Hallo Medard,
eigentlich bezog sich das "blutleer" gar nicht auf Dich, sondern auf ein generelles (Vor-)Urteil, dem ich bzgl. Boulez häufiger begegne. Auch mir geht es so, dass mich nicht alle Aufnahmen von ihm gleichermaßen packen. Z.B. fand ich seinen Mahler-Zyklus heterogen, ich müsste aber noch mal enau nachhören, welche Aufnahmen ich besonders gelungen und welche ich weniger gelungen fand. Seine Symphonie Fantastique hat mir schon gut gefallen, an die Aufnahme von Romeo et Juliette kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern - obwohl sie bei mir im schrank steht
Aber eine Aufführung mit ihm als Dirgenten kann ich nur empfehlen, falls Du mal Gelegenheit finden solltest. Er dirigiert eher unspektakulär, d.h. er macht keine großen, ausladenden Bewegungen. Luftsprünge oder dergleichen wird man vergeblich suchen. Seine Handbewegungen (er dirigiert ohne Stab) sind aber sehr präzise und sehr konzenztriert. Wie gesagt überträgt sich bei mir die Konzentration. Die Bewegungen sieht man natürlich um so besser, je näher man ist, über DVD müsste man auch einen sehr guten Eindruck bekommen.
Ein beeindruckendes Erlebnis waren die Aufführungen, in denen er selber sein eigenes Werk Répons dirigiert hat. Ich habe dieses Stück dreimal live gehört, zweimal in Paris und einmal in Wien. Vor allem in Wien hatte ich sehr guten Blick auf sein Hände. Die Bewegungen der 10 Finger und der Hände waren äußerst präzise und ausdrucksstark und ich hatte tatsächlich häufiger den Eindruck, dass die Musik direkt aus seinen Händen fließt.
Im übrigen finde ich seine Musik vollständig laienhaft als sehr schön. Ich höre diese Musik komplett als Laie. Ich kann sie nicht analysieren und nicht die Strukturen beschreiben, aber die Klangfarben und den Wechsel der Klangfarben kann ich nicht anders als wunderschön charakterisieren. Auch hier vestehe ich eigentlich nicht die Meinungen, dass sein Musik kopflastig, kalt, unschön usw. ist, mich kann sie wirklich "verzaubern".
Viele Grüße,
Melanie