Francesco CILEA
ADRIANA LECOUVREUR
Oper in vier Akten
Libretto von Arturo Colautti (nach Eugène Scribe und Ernest Legouvé)
Uraufführung am 6. November 1902 in Mailand (Teatro Lirico)
Deutsche Erstaufführung am 15. November 1903 in Hamburg
Die Handlung spielt in Paris im Monat März 1730
Originalsprache: Italienisch
Die Personen
ADRIANA LECOUVREUR, berühmte Schauspielerin, Mitglied der Comédie Française (Sopran)
MAURIZIO (Moritz, Graf von Sachsen) (Tenor)
DER FÜRST VON BOUILLON (Bass)
DIE FÜRSTIN, seine Gemahlin (Mezzosopran)
MICHONNET, Inspizient der Comédie Française (Bariton)
MLLE JOUVENOT, Schauspielerin (Sopran)
MLLE DANGEVILLE, Schauspielerin (Mezzosopran)
MONSIEUR QUINAULT, Schauspieler (Bass)
MONSIEUR POISSON, Schauspieler (Tenor)
DER ABBÉ VON CHAZEUIL (Tenor)
DER HAUSHOFMEISTER DES FÜRSTEN (Tenor)
Adelige Damen und Herren, Schauspieler und Schauspielerinnen, Bühnenpersonal und Bedienstete
Ballett: Paris, Merkur, Juno, Pallas Athene, Venus, Götterboten, Amazonen.
Orchester:
3 Flöten, 3 Oboen, 3 Klarinetten, 2 Fagotte;
4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba;
Pauken, Schlagzeug, Harfe; Streicher
1. Akt Im Foyer der Comédie Française
Die beiden berühmten Schauspielerinnen und Rivalinnen Adriana Lecouvreur und Duclos werden in der in Kürze beginnenden Vorstellung zum ersten Mal gemeinsam auftreten. Das Schauspielerquartett Jouvenot, Dangeville, Quinault und Poisson bedrängen den Inspizienten Michonnet mit ihren Wünschen nach Schminke, Kostümen und Requisiten. In Begleitung des weltgewandten Abbé von Chazeuil erscheint der Fürst von Bouillon, Mäzen der Duclos und „Dilettant in der Liebe und in der Chemie“. Adriana, fertig gekleidet für ihren Auftritt, kommt, ihre Rolle memorierend, hinzu. Dem Beifall des Fürsten und des Abbes verwehrt sie sich: sie sei nur Dienerin des schaffenden Genies und auf der Suche nach der Wahrheit („Io son l'umile ancella“). Der Fürst erfährt, dass die von ihm protegierte Duclos in ihrer Garderobe einen Brief schreibt, und veranlasst eifersüchtig den Abbe, diesen abzufangen. Als die Vorstellung beginnt, bleiben Adriana und Michonnet allein zurück („Eccoci soli alfin!”). Michonnet, der Adriana seine heimliche Liebe gestehen will, berichtet ihr von Heiratsplänen, die das Erbe, das ihm sein Onkel hinterlassen hat, ermögliche. Als er im Begriff ist, ihr einen Antrag zu machen, vertraut ihm Adriana an, dass sie ihren Kavalier, Fähnrich im Dienste des Grafen von Sachsen und am Vortag aus einem Feldzug von Kurland zurückgekehrt, erwarte. Kurz darauf kommt Maurizio in der Uniform eines einfachen Soldaten und versichert Adriana stürmisch seiner Liebe („La dolcissima effigie sorridente …“). Das Angebot Adrianas, sich für ihn bei dem ihr noch unbekannten Grafen zu verwenden, lehnt er strikt ab. Beide verabreden, sich nach der Vorstellung zu treffen, als Unterpfand schenkt Adriana Maurizio ein Veilchensträußchen. Inzwischen haben der Fürst und der Abbe den Brief der Duclos in Händen, der eine nächtliche Einladung an den Grafen in ihre Villa der Schauspielerin - in Wirklichkeit eine Nachricht der Fürstin von Bouillon - enthält. Der erzürnte Fürst will sich rächen und durch ein Fest mit den Schauspielern der Comédie das Zusammentreffen der Duclos und Maurizios stören. Sein Plan wird von den vier Schauspielern, die sich zusammen mit ihren Kollegen über die groteske Situation amüsieren, belauscht. Inzwischen hat Maurizio, der sich von der Fürstin Unterstützung für seine politischen Pläne erhofft, den fingierten Liebesbrief erhalten. Er beschreibt ein Pergament, das Adriana auf der Bühne überreicht werden soll, rasch mit der Nachricht, dass er die Verabredung am Abend nicht einhalten könne. Adriana, die die Absage auf offener Szene liest, baut sie ihre Erschütterung gekonnt in ihren Auftritt ein, während sich Michonnet und das Publikum an ihrem realistischen Spiel begeistern („Ecco il monologo...”). Als die tief Betroffene von der Bühne kommt, lädt der Fürst alle zu dem geplanten Fest ein. Weil auch der Graf von Sachsen geladen ist, willigt Adriana ein und erhält vom Fürsten den Schlüssel zur Villa der Duclos.
2. Akt Ein Salon in der Villa der Schauspielerin Duclos
Ungeduldig erwartet die Fürstin von Bouillon Maurizio, den sie liebt und politisch protegiert ("Acerba volutta "). Der jedoch verhält sich abweisend. Sein kühles Benehmen und Adrianas Veilchenstrauß an seinem Gewand machen die Fürstin misstrauisch. Geistesgegenwärtig überreicht Maurizio ihr den Strauß und versucht, sie zu beschwichtigen ("L'anima ho stanca …"). Der vorfahrenden Kutsche entsteigen der Fürst und der Abbé, vor denen Maurizio die Fürstin gerade noch in einem Kabinett verstecken kann. Beide necken den vermeintlich bei einem Stelldichein mit der Duclos ertappten Liebhaber. Maurizio, der das Spiel zunächst nicht durchschaut, will sich mit dem Fürsten duellieren, doch dieser ist froh, sich der längst überdrüssigen Geliebten entledigen zu können. Adriana trifft als erste der Gäste ein und erkennt, dass ihr Geliebter kein Fähnrich, sondern der Graf von Sachsen selbst ist. Als Michonnet hereinstürmt, um der Duclos eine neue Rolle anzubieten, glaubt Adriana, dass sich Maurizio mit dieser getroffen hat. Diesem gelingt es jedoch, die Eifersüchtige zu überzeugen, dass er sich mit einer politisch wichtigen Person verabredet hat und überredet seine Geliebte, die Unbekannte zu schützen. Als alle gegangen sind, löscht Adriana die Kerzen. Die beiden Frauen begegnen sich im Dunkeln, nicht wissend, wer die andere ist, erkennen sie, dass sie Rivalinnen um die Liebe Maurizios sind. Die Fürstin kann unerkannt entkommen, verliert aber ihr kostbares Armband.
3. Akt Ein Festsaal im Palais des Fürsten Bouillon
Im Haus des Fürsten wird ein Fest vorbereitet. Die Fürstin sinnt über ihre unbekannte Rivalin nach und beauftragt den Abbe, den Namen der Geliebten des Grafen herauszufinden. Dier Stimme der in Begleitung Michonnets erscheinenden Adriana lässt die Fürstin aufhorchen. Um die Rivalin zu entlarven behauptet sie, Maurizio sei bei einem Duell schwer verwundet worden. Adriana wird ohnmächtig und verrät sich dadurch. Zur Überraschung aller tritt Maurizio als strahlender Sieger ein und wendet sich der Fürstin zu. Bevor die eifersüchtige Adriana noch Aufklärung erlangen kann, wird der Graf aufgefordert, von seinen jüngsten Kriegsabenteuern zu berichten („Il russo Menchikoff“) . Während des anschließenden Tanz-Divertissements „Das Urteil des Paris“ (Ballet: Dormi, dormi, o pastorello) plaudert die Fürstin scheinbar argloses über die Schöne des Grafen: am Hofe munkle man von einer Komödiantin. Adriana pariert: am Theater spräche man von einer adligen Dame und zeigt als Beweis das Armband, das der Fürst als das seiner Frau erkennt. Die Fürstin fordert Adriana süffisant auf, die „Klage der verlassenen Ariadne“ vorzutragen. Der Fürst dagegen schlägt der tief Verletzten dagegen vor, aus Racines „Phädra“ zu rezitieren. Adriana trägt einen Monolog vor, in dem die Unmoral der Fürstin in provozierender Weise bloßgestellt wird („Giusto cielo! che feci in tal giorno“) und verlässt danach, von allen gefeiert, das Fest. Die tödlich gekränkte Fürstin will sich rächen.
4. Akt Im Hause Adrianas
Einige Zeit später. Adriana, die Maurizio seit dem Fest im Hause Boullion nicht mehr gesehen hat, ist aus Liebeskummer und Verzweiflung krank geworden. Michonnet, der Adriana immer noch liebt, schreibt einen Brief an Maurizio und bittet ihn, zu kommen. Die Schauspieler kommen mit Geschenken, um der Kranken zu Geburtstag zu gratulieren, und berichten den neuesten Klatsch über den Fürsten und die Duclos ("Una volta c'era un principe..."). Michonnet überreicht ihr das Brilliantenkollier, das sie dem Fürsten zur Begleichung der Schulden Maurizios überlassen hatte - seine Heiratspläne hätten sich zerschlagen. Im Namen des Grafen wird ein Kästchen abgegeben, das den verwelkten Veilchenstrauß enthält. Die über die grausame Verachtung Maurizios erschütterte Adriana küsst die Blumen, um ihren letzten Duft einzuatmen, dann wirft die den Strauß ins Feuer („Poveri fiori…“). Da stürzt Maurizio herein und bittet um Verzeihung für sein langes Ausbleiben. Er versichert, nur Adriana zu lieben, und beschwört sie, seine Gattin zu werden. Die überglückliche Adriana willigt ein – doch plötzlich schwankt sie, windet sich vor Schmerzen, erkennt den Geliebten nicht mehr und fällt in Ohnmacht. Der zu Hilfe gerufene Michonnet erkennt, dass die von der Fürstin, nicht von Maurizio geschickten Blumen vergiftet waren. Adriana stirbt in den Armen Maurizios.
ENDE
Geschichtliches:
Adriana Lecouvreur (auch Le Couvreuer, 1692- 1730) war tatsächlich eine berühmte Schauspielerin an der Comédie Française, historisch belegt sind auch ihre Rivalin Duclos (Marie-Anne Chateauneuf, 1668 – 1748 ) und die Beziehung Adrianas zu Moritz von Sachsen.
Musikalische Charakterisierung:
Die Adriana Lecouvreur nimmt innerhalb des Verismo eine Sonderstellung ein.
Auffällig ist zunächst der Schluss im pianissimo, getragen nur von hohen Streichern und Harfe, die Musik spiegelt die Verklärung Adrianas wieder. Auffällig ist auch die intensive Verwendung von Leitmotiven, wobei das Orchester auch Hinweise und Kommentare gibt, die von Text und Szene nicht vermittelt werden.