Hallo zusammen,
Ich möchte auf eine kleine Rarität aufmerksam machen, die ich kürzlich auf DVD anhören durfte. Es handelt sich um die Oper ,,Merlin" von Isaac Albeniz. Ich als jemand, der mit den Klavierwerken von Albeniz quasi aufgewachsen ist und nicht wusste, dass es tatsächlich Opern von ihm gibt, war vom dem Gedanken begeistert und kaufte im Überschwang der Begeisterung die einzige DVD, die es von dem Werk gibt:
Vorab für die, die die Oper nicht kennen: Albeniz schrieb das Werk nach dem Libretto seines Gönners und Freundes Francis Burdett Money-Coutts, eines reichen englischen Adeligen, der Albeniz finanziell unterstützte und sich im Gegenzug seine Textbücher von ihm vertonen ließ. ,,Merlin" war der erste Teil einer geplanten, aber nicht vollendeten ,,König-Artur"-Trilogie. Musikalisch zweifellos tragisch, dass es bei einem Teil blieb. ,,Merlin" hat viele musikalische Höhepunkte und hat mich in der Hinsicht kein bisschen enttäuscht, eher sogar positiv überrascht. Eine Tanzeinlage im 3. Akt hat sogar verstecktes spanisches Kolorit und klingt wirklich nach dem, was man sich unter Albeniz vorstellt. Teilweise mitreißende Chorszenen, unter anderem eine am Ende des 1. Aktes, welches ein gregorianisches (oder gregorianisch-artiges) Thema zugrunde legt. Die Musik also ist ein Schmaus für alle Liebhaber der Spätromantik.
Dagegen strotzt jedoch das Libretto nur so von herumarchaisierender Sprache, wie ein schlechter englischer Wagner-Abklatsch. Es gibt Brüche in der Dramaturgie (1. Akt: Artus zieht Schwert aus dem Stein und wird dafür zum König gekrönt, unter dem argwöhnischen Blick der Hexe Morgan le Fay und ihrem Sohn Mordred; 2. Akt: Mittlerweile wurde schon ein ganzer Krieg zwischen Artus und Morgan/Mordred geführt, den Artus gewonnen hat, wo man sich fragt: Hätte man da nicht eine Zwischenszene machen können, die zu diesem Krieg irgendeinen Bezug aufbaut? Vom 3. Akt will ich gar nicht erst anfangen), die Figuren bleiben schablonenhaft und im allgemeinen fragt man sich: Braucht es dafür wirklich eine Oper?
Die andere Seite der Kritik ist die Einspielung. Wir sehen hier eine der ersten vollständigen Aufführungen der Oper, gefilmt im Teatro Real Madrid. Am Dirigierpult steht Jose de Eusebio (der die Originalpartitur teilweise rekonstruiert hat, nachdem sie für einige Zeit verschollen war), Regie führt John Dew. Die Inszenierung war annehmbar, kein großer Wurf. Die Massenszenen wurden ordentlich ausgekostet, aber letztlich hat es Dew nicht geschafft, den Schwächen des Librettos entgegenzuwirken. Jose de Eusebio als Dirigent ist die Mühe um das Werk sicherlich nicht abzusprechen, und im allgemeinen bewältigt das Orchester die Aufgabe recht souverän. Jetzt komme ich jedoch erst zur eigentlichen Schwachstelle. Wie ein Rezensent auf Amazon bereits festgestellt hat, schrieb der Kritiker Edward Greenfield über die Einspielung: ,,Großartig gesungen von einer Starbesetzung". Es tut mir in der Seele weh, sagen zu müssen, dass man davon leider nicht viel merkt. Stuart Skelton in der Rolle des König Artus ist noch relativ angenehm zu hören, eine Meisterleistung ist jedoch was anderes. David Wilson-Johnson in der Titelrolle des Merlin möchte ich auch nicht absprechen, dass er grundsätzlich singen kann. Er leidet ein wenig unter der (nicht ganz optimalen) Klangqualität. Trotzdem war er immer noch besser als Carol Vaness, die die Rolle der sarazenischen Sklavin Nivian übernimmt und dabei wirklich nur die tieferen Töne treffen kann. Doch den Vogel abgeschossen hat wirklich Eva Marton (!) als die böse Hexe Morgan le Fay. Eva Marton, bekanntlich in den 1980er Jahren eine Sängerin mit beeindruckendem Klangvolumen, scheint in der Zwischenzeit eine Nebenausbildung als lebende Fabriksirene gemacht zu haben, denn durch ihr Vibrato wird quasi jeder Ton (bis auf ein paar tiefere im 2. Akt) zu einem oszillierenden Geräusch entstellt. Ein Vergnügen ist wahrlich etwas anderes!
Leider ist die DVD derzeit alternativlos, wenn man die Oper auf Video sehen möchte. Vielleicht kommt in den nächsten Jahren ja wieder jemand auf die Idee, die Oper aufzuführen mit Sängern, die der grandiosen Musik von Albeniz gerecht werden.
LG aus Passau,
Felix Graf Lambsdorff