Joseph Haydn: 1. Symphonie in D-dur
Ein weiter Weg führt von der ersten bis zur einhundertundvierten Sinfonie von Haydn und oft genug ist der Blick von eben der Nr. 104 zurück auf die früheren Sinfonien gegangen. Haydn wurde damit zum Vorläufer, man übersieht aber den gewaltigen Kosmos, der mit der Nr. 1 beginnt, die ja keineswegs das Werk eines Unreifen ist, sondern eines sich selbst bewussten Komponisten, der schon ein umfangreiches Opus vorzuweisen hatte.
Die Datierung ist ungewiss: 1757 (oder 59) trat Haydn in den Dienst des Grafen Morzin in Lukavec. Die ersten Sinfonien sind für dessen Orchester geschrieben.
Die erste Sinfonie entstand ca. 1759. Das sind nur wenige Jahre Nach Bachs "Kunst der Fuge" und Händels "Jephta". Sie besteht aus den drei Sätzen Presto (4/4.Takt, 86 Takte), Andante (2/4.Takt, 78 Takte) und einem Presto als Finale (3/8.Takt, 82 Takte). Die Besetzung: 2 Oboen, Fagott, 2 Hörner in D, 1. und 2. Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass.
Die Sinfonie ist dreisätzig. Bei den frühen Sinfonien Haydns findet man den Typus der Kirchensonate (Langsam - Schnell - Menuett/Trio -Schnell), die auf den später gültigen Zyklus hinweisenden (Schnell -Langsam - Menuett/Trio - Schnell) und eine dritte von der Opernsymphonie abgeleiteten "Kammersymphonie" (Larsen: Zur Entstehung der östereichischen Symphonietradition in: Haydn Yearbook X) (Schnell - Langsam - Schnell). Zu der letzteren Gattung gehört die erste Symphonie.
Am Beginn der Sinfonie steht ein großflächiges Orchestercrescendo, das in sechs Takten von Piano bis Forte führt. Nach dem Standort des Ensembles, das diese Möglichkeit in die Orchestermusik einführte, nennt man es ein Mannheimer Crescendo, denn im Mannheimer Orchester unter Stamitz war diese Neuerung entwickelt worden. Es ist vor allen ein Kennzeichen für eine dynamische Klangentwicklung, die alle Gravität hinter sich lässt. Der Orchesterklang ist nun beweglich und lebendig. Das Cembalo wird zwar noch bei der Besetzung genannt (Kritische Ausgabe sämtlicher Sinfonien, Hrsg. Robbins Landon), findet aber im Notenbild keine Ausführung mehr, auf die Generalbaßzeit weist allenfalls hin, dass Violoncello, Bass und Fagott unisono gesetzt sind.
Mit diesem Mannheimer Cresendo beginnt die Eigenständigkeit Haydns, der zwar den dernier cri aus Mannheim benutzt, sich aber deutlich am österreichischen Symphoniestil (Richter, Holzbauer) orientiert und schon seine eigenen Akzente setzt.
Eigenständig auch deshalb, weil der Mannheimer Stil in Österreich nicht so gut angekommen war. Haydn packt quasi den Konservatismus bei den Hörnern, indem er höchst effektreich seine neue Sinfonie mit eben einer Neuheit beginnt. Einstimmig beginnt das Werk, der Klopfrhythmus von Violen und Basso treibt es voran, vom Piano zum Forte entfaltet sich der D-Dur Akkord am Ende in voller Pracht.
Robbins Landon (Haydn. Chronicle and Works - Haydn: the Early Years 1732-1765, London 1980) zählt im ersten Satz fünf Themen (typisch für die verschwenderische Art des frühen Haydn):
das erste Thema ist das Mannheimer Crescendo ( 1-8 )
das zweite das in D-Dur ( 10-14 )
das dritte in A ( 23-28 )
dann das vierte in Moll ( 29-31 )
das fünfte ( 32-39 ), das die Exposition abschließt.
Schon im 6. Takt findet man Haydns Markenzeichen, den [1/8-1/16-1/16-1/8-1/8]-Rhythmus in den Hörnern, der sich durch die Wiederholung an den Fortestellen nachdrücklich einprägt und uns noch in der Symphonie Nr. 104 mit verlängerten Notenwerten begegnen wird (etwa Horn, Trompete und Pauke mit [1/4-1/8-1/8-1/4-1/4] im Takt 40, um in der letzten Kadenz des Satzes noch einmal machtvoll aufgenommen zu werden)
Der Durchführungsteil dieser Sinfonie, die unter den Kennern in Österreich großes Aufsehen erregte, geht über Wagenseil und Monn deutlich hinaus. Vinton (The Development Section in early Viennese Symphonies: a Re-valuation, Music Review XXIV/1, 2963) schreibt: "The derivation of material [- intervallic, rhythmic and harmonic -] is far more complex than any found in Monn or Wagenseil. Likewise, the climatic point (bars 54-56) contains a complex rhythmic structure, a relative long motive size, a long anticipated melodic peak, and a sudden burst of wind sound. The harmony underscores the climax by landing on a tonic pedal."
Es ist vor allem das geplante und gut organisierte Einsetzen der vorgefundenen Mittel, das diese Symphonie über ihre Zeitgenossen erhebt.
Die Bläser schweigen nach Wiener Tradition im Andante, einem tänzerischen Satz im 2/4-Takt. Triolen, Synkopen, eine Achtelfigur im Staccato, überraschende Kontraste beleben den Ablauf. Als Haydn das Thema zu Beginn der Durchführung wieder aufgreift, gewinnt er neues Interesse daran durch eine Verlängerung des Themas, die den Aufwärtsschwung intensiviert.
Auch der dritte Satz ist tänzerisch beschwingt, hier im 3/8-Takt, ein klanglich einfallsreicher Satz, durch den sich ein Zwitscher-Motiv zieht.
Als Beispiel für die Integration moderner (Mannheimer) Errungenschaften in die österreichische Tradition einerseits, für die hier schon vollendete Meisterschaft in dem Genre andererseits, das Haydn so sehr zu dem eigenen machen wird, dass man ihn den Vater der Symphonie nennen wird, ist diese kurze, aber schon inhaltsreiche Sinfonie eine hörenswerte Einführung in die Kunst der Symphonik.
Liebe Grüße Peter