Hallo,
vor kurzem „gingen“ die Nürnberger Philharmoniker/Bayerische Staatsphilharmonie unter ihrem Chefdirigenten Marcus Bosch „fremd“, sie konzertierten nämlich nicht in ihrem angestammten „Konzertraum“ dem Opernhaus Nbg. sondern in der „Meistersingerhalle“ Nbg., bedingt durch das um die SWR Big Band vergrößerte Orchester, das im Orchestergraben des Opernhauses wahrscheinlich nicht mehr Platz gefunden hätte – aber auch wegen der zu erwartenden Akustikprobleme.
Vor der Pause:
Brahms, Klavierquartett g-Moll, op. 25, arrangiert für großes Orchester von Schönberg. Da ich 2 Tage vorher eine sit-in-Probe des Orchesters (mit den überwiegend jüngeren Musikern) unter Marcus Bosch im Orchestersaal (mit überraschend für die Probenarbeit guter Akustik) des Opernhauses besuchen konnte – eine sehr angenehme, freundliche Probenatmosphäre – war ich also „nicht ganz“ unvorbereitet und wusste auch schon, dass sich Schönberg fast gänzlich an die musikalischen Vorgaben von Brahms gehalten hatte. Eine bemerkenswerte Situation: Schönberg orchestriert ein Kammermusikwerk von Brahms und bedient sich dabei in wenigen kleinen Passagen (besonders im 4. Satz!) der Orchestersprache von Brahms’ ungarischer Tänze. Wenn ich das Werk unbekannterweise zuvor z.B. im Rundfunk gehört und hätte raten sollen von wem? Orchesterklang – Bruckner? Musik – Brahms? jedenfalls sofort nach dem letzten Satz.
https://www.youtube.com/watch?v=cQiYttdiZmE
Nach der Pause:
R. Liebermann, Konzert für Jazzband und Orchester. Nachdem die Nürnberger Philharmoniker in der Besetzung unverändert blieben (also auch alle Bläser), die Percussion auf ca. 15 Musiker anwuchs und die SWR Big Band hinzukam, war ein respektables Klangvolumen geboten. Liebermann hielt sich bei dem Werk an die Form des Concerto grosso (die beiden Orchestergruppen traten in einen guten Wettstreit), wobei durch die Vielzahl der Musiker und der außergewöhnlichen Artenvielfalt der Instrumente das „Concerto grosso“ eine ungewöhnliche Erweiterung erfuhr, ganz zu schweigen von der völlig anderen Rhythmik, wo sich also zur Polyphonie der Harmonik (keine „verstörenden Akkorde“) die des Rhythmus addierte. Das Werk entstand 1954; damals war Jazz bei den „Jazzern“ zwar längst angekommen, dieser aber noch kurz zuvor als „entartet“ verboten gewesen und dem klass. Musikpublikum sowieso unbekannt (der Mut des Schweizers Liebermann sollte erwähnt werden).
https://www.youtube.com/watch?v=jMYrStyNsjsDiese Aufnahme erreicht nicht das Konzertniveau der Nürnberger Philharmoniker/SWR Big Band
Es gab noch eine längere Zugabe, eine Komposition in Reinkultur des Boogie-Woogie-Rhythmus (der Komponist ist mir leider entfallen); diesmal nur noch die philharmonischen Streicher und die SWR Big Band, die aber nun „voll aufdrehte“ und den Streichern „nur übrig blieb“, sich ihnen anzuschließen.
Selten bin ich so bes(ch)wingt aus einem Sinfoniekonzert gegangen.
Viele Grüße
zweiterbass