geben kann-der von dem man einstens getrennt wurde.
    Das zu verifizieren, fällt mir doch recht schwer. ......
    Viele schienen ihn nie zu finden, Andere wiederum sind schon beim Dritten, den sie wie den Ersten und Zweiten für den einzig Rcihtigen halten......


    Wie dieser Mythos mit dem romantischen Weltbild und Frauenbild zusammenhängt, habe ich aber aus Deinem Beitrag noch nicht verstanden.
    Der Kugelwesen-Mythos impliziert für mich viel eher eine Gleich-wertigkeit udn Gleich-Spezifität der Geschlechter, während in den Punkten a) und b) die Frau eher als Naturwesen im Gegensatz zum Mann erscheint.
    Petra, du und ich haben das Kreatürliche und damit moral-und schuldfreie der Frau als BLUMENSCHWESTER benannt.
    Die darin enthaltenen weitergehenden Konnotationen (die auch eine grosse Bedeutung in romantischer und SPÄTromantischer Literatur und Kunst haben) im Bezug auf die Liebesfähigkeit bzw deren NICHT-Vorhandensein möchte ich anhand eines Liedes zeigen.
    Dieses Lied hat nichts mit Schumann oder Heine zu tun, aber sehr viel damit, wie es einem liebenden Dcihter-Mann ergehen kann, wenn er nciht rechtzeitg erkennt, dass Frauen ncihts als Blumen und Naturwesen sind.
    Ich weiss leider nciht, von dem das Lied ist.Es steht autorenlos in meiner privaten Gedcihtesammlung.


    Melusines Lied
    O Guy von Lusignan, ich seh's dir an
    Unglücklich willst du werden.
    Was willst du Mann?
    du willst von mir , was ich nciht geben kann!


    Ich fasse die Beschwerden,
    die unheilbaren, nciht, davon du brennst
    nur die Gebärden
    Seh ich, sosnt ncihts, untröstlich Kind der Erden.


    Ich bin, wie du mich kennst
    das lebt nciht hinter mir, wonach du lüstest
    Wenn du begännst,
    danach zu greifen, griffest du Gespenst.


    Kein Weg bei mir zu stehn
    Ging tiefer als durch Wonnen Mund auf Mund
    ins Tiefre gehn
    Nur Stürze tauben Steins in meine Seen.


    Dass mich's noch einmal triebe
    zu Dir! Da warst du froh und rot und rein
    Nun bist du Stein, nun bist du weiss wie Lein
    weil du mich liebst und weil ich dich nciht liebe.


    O Guy von Lusignan, ich seh's dir an
    Du schluchzest in der Kehle
    Geh beichten Mann!
    du willst von mir, was ich nciht geben kann!


    Gleich einem Meerjuwele
    fischtest du mich zu Dir und ich gewann
    dich frischen Brand in meinen kalten Bann
    Mehr weiss ich nciht, was frommt's, dass ich mich quäle?


    O Guy von Lusignan
    Ich geb's je keinem, was ich vor dir hehle
    Nur Mund und Leib will ich an jeden Mann
    Verschenken, dass er mir von dir erzähle


    Vielleicht es spûrt's kein Andrer, was mir fehle?
    Der fischer nicht? Der Jäger nciht im Tann?
    O Guy von Lusignan-
    Stirb nciht daran! Ich habe keine Seele.



    Fairy Queen

  • Herzlichen Dank für alle Eure Anregungen und Komplimente zu meinem Beitrag, ich freue mich sehr darüber, dass er Euch gefällt! Es ist ein sehr eigenwilliges und doppelbödiges Lied und meine Begeisterung für derartige Poesie hat mir da wohl die Feder (oder die Tastatur) geführt :angel:


    Leider habe ich im Moment tagsüber kaum Zeit, hier hereinzuschauen, darum bitte ich um Nachsicht, wenn es mit meinen Antworten manchmal etwas länger dauert.


    Lieber Christian,


    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore:


    Möchtest Du noch auf einige "Musterinterpretationen" eingehen, die Dir besonders zusagen?


    auch wenn Peter Pears zu meinen Lieblingssängern gehört, schätze ich nicht alle seine Interpretationen gleichermaßen, aber gerade in diesem Lied ist mir seine Version die liebste, nicht zuletzt auch wegen der kongenialen Begleutung durch Benjamin Britten.


    Pears beginnt mit einer (still) leuchtenden Stimme zu singen und wechselt im zweiten Vers die Farben ins Dunkle und Abgründige. Auch das „Stumme Wandeln“ und die ganze weltferne Verlorenheit, die ja auch in Selbstmitleid umschlagen kann, macht er stimmlich deutlich. Und die weltentrückte „Blumensprache“ höre ich auch beim ihm am eindringlichsten. Eine sehr zarte, elegische Version, bei der ich aber auch ein wenig schmerzliche Abgründigkeit heraushöre. Und da er seine Stimme hier nicht ins Dramatische überstrapazieren muss, klingt auch sein Timbre weniger eigenwillig als in manchen anderen Liedern.


    Lieber Alex,


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl:


    Dieser "Frau" kommt lediglich - wie eben Blumen - noch dekorative Bedeutung zu, und man muß sich fragen, ob das vor den Enttäuschungen mal anders war?


    die „dekorative Bedeutung“ sehe ich hier ganz genau so, und wenn man überlegt, dass sie in einem der vorherigen Lieder „ihm selber“ Rose, Lilie, Taube und Sonne war, also sehr stark mit religiösen Symbolen verknüpft wurde, ist hier doch ein starker Wandel zu beobachten, was ja auch zu der These des Aufrufens von unterschiedlichen Möglichkeiten zur Verarbeitung der Enttäuschung passen würde – siehe „Ein Jüngling liebt ein Mädchen.“


    Zitat

    Wenn denn "die Frau" nun wirklich zauberisches Naturwesen mit Schlüsselgewalt zur Weltformel sein sollte (was ich nicht glaube, dazu ist das Bild von Frau hier viel zu rudimentiert) ...


    Das zauberische Naturwesen sehe ich auch eher in den romantischen Frauenbildern und meine ja auch, dass es hier sehr viel biologisch-determinierter zugeht: eine bloße Naturschönheit, eher leer als transzendent. Daher sehe ich den sommerlichen Blumengarten auch in starkem Kontrast zu unserem traurigen Romantiker.


    Zitat

    ... warum bekümmert sich unser Bleichgesicht so wenig um die Gute, warum kreist er nur um die eigenen Gefühle und fragt nicht nach ihren, sagen wir mal, "alternativen Einsichten", "körperlichen Wahrheiten" oder wie immer man dergl. aus angefochtner männlicher Sicht benennen sollte, sondern schmort im selbstgewirkten Saft einer billigen Beziehungskiste? Hm?


    Eben, deshalb meine ich auch, dass hier so etwas wie eine Karikatur des Romantikers oder des romantischen Ideals vorliegt.


    Zitat

    Zitat: Vers 6, bei "mitleidig", liegt in der Komposition eine deutliche und sicher für jeden Ersthörer zunächst recht schmerzlich empfundene Tonbeugung vor: "mit-léi-dig", heißt es da, durch Notenwerte vermittelt. Sollte sowas ohne Grund, und näher: ohne im engeren Sinne ironische Absicht geschehen sein?


    Gehört hatte ich auch, dass es hier "knirscht", aber über einen weiteren Schritt gar nicht nachgedacht. Das würde aber auch wunderbar zu dem um sich selbst kreisenden Romantiker passen – so viel Selbstmitléid, dass sich sogar die (Ton)sprache seiner Perspektive anpasst.


    Zum Kugelwesen-Mythos fällt mir ein Beispiel aus der schwedischen Romantik ein:
    Protagonistin des Romans „Drottningens Juvelsmycke“ von Carl Jonas Love Almqvist ist Tintomara, ein zartes, wohl weibliches, aber androgyn wirkendes Wesen, das sich ganz der Kunst verschrieben hat, aber das Objekt von vielerlei Begehr ist: Personen beiderlei Geschlechts verlieben sich in sie und sehen sie, je nach der Perspektive, die ihnen opportun erscheint, als jungen Mann oder junge Frau. Sie wird am Schluss der Geschichte des Romans (der noch ein Nachwort hat, in dem einiges aufgeklärt wird) in einer angeblichen „Scheinexekution“ getötet – in die Reihe der Soldaten hat sich ein eifersüchtiger Liebhaber gemischt, der sie wirklich erschießt.
    Diese Szene endet dann auch mit einer Beschreibung des Rauchs, der sich in der Luft auflöst - auch hier keine tröstliche, sondern eine „leere“ Transzendenz.


    Der Kugelwesen-Mythos wird in diesem Roman in satirischer Form vorgeführt: Zwei Gelehrte (ich meine aus der Erinnerung, es sind Ärzte) unterhalten sich über das mysteriöse androgyne Wesen, das schon einige junge Leute aus der Stadt ins Unglück gestürzt hat. Und der eine erzählt mit aufgesetzter Gelehrsamkeit den Mythos über das Urgeschlecht, den es bei „den Alten“ gegeben habe.


    Die Theorie von der starken Polarität der Geschlechter passte ja eigentlich sehr gut in das triadische Geschichtsmodell der Romantik und wird z. B. auch in Schlegels „Lucinde“ sehr stark bedient, um auf der Metaebene die Geburt der „kleinen Wilhelmine“, die man als Allegorie für ein Kunstwerk sehen könnte, zu verdeutlichen.


    Das Weibliche wurde da zwar sehr glorifiziert, aber auch in seinem "ureigensten" Bereich: die Frau als „Königin der Nacht“, die mit ihrer Wärme und Phantasie Inspirationsquelle ist und den klaren, logischen, eher in der Distanz lebenden Mann bereichert. Die Blumenfrau in diesem Lied geht aber auch meiner Meinung nach über derartige Mystifizierungen hinaus ins rein Biologische.


    Liebe Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen:


    Das Ende im Klaviernachspiel ist weder aggressiv, noch verzweifelt noch vollkommen hoffnungslos und leer.
    M.E. lässt dieser Zyklus durch sein Nachspiel die Möglcihkeit einer inneren Versöhnung des lyrischen Ichs und vielleicht sogar ienen Neubeginn an leuchtenden Sommermorgen der Zukunft offen. Letzteres ist nun sehr gewagt, aber nciht ausgeschlossen.
    Die Liebe soll zwar begraben werden, aber das Klaviernachspiel evoziert ganz Anderes, nämlich eben den Sommermorgen.


    das „Begraben“ der „alten, bösen Lieder“ hat für mein Empfinden einen trotzig-pathetischen Duktus, ähnlich der gespielten Munterkeit in Nr. 11. Es erscheint mir als eine weitere „Bewältigungsstrategie“, die aber im Nachspiel des letzten Liedes zumindest zitatweise wieder unterlaufen wird (und ich vermute, dass dieses Unterlaufen mit seinem kleinen Nachklang am Schluss vielleicht sogar das letzte Wort behält). Ob es eine Geste der Versöhnung ist? Das ist meiner Meinung nach ebenso offen wie dieser Schluss, der mehrere Deutungen zulässt. Vielleicht auch nur ein leises, schmerzliches Sichabfinden mit der Realität nach dem Motto: Es ist wie es ist, wir haben keine bessere Welt. Also Resignation statt zur Versöhnung ausgestreckte Hand.



    Lieber Gioachino,


    Zitat

    Original von Gioachino:


    Es gibt mindestens zwei Stellen in diesem Zyklus, Ironie hin, Ironie her, die den Interpreten geradezu herausfordern, sein innigstes, berührendstes Piano hören zu lassen - " ich liebe dich " ( Nr. 4 ) und " sei unsrer Schwester nicht böse, du trauriger, blasser Mann. "


    ich sehe gar keinen Gegensatz zwischen der Ironie und der berührenden Darstellung der von Dir aufgezeigten Stellen, die auch ich zu den ergreifendsten in diesem Zyklus zähle. Es ist eben kein Sarkasmus, kein Hohn oder Spott, der hier zum Ausdruck kommt, sondern: wenn Ironie, dann eine leise, schmerzliche und auch innige, die sehr ergreifend wirken kann – und ich kann mir vorstellen, dass diese Pianostellen, die ja singend fast geflüstert werden, für den Sänger eine große Herausforderung sind!


    Liebe Grüße
    :hello: Petra

  • Von Heineforschung weiß ich nichts zu sagen,
    ich höre nur, wie sich die Sänger plagen...



    Ich hab' im Traum geweinet


    Ich hab' im Traum geweinet,
    Mir träumte, du lägest im Grab.
    Ich wachte auf, und die Träne
    Floß noch von der Wange herab.


    Ich hab' im Traum geweinet,
    Mir träumt', du verließest mich.
    Ich wachte auf, und ich weinte
    Noch lange bitterlich.


    Ich hab' im Traum geweinet,
    Mir träumte, du wärst mir noch gut
    Ich wachte auf, und noch immer
    Strömt meine Tränenflut.




    Schon vieles ist im Laufe des Threads gesagt und angedeutet worden. Die Schumann'sche Interpretation der Heine-Vorlage scheint mir vornehmlich geprägt vom romantischen Klischee des Auf und Ab, ähnlich der Kreisleriana (auch schon mehrfach erwähnt). Die Kontrastierungen innerhalb der vom Komponisten vorgenommenen Reihung wirken in Bezug auf das lyrische Ich zerrissen, abgründig und stimmungsschwankend, weisen aber womöglich in nuce auf die bei Heine anklingende zweitrangige Bedeutung des menschlichen Treibens (siehe: Am leuchtenden Sommermorgen, Ein Jüngling...) und das perpetuum mobile der allein vom Individuum als peinigend wahrgenommenen Gesetzmäßigkeiten des Weltenlaufs: Die Fortsetzung der Sinuskurve ist ohne größere Brüche denkbar, in diese Richtung würde ich auch das Nachspiel zu "Die alten, bösen Lieder" deuten (im Sinne: Dem gesprochenen Worte zum Trotz wird wohl die Liebe nicht so recht abgesenkt, es wird schon eine andere kommen).


    Aus dieser Perspektive ist ein Herauslösen des einen oder anderen Stücks nur bedingt möglich, der reflexive Bezug innerhalb des Zyklus sehr stark. Ich würde daher auch nur sehr vorsichtig mit der Aussage umgehen, Schumann habe Heines Ironie und Doppelbödigkeit auf ein Paradigma romantischen Überschwangs reduziert (so etwa in Kindlers Literaturlexikon). Allein der gewählte Titel zeugt bereits von einer spezifischen Non-Identifikation: So liebt der Dichter, nicht der Mann. Die diversen Topoi des Unvermögens weisen m. E. auf die Auseinandersetzung mit dem romantischen Sujet, die bei Heine wohl beabsichtigt ist. Die Titelwahl ist daher programmatisch für Schumanns Heine-Verständnis.
    Die verschiedenen von mir durchgehörten Aufnahmen bestätigen, so denke ich, den Variantenreichtum, der sich in Schumanns Vertonung findet. Eine ehrlich gefühlsbetonte Interpretation ist dabei ebenso denkbar wie eine satirische, gleichberechtigt dazu alle dazwischenliegenden Ansätze.


    "Ich hab' im Traum geweinet" wirkt zunächst als düsteres, fahles Pendant zu "Aus meinen Tränen sprießen" (siehe FQs Hinweis auf die Transposition); aufgrund der chronologischen Inversion der aufeinander bezogenen Stücke entsteht so eine tatsächlich zyklische (und also relativierende) Deutungsmöglichkeit: Das Vergehen und Entstehen als organischer Kreislauf, als Naturgesetz.
    Ein weiterer direkter Bezug scheint bereits semantisch "Allnächtlich im Traume", wo allerdings der zwar ebenfalls der Bewältigung dienende, dabei aber ephemere Traum, der oberflächlicher, satirischer wirkt, thematisiert und das Scheitern in fast drolliger Weise musikalisch untermalt wird – eine heiter-grimmige Version.



    Der raffiniert kontrastive Aufbau – scheinbar abnehmende Schwere des Anlasses, scheinbar zunehmende Trauer – evoziert bei mir verschiedene Sinnebenen:


    1. Individuum, lyrisches Ich: Kummer und Bemühen um Verarbeitung im Traum, Übermannung durch Bitternis


    2. Ebene des "Analysten", auctoriale Perspektive: bewußt ausgestelltes Selbstmitleid, verbale Inadäquanz (Parallele z. B.: "das Wort hab ich vergessen", Eichendorff – kennst du nur das Zauberwort; Goethe – hab ich doch das Wort vergessen), Ringen um Ausdruck, vornehmlich verletzter Stolz (durch die eigenartige Reaktion, die der scheinbar abnehmende Anlaß hervorruft)


    3. "olympische Perspektive": Lächerlichkeit der Figur (erneut), durch plakatives Pathos vorgeführt, Brechung der Romantik, Hyperbel als zwanghafte Stilfigur der unausweichlichen Spirale, kontrastiert durch die Monotonie und verhaltene Rhythmik der Klavierstimme, Grabesatmosphäre, Gefühlsausbruch zum Ende, durch sardonischen Schluß sofort wieder gebrochen (melancholischer Tanzrhythmus, auch Abschluß).




    Darüber hinaus bleibt auch das Spiel mit der Tränenkonnotation zu beachten: Bewältigung und Veräußerlichung (etwa im Volksmärchen); zyklisches Neuerschaffen (siehe "Aus meinen Tränen sprießen" u. "Ein Jüngling"), zielend auf die Relativierung menschlichen Unglücks; Heilung; natürlich sind bei Heine auch (und hier würde die Vertonung abweichen) Freudentränen denkbar, ich halte dies jedoch für eher abwegig. Schließlich der Aspekt der im Zyklus wesentlichen Mokanterie über die Überhöhung des Weinens und dessen Nobilitierung in der Romantik: "Perlentränentröpfchen" (etwa "Die Gänsehirtin am Brunnen", selbst ironisch kommentiert von Wilhelm Grimm)! Das Artifizielle des romantischen Kunstmärchens findet hier seine maliziöse Brechung (s. Heine selbst über das Buch der Lieder: "lyrisch-maliziöse Manier", "ganz und gar durchdrungen von einem geistigeren Element, von der Ironie").


    Die "nihilistische Pointe", von der bereits die Rede war, sehe ich weniger im nur vordergründigen Paradoxon, daß selbst das Ersehnte nichts als Tränen zur Konsequenz hat –ich tendiere zur Interpretation, daß hier so kohärent wie larmoyant über den Schmerz der verlorenen Wonne geklagt wird –, sondern in der die Ebene des übermenschlichen Betrachters amüsierenden Unzulänglichkeit menschlichen Strebens und Sehnens.



    Zu drei Aufnahmen, die aus meiner Sicht ein großes Spektrum möglicher Interpretationsansätze abdecken:


    Tauber/Kahn 1935: Unnachahmliche Stimmführung, mit wütender Exklamation zum Ende. Brillante pianissimo-Effekte, mit beinahe flirrender Stimme, wunderbare Flexionen. Dur-Wechsel auf "gut" großartig intoniert, dabei akzentuiert. Keine Resignation, eher Balance aus Wehmut, schwelgerischer Rückbesinnung und Aufwallung. Die Tauber'sche Eigenart der Vokaleinfärbung kommt bei "Tränenflut" exemplarisch zur Geltung; fast schon zum Umlaut gerät das nasale "u" und erlaubt diverse Interpretationsansätze: reflektierte Ironisierung oder Ausbruch des physisch realisierten Schmerzes. Anzumerken ist, daß Tauber den ganzen Zyklus nie eingespielt hat, 6 Lieder sind in den 20er Jahren aufgenommen worden (mit der grandios gesungenen Version von "Ich grolle nicht": meisterhafte Intonation, felsenfest und sicher, welch ein Ausbruch auf dem A, welche Kunst der Nuancierung! Da habt Ihr sie also, meine Lieblingsinterpretation!), "Ich hab' im Traum geweinet" als Solitär im Jahr 1935, eben mit Percy Kahn.


    Schiotz/Moore 1946: Zurückhaltend und schlackenlos gesungen, natürlich und doch melancholisch gefärbt. Sängerisch von größerer Vollkommenheit als FiDi, auch wenn einige Aufschwünge nur knapp gelingen. Bei aller Noblesse vermisse ich die möglichen Ambivalenzen. Sehr zurückhaltende, die Stimme in den Vordergrund stellende Begleitung.


    Fischer-Dieskau/Eschenbach 70er (ich glaube, 1972, muß nochmal nachsehen): Rein gesanglich tauchen einige übliche Probleme auf, wie Schwächen in der Tiefe, hauchige Tonproduktion, didaktische Deklamation etc. Aber (und this is a big "but"): Das Schweben zwischen den Ebenen, die Ambivalenz des Textes vermag Fischer-Dieskau durch teils übermanieriertes Singen insgesamt optimal umzusetzen (man höre: Ich liebe die reine, die kleine, die feine...): Ein großartiger Zyklus, wenngleich einzelne Lieder mir von anderen Interpreten mehr zusagen. Zu "meinem" Lied: Das Lamento ist gekonnt überzeichnet, so ergibt sich eine Dichotomie zwischen Interpret und Text (das plastisch gemachte paradoxe du comédien), die mir hier am richtigen Platze scheint. Eschenbach begleitet mir manchmal zu laut, dieses Lied aber setzt er besser in Szene als alle mir bekannten Klavierpartner, indem er besonders die verhaltene Rhythmik inszeniert.

  • Lieber Grande Inquisitore, danke für diesen Beitrag, der mir besonders gut gefällt, weil er vielfältige Deutungen offenlässt und Raum gibt.


    Ich habe mit diesem Lied ein besonderes Problem, weil es für mein Empfinden die Diskrepanz zwischen Schumann und Heine besonders stark spielgelt-dass ich mit dieser Meinung alleine stehe, weiss ich allerdings auch.
    Die Diskussion eben darüber gab es schon zu Beginn dieses Threads(sie hat überhaupt erst dieses Projekt in Gang gebracht) und ob sie nochmal neu aufgerollt werden soll, weiss ich nciht so Recht.
    Wie ihr wollt, ich dränge mich da ungern auf und bin ja auch wie gesagt, alleine damit.


    Das hier vorliegende Lied steht für mich am Beginn der Dreierreihe "Traumbewältigung" - noch lange vor Freud oder C.G Jung.
    Die Strategie, diese unglücklcihe, weil einseitgie lLebe zu überwinden, verlagert sich ins Unbewusste und damit in eine Welt, die logischen Argumenten und Motiven zum Teil entzogen ist.
    Die beiden folgenden Lieder finde ich daher auch sehr schwierig zu interpretieren udn verstehe manches noch immer nciht ganz.


    Natürlich bestreite ich nicht, dass sich hier auch die Romantik mit sich selbst auseinandersetzt und das Ironiekonzept Heines im Hinblick auf Reflektion von "Dichter- Seelchentum" beschreibst du ja bereits sehr treffend.


    Ganz wichtig auch , was du zu den innerzyklischen Verbindungen sagst-die sind mir im Laufe der Wochen immer klarer geworden.
    Die Verbindung zwischen der Nummer 2 in A-Dur und dieser Nummer in es moll sind die verdunkelten Tränen udn der übergang vom Wachen und vom Tag in den Traumzustand und die Nacht.
    Für mich hat das psychologisch eine grosse Bedeutung, zumal die Melodiezeile "Aus meinen Tränen spriessen" und "Ich hab im Traum geweinet" ja identisch ist.
    "Und wenn Du mich lieb hast Kindchen?", die bange aber noch hoffnungsvolle Frage ist nun endgültig verneint und zurück bleibt bitterer Schmerz, der ins Sarkastisch-Zynische übergeht.
    Der Dichter und sein Alter Ego der Sänger, steht hier nackt und bloss , denn das Klavier hat nur düstere Akkorde zu einer a capella-Klage anzubieten.
    Die Musik schweigt, der Schmerz steht für sich selbst und hat keine romantische Untermalung mehr. auch Totenklagen haben niemals Klavierbegleitung.
    Vor allen Dingen in dieser musikalischen Entäusserung und Entblössung sehe ich , dass Schumann den Schmerz hier sehr ernstnimmt.
    Für mich das dunkelste und verzweifelste Lied dieses Zyklus.



    Was die folgenden Nummern angeht, wären nun noch Chorknabe und der Graf Wetter und ich auf der Liste. Chorknabe hat sich schon vor Wochen wegen Prüfungen, Reisen etc abgemeldet.
    Wer möchte die Nummer 14 "Allnächtlcih im Traume" übernehmen?


    Ich gehe bis auf Widerruf davon aus und hoffe , dass mit der Nummer 15 dann der Graf uns die Ehre geben wird.


    Fairy Queen


    Zu Einspielungen sage ich selbst ausführlich am Ende dieses Threads etwas- im Gegensatz zum Graf gefällt mir FIDI hier in diesem Lied überhaupt nicht.

  • Liebe Liedfreunde,


    wenn ich auch ein bisschen interpretieren darf: Ich finde eigentlich an der Textaussage nichts paradox, allenfalls ist die Gegenüberstellung "scheinbar abnehmende Schwere des Anlasses - scheinbar zunehmende Trauer" subtil ironisch: aber für den Protagonisten ist es doch tatsächlich nur ein kurzes Weinen, eine heilbare Trauer, wenn die Liebste nun im Grab liegt. So steht ein Neubeginn für ihn bevor.
    Hingegen finde ich den Gedanken des "Einander-noch-Gutseins" nach dem Schmerz, den die Geliebte dem Dichter zugefügt hat, wirklich schlimm: die Diskrepanz zwischen der Realität und dem (Wunsch-)Traum ist die größte, durch das Träumen werden die Wunden wieder aufgerissen, die Sache kann nicht zur Ruhe kommen, eine Trauerarbeit kann nicht stattfinden. Die Erinnerung ist hoffnungslos und hoffnungsraubend.


    Hier ist der Protagonist meiner Meinung nach von der Überwindung des Abgewiesenwordenseins so weit entfernt wie vorher und nachher nie mehr.


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Man sollte natürlich bedenken, daß die Texte von Heine sind und ironisch daherkommen. Schumann hat ja nur eine Auswahl aus diesem "Buch der Lieder" in der Dichterliebe vertont. Aber die Verantwortung für den Inhalt der Gedichte, liegt ausschließlich bei Heinrich Heine.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nummer 14 hatte ich schon übernommen und kommt auch, aber erst einmal mein :jubel: für die letzten beiden Interpretationen. Zur letzten möchte ich mich auch noch äußern, muß das Lied aber noch ein bischen hören, um mir klar zu werden, ob auch in diesem Lied die Unterscheidungen, die viele hier, wie auch ich, bereits getroffen hatten, zwischen Heines Ironie und der sehr eigenen Schumanns trägt. Petra hat dies m.E. für ihr Lied gut zeigen können. Auch im Folgenden kann ich ihr zustimmen:


    Zitat

    Petra:ich sehe gar keinen Gegensatz zwischen der Ironie und der berührenden Darstellung der von Dir aufgezeigten Stellen, die auch ich zu den ergreifendsten in diesem Zyklus zähle. Es ist eben kein Sarkasmus, kein Hohn oder Spott, der hier zum Ausdruck kommt, sondern: wenn Ironie, dann eine leise, schmerzliche und auch innige


    Das gilt wohl auch für dieses Lied. Aber später mehr.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Man sollte natürlich bedenken, daß die Texte von Heine sind und ironisch daherkommen. Schumann hat ja nur eine Auswahl aus diesem "Buch der Lieder" in der Dichterliebe vertont. Aber die Verantwortung für den Inhalt der Gedichte, liegt ausschließlich bei Heinrich Heine.


    Wenn du damit meinst, man solle die Texte nur im Kontext des Heineschen "Lyrischen Intermezzos" interpretieren, muss ich dir leider widersprechen, denn die Verantwortung, welche Gedichte Schumann auswählte, und in welcher Reihenfolge er sie verwendete (die ja von Heine abweicht), liegt ausschließlich bei Schumann selbst. In meinen Augen schafft Schumann damit auch den Text in einem gewissen Grad neu, richtet ihn sich so ein, wie er ihn braucht oder haben möchte und modifiziert den Inhalt - erst recht dann durch seine Vertonung.


    Natürlich sind aber die ursprünglichen Texte Heine und teilweise ziemlich ironisch.


    :hello: Martin

  • Guten Morgen liebe Dichter und Denker,


    @Matthias


    da dieser Thread so lange brach lag, hatte ich dein Angebot für die Nummer 14 nicht mehr präsent und freue mich umso mehr! :yes:
    Weisst Du, dass es eine Vertonung dieses Gedichtes von Mendelssohn gibt, die einen ganz anderen Charakter hat?
    Dazu werden wir sicher kommen, wenn dein Beitrag fertig ist(du weisst ja, dass das überhaupt nciht eilt!!!)


    Was die Unterschiede zwischen Heines und Schumanns Behandlung der Ironie angeht, glaube ich, dass du irrst, wen Du sagst, da seien sich die Meisten hier einig. Mitnichten!
    Gerade was das derzeit aktuelle Lied "Ich hab im Traum geweinet" angeht.
    Wenn Du auf die erste Seite dieses Threads zurückgehst, wirst du sehen, dass gerade dieses Lied und seine unterschiedliche Deutung die ganze Diskussion hier in Gang gebracht hat.


    Ich war(oder bin) zeitweise ziemlich allein auf weiter Flur, was mich aber nciht weiter stört, denn ich finde kontroverse Diskussionen wesentlich interessanter und fruchtbringender.


    @ Herbert :
    Was die Heine'sche Vorlage, das lyrsiche intermezzo, angeht, fidnest du in den Einführungsbeiträgen zu diesem Zyklus einen ausgiebigen und sehr fundierten Beitrag von Klawirr nebst daran anschliessender Diskussion


    @ Philhellenne


    dass das lyrische Ich diese Liebe NICHT überwindet und gerade in diesem Lied Nummer 13 davon so weit entfernt ist wie nie zuvor, sehe ich wie du
    Schumann hat das nicht umsonst als in Teilen "A capella Lamento" vertont-siehe oben



    Fairy Queen

  • Lieber Christian, Deine Vorstellung dieses sehr doppelbödigen Liedes, das mir als eines der rätselhaftesten der „Dichterliebe“ erscheint, gefällt mir auch sehr gut, denn gerade die unterschiedlichen Ebenen, die Du hier aufgerufen hast, machen das Ganze für mich so vertrackt.


    @ alle


    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore:


    Allein der gewählte Titel zeugt bereits von einer spezifischen Non-Identifikation: So liebt der Dichter, nicht der Mann. Die diversen Topoi des Unvermögens weisen m. E. auf die Auseinandersetzung mit dem romantischen Sujet, die bei Heine wohl beabsichtigt ist.


    Den Hinweis auf den Titel finde ich ganz wichtig, denn hier kommt ja schon die Selbstreferenz und das Spiel mit den in diesem Fall romantischen Motiven zum Ausdruck. Und das zeigt sich meiner Meinung nach auch in diesem Lied. Aber wieder wie so oft bei Heine: Ironie, die den Schmerz nicht verbirgt oder ausblendet, sondern ihn mit-thematisiert.

    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore:


    Brechung der Romantik, Hyperbel als zwanghafte Stilfigur der unausweichlichen Spirale, kontrastiert durch die Monotonie und verhaltene Rhythmik der Klavierstimme, Grabesatmosphäre, Gefühlsausbruch zum Ende, durch sardonischen Schluß sofort wieder gebrochen (melancholischer Tanzrhythmus, auch Abschluß).


    Diese Monotonie ist mir zuerst im Text bei dem Parallelismus im jeweiligen ersten und dritten Vers der Strophen aufgefallen, gleichzeitig ist es ja wieder eine Gegenüberstellung zwischen Traum und Wachen. Kann man in diesem Traum vielleicht wieder ein typisches Motiv der Romantik sehen, die ja die unbewusste Seite des Menschen sehr stark betonte?
    Es ist dann gleichzeitig wiederholt das Erwachen angesprochen, also wieder – wie beim „Leuchtenden Sommermorgen“ eine Gegenüberstellung zweier Ebenen.


    Christians Hinweis auf die Begleitung hat mich erst dazu gebracht, mir die musikalische Seite noch einmal genauer anzusehen und anzuhören. Mir ist dabei erst aufgefallen, dass dieser „melancholische Tanzrhythmus“ mit seinen betonten Staccati zwar in der ersten und der zweiten Strophe auftaucht, aber in der dritten nicht und nur am Schluss wieder aufgenommen wird – sozusagen als „Nachhall“.


    Könnte man vielleicht vor allem in der ersten Strophe wieder eine Überbetonung der romantischen Motivik sehen, ähnlich wie bei dem „traurigen, blassen Mann“ im vorigen Lied? Todes- und Grabesmotivik waren ja in der Romantik sehr stark verbreitet, und die „kleine Träne“, die dem Ich die Wange herabläuft, sieht für mich wieder sehr stark nach Vorführung der Ästhetisierung romantischer Motive aus: kein großer Schmerzensausdruck, wie ja eigentlich bei einem solchen Traum zu erwarten wäre, sondern eine „vornehme Träne“, verbunden mit diesem leisen Staccato-Rhythmus in der Begleitung.

    Letzteren gibt es zwar auch noch in der zweiten Strophe, aber schon durch das Crescendo in der Singstimme bei „Ich wachte auf“ wird der Ausdruck auch beim Hören für mich hier stärker, unmittelbarer.


    Und in der dritten Strophe ist von diesem „hüpfenden“ Rhythmus nichts mehr zu hören, das Ganze wirkt von der Begleitung her gebundener, und am Schluss wird ja auch die Singstimme stärker und wirkt für mich hier wirklich identifikatorisch.


    Bleibt das „Paradoxon“, das gerade die dritte Strophe ja vordergründig etwas Positives ausdrückt, das dann unmittelbar zum stärkeren Weinen führt.Und da finde ich sehr wichtig, was Martin hier geschrieben hat:


    Zitat

    Original von Philhellene:


    Hingegen finde ich den Gedanken des "Einander-noch-Gutseins" nach dem Schmerz, den die Geliebte dem Dichter zugefügt hat, wirklich schlimm: die Diskrepanz zwischen der Realität und dem (Wunsch-)Traum ist die größte, durch das Träumen werden die Wunden wieder aufgerissen, die Sache kann nicht zur Ruhe kommen, eine Trauerarbeit kann nicht stattfinden. Die Erinnerung ist hoffnungslos und hoffnungsraubend.


    Hier ist, wenn wir von einer Konfrontation der romantischen Motivik mit der Realität ausgehen, das Ich wirklich in der fiktionalen "Realität" des Zyklus angekommen, der Schmerzensausdruck kann daher meiner Meinung nach durchaus identifikatorisch und ganz ungebrochen genommen werden.


    Und im Nachspiel gibt es dann wieder ein Echo aus der „romantischen“ Zeit …


    :hello: Petra

  • Lieber Christian,


    Du schreibst das hier...


    Zitat

    Eine ehrlich gefühlsbetonte Interpretation ist dabei ebenso denkbar wie eine satirische, gleichberechtigt dazu alle dazwischenliegenden Ansätze.


    ...und das hier...


    Zitat

    ...wo allerdings der zwar ebenfalls der Bewältigung dienende, dabei aber ephemere Traum, der oberflächlicher, satirischer wirkt, thematisiert und das Scheitern in fast drolliger Weise musikalisch untermalt wird – eine heiter-grimmige Version.


    Die Ironie, von der wir dauernd reden, ist bei Zeus! nicht mit Satire gleichzusetzen. Zunächst einmal bedeutet "eironeia" - und da sage ich Dir gewiß nix Neues - im Altgriechischen in etwa bloß "Verstellung". Alle weitergehenden Begriffsimplikationen und besonders die Verengung auf scherzhafte Kommunikationsangebote sind spätere Entwicklungen. Man hat in der Forschung einmal gemeint, eine besondere "Romantische Ironie" annehmen zu müssen (befördert durch entsprechende Richtungsvorgaben der Herren Schelling und Hegel, ich glaube auch Fritze Schlegel), welche dann von hohem ontologischem Rang sei - das sollten wir vielleicht hier nicht vertiefen.


    (Sieh doch bitte mal im Liddell-Scott nach, Christian, was die sagen - würde mich interessieren. Und bitte laß uns nicht im Gegenzug über´s "Satyrische" reden, das hat hier nicht den gleichen Explikationsswert wie die Ironie...)


    Ich halte generell das Herunterbrechen des bestehenden Deutungsangebotes auf Basaloppositionen wie "Sängerischer Zugang" (was sollte das bitte sein, und müßte es dann auch einen für Bahnangestellte, Fußballspieler oder Stewardessen geben?) vs. "Literaturwissenschaftliche Auslegung" (wer bitte hätte die von uns betrieben, die sähe maßgeblich anders aus, möchte mir scheinen), oder auch die unzuträgliche Vereinheitlichung des lyrischen Ich als "mitgenommenes Mimöschen" vs. "selbstverliebter Zyniker" - ich halte solche Simplifikationen insgesamt für kontraproduktiv in Bezug auf die Besprechungsqualität, die wir hier liefern könnten.


    Du hast sehr richtig gesagt, Christian, daß das...


    Zitat

    ...Herauslösen des einen oder anderen Stücks nur bedingt möglich...


    ...sei. Und Du hast noch einmal unser Augenmerk auf die Lektüre-/Höranweisung im Titel gegeben, das scheint mir enorm förderlich zu sein. Schiebt aber dem Identifikationismus einen weiteren starken Riegel vor, oder nicht?


    Wunderbar formuliert ist auch Deine Zuschreibung, dies sei...


    Zitat

    ...eine heiter-grimmige Version.


    Stimmt auffallend, solche großflächig eingesetzten Oxymora strukturieren unseren Text und das Wort-Ton-Gebilde entscheidend.


    Dein Lösungsvorschlag besteht nun in der Auffächerung solcher und ähnlicher Unverträglichkeiten in der Wahrnehmung oder des, wie Du es nennst...


    Zitat

    ...raffiniert kontrastive(n) Aufbau(s)...


    ...zu einer Art gestaffeltem Deutungsschema. Das finde ich sehr originell und es bietet meiner Ansicht nach eine exzellente Übersicht über den Phänomenbestand (zumindest den auf textlicher Ebene). Aber Du mußt mir noch erklären, ob Du darin nachträglich an den Text/das Wort-Ton-Gebilde herangetragene Deutungsmuster siehst, derer man sich bedienen oder es auch lassen kann, oder ob diese Perspektivierungen notwendig manchen oder sogar allen Aussagen (seien sie allein sprachlicher oder zusätzlich musikalisch kommentierter Natur) zukommt, so daß derjenige, der sich dieser Ebenen unbewußt wäre, an der eigentlichen Beschaffenheit des vorliegenden künstlerischen Erzeugnisses vorbeianalysierte oder -sänge oder -hörte oder -wasweißich?



    Fraglich,


    Alex.

  • Werter Graf, nicht Stewardessen oder Bahnwärter sondern Sänger und Pianisten interpretieren diesen Zyklus!!!!!!!!!!!!!!
    Deren Zugang dürfte daher ganz entscheidend für die Interpretation sein..........


    Was die "Fruchtbarkeit" der verschiedenen Deutungen hier angeht: das was für Dich unfruchtbar sein mag, kann für XY sehr fruchtbar sein.



    Wenn Du Dir allein die vielen verschiedenen Einspielungen anhörst, wirst Du von eben diesem"mitgenommenen Mimöschen" über den elegant und lyrisch oder den dramatisch und pathetisch Leidenden, den bitteren Sarkastiker bis zum selbstverleibten Zyniker Alles hören können.


    Der Grande Inquisitore hat das Alles impliziert und offengelassen-das hat mir gut gefallen.


    Impliziertes Abwerten einzelner Herangehensweisen an diesen Zyklus finde ich generell viel kontraproduktiver.


    Ich harrte übrigens vergeblich einer Antwort auf meine Fragen zu deinem vorletzten Posting. :(


    mit herzlichen Grüssen von jenseits des Rheines



    Fairy Queen

  • Zitat

    Original von Fairy Queen


    Weisst Du, dass es eine Vertonung dieses Gedichtes von Mendelssohn gibt, die einen ganz anderen Charakter hat?
    Dazu werden wir sicher kommen, wenn dein Beitrag fertig ist(du weisst ja, dass das überhaupt nciht eilt!!!)


    Was die Unterschiede zwischen Heines und Schumanns Behandlung der Ironie angeht, glaube ich, dass du irrst, wen Du sagst, da seien sich die Meisten hier einig. Mitnichten!


    Liebe Fairy,


    Das war mir sehr wohl bewußt. Deswegen schrieb ich auch nur vorsichtig von "viele" und vermied, ebenso bewußt, ein starkes "einig". Wie nun genau dies aussieht, da tasten wir uns ja immer noch vor. Deine mir wichtigen Kommentare haben mich im Übrigen ja auch schon zu einigen Modifikationen und Präzisierungen meiner Anfangsposition gebracht.


    Die Mendelssohn-Vertonung kenne ich, habe sie auch schon gehört, muß ich mir aber noch besorgen. Ein Vergleich ist aber, so weit ich das Lied in Erinnerung habe, wirklich interessant - auch für die Frage nach Schumanns eigener Ironie.


    :hello: Matthias

  • O, werte Fairy, hinter den sieben Flüssen,



    niemand soll von mir abgewertet sein! Nicht implizit, nicht explizit!


    Ich habe schon befürchtet, meine wenigen Zeilen könnten wieder Wöglein schlagen... ;(


    Ich habe allerdings nicht einzelne Herangehensweisen, sondern (in meinen Augen) problematische Vereinfachungen angesprochen.


    Zu dreien Deiner Anmerkungen meinerseits:


    a)

    Zitat

    Werter Graf, nicht Stewardessen oder Bahnwärter sondern Sänger und Pianisten interpretieren diesen Zyklus!!!!!!!!!!!!!! Deren Zugang dürfte daher ganz entscheidend für die Interpretation sein...


    Sicher, Sänger und Pianisten interpretieren ("Interpretieren 1") diesen Zyklus, aber was ist ihre spezifische Kompetenz, ihn zu interpretieren ("Interpretieren 2")? Daß sie singen und klavierspielen können? Doch wohl nicht...


    Hier liegt ein sog. Paralogismus vor, das Wort wird in unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht (einmal im Sinne von "darbieten", dann im Sinne von "auslegen"), aber diese Polysemie (Bedeutungsvielfalt des selben Wortes) wird nicht offengelegt.


    Die kompletten (ausgeführten) Schlüsse und die Verwirrung, die sich aus ihnen ergibt, kann ich nachreichen, wenn wem dran gelegen ist.


    b)

    Zitat

    Der Grande Inquisitore hat das Alles impliziert und offengelassen-das hat mir gut gefallen.


    Wie kann man "alles" implizieren und dabei "alles" offenhalten? Was meint dann noch "implizieren"? Obwohl ich nicht anstehe zu glauben, daß, wenn jemand sowas kann, es der Grande sein wird... :hello:


    c)

    Zitat

    Impliziertes Abwerten einzelner Herangehensweisen an diesen Zyklus finde ich generell viel kontraproduktiver.


    Diese Schiene mag ich nicht so gerne, liebe Fairy! Du begegnest Argumentationsversuchen mit dem Verweis, man müsse Menschen Menschen sein lassen. Aber das steht doch hier gar nicht zur Debatte. Es sei denn, man vergriffe sich im Ton, und das hoffe ich doch stark, nicht getan zu haben.


    Argument und Person nachhaltig kurzzuschließen ist eine hinderliche Vermischung der Ebenen. Ich finde, man muß inhaltlich eine fragile Argumentation unsanft anstupsen dürfen, ohne daß sich der dazugehörige Mensch in seiner Persönlichkeit tangiert fühlt. Es geht um Positionen, nicht um Personen. Irgendwann wird keiner mehr zu argumentieren versuchen, wenn das so weitergeht. Überdies ist der starke Relativismus ("Lasse Du mir meine Ansicht, und ich lasse Dir im Gegenzug dann Deine") kaum ein movens, sich ernsthaft auszutauschen. Es sei denn, man will das Gespräch um des Geräusches willen, das es macht... :D


    Liebe Fairy, nimm´s mir nicht krumm, ich habe jetzt mal inhaltlich tüchtig contra gegeben (bitte nicht verwechseln mit "persönlich contra"), um diesen blinden Fleck der Diskussion ins Scheinwerferlicht zurückzuholen. Was Klawirr vor Urzeiten zu diesem Problem gesagt hat, hat auch niemanden so richtig interessiert. Ist ja auch alles legitim, nur muß man dann so fair sein zu sagen: Wir wissen im Voraus schon, daß jeder mit allem glücklich werden kann, was immer sie oder er so zufällig zu seiner/ihrer Meinung gemacht hat...
    Und das kann´s wohl nicht sein. ?(


    Daß man in der musikalischen Darbietung freilich nacheinander alle möglichen (und unmöglichen?) Interpretationen aufs Podium bringen kann...


    Zitat

    Wenn Du Dir allein die vielen verschiedenen Einspielungen anhörst, wirst Du von eben diesem"mitgenommenen Mimöschen" über den elegant und lyrisch oder den dramatisch und pathetisch Leidenden, den bitteren Sarkastiker bis zum selbstverleibten Zyniker Alles hören können.


    ...läßt mich befürchten, hier möchte nicht alles schon zu éinem Zeitpunkt zermatscht im Text/im Wort-Ton-Kunstwerk beieinander gelegen haben (was wäre das für ein vorweltliches Chaos), sondern nachträglich an das selbe erst peu à peu herangetragen worden sein... :stumm:


    Daß Du noch immer auf eine Antwort von mir warten mußt, tut mir leid, ich hatte das aus den Augen verloren und werde erstmal nachsehen, worauf zu antworten ich säumig war... Entschuldige, ich wollte nicht unhöflich sein... :no:


    Auch mein Lied will ich getreulich liefern :yes:.



    Alex.

  • Lieber Alex, sei ohne Sorge, ich kann Diskrepanzen in der Sache von persönlichen Angriffen sehr gut unterscheiden. Glaubst Du , ich wäre sonst noch so aktiv in diesem Forum? ;)
    Nein, Du hast keine "Wöglein geschlagen", sondern lediglich eine Antwort bekommen, die nciht mit Deinen Ausführungen konform geht.
    Ich bin in diesem Lied-Zyklus-Thread in entscheidenden Punkten offensichtlich anderer Ansciht als Du und teile Dir das mit- so wie Du es umgekehrt auch tust.
    Das ist Diskussion, Du sagst es ja selbst.
    Und dazu gestehe ich Jedem hier das Recht zu, auch denen, die in deinen oder meinen Augen vereinfachen oder verkomplizieren und den Zyklus von einer Warte betrachten, die Dir oder mir zu wenig "durchdrungen" oder zu verkopft erscheint.


    Allerdings lasse ich mir deshalb noch lange keine Beliebigkeit und auch keine vorgefassten unumstösslichen Meinungen unterstellen.
    Ich äussere MEINE Ansciht klar und deutlich, das ist fern jeder Beliebigkeit UND ich nehme dabei nur allzu gerne die mir einleuchtenden Argumente und Erläuterungen anderer User auf. Von vorgefasster Meinung also ebenfalls ncihts.
    Warum hätte ich sonst diesen Thread starten sollen? Und vor allem: die einzelnen Lieder an viele verschiedene Mitglieder verteilen-was die Sache ja erst reich und fruchtbar macht?


    Das vorab.



    Ich nehme Dich nun beim Wort - hart in der Sache und dabei nciht die Person tangierend:


    Zum Thema Sänger und Pianisten kann ich Deine obigen Sätze überhaupt nciht nachvollziehen. :no:


    Wer denn bitte sonst soll schon via ureigenster Aufgabe und Bestimmung diesen Zyklus interpretieren dürfen, wenn nciht die Künstler selbst qua ihres Könnens(ergo Singen und Klavierspielen)?
    Was der Vergleich mit Stewardessen, Bahnwärtern und Fussballern da soll, begreife ich nciht. :wacky:


    Nur die ausführenden Musiker allein müssen und können dem Publikum, also auch Dir und mir, das nahe zu bringen versuchen, was Heine und Schumann "produziert" haben.


    Es sei denn, man gibt sich mit Lektüre der Texte und Ansciht der Noten zufrieden und imaginiert seine ideale Interpetation selbst. Das ist eine sehr virtuelle Alternative-aber wem's gefällt.....


    Wenn ein Hans Hotter nun einen ehrlich pathetisch leidenden und einen aus voller Brust grollenden und weinenden Dichter-Liebenden singt, ist er damit auf der falschen Seite, weil Du findest, das sei zu vereinfachend und zu wenig geistig durchgearbeitet?
    Oder ein Fritz Wunderlich einen lyrisch-eleganten leidenden Romantiker bar jeder ironischen Bissigkeit , ist das falsch?
    Und was ist mit dem hörenden Publikum bei alledem?
    Sollten die das nciht schön bzw gut finden und sich schon gar nicht - wie furchtbar!!!- damit identifizieren, weil es zu wenige Ebenen in dieser Interpretation gibt und nicht noch hinreichend die Ideengeschichte und Ästhetik der Romantik darin mitschwingt?
    Wie sollte sie das überhaupt in der Praxis?


    Identifikation scheint ohnehin das reine Unwort zu sein-ist aber für sehr viele Menschen(und beileibe nciht nur die Dümmsten!!!) DER Zugang zur Musik.


    Selbstverständlich identifiziere ich mich im Liedgesang beim Vortrag mit dem lyrischen Ich.
    Wie soll ich denn sonst die Lieder singen und dem Publikum "verkaufen", was ich da von mir gebe?


    Das, was die Künstler auf die Bühne bringen, steht allerdings idealerweise am Ende ihrer Reflektionen.


    Und ich gehe mal davon aus, dass Leute wie Wunderlich, Hotter, Lotte Lehmann etc nebst deren hochkarätigen Pianisten sich serh wohl Gedanken über den Inhalt und Sinn dessen, was sie da unters Volk bringen, gemacht haben.


    Man kann dann aber ganz offensichtlcih trotzdem zu dem Ergebnis kommen, dass die Dichterliebe in erster Linie den psychischen Prozess einer ( nciht ganz erfolgreichen) Ver- und Entliebung IN ALL IHREN Facetten darstellt - ohne automatisch zu negieren, dass auch viele Selbstreflektionen der Romantik im Zyklus enthalten sind.


    Und man kann sogar zu noch einfacheren Ergebnissen kommen, ohne gleich jeder Diskussion unwürdig zu sein.


    Sich all das anzuhören und in einem Thread zu vereinigen, hat für mich ncihts mit Beliebigkeit zu tun. :no:
    Du sprichts von einer "Besprechungsqualität, die wir hier liefern können"


    Die besteht genau darin, dass die verschiedenen Postionen "geliefert" werden und kontrovers oder eben auch zustimmend oder gar sich annähernd diskutiert werden.



    Von den sieben Bergen und aus den sieben Sümpfen grüsst Fairy
    Queen :hello:


    Die beiden nächsten Lieder erwarte ich mit besonderer Spannung und Wissbegier , weil mir da Vieles noch sehr unklar ist.

  • Liebe Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen:


    Wenn ein Hans Hotter nun einen ehrlich pathetisch leidenden und einen aus voller Brust grollenden und weinenden Dichter-Liebenden singt, ist er damit auf der falschen Seite, weil Du findest, das sei zu vereinfachend und zu wenig geistig durchgearbeitet?
    Oder ein Fritz Wunderlich einen lyrisch-eleganten leidenden Romantiker bar jeder ironischen Bissigkeit , ist das falsch?
    Und was ist mit dem hörenden Publikum bei alledem?
    Sollten die das nciht schön bzw gut finden und sich schon gar nicht - wie fruchtbar!!!- damit identifizieren, weil es zu wenige Ebenen gibt und nicht noch hinreichend die Ideengeschichte und Ästhetik der Romantik darin mitschwingt?
    Wie sollte sie das überhaupt in der Praxis?


    Interpretation hat bei allen objektiven Kriterien, die man zugrunde legen kann, auch immer ein sehr stark subjektives Element – und je nachdem wie Sänger und Pianist Text und Musik interpretieren (im Sinne 2), vermitteln sie es dem Hörer. Dass dies sehr unterschiedlich ausfallen kann, steht außer Zweifel. Aber wir können uns doch auch fragen, ob ein bestimmter Interpret vielleicht besonders viel von dem in seiner Interpretation eingefangen hat, was wir bei Heine und Schumann als Deutungsansätze herausgearbeitet haben. Und das hat dann schon etwas mit der Ästhetik der Romantik bzw. deren Brechung zu tun.


    Christian hat über die Interpretation durch Schiotz und Moore folgendes geschrieben, das ich nur unterschreiben kann – unabhängig davon, dass ich die Stimme und auch das Singen dieses Künstlers eigentlich sehr gern höre.


    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitore:


    Schiotz/Moore 1946: Zurückhaltend und schlackenlos gesungen, natürlich und doch melancholisch gefärbt. Sängerisch von größerer Vollkommenheit als FiDi, auch wenn einige Aufschwünge nur knapp gelingen. Bei aller Noblesse vermisse ich die möglichen Ambivalenzen. Sehr zurückhaltende, die Stimme in den Vordergrund stellende Begleitung.


    Christian stellt DiFiDi als Gegenbeispiel vor und sieht hier die Ambivalenzen deutlich herausgearbeitet. Ich kenne diese Einspielung zu wenig, höre aber z. B. bei Peter Pears viel mehr von der Brechung bzw. Ambivalenz, die meiner Meinung nach sowohl Heine als auch Schumann in dieses Lied gelegt haben, als bei Schiotz, und Brittens rhythmisch pointierte Begleitung unterstreicht und ergänzt das Ganze noch. Und wenn man danach fragt, ist es meiner Meinung nach doch auch hoffentlich keine verkopfte akademische Spielerei?


    :hello: Petra

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose