Alte oder Neue Instrumente?

  • Bei historischer Stimmung spielt man ja immerhin gedanklich D-Dur, es erklingt nur (rein mathematisch gesehen) in Cis-Dur, während man beim Transponieren nicht die originäre Tonart spielt, sondern jene, welche dort steht! Ich finde die Aussage gar nicht so übel Demnach würde bei historischer Stimmung der Charakter mittransportiert. Könnte das sein?


    würde ich unterschreiben :yes:



    kleine Anmerkung: ich hatte nicht fis Moll , sondern Fis Dur geschrieben!
    Bei Mozart? wo?
    (bei deiner Aufzählung vergißt du ein paar Tonarten - wenn du mir recht gibst, daß jene entfernten Tonarten für die Epoche der Klassik keine große Rolle spielen - hab ich einen Teilsieg für meine Argumentation errungen)


    auch der Einwand, das gilt nur für Tasteninstrumente, ist richtig - unter berücksichtigung, daß die Cembali, oder Orgeln fast überall mitquäkten (Kammermusik, Vokalmusik...) heißt daß doch, daß sich die anderen Instrumente an der Stimmung der Tastenwölfe orientieren mußten.


    das geht in die entgegengesetzte Richtung - dann konnten sie doch entfernte Tonarten spielen.
    ABER: sie tuns nun mal nicht gerne, weil die Griffe etc. schwer sind

    Umgekehrt: wenn sich im Orgelschaffen Buxtehudes nur ganz bestimmte Tonarten finden, dann gilt das höchstwahrscheinlich auch für die Kirchenmusik, bei der die Orgel mitspielte..


    Also wieder kein Fis Dur möglich.


    (ich weiß, daß ich mich ein bißchen im Kreis drehe..)



    aus meiner kurzen Querflötenzeit (ein Jahr) und ein paar Erfahrungen mit jungen Flötistinnen :] habe ich noch die Erkenntnis mitgenommen, daß es für jeden Ton mehr als nur einen Griff gibt - damit Nuancen in der Tonhöhe gemacht werden können.
    da kann ich mir vorstellen, daß man die Unterschiede von Kreuz und B-Tonarten schon machen kann...
    Aber es ist schwer!


    ein Mysterium: BWV 853: warum das Praeludium in es, die Fuge in dis ??
    war das dasselbe, oder war ein Unterschied im Affekt gewollt


    nächste Sache wäre meine gefundene Bestätigung, daß die Sammlung des WTK (ist somit keine geplante Komposition von a-z!! ) ein transponiertes Stück enthält: das Cis Dur WTK II war früher C-Dur
    ich hätte gern weitere gefunden, aber für meinen Beweis, daß"man" nicht in Cis-Dur komponiert :D, ist es ein guter Anfang.


    ein anderer Schluß wäre:
    hat man um 1750 einfach aufgehört, schwierige Tonarten zuschreiben, um leichter musizieren zu können?


    ich weiß, daß ich mich in fundamentale Gebiete vorwage:
    meine Theorie lautet:
    die Stimmung, die Bach (und anderen Komponisten - es gibt weitere Sammlungen mit 24 Tonarten) vorschwebte, gab es zu dieser Zeit nicht, oder nur mit Kompromissen,
    daher wurde von nachfolgenden Komponisten diese Idee verworfen - sie komponierten einfachere tonarten (Warum denn ?? für die Musiker)


    erst ca 50 Jahre später gab es erfolgreichere Temperierungen, die es ermöglichten, auch in "entfernten" Tonarten zu schreiben.


    Alles ganz rein klingt mir dann einfach zu langweilig
    von wegen - alles rein gibts eh nicht! - dafür hab ich die Debatte ja angezettelt.



    mühsam...
    Aber es ist von "der schlechtesten" Tonart die Rede - was wird das wohl sein...


    oder soll ich deinen Hinweis an das Ende stellen: man konnte in allen Tonarten spielen, aber es war den Instrumentalisten einfach zu schwer...


    bis irgendwann Komponisten auftauchten, denen das egal war...(Wagner...)


    mir fehlt die erklärung, warum, die Romantik die entfernten Tonarten brauchte.. (weil sie doch ein bißchen falsch klangen, was einen neuen Reiz ausmachte???)


    Ciao, nix für ungut,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Salut, Quastenrolf,


    Ach Du liebes Ei: Willst Du, dass ich einen Herzkoller bekomme? Bei dem in diesen Tagen ohnehin schwer geschädigten Cholesterinspiegel? Wie soll ich jemals auf all das antworten? Also, ich probiere es…


    Zitat


    Kleine Anmerkung: ich hatte nicht fis Moll , sondern Fis Dur geschrieben!


    Sorry… wenn ich fis sehe, werde ich einfach blind! fis-moll ist nun mal meine Lieblingstonart, da übersehe ich schnell was…


    Zitat


    Bei Mozart? wo?


    Fis-Dur bei Mozart:
    • Klavierkonzert c-moll KV 491, 1. Satz, Takte 228, 230, 232 (221 es-moll, 222 ces-moll)
    • Klavierkonzert D-Dur KV 537, 1. Satz, Takt 261
    • Klavierkonzert D-Dur KV 537, 3. Satz, Takt 183ff.
    • Phantasie c-moll KV 475, Takt 22-25 (72 Des-Dur, 76 es-moll)
    • Sonate c-moll KV 457, 2. Satz, Takt 32ff. Ges-Dur (!)
    • Sonate D-Dur KV 576, 1. Satz, Takt 79-82
    • Sonate D-Dur KV 576, 2. Satz, Takt 39-41
    • Klavierkonzert B-Dur KV 595, 1. Satz, Takt 209/210 (davor es-moll, 3. Satz 153 as-moll)



    Zitat


    (bei Deiner Aufzählung vergisst Du ein paar Tonarten - wenn Du mir Recht gibst, dass jene entfernten Tonarten für die Epoche der Klassik keine große Rolle spielen - hab ich einen Teilsieg für meine Argumentation errungen).


    Wegen mir – Teilsieg. Ich konnte allerdings letztlich nur die benutzten Tonarten aufführen, um einen Charakter zu bestimmen, deswegen habe ich nichts vergessen.


    Zitat


    Auch der Einwand, das gilt nur für Tasteninstrumente, ist richtig - unter Berücksichtigung, dass die Cembali, oder Orgeln fast überall mitquäkten (Kammermusik, Vokalmusik...) heißt das doch, dass sich die anderen Instrumente an der Stimmung der Tastenwölfe orientieren mussten.


    Korrekt.


    Zitat


    Das geht in die entgegen gesetzte Richtung - dann konnten sie doch entfernte Tonarten spielen.
    ABER: sie tun’s nun mal nicht gerne, weil die Griffe etc. schwer sind.


    Dto.


    Zitat


    Umgekehrt: wenn sich im Orgelschaffen Buxtehudes nur ganz bestimmte Tonarten finden, dann gilt das höchstwahrscheinlich auch für die Kirchenmusik, bei der die Orgel mitspielte..


    Buxtehude kenne ich leider viel zu wenig, obwohl ich sein Œuvre sehr mag und schätze.


    Zitat


    Ein Mysterium: BWV 853: warum das Praeludium in es, die Fuge in dis ??
    war das dasselbe, oder war ein Unterschied im Affekt gewollt


    Kein Mysterium: Bach wollte endlich zeigen, dass es wohltemperiert spielbar ist, ohne vorher irgendwelche Hebel umzustellen… weil eben es-moll und dis-moll auf dem WTK dasselbe ist! Wozu hätte er eine Fuge in es und eine in dis schreiben sollen? Reine Spielerei…


    In den alten Ausgaben von Czerny und Tausing wurde die Fuga in es-moll abgedruckt. Zum Glück wird dies in modernen Ausgaben seit Mugellini wieder richtig in dis-moll wiedergegeben.


    Mozart bearbeitete einige Bach’sche Fugen für Streichtrio und –quartett, u.a. diese. Er transponierte sie nach d-moll (wohl wegen der einfacheren Spielbarkeit). Ich tue es im Übrigen auch ;)


    Zitat


    nächste Sache wäre meine gefundene Bestätigung, dass die Sammlung des WTK (ist somit keine geplante Komposition von a-z!! ) ein transponiertes Stück enthält: das Cis Dur WTK II war früher C-Dur. Ich hätte gern weitere gefunden, aber für meinen Beweis, dass man nicht in Cis-Dur komponiert , ist es ein guter Anfang.


    Was ist mit Praeludium und Fuge Cis-Dur (III) aus dem WTK I ???



    Unterschreibe ich.


    Zitat


    Mir fehlt die Erklärung, warum, die Romantik die entfernten Tonarten brauchte.. (weil sie doch ein bisschen falsch klangen, was einen neuen Reiz ausmachte???)


    Ich glaube nicht, dass die Romantiker im Sinne hatten, dass alles „ein bisschen falsch“ klingen sollte. Ganz im Gegenteil – die Romantik war die Zeit der Metronomisierung, man wollte endlich alles ganz korrekt machen. In der Romantik – bereits ab Beethoven ! – wurde schlichtweg alles „alte“ über den Haufen geworfen. Lies mal Schumanns diverse Ausführungen über die Verachtungen der „alten Musik“… So wurden nicht nur der Satzbau, die Instrumentation bewusst anders gemacht, sondern auch „bekloppte“ Tonarten gewählt – vielleicht einfach geil? Wenn man in der Romantik die Tonart hätte erreichen wollen, hätte man ja einfach ½ Ton runter oder herauf stimmen können… leider wäre der Charakter eines es-moll (Schubert, Impromtus es-moll, Nachlass) auf der Strecke geblieben.


    So, da wären wir wieder am Anfang!


    Mehr packe ich heute nicht...


    Cordialement,
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Hallo Ulli,



    :jubel: wie schnell du die Fis-Dur Stellen aus de Hut zauberst...


    das führt meine Idee wieder weiter - Fis Dur war keine Tonart, in der man hauptsächlich komponierte - das wird auch bedeuten, daß es keinen Affekt gab, für dessen Darstellung diese Tonart unerläßlich war.


    ich meine in Hinblick auf Zuordnungen wie C-Dur oder g-Moll für besonders traurige Musik.
    in Vorlesungen hatte ich mal mehrere dieser Tabellen, in denen die Tonarten charakterisiert wurden - ob ich das noch besitze ?(


    deine Antwort hat mich auf folgende Weiterführung gebracht:


    die gl.schw.Temp. (gsT) gab es schon lange - mathematisch, aber nicht in der Praxis.
    in der gsT sind zwar alle Tonarten spielbar, aber die deutliche CHarakteristik geht verloren. (weniger wirklich reine Intervalle)
    deswegen wurden bis etwa 1800 verschiedene Systeme entwickelt, die verschiedene Tonartbereiche ermöglichen, andere wieder nicht, ja nach Geschmack der Zeit, der Musiker etc.
    das erklärt mir, warum in einigen Regionen Tonarten komponiert werden, die in anderen nicht vorkommen. z.B: bei einigen [Komponisten häufen sich #Tonarten. Buxtehude war nur ein Beispiel von vielen. es deutet daraufhin, welche Tonarten komponierbar waren, welche nicht.
    in älteren temperierungen konnte man kaum Modulieren - daher gab es die Variationskunst (Figuralvar.)
    seltsam in dem Zusammenhang - warum sind die letzen großen Werke Bachs großteils in einer Tonart? mus.Opfer, Goldbergvar., Kunst der Fuge.
    vielleicht entstand auch im frühen 18.Jh. der Wunsch nach Modulation in andere Tonarten - den "jungen"Bach würde ich als harmonisch orientierten Komponisten bezeichnen (mein Lieblingsstück diesbezüglich ist der Mittelteil der G-Dur Fantasie BWV 572 für Orgel - da wirft er mit Nonenakkorden und Vorhalten nur so um sich. auch für die Harmonisieruhg von Chorälen ist er ja berühmt.) - das erklärt den Wunsch nach der gsT
    die frühklassische Musik strebte nach anderen Zielen, wahrscheinlich wurde die Modulation als Stilmittel nicht so gewünscht, dafür wieder die Reinheit der Intervalle COLOR=darkblue]vielleicht wurden auch wieder andere Temperierungen benutzt. - man wollte sich von der verzopften Barockmusik abheben?[/COLOR]
    den Komponisten im 19.Jh war hingegen die Modulationsmöglichkeit wichtig - man wollte extra in exotischen Tonarten komponieren (neuer Ausdruck) und nahm dafür die Nachteile der gsT wieder in Kauf. Diese Entwickung steigerte sich bis zur Spätromantik...
    danach stellten die Zwölftonmodelle den Sinn der enharmonischen Verwechslung etc. in Frage. bzw. das Komponieren im tonalen System war größtenteils ausgereizt...


    mit der Idee der Aufführungspraxis im 20.Jh - die ja schon sehr lange besteht - kam auch wieder der Wunsch nach alten Instrumenten (das Einheitsideal hatte ausgedient.) und die Temperierungsfrage wurde erneut aufgeworfen...



    mich würde noch interessieren: aus der Bohrung von Blasinstumenten müßte sich doch auch (relativ) eine Temperierung ableiten lassen. (andererseits, bei einem Tonumfang von knapp 2 Oktaven - stark verallgemeinert - spielen die Kommata vielleicht keine Rolle.. und man konnte durch Manipulation des Luftstroms die Tonhöhe ausgleichen...)
    also bleiben nur die Tasteninstr. als "Hüter der Stimmungen" übrig - ich glaub, aber, daß die anderen Musiker durch das Mitgequake allmählich die jeweilige temperierung übernahmen. ist ja auch heute so, daß Instrumentalisten das Zusammenspiel mit Klavier üben und lernen müssen


    Wie genau ist das möglich, bei Cembali - läßt sich bei einem Nachbau sagen - die Saitenproportionen waren so und so, daher hatte das Instrument (Hausnummer) Werckmeisterstimmung??


    viele Orgeln wurden leider umgebaut - eine Orgel umzuintonieren ist eine Wahnsinnsarbeit - daher hat man, nach dem Geschmack der Zeit, "das alte G'lump" entsorgt und ein "modernes" Instrument hingestellt.
    der moderne Denkmalschutz konnte heutzutage dieser Meinung entgegentreten!


    als Zusammenfassung (endlich): wahrscheinlich läßt sich über den Gebrauch der Stimmungen früherer Zeiten wenig berichten, da die "Feinarbeit" von den Musikern selbst gemacht wurde.
    Grundsätzlich hat man früher rein - pythagoräisch gespielt, wobei die Möglichkeit der Tonartenwahl beschränkt war - Ausbildung Rhythmischer Variationen, Stichwort Diminution etc.
    aber es traten immer wieder "harmonische" Bewegungen auf, die die Modulation forderten und in vielen Tonarten komponieren wollten. (spontan fällt mir Gesualdo ein war keine Bewegung, ich weiß) auch Bach gehört zu diesen Komponisten.



    muß leider Schluß machen...


    Fortsetzung folgt


    Ciao, Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Salut,


    ich habe nun auch wenig Zeit, aber:


    Zu den Blasinstrumenten (Intonation) habe ich heute gerade hier gepostet. Vielleicht hilft das weiter?


    Im Übrigen war ich auch heute an einem Thread über Altbackenes beteiligt. Ich denke, zu Bachs Zeiten war es der strenge Stil, der nicht erlaubte, in ferne Tonarten abzuwandern. Ähnlich wie bei der Opera seria gab es "vollendete" Vorschriften, an die es sich zu halten galt. Auch war es sicherlich nicht brauchbar, ein Cembalo nach jedem Stück umzustimmen. Erst in der "Wiener Klassik" (es mag Ausnahmen geben) gaben die entfernten Tonarten einen besonderen Kick.


    Musikalisches Opfer und Kunst der Fuge sind für mich rein musiktheoretische Werke, ohne daß ich diese damit abwerte. Beim Musikalischen Opfer ist sogar die Instrumentation reine Nebensache, warum nicht auch die Tonart? Die Kunst der Fuge heißt so, weil es um die Fugentechnik geht, sonst hieße sie Kunst der Intonation - dafür haben wir das WTK. Allumfassender Bach - Danke!


    viele Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Salut,


    Zitat

    bin im Moment noch ein bißchen unter Schock, werde mich aber bemühen, weiterhin möglichst unbefangen zu schreiben - würde doch langweilig sonst?


    Wer hat Dich denn geschockt? Erklär Dich näher mir...


    Herzlichst, Ulli (AB)

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    Bettina und Wilfried


    warum sollten wir die Möglichkeiten gegeneinander ausspielen?


    ein Steinway Flügel ist toll, ein nachgebautes Cembalo ist toll, eine Silbermann Orgel ist toll,


    Hallo Tastenwolf,


    das haben wir gar nicht getan - wir wollten eigentlich nur wissen, was ein Musiker bevorzugt, da wir selbst keine Instrumente spielen. Und wir können uns vorstellen, dass es reizvoller ist, auf alten Instrumenten zu spielen. Was aus diesem Thread dann geworden ist, hat uns selbst überrascht :yes::jubel:


    Und wir hoffen, dass wir jetzt mit unserer Antwort das Thema nicht abgewürgt haben...
    Wir finden jeden Kommentar hier unheimlich interessant!


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried

  • bin als Musiker nur halb betroffen von dem Thema, da im normalen Theaterbetrieb keine Verwendung von älteren Instr. diskutiert wird.
    In der Volksoper werden Rezitative generell auf einem Hammerklavier gespielt - das ist wohl das einzige Instrument, auf das die Bezeichnung zuträfe.


    was ich von anderen Musikern gehört habe:
    Streicher müssen vor allem den Barockbogen verwenden, was eine Umstellung bedeutet - ein kleinerer Bogen, mit dem man weniger Druck ausüben kann - das heißt sofort, daß keine "unendliche Melodie" möglich ist.


    Bläser klagen über die Unzuverlässigkeit älterer Instrumente. Es erfordert hier wohl viel mehr Übung, um sich auf das Alte einzustellen. Daß es den Profis auch schwer fällt, kann man an den Naturhörnern ermessen, die in der Barockmusik oft deutlich hervorstechen. (leider nicht positiv)


    jeder entscheidet für sich, was er interessanter findet - ich versuche eben, neutral zu sein und beide Seiten zu verstehen...
    Gegenseitige Kriegserklärungen bringen niemandem etwas, bzw. wirken sich nicht auf die Qualität aus...


    das war nicht gegen eure Frage gerichtet, eher gegen einseitige Stellungnahmen


    liebe Grüße,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Man könnte auch noch die damals schon heiß diskutierte Haltung der Violinen anführen.
    Am Hals oder locker an der Brust?


    Da ich die Sache aus einem ganz einfachen Blickwinkel sehe: man setzte sich eine riesige Allongeperücke auf und versuche nun die Violine unters Kin zu klemmen, es dürft etwas unbequem werden.
    Ebenfalls ist die Haltung an der Brust wesentlich elegante - aber meine ganz persönliche Meinung.
    Man behauptet zu mindest diese Haltung würde den Musiker zu einem viel leichteren Spiel zwingen.

  • Zitat

    Man behauptet zu mindest diese Haltung würde den Musiker zu einem viel leichteren Spiel zwingen.


    Vor allem aber ist es eine für den Spieler viel entspanntere Haltung, was die Gefahr von irgendwelchen Schäden an der Wirbelsäule stark vermindert. Viele Profigeiger haben im Alter Rückenprobleme, die auf die angestrengte Klemm-Haltung zurückgehen.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo an Alle,


    es ist wirklich hochinteressant, was aus diesem Thema geworden ist. Wir haben unheimlich viel gelernt. Um auf unsere Frage nochmals zurück zu kommen (und diesmal deutlicher): Wir wollten wissen, was für den Musiker ein größeres Erlebnis ist - wenn er z.B. auf einer Geige Mozarts spielen darf, oder wenn er der ERSTE ist, der auf einem neuen Instrument spielen kann. Wir würden vermutlich tot umfallen, wenn wir Mozarts Geige in der Hand halten dürften. Hat der "geschichtliche" Hintergrund eines Instrumentes für einen Musiker/Künstler keine Bedeutung? Erstarrt man nicht manchmal vor Ehrfurcht vor einem Instrument? Sehen wir das zu "romantisch"?


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried

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  • Zitat

    Original von Bettina und Wilfried
    Wir würden vermutlich tot umfallen, wenn wir Mozarts Geige in der Hand halten dürften. Hat der "geschichtliche" Hintergrund eines Instrumentes für einen Musiker/Künstler keine Bedeutung? Erstarrt man nicht manchmal vor Ehrfurcht vor einem Instrument? Sehen wir das zu "romantisch"?


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried


    Die Musiker, die es schon durften, überlebten es :D

    Gruß,
    Gerrit

  • Salut, Bettina und Wilfried [und natürlich alle anderen, aber in erster Linie Bettina und Wilfried, wenn auch andere sich nicht ausgeschlossen fühlen sollen...],


    mit neuen Instrumenten ist es eigentlich - zumindest bei mir - wie mit neuen Autos - erst ist man ganz respektvoll, voller Stolz, das flaut aber irgendwann einmal ab.


    Bei historischen Instrumenten kommt es wohl auf zwei Dinge an:


    a) ist das Instrument als solches etwas Besonderes [z.B. bestimmte Stradivari] oder
    b) ist der ehemalige Instrumentalist etwas Besonderes [gewesen]?


    Bei a) sind es bestimmt die Klang- und Spieleigenschaften, die massgebend sind und den Wert nachhaltig beeinflussen, bei b) kommt es wohl auf die Person an. In jedem Fall gilt: Heinos Gitarre ist - wie man es auch wendet - zum Tot-Umfallen!


    Mozart's Kindergeige zum Beispiel wurde "aufwendig" restauriert, damit sie überhaupt spielbar ist und etwas annehmbares von sich gibt. Wegen Befangenheit sage ich jetzt nicht mehr zu dem Thema Kindergeige... hier noch ein Bild der wiederbelebten Kindergeige Mozarts inkl. Kind:


    .


    Doch noch eines: Daß man Mozarts Kindergeige wiederbelebt hat, finde ich schon o.k. - aber dass man Dvorak darauf spielt... ist irgendwie merkwürdig, oder? Nichts gegen Dvorak, aber er hat bestimmt auch ein Instrument gehabt...


    Übrigens gibt es auch Aufnahmen [Klavierwerke] mit Mozarts letztem [?] Tasteninstrument [so behaupten jedenfalls die Ami's - werde das mal eruieren].


    Cordialement,
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Wow, das Thema ist ja unglaublich interessant.


    Bekannt ist ja auch, dass z.B. Schubert sich Modulationsaufgaben gestellt hat. So hat er möglichst weit entfernte Tonarten in möglichst wenigen Takten erreichen wollen, bei trotzdem schöner Harmonik.

  • Und was haltet ihr davon?


    DIE OMINÖSE WERKTREUE, darauf reagierte Adorno allergisch. Wir auch. Doch verstehen wir darunter etwas durchaus anderes, und gewiß nicht die - buchstäblich - folgerichtige Aufführung eines Bühnenwerks. Wir meinen vielmehr jenes "Musizieren" diverser "Collegia" oder "Camaraten" oder "Consortien", die es sich zur Aufgabe machen, das vermeintliche Original-Ambiente zu rekonstruieren, das Spiel auf "Original-Instrumenten", womöglich bei Kerzenlicht, die Resultate des "Sich-Einlebens" von seiten der Reinheitsfanatiker, denen die Erforschung vergangener Aufführungspraktiken zur Manie und die Nachahmung zum Gebot wird. Wir glauben, daß Mozart ständig auf der Suche nach Verbesserungen instrumentaler Technik, selten völlig befriedigt, einen Konzertflügel von heute einem Walter-Hammerflügel von damals vorgezogen hätte. Wir wissen, daß ein Orchester ihm nicht groß genug sein konnte. Am 11. April schrieb er an seinen Vater:
    ... das habe ich ihnen auch neulich vergessen zu schreiben, daß die Sinfonie Magnifique gegangen ist, und allen Sucées gehabt hat - 40 Violin haben gespiellt - die blaß-Instrumente alle doppelt - 10 Bratschen - 10 Contre Bassi, 8 violoncelli, und 6 fagotti.-...
    So also gefiel es ihm. Immerhin dirigierte Salieri am 17. April 1791 eine musikalische Akademie mit hundertachtzig Mitwirkenden, bei der wahrscheinlich auch Mozarts g-Moll-Sinfonie in der Fassung mit Klarinetten aufgeführt wurde. Wir glauben nicht, daß er gegen eine Überbesetzung protestiert hat.

    Quelle: Wolfgang Hildesheimer, Mozart, Suhrkamp 1977, Seite 243


    Mit Gruß von Carola

  • Auch auf die Gefahr hin mich zu widerholen:


    HIP ist nicht nur ein möglichst kleines Ensemble zu haben, das ist mit Verlaub ein völlig falsche Einschätzung dieser Sache. Das war mal so, aber das soetwas in die falsche Richtung läuft hat man schnell selbst gemerkt. Ein kleines Ensemble ist nur meist dynamischer, aber schon Lully hatte Aufführungen mit bis zu 300 Musikern, die Concerti in Rom sollen mit mehreren hundert Mann aufgeführt worden sein - also richtet sich soetwas immer nach den Erfordernissen und den finanziellen Mitteln - es gibt da kein Dogma.


    Es geht hier vielmehr um die Wiederbelebung alter Spieltechniken, und die damit verbundenen Theorien.
    Allein was z.B. Rene Jacobs mit seiner vehementen "rethorischen Praxis" auf die Beine stellte ist nur beeindruckend.


    Es geht um das Ausfindigmachen der entsprechenden Tempi, durch die Wiederbelebung der alten Tänze z.B.
    es geht um die Wiederbelebung alter oder vergessener Instrumente, wie der Gamben und Lautenfamilie, den diversen Tasteninstrumenten.
    Es geht um die Verwendung von Darmsaiten ( welche erst im 20. Jahrhundert durch Metall ersetzt wurden! )
    Denn vieles ist expliziet für diese Instrumente geschrieben worden und wäre ohne HIP nicht zugänglich.


    Wie will man Gambenfantasien ausführen, wie will man Stücke für Laute und Theorbe spielen ohne die entsprechenden Instrumente ?


    Zur HIP gehört es auch vergessenen Werke wieder spielbar zu machen. Das Rekonstruieren alter Opernpartituren, die Entdeckung alter Gesangstechniken.


    Für mich sind ernst gemeinte Äußerungen gegen die HIP nur noch Ignoranz - es geht hier wirklich nicht darum Mozart oder Bach mit den Klangkörpern darzustellen die sie damals zur Verfügung hatten, das war vielleicht mal so in den 60ern und 70ern, aber Heute hat sich diese Bewegung so weit entwickelt, dass niemand mehr ernsthaft die Qualität dieser Interpretationen anzweifeln kann.


    Der Text stammt ja auch aus den 70ern, also erübrigt es sich fast darüber zu diskutieren, naja und Adorno ... :rolleyes:


    Wie viele Komponisten wären uns bis Heute nicht zugänglich - das ist überhaupt der größte Verdienst, da ist mir das recht egal wie jemand Bach oder Mozart spielt.


    Die Entwicklung wird mit Sicherheit noch weitergehen und in 20 Jahren ist auch das wieder vielleicht veraltet.
    Aber ich begrüße die HIP da sie ein riesiges Repertoire eröffnet hat, was so nicht zugänglich gewesen wäre, da der normale Orchester und Opernbetrieb ständig im gleichen Repertoire stecken bleibt - und das seit nun 100 Jahren - sieht man sich die Programme der diversen Häuser an. Aber anscheinend muß für das Publikum eine Art "Stammrepertoire" da sein... glücklicherweise gibt es immer öfter auch Ausnahmen.


    Man kann ohne weiteres alte Musik auf modernen Instrumenten spielen, zwar wird dies niemals die gleiche Qualität haben, selbst wenn man die alten Spieltechniken beherrscht, denn Darmsaiten und "echte" Holzbläser klingen einfach natürlicher.


    Ich habe mich sehr darüber gewundert, dass mittlerweile selbst Oboen (bis aufs Mundstück) ganz aus Metall sind ...
    Hier geht es doch nur noch um Lautstärke, klanglich können mich solche Monstrositäten nicht überzeugen.
    Das quietschende Geräusch das metallbezogene Violinen erzeugen klingt einfach nur noch scheußlich ... vielleicht reagiere ich auch einfach nur zu sensibel...

  • Hallo Lullist,


    Hildesheimer hat sich ja mit seiner Äußerung ausdrücklich auf Mozart bezogen und nicht auf die Musik des Barock. Und auch bei mir gibt es da einen Unterschied. Während ich Barock-Musik in der Historischen Aufführungspraxis fast immer lebendiger und überzeugender finde als in den anderen Aufnahmen geht es mir gerade bei Mozart genau umgekehrt. Ich habe z.B. eine Aufnahme der Klavierkonzerte Nr. 18 und 19, KV 456,459 mit Andreas Staier (Hammerklavier) und dem Concerto Köln, die ich - auch nach mehrmaligem Anhören- überhaupt nicht mag. Beim ersten Hören dachte ich: Das soll ein Klavier sein? Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich im Gegensatz zum Publikum damals den Vergleich mit einem modernen Flügel habe. Für die Menschen in Mozarts Zeit war ein Klavier eben ein Hammerklavier, da gab es nichts zu vergleichen, besser oder schlechter zu finden. Da wir heute aber die Möglichkeit haben: Warum sollten wir es nicht tun? Und ist es nicht legitim, die Aufnahmen der Klavierkonzerte mit Pires/Abbado, Wiener Philharmoniker schlicht und einfach schöner zu finden?


    Noch etwas: Nach dem Wenigen, was ich bisher über die Historische Aufführungspraxis als Konzept weiß, fehlt mir eine Reflektion der Hörerseite. Selbst wenn es gelänge, eine Aufführung tatsächlich so klingen zu lassen, wie zu ihrer Entstehungszeit. Hören wir nicht trotzdem etwas völlig anderes? Einfach, weil wir ganz andere Menschen sind, ganz andere Leben führen, mit CD-Spielern zum Beispiel. Weil wir bei jeder Mozart Sinfonie immer auch schon Beethoven, Brahms oder gar Bruckner irgendwann gehört und damit im Ohr haben. Und Palestrina oder Byrd auf der entgegengesetzten Zeitachse auch noch. So gesehen werden wir nie wissen, was die Menschen damals wirklich gehört haben. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so wichtig? Ich lasse mich gerne belehren.


    Falls es irgendwo einen Aufsatz, ein Buch gibt, das diese (philosophischen (?)) Aspekte thematisiert, wäre ich für einen Hinweis dankbar.


    Mit Gruß von Carola :hello:

    Einmal editiert, zuletzt von Carola ()

  • Grundsätzlich sehe ich das genauso wie Du, keine Frage.
    Allerdings wünsche ich mir eine Gesamtaufnahme der "Concerti per Piano Forte" oder wie Mozart schrieb "Cembali" mit den "richtigen" Instrumenten, einfach als eine Alternative.


    Ich war z.B. total davon begeistert eines seiner Konzerte auf einem Forte Piano hören zu können - dabei war die Sendung anders gedacht, man wollte die Unterlegenheit diese Instruments beweisen - bei mir nicht angekommen :D


    Es hat sicherlich etwas mit der Hörgewohnheit jedes Einzelnen zu tun, die Symphonien klingen für mich auf alten Instrumenten viel frischer als wenn sie mit dem üblichen Orchesterapparat aufgeführt werden.


    Die Diskussion "wenn Mozart das und das gehabt hätte..." ist unsinnig. Natürlich hat man alles was damals zur Verfügung stand auch benutzt.


    Den wirklichen Klang wird man niemals reproduzieren können, darum geht es auch nicht, sondern um eine Annäherung.
    Man muß die Musik auch für unsere heutigen Ohren interpretieren, und da hat jede Dekade einen anderen Geschmack.


    Das man das Forte Piano so abstraft kann ich gar nicht nachvollziehen. Ich mag diesen Klang sehr gerne und ich finde ihn um Längen schöner als der eines modernen Flügels.
    Sicher hat es Schwächen was den Anschlag etc. betrifft, aber sollte der Klang nicht immer im Vordergrund stehen ?
    Mozart kam zumindest mit diesem Instrument recht gut zurecht :D


    Ich denke man sollte die verschieden Ansätze nicht gegeneinander auspielen, das wird auch kaum etwas bringen.
    Warum versucht man mit sehr fragwürdigen Äußerungen eine Legitimation für die Verwendung von modernen Instrumenten zu finden?
    Braucht es dafür eine Rechtfertigung ?
    Ich denke man fühlt sich von der HIP bedroht und versucht mit Polemik Stimmung zu machen *gähn*


    hier mal so eine Unsäglichkeit aus dem Beiheft zu Klavierkonzerten von Paisiello:


    "Es wäre törricht, heute noch darüber zu streiten, ob diese Konzerte auf dem Cembalo, dem Hammerklavier oder dem modernen Konzertflügel gespielt werden sollten.
    Die ersten beiden Optionen erübrigen sich allein schon auf der Grundlage von Hans Ferdinand Redlichs negativ belastetem Terminus des musealen Klangmaterials - dem Versuch eines längst längst obsolenten Instruments zu reproduzieren. Wenn sie von einem kompetenten Cembalisten gespielt werden, klingen sie für heutige Ohren altmodisch elegant; gespielt von einem weniger kompetenten Cembalisten kommen sie unerträglich trocken daher.
    Die vom historischen Standpunkt einzig richtige Antwort ist, sie von einem Pianisten aufführen zu lassen .. usw."


    Solch eine Meinungsmache, die dazu noch vollkommen unwissenschaftlich und falsch ist, hasse ich wie die Pest.



    Ich denke es sollte ein vernünftiges nebeneinander existieren, denn ich finde z.B. beide Ansätze ganz interessant, auch wenn ich der HIP immer den Vorzug geben würde.

  • Zitat

    Original von Carola


    Hildesheimer hat sich ja mit seiner Äußerung ausdrücklich auf Mozart bezogen und nicht auf die Musik des Barock. Und auch bei mir gibt es da einen Unterschied. Während ich Barock-Musik in der Historischen Aufführungspraxis fast immer lebendiger und überzeugender finde als in den anderen Aufnahmen geht es mir gerade bei Mozart genau umgekehrt. Ich habe z.B. eine Aufnahme der Klavierkonzerte Nr. 20 und 21 mit Andreas Staier (Hammerklavier) und dem Concerto Köln, die ich -


    Das klingt allerdings schlicht nach Gewöhnung, oder?
    BTW gibt es tatsächlcih #20 und 21? Ich kenne nur 9,17-19 mit Staier&Co und finde die ganz hervorragendend! Die besten HIP-Einspielungen, die ich kenne...


    Zitat


    sollten wir es nicht tun? Und ist es nicht legitim, die Aufnahmen der Klavierkonzerte mit Pires/Abbado, Wiener Philharmoniker schlicht und einfach schöner zu finden?


    Selbstverständlich ist das legitim! Aber es ist offenbar ziemlich zweifelhaft analog zum Argument der historischen Instrumente eine Begründung zu stricken, die heutigen Instrumente seien "besser" und natürlich hätten Mozart/Bach/Beethoven/Schubert usw. die modernen instrumente vorgezogen. Manche Balanceprobleme stellen sich z.B. mit alten Instrumenten so nicht, mag uns ein altes Klavier zu schwach scheinen, so ist ein modernes tendenziell immer zu laut und droht zu dominieren usw.


    Was Hildesheimer und Adorno zu Recht zu stören scheint, ist eine statische Auffassung des "Werks", das aus der Geschichte gerissen wird, und dessen kontingente, zeitgenössische Entstehungsbedingungen verbindlich für uns sein sollen. Ein Werk, besonders eines, das zu seiner Realisierung einer Aufführung bedarf ist kein ewiger Besitz, sondern zugleich zeitlos und zeitgebunden: Wenn es nicht in gewisser Hinsicht zeitlos wäre, würde es uns gar nicht mehr interessieren, aber dennoch ist es teils an seine Entstehungszeit und wir als Hörer an unsere Zeit gebunden. Diese dynamische Spannung muß ausgehalten werden, es gibt keine einfache Lösung, weder in dem (ohnehin illusorischen) Versuch der exakten Rekonstruktion der historischen Praxis noch in der Art, dass wir heute (oder Böhm/Walter/ usw vor 40 Jahren) alles besser wüßten und eine "zeitlos vorbildliche" Interpretation leisten könnten. Jeder Zeit sind die Werke von Neuem "aufgegeben" (nicht "gegeben"). Das schließt ein, dass eine Zeit mit gewissen Werken wenig anfangen kann; schlägt man einen Konzertführer der vorletzten Jahrhundertwende auf, so wird man kaum eine Handvoll von Mozart-Konzerten und höchtens die letzen 4 oder 6 Sinfonien besprochen finden, auch Cosi wurde erst im 20. Jhd. wieder ins Repertoire aufgenommen, nciht zu reden von Idomeneo.


    Zitat


    Noch etwas: Nach dem Wenigen, was ich bisher über die Historische Aufführungspraxis als Konzept weiß, fehlt mir eine Reflektion der Hörerseite. Selbst wenn es gelänge, eine Aufführung tatsächlich so klingen zu lassen, wie zu ihrer Entstehungszeit. Hören wir nicht trotzdem etwas völlig anderes? Einfach, weil wir ganz andere Menschen sind, ganz andere Leben führen, mit CD-Spielern zum Beispiel. Weil wir bei jeder Mozart Sinfonie immer auch schon Beethoven, Brahms oder gar Bruckner irgendwann gehört und damit im Ohr haben. Und Palestrina oder Byrd auf der entgegengesetzten Zeitachse auch noch. So gesehen werden wir nie wissen, was die Menschen damals wirklich gehört haben. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so wichtig? Ich lasse mich gerne belehren.


    Natürlich werden wir das nie wissen! Deine Überlegungen scheinen mir völlig richtig zu sein. Aber es ist nicht klar, was daraus für die Auführungspraxis folgen sollte: Soll ich z.B. Mozart mit einem Brucknerschen Orchester spielen lassen, 40 Violin und die Bläser alle doppelt, mit breiten tempi und vielen Temposchwankungen?
    Man muß gewiß beide Pole berücksichtigen, den modernen Hörer und das, was man über die zeitgenössischen Bedingungen weiß. s.o.


    Zitat


    Falls es irgendwo einen Aufsatz, ein Buch gibt, das diese (philosophischen (?)) Aspekte thematisiert, wäre ich für einen Hinweis dankbar.


    Es gibt eine höchst lesenswerte sehr interessante Sammlung von Aufsätzen (ketzerisch in alle möglichen Richtungen :D), die genau das tut:


    R. Taruskin: Text and Act, Oxford 1995

    (in dt. Sprache ist mir leider nichts Ähnliches bekannt)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    nur ganz kurz, ich muss leider gleich weg. Mit Staier und Concerto Köln hast du natürlich recht, ich meinte die Mozart Klavierkonzerte Nr. 18 und 19, nicht 20 und 21, da hab ich mich schlicht vertan. Gerade aber schnell noch meinen Beitrag oben editiert. Danke für den Hinweis!


    Carola

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Es wurde immer wieder versucht Stradiivaris Geigenklang mit Nachbauten zu erreichen. Zu diesem Zwecke hat man Geigen dieser Bauart zersägt, vermessen, den Lack analysiert und was weiß ich noch alles.


    Da hast Du recht, Alfred. Aber es gibt mehr (ich las das in einem "Science"-Artikel vor ungefähr 20-25 Jahre).
    Strad. suchte sich seine eigene Bäume aus, und sie ruheten mehr als 10 Jahre. Am Ende seines Lebens sogar 20, wenn ich's mich richtig erinnere.
    Heute kann man sich soviel Jahre nicht mehr leisten. Oft wird mechanisch getrocknet. Was bedeutet das für den Schallboden?


    LG, Paul

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    Original von musicophil


    Strad. suchte sich seine eigene Bäume aus, und sie ruheten mehr als 10 Jahre. Am Ende seines Lebens sogar 20, wenn ich's mich richtig erinnere.
    Heute kann man sich soviel Jahre nicht mehr leisten. Oft wird mechanisch getrocknet. Was bedeutet das für den Schallboden?


    LG, Paul


    Oh, ich glaube doch, dass man sich das noch leisten kann... in jedem Fall wird so ein Instrument um ein paar hunderttausend Währungseinheiten günstiger sein, als ein Original. Wenn es aber wirklich jemals gelungen sein soll, eine Stradivari absolut 1:1 herzustellen, dann müsste man gar bis zu 400 Jahre altes Holz verwendet haben, denn das macht wahrscheinlich [heute] einen großen Teil des Klanges aus.


    Das teatro la Fenice wurde ja auch quasi rekonstruiert, nach dem Brand. Der originäre Innenarchitekt war eigentlich keiner, sondern ein Instrumentenbauer. Er wählte mit besonderem Geschick besondere Hölzer aus, und so kam offenbar die göttliche Aktustik zustande. Hat man das wieder hingekriegt? Ich weiß es nicht, ich kenne nur ein paar Aufnahmen aus dem Theater und war weder vor noch nach dem Band dort drin gewesen...


    Viele Grüße
    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

  • Zitat

    Original von musicophil


    Da hast Du recht, Alfred. Aber es gibt mehr (ich las das in einem "Science"-Artikel vor ungefähr 20-25 Jahre).
    Strad. suchte sich seine eigene Bäume aus, und sie ruheten mehr als 10 Jahre. Am Ende seines Lebens sogar 20, wenn ich's mich richtig erinnere.
    Heute kann man sich soviel Jahre nicht mehr leisten. Oft wird mechanisch getrocknet. Was bedeutet das für den Schallboden?


    LG, Paul


    Hallo Paul


    1. Ich glaube eigentlich nicht, dass man eine Stradivari zersägt hat. ;) Die Instrumente sind ausreichend zerlegbar, dass man alle nötigen Analysen durchführen kann.


    2. Stradivari hat sicherlich auf höchstem Niveau gearbeitet. Und seine Produkte sind ausgereifte Kombinationen aus mehreren klangbestimmenden Elementen, die immer weiter verfeinert wurden. Ihn zu imitieren ist daher fast unmöglich. Aber das ist heute auch nicht nötig, da man auf andere Weise zu vergleichbaren Ergebnissen kommen kann.


    3. Lagerung des Holzes ist eine reine Kostenfrage, und überall dort kein Problem, wo es wirklich Sinn macht und Leute zu zahlen bereit sind. Auch heute werden Instrumentenbauer die wirklich guten Instrumente mit abgelegenem Holz bauen. Das treibt natürlich die Preise in die Höhe, was dann aber keine Rolle spielt (im Vergleich zu wirklich alten Geräten ohnehin Peanuts).
    Wenn du aber genug Geld hast, kannst du dir auch einen ganzen Dachstuhl aus zehn Jahre abgelegenem Holz errichten lassen. Wenn es sein muss auch nur mit Holzverbindungen!


    4. Den Klang einer Stradivari-Geige zu imitieren ist heute technisch gelöst. Das hat vor zwei Jahrzehnten ein junger Deutscher gemacht. Man braucht dazu zwei Dinge: erstens eine möglichst genaue Frequenzanalyse des zu kopierenden Geräts (relativ einfach) und zweitens die Erforschung der frequenzbestimmenden Komponenten einer Geige, wie sie auf Veränderungen reagieren und wie man ein Instrument auf eine gewisse Klangvorstellung hintrimmt (sehr aufwändig!).
    Ungleich komplizierter ist die Prozedur für das Cello. Außerdem dürfte der Markt für Spitzen-Cellos viel kleiner sein als jener für Top-Geigen. Daher hat man das meines Wissens noch nicht ernsthaft durchgezogen. Ich halte es aber für möglich, dass es in absehbarer Zukunft realisierbar ist, mit ausreichender Rechenpower durch Computersimulation die Schwingungseigenschaften auch eines vergleichsweise großen Cellos so genau analysieren zu können, dass man auch hier in der Praxis alte Vorbilder neu erstehen lassen könnte. Es ist nur eine Frage des Geldeinsatzes und der Entscheidung, ob man das auch tatsächlich will. Unter Umständen erhält man lieber die Glorie, die alte Instrumente umstrahlt, und will gar kein inflationäres Auftreten ähnlich klingender moderner Instrumente.


    (Otto Normalverbraucher macht sich keine Vorstellung davon, wie genau die akustischen Eigenschaften von Automobilen untersucht werden. Das passierte aber erst ab dem Zeitpunkt, als Marketingexperten herausfanden, dass der Klang eines Autos überraschenderweise für Kaufentscheidungen von Wichtigkeit ist. Das fängt natürlich beim Auspuffsound an, geht über den Klang der schießenden Tür bis zum Motorgeräusch im Fahrgastraum und den Eigenklang des Fahrgastraums selbst. Um zu einem erstrebten Gesamtklang zu kommen, muß jede Komponente des Autos auf ihre klangbeeinflussenden Eigenschaften untersucht werden. Die Pointe bei der Geschichte ist, dass man keineswegswegs bestrebt ist, ein möglichst leises Auto zu bauen, sondern eines, dass möglichst gut die Erwartungen einer anvisierten Zielgruppe erfüllt. Der lautlose Alfa Romeo wird daher immer eine Chimäre bleiben. ;)
    Man sieht also, dass es nur eine Frage der Rentabilität ist, ob große Geldmengen in die Erforschung akustischer Eigenschaften investiert werden.)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich meine mich erinnern zu können, letztens entweder einen Bericht gelesen oder gesehen zu haben, der den unerreichbaren Klang der Stradivari auf das damals verwendete Holz zurückführte. Grund sei die um 1600 herrschende kleine Eiszeit gewesen zu sein, die das Holz der Bäume entsprechend wachsen ließ... Das bringt mich auf die Idee, einen Thread zu initieren: Die globale Erwärmung und ihre Auswirkung auf den Instrumentenbau... Auch als Doktorarbeit sicher sehr interessant :wacky:

  • [offtopic] So habe ich in Science auch gelesen, daß der Computer ausgerechnet hat, wie ein Glockenspiel ein korrektes Oktav abgeben kann.
    Da mußte die normale Form der Glocke geändert werden. Im Mitten brauchte sie eine extra Kurve nach außen.
    Wenn ich mich nicht irre, wurde sogar eine Glocke gegossen.[/offtopic]