Hervorhebungen von mir:
Und eben bei dem, was du angeschnitten hast, drücken sich die Befürworter um eine klare Begründung, warum das unbedingt so sein muss und zeitlose Aussagen nur noch umgedeutet in eine ganz andere Zeit und Handlung als der vom Schöpfer des Werkes gewählten - meist der öden Moderne, in der es ja keine Helden, sondern nur noch Kranke gibt
Wie einfach war Oper doch früher!!
Beim Lesen der Regietheaterthreads zwängt sich eine Vermutung auf. Diejenigen, die Librettoabweichungen und Regieeinfälle jeder Art per se ablehnen, sehen in der Oper die Möglichkeit zur Wirklichkeitsflucht, weil die Gegenwart öde, heldenlos und krank ist und früher alles einfach war. Oper als Seelenschmeichler. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn sich in der Musik, der Handlung und dem Gesang zu verlieren und darin dem Alltag zu entfliehen um danach diesem neu gestärkt wieder begegnen zu können, ist eine Möglichkeit des Kunstgenusses. Kunst aber erschöpft sich nicht darin, sondern ist mehr als Balsam für die Seele. In diesem Sinne halte ich es für mehr als nur legitim, dass Kunst und somit auch Inszenierungen die Möglichkeit einer kognitiven Reibefläche bieten, die den Rezipienten zum Denken herausfordert anstatt nur gefällig zu sein.
Dass bedeutet nun nicht, dass alles erlaubt ist. Zuviele Ideen kommen nicht über Klamauk, Clownerei und Provokation ihrer selbst wegen heraus; ja, sie entstellen und verunstalten. Aber nicht alles kann niedergeknüppelt werden, weil es so nicht im Libretto steht.
Und um nur nicht gleich wieder den Stempel des Befürworters aufgedonnert zu bekommen, ist folgender Schlusssatz unumgänglich: Über mehr traditionelle Inszenierungen würde ich mich freuen, weniger Absurditäten wären begrüßenswert, Werktreue aber bedeutet nicht Worttreue.