München, Bayerische Staatsoper. Verdi: Macbeth

  • Gestern war die erste Premiere der neuen Münchner Opernsaison, zugleich die erste unter dem neuen Intendanten Nikolaus (ex: Klaus) Bachler, bisher Intendant des Wiener Burgtheaters. Bachler hat für Verdis Macbeth als Regisseur seinen österreichischen Landsmann Martin Kusej verpflichtet, der zwar schon häufig an deutschen Opernbühnen, aber noch nie in München inszeniert hatte. Das ging nicht ganz konfliktfrei ab.


    Im allgemeinen Thread über die Bayerische Staatsoper hat Muxacel bereits einen Bericht über die Generalprobe eingestellt, den ich hier rüberkopiere:





    Erstmal ein paar Informationen: Gespielt wurde – wie fast immer – die Pariser Fassung von 1865 (ohne Ballett im dritten Akt und ohne jeden Zusatz aus der ersten Fassung). Die Verantwortlichen bzw. Mitwirkenden waren folgende:



    Dirigent: Nicola Luisotti
    Regie: Martin Kusej
    Bühne: Martin Zehetgruber
    Kostüme: Werner Fritz
    Chöre: Andrés Máspero


    Macbeth: Zeljko Lucic
    Banco: Roberto Scandiuzzi
    Lady Macbeth: Nadja Michael
    Dama di Lady Macbeth: Lana Kos
    Macduff: Dimitri Pittas
    Malcolm: Fabrizio Mercurio
    Arzt: Steven Humes


    Bayerisches Staatsorchester
    Chor der Bayerischen Staatsoper



    Anders als Muxacel bin ich der Ansicht, dass Martin Kusej ziemlich nah an Text und Musik inszeniert hat. Abgesehen davon, dass Macbeth das gewalttätigste und schwärzeste Stück Verdis ist, das noch viel weniger Anlass zum Abspulen von schönen Arien und Ensembles bietet als seine Schwesterwerke: Die Oper wurde nicht „dekonstruiert“, sie wurde noch nicht einmal „aktualisiert“ (bis auf die zum größten Teil zeitgenössischen Kostüme). Zudem kommt es kaum zu Konflikten zwischen Regie und Musik – erstere nimmt sich immer wieder mal zurück, um den Gesang wirken zu lassen, z.B. in der zentralen Schlafwandelszene der Lady. Die (angeblichen) Exzesse in puncto Gewalt und Obszönität waren den Passagen vorbehalten, die dafür nun wahrlich prädestiniert sind – also in erster Linie den Hexen- und Mordszenen. Zu dem, was ich bei der Rückfahrt aus dem oktoberfestlichen München am Hauptbahnhof erleben durfte (auch die Ausscheidung diverser Exkremente betreffend), passten Kusejs Bilder von einer Welt in Auflösung gar nicht schlecht.


    Wenn jemand auf Skandal aus war, dann nicht Bachler oder Kusej, sondern ein Teil des Münchner Publikums, der sich durch rege Buh- und Brüllaktivitäten auch während der Musik hervortat. Aber das war wohl kaum anders zu erwarten.



    Bühnenbildner Martin Zehetgruber hat den Spielraum variabel gestaltet: der gesamte mittlere und hintere Teil der Bühne ist mit hunderten (tausenden?) von Totenköpfen übersät. Von diesem Raum der Öffentlichkeit, in dem sich Chor und Statisterie aufhalten, wird vorne bei Bedarf mit herabhängenden Plastikfolien ein ziemlich begrenzter Raum der Privatheit für die intimeren Szenen abgegrenzt. Die feststehenden Requisiten beschränken sich in diesem vorderen Teil auf einen Kronleuchter und ein schwarzes (Feldherren-)Zelt. Aus diesem Zelt zieht Macbeth während des Vorspiels nicht nur die Hexen, sondern auch seine Ehefrau hinaus – was im übrigen der musikalischen Semantik des Vorspiels entspricht, kombiniert dieses doch Elemente der Hexenmusik mit Klängen aus der Schlafwandelszene der Lady. Die Hexen sind Kinder. Mit diesem dramaturgisch gut begründbaren Einfall geht natürlich auch eine nicht unproblematische Trennung von spielenden Statisten und singendem Chor einher. Mit den Kinderhexen erzielt Kusej gespenstische Wirkungen, etwa wenn sie im Finale des zweiten Akts als Miniatur-Banquos auftauchen. Angeblich nimmt Kusej mit den Kindern Bezug auf den Film Village of the Damned, den ich aber nicht kenne. Da ist mir wohl eine Pointe entgangen. Insgesamt empfand ich die Hexenszenen nicht durchgehend als gelungen.


    Bei der Personenregie versucht Kusej immer wieder, äquivalente Körperbewegungen zur Musiksprache zu entwickeln: Die im Hintergrund während der Hexenszenen zwischen den Totenschädeln aufgestellten Statisten vollführen zu den rasend schnellen, aufgeheizten musikalischen Stereotypen zwanghafte Handlungen (Kratzen, mit den Händen durch die Haare fahren, Insekten vertreiben). Großartig gelingt die Einheit von Musik und Körper bei Nadja Michael, die eine überragende darstellerische Leistung zeigt: wie eine Getriebene schert sie sich in der Briefszene des ersten Akts die Haare, rennt atemlos hin und her, klettert zu Beginn des zweiten Akts im sich steigernden Machtrausch mit verblüffender Akrobatik auf dem Kronleuchter herum, sucht leidenschaftlich den sexuellen Kontakt zu ihrem Mann, taumelt im Finale des zweiten Akts während ihres Trinklieds leicht beschwipst herum. Wunderbar ist sie in der Schlafwandelszene: mit einer Zigarette im Mund, gänzlich verstört, mit leiser, intensiver Gestik. Zelijko Lucic, kein übermäßig begnadeter Darsteller, lässt mehr Überreste konventioneller Operngestik erkennen, hat aber auch sehr intensive Momente. Suggestiv gelingt Kusej und den beiden Sängern eine Szene im ersten Akt: Während zur Banda-Musik hinter den halbtransparenten Plastikfolien König Duncan vorbeizieht, haschen Macbeth und die Lady mit kindlicher Ausgelassenheit nach einem Schmetterling. Als Macbeth die flatternde Glücksverheißung erwischt, zerquetscht er sie gleichzeitig…


    Macbeth erscheint im ersten Akt fast als Marionette seiner Frau: sie drückt ihm den Dolch für den Mord an Duncan in die Hand; als der schon totgeglaubte König noch einmal blutüberströmt aus dem schwarzen Zelt hervorkriecht, erledigt sie ihn mit gezielten Stichen. Das Zelt ist ein undurchschaubarer Ort des Grauens: nicht nur der Platz der Hexen und das tödliche Nachtlager des Königs – auch Macduff wird vor seiner Szene im vierten Akt von Macbeth an einem Strick aus dem Zelt hervorgezerrt. Ganz am Ende holt Macduff mit äußerster Vorsicht die Krone aus dem Zelt, schließlich zerrt Malcolm die Plane weg: der Spuk ist vorbei, es bleibt nur noch das nackte Gestänge übrig. Später wird – analog zur dramaturgischen Anlage des Librettos – Macbeth immer stärker, die Lady immer verwirrter und schwächer. In ihrer Schlafwandelszene ist sie ganz weich und leidend, während Macbeth seine letzte Arie geradezu selbstbewusst und herrisch darbietet – übrigens am Leichnam seiner Frau: eine Umdeutung des Librettos, in dem Macbeth die Nachricht vom Tod der Lady ja ganz gleichgültig aufnimmt. Hier ergibt er sich am Schluss willentlich in sein Schicksal und bietet sich waffenlos Macduff dar, der ihn dann auch von hinten ersticht.


    Drei m.E. sehr gelungene Tableaus mit Chor sind zu erwähnen: beim bombastischen Ausbruch, nachdem Banquo den Tod des Königs verkündet hat, eine fesselnde, nicht unkomische Szene geheuchelter Trauer mit schwarzen Schleiern, Haareraufen und von der Lady gestreuten Blumen. Das Finale des zweiten Akts – anfangs eine grelle Party, bei der der Chor in übergeworfenen historischen Kostümen die Sektkorken knallen lässt, um am gespenstischen Ende lemurengleich den verzweifelten Macbeth zu bedrängen. Und der Chor des Volks am Anfang des vierten Akts: eine beklemmende Höllenlandschaft mit kopfüber Aufgehängten, Verstümmelten, Verzweifelten und Wahnsinnigen zwischen den Totenschädeln, adäquat zu diesem besonders kühn komponierten Stück.


    Dass es auch hier einzelne Buhrufe in diese leise Trauermusik gab, war symptomatisch für die aufgeladene Stimmung im Publikum. Die ersten lautstarken Proteste kamen beim Mord an Banquo, dessen Leiche kopfüber aufgehängt und blutüberströmt erschien. Ein wüster, weit über eine Minute währender und die Musik übertönender Buhsturm brach am Anfang der Hexenszene des dritten Akts aus, als die Statisten auf der Bühne ein Massenpinkeln veranstalteten. Über die dramaturgische Evidenz dieses Einfalls kann man sich streiten, obwohl der Zusammenhang mit der Zubereitung eines Höllentranks ja nicht abwegig ist. Aber für Teile des Münchner Publikums war das eindeutig zuviel. Nach diesem Eklat blieb es im Zuschauerrraum unruhig, man lieferte sich Wortduelle. Als dann bei der ersten Geistererscheinung Banquos Kopf auf die Bühne herabfiel und von einem gut dressierten Hund apportiert wurde, erhob sich ironischer Szenenbeifall. Ebenso beim Auftritt der Luftgeister, hier barbusige Frauen mit rosafarbenen Perücken, die Macbeth in der Luft schweben lassen. Man sieht, die komisch-drastischen Seiten der Oper kamen auch zu ihrem Recht. Ich fand das einschließlich der komisch erregten Zuschauerreaktionen recht unterhaltsam. Insgesamt ist Kusejs Inszenierung vielleicht kein „großer Wurf“, aber sie bewegt und unterhält, bietet starke Bilder und packende Szenen. Und sie kapituliert nicht vor der Radikalität des Werks. Das ist sehr viel, auch wenn das Regieteam beim Schlussapplaus einen Buhsturm über sich ergehen lassen musste (es gab auch viele Bravi, die aber nicht laut genug waren, die Buhs zu übertönen).


    Einige Buhrufe hatte überraschenderweise auch Dirigent Nicola Luisotti zu verkraften, als er nach der Pause wieder in den Orchestergraben kam. Allerdings spendete ihm als Reaktion darauf ein Großteil des Publikums begeisterten Beifall. Durchaus zu Recht: Auch wenn die Koordination mit dem Chor nicht immer hundertprozentig klappte – der Orchesterpart war enorm differenziert ausgearbeitet, mit einer sehr großen und in vielen Zwischenstufen dargebotenen dynamischen Spannweite, mit schöner Verlebendigung der stereotypen Begleitfloskeln, mit schnellen, gehetzten Tempi in den Hexenszenen. Auch im Detail war der Klang geschärft, mit ungewohnten Akzenten in den Motiven und Melodielinien (schon beim Einleitungsmotiv der Holzbläser).


    Zelijko Lucic sang seine Partie fabelhaft: sehr oft im Piano (bei den Monologen), aber auch zu großer dynamischer Expansion fähig (Wahnsinnsausbrüche im Finale des zweiten Akts), mit Kantabilität und Stimmschönheit z. B. in seiner letzten Arie. Um Charakterisierung bemühte er sich, teils mit Erfolg – trotzdem fehlte da etwas an Individualität. Nadja Michael war vor der Aufführung von Bachler als erkältet angesagt worden. Sie zeigte sich, wie zu erwarten, in ihrer ersten Arie + Cabaletta von ihrer schwachen Seite: mit grellen, verrutschten Spitzentönen und verschmierten Koloraturen. Ansonsten liegt die Tessitura der Partie ja nicht so hoch: und hier bietet Frau Michael Vorzügliches, mit der verinnerlicht gesungenen Schlafwandelszene als Höhepunkt. Als Gesamtheit von gesanglicher und darstellerischer Leistung großartig! Roberto Scandiuzzi als Banquo war mal ein vorzüglicher Bass, sang gestern aber wenig fokussiert und rhythmisch ziemlich schwammig. Ausgezeichnet Dimitri Pittas als Macduff, auch in den kleinen Rollen gute Leistungen.


    Es zeichnet sich auch in den ersten Presserezensionen ab, dass die Meinungen über diese Produktion sehr, sehr weit auseinandergehen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Heute morgen oder gestern abend noch in der
    Süddeutschen Zeitung eine Lobeskrtik.
    Im Münchner Merkur ein totaler Veriss, wobei der
    Kritiker den Luster, die Unterwäsche auch ähnlich wie
    ich als nervig sieht.
    Der ORF in Kultur in der ZIB brachte einen sehr
    kritischen Bericht von der Münchner Premiere.


    Nocheinmal ich war enttäuscht, weil ich mir großes
    erwartet hatte und gerade vom Kusej tolle
    Sachen gesehen habe!


    Eine mir unbekannte Dame neben mir in der GP flüsterte mir zu
    bei der Nachwandelszene der Lady:
    "Hätte sie aufgehört zu rauchen, hätte sie jetzt
    noch Stimme"
    Die Lady kam mit Whisky Glas und Zigarette auf die
    Bühne und markierte Ihre Rolle bis zum Schluß, da sie
    erkältet war. Dies hielt auch bis zur Premiere an
    und dies ist weder bös noch zweideutig gemeint.


    Das zur Entspannung der Meinungen der ersten
    PREMIERE von NIKOLAS BACHLER
    gegen den ich (noch) gar nichts habe und
    ihm viel Glück in München wünsche.


    Schönes Wochenende aus München.


    :yes::yes::angel:

    mucaxel

  • Lieber Mucaxel!


    Nikolaus Bachler - gegen den Du noch nichts hast - wird schon kommen, hat schon in der Wiener Volksoper und dem Burgtheater Manches verbrochen,


    viel Vergnügen weiterhin mit Mist, wie dieser Macbeth, welcher als Kultur angeboten wird. :no: :no: :no:


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • :yes:
    Mal nicht zu negativ, weiß schon das dem neuen Dirktor
    der Münchner Oper NIKOLAUS BACHLER
    viel Negatives von VOP und BURG aus Wien
    vorauseilt, aber fair sein ihn mal machen lassen....
    100 Tage sind in der Politik üblich oder???


    :D


    Gruss nach WIEN.

    mucaxel

  • Kusejs erbärmliche Regie"leistung" hat die ausführliche und gehaltvolle Kritik von ZWIELICHT nicht verdient.


    Mangels origineller und originaler Einfälle benutzt Kusej eigene Versatzstücke aus früheren Regiearbeiten: Kopulieren, Körpersäfte, weiße Unterwäsche, obwohl dieses Mal nicht PALMERS (wie beim Don Giovanni in Salzburg) Premierensponsor war, sondern AUDI.


    Es ist mir unbegreiflich, dass Brembeck in der Süddeutschen Zeitung und Braunmüller in der az von diesem Machwerk noch begeistert waren. Frau Täuschel spricht in Ihrer heutigen Premierenkritik in Bayern-4-Klassik von "vergebener Chance", "Einzelszenen, Ärgerlichem, Augelutschtem, Beliebigem" und dass das "Licht ausging, wenn ihm gar nichts mehr einfiel"


    Lächerlich auch Nikolausis Premieren-Innovationen wie der blaue Teppich (aha Bayern!), der über die Treppe die Maximilianstraße entlang bis zum Bühneneingang verlegt war und auf dem beim Hinausgehen junge Leute frierend mit Fackeln standen.


    Übrigens: Premierenbesucher Gusenbauer fragte, ob die protestierenden und buhenden Premierenbesucher von der Oktoberwiese gekommen seien!

  • Zitat

    Original von schiral
    Kusejs erbärmliche Regie"leistung" hat die ausführliche und gehaltvolle Kritik von ZWIELICHT nicht verdient.


    Hallo Schiral,


    darf man fragen warum nicht? Das wird aus Deiner Invektive nicht so recht deutlich.


    Und wenn´s der Süddeutschen und der AZ gefallen hat: Warum nicht? Geschmäcker sind eben verschieden.
    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von schiral
    Kusejs erbärmliche Regie"leistung" hat die ausführliche und gehaltvolle Kritik von ZWIELICHT nicht verdient.


    Danke für das leicht vergiftete Kompliment, aber so wichtig nehme ich mich auch wieder nicht ;).



    Zitat

    Mangels origineller und originaler Einfälle benutzt Kusej eigene Versatzstücke aus früheren Regiearbeiten: Kopulieren, Körpersäfte, weiße Unterwäsche, obwohl dieses Mal nicht PALMERS (wie beim Don Giovanni in Salzburg) Premierensponsor war, sondern AUDI.


    Körpersäfte, Unterwäsche und Kopulieren sind ja nun durchaus Realien bzw. Handlungen, die auch außerhalb von Kusej-Inszenierungen vorkommen... :D


    Im Ernst: Es ist ja kein Einzelfall, dass Regisseure und Bühnenbildner bestimmte Bilder und Vorgänge in ihren Inszenierungen wiederholen. Letztlich geht es hier wieder um die Grundsatzfrage, ob Regie und Bühnenbild bei einer Opernproduktion eine ästhetische Ebene eigenen Rechts darstellen. Wenn man das konzediert, ist es naheliegend, ja geradezu zwingend, dass Regisseure einen eigenen Stil entwickeln, und zwar einschließlich von Zitaten aus eigenen und fremden Inszenierungen. Wenn ich mir die von mir geschätzten Regisseure und Bühnenbildner anschaue, dann ist dieser Aspekt bei ihnen allen mehr oder weniger ausgeprägt - bei nicht wenigen sogar stärker als bei Kusej (z.B. Marthaler).



    Zitat

    Es ist mir unbegreiflich, dass Brembeck in der Süddeutschen Zeitung und Braunmüller in der az von diesem Machwerk noch begeistert waren. Frau Täuschel spricht in Ihrer heutigen Premierenkritik in Bayern-4-Klassik von "vergebener Chance", "Einzelszenen, Ärgerlichem, Augelutschtem, Beliebigem" und dass das "Licht ausging, wenn ihm gar nichts mehr einfiel"


    Die Lichtregie fand ich nicht übermäßig originell, aber was an den harten Kontrasten zwischen greller Neonbeleuchtung und (fast) völligem Dunkel so schlimm sein soll, erschließt sich mir nicht. "Dunkel" und "Nacht" sind nun mal Leitthemen des Stücks.


    Wer sich einen kleinen Eindruck von der Produktion verschaffen möchte, kann sich auf der Website der Staatsoper hier ein Video anschauen und -hören, außerdem einen extra produzierten, halbwegs informativen Beitrag des sog. Opern-TV (viel Gelaber, aber trotzdem halbwegs informativ mit Ausschnitten aus der Produktion). Zu den Links muss man die Seite nach unten scrollen.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Bernd,


    vielen Dank für Deinen Hinweis auf das Opern-TV, das einem, der eher nicht in die Lage kommen wird, die Produktion zu sehen, wenigstens einen kleinen Eindruck davon vermitteln kann, worüber hier (wieder mal) gezetert wird.


    Ich werde mich hüten, in das Pro und Con einzustmmen, solange ich nicht mehr gesehen habe, aber Deine detaillierte Beschreibung in Verbindung mit den kleinen Ausschnitten haben mir sehr viel Lust gemacht, mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen und zu bedauern, dass das so bald nicht möglich sein wird. Schade.


    :hello: Jacques Rideamus

  • War gestern in der dritten "Macbeth"-Vorstellung. Tumultarisches seitens des Publikums begab sich nicht - sieht man einmal davon ab, daß nach der Pause kurz Unruhe aufkam, als die Damen und Herren Chor-Doubles (der Chor singt größtenteils unsichtbar hinter der Szene), nur mit Unterhosen bekleidet, frontal zum Publikum hin zu urinieren begannen (jede bessere Feministin mußte geschockt sein, daß die Männer hier immer noch im Stehen pinkeln...). Da war für manchen die Grenze des Zumutbaren wohl erreicht, obwohl sich der Protest sehr in Grenzen hielt. Mich beschäftigte nicht das Zumutbare, sondern der dramaturgische Sinn dieses Exhibitionismus. Und der erschloss sich mir nicht.
    In toto war es wohl die in ihren Bildern radikalste Inszenierung, die ich je auf einer Opernbühne gesehen habe. Die Schlächterei, zu der Menschen seit Olims Zeiten fähig sind, wurde mit theatralischen Mitteln geradezu ausgewalzt. Ich gestehe, daß mich das zeitweise doch verstörte, da meine persönlichen Möglichkeiten, mich in diese Mordwelten zu versetzen, begrenzt sind. Wer sieht sich schon gerne mit der "Bestie Mensch" so schonungslos konfrontiert? Und doch machte für mich trotz mancher inneren Gegenwehr diese Inszenierung Sinn. Kusej verweigert jede Glättung oder gar Maskierung menschlicher Destruktionsmöglichkeiten, was einem bürgerlichen Publikum, zu dem auch mich zähle, schon einige Beschwernis macht. Da diese Welt aber seit dem 2. Weltkrieg von an die 200 weiteren Kriegen heimgesucht wurde, hat dieser "Macbeth" eine grausige Aktualität. Kusej bietet keine aufgesetzte Horrorfilm-Adaption um schnöd-billiger Effekte willen, sondern er zeichnet mit theatralischen Mitteln den Horros nach. Das ist legitim, auch wenn man sich innerlich dagegen sträuben mag. So ließen die sechs jungen Männer, die eine ganze Szene lang nackt kopfüber an Seilen über dem Meer der Totenschädel baumelten (das können nur sehr sportive, quickgesunde Leute körperlich durchstehen), keinerlei Voyerismus aufkommen. Sie symbolisierten jene Schlachtopfer jedweder Willkürherrschaft, die jeden Augenblick gewärtig sein müssen, Teil jener Totenschädel-Walstatt zu werden, auf die sie herabblicken. Ein "unangenehmes", aber packendes Bild. Unvergeßlich auch das schäbige Zelt, das sich vier Akte lang als eine Art Bundeslade des Macht- und Herrschaftswahns ausstellt, um am Ende, als es zerstört wird, als ein Nullum, ein Nichts entlarvt zu werden.
    Die sängerisch-darstellerischen Leistungen waren imposant, allen voran die Lady der Nadja Michael, deren körperliche Fragilität einen geradezu demonstrativen Gegensatz zur Monstrosität der Gedankenwelt bot, in der sich die Lady bewegt. Die Intensität ihres Spiels erinnerte mich an die begnadete Gestaltungskraft von Inge Borkh (deren Bühnenpräsenz den wenigsten hier noch ein Begriff sein dürfte). Die schneidende Schärfe der Stimme von Frau Michael halte ich für rollendeckend. Leider hat sie aber die Angewohnheit, die hohen Töne gleichsam mit Anlauf zu nehmen - mit dem Nachteil, daß manche so gar nicht unwichtiger "Zwischentöne" dabei verloren gehen. Ob man bei einiger Bemühung ändern könnte? Lucic, der Titelheld, verbreitete eitel Wohllaut, soweit die Rolle ihm dies gestattete. Macbeth in all seiner Schwäche als Zauberlehrling des Mordens fand in diesem Sänger einen überzeugenden Interpreten. Und Nicola Luisetti, der junge Dirigent, mußte sich nicht wie in der Premiere (die im am Radio hörte) albern-unberechtigten Buhs aussetzen, sondern konnte vom Publikum jenen Applaus entgegennehmen, der seinem souveränen Dirigat zustand.


    Florian

  • Hallo,


    Ich war auch bei der Premiere und fand es so lala.
    Der Abend war durchwachsen - die Bilder kamen etwas unzusammenhängend und gaben für mich nicht das "Große Ganze", einige Regieeinfälle waren ganz nett, (so z.B. Lady Macbeth in der Schlafwandelszene mit Zigarette und Feuerzeug. Dazu der Dialog von Arzt und Amme: "Sie hält ein Licht in der Hand? - Den Leuchter, den sie immer neben ihrem Bett stehen hat"), andere wiederum abgedroschen. (Kopfüber hängende, pseudotote Männerkörper gab es vor kurzem erst bei Himmelmanns "Don Carlo" an der Berliner Staatsoper...)


    Insgesamt fand ich die geschockten Buhrufe des Publikums während gewisser Szenen aber ziemlich übertreiben (zugegeben aber auch amüsant). Über die urinierenden Hexen wurde sich wohl vor allem von einer Gruppe Ommas aus dem hinteren Parkett mockiert - meine Sitznachbarin und vornehmlich andere BesucherINNEN stiegen in den Krawall mit ein...schon leicht peinlich finde ich...
    Lustig hingegen, der Auftritt der Luftgeister - das Publikum blieb wieder Erwarten ruhig beim Anblick der barbusigen Statistinnen. Nachdem alle lilaperückierten Gestalten um Macbeth Stellung bezogen haben kommt aus dem Parkett ein einzelner Ruf: "Bravi" Gelächter allenthalben. Nett auch der kaum zu hörende, korregierende Kommentar seines Nachbarn: "Bravae!"


    Die Fackelträger waren aber doch etwas daneben...Hat man etwa in der "Stadt der Bewegung" zu befürchten zum gemeinsamen Fackelmarsch vom Bürgerbräukeller zur Feldherrenhalle eingeladen zu
    werden? Ich hoffe doch nicht.


    Nunja - ein etwas anderer Opernabend mit viel Lärm um nichts, vielen bunten Fummeln, vielen Audi-Funktionären, viel schöner Musik und einer für mich persönlich durchschnittlichen Inszenierung...


    LG
    Raphael

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  • Zitat

    Original von florian
    Unvergeßlich auch das schäbige Zelt, das sich vier Akte lang als eine Art Bundeslade des Macht- und Herrschaftswahns ausstellt, um am Ende, als es zerstört wird, als ein Nullum, ein Nichts entlarvt zu werden.


    Wunderbar charakterisiert - das war für mich auch eine der stärksten (Bild-)Ideen der Inszenierung.



    Zitat

    Die sängerisch-darstellerischen Leistungen waren imposant, allen voran die Lady der Nadja Michael, deren körperliche Fragilität einen geradezu demonstrativen Gegensatz zur Monstrosität der Gedankenwelt bot, in der sich die Lady bewegt. Die Intensität ihres Spiels erinnerte mich an die begnadete Gestaltungskraft von Inge Borkh (deren Bühnenpräsenz den wenigsten hier noch ein Begriff sein dürfte). Die schneidende Schärfe der Stimme von Frau Michael halte ich für rollendeckend. Leider hat sie aber die Angewohnheit, die hohen Töne gleichsam mit Anlauf zu nehmen - mit dem Nachteil, daß manche so gar nicht unwichtiger "Zwischentöne" dabei verloren gehen. Ob man bei einiger Bemühung ändern könnte? Lucic, der Titelheld, verbreitete eitel Wohllaut, soweit die Rolle ihm dies gestattete. Macbeth in all seiner Schwäche als Zauberlehrling des Mordens fand in diesem Sänger einen überzeugenden Interpreten.


    Das halte ich für einen (nicht nur bezüglich dieser Produktion) besonders interessanten Punkt: Es gibt ja die vielzitierte Briefstelle Verdis, in der er fordert, die Lady Macbeth dürfe auf keinen Fall "schön", sondern müsse mit dumpfer, erstickter Stimme singen (gemeint ist wohl die Schlafwandelszene - ich habe das genaue Zitat hier gerade nicht parat). Verdi will also den radikalen Bruch mit der Belcanto-Tradition der "schönen" Wahnsinnsszenen à la Donizetti oder Bellini. Wenn man diese Äußerung Verdis zum Maßstab macht, was natürlich nicht zwingend ist, dann wird diese Rolle immer "zu schön" gesungen - selbst von Frau Michael. Wenn jetzt aber wirklich eine Sängerin mit dumpfer, erstickter etc. Stimme sänge, würde man ihr garantiert Chargieren, wenn nicht sogar vokales Versagen attestieren.


    Ein anderes Problem: Wenn Frau Michael rollendeckend ist (was ich auch so sehe), ist es dann der überaus kultivierte, geradezu belcanteske Lucic in der Titelrolle nicht? Und war die Kombination dieser beiden Stimmen Zufall oder Absicht?



    Zitat

    Original von raphaell
    Der Abend war durchwachsen - die Bilder kamen etwas unzusammenhängend und gaben für mich nicht das "Große Ganze"


    Hm, das "Große Ganze", auch so ein ästhetischer Fetisch... :wacky: Gerade Verdis Macbeth zeichnet sich gegenüber Shakespeares Stück ja dadurch aus, dass die einzelnen Akte und Szenen ziemlich krude aneinandergereiht werden, dass eine psychologische Motivation der Handlung kaum erkenntlich ist, dass man fast schon eine Splatter-Ästhetik hat usw.


    Außerdem wurden doch zumindest durch das Einheitsbühnenbild, seine räumliche Strukturierung, durch zentrale Bildzeichen wie das erwähnte Zelt , durch das Kinderthema (das ich allerdings zunächst nicht kapiert habe) Zusammenhänge hergestellt - und nicht zu knapp, für meinen Geschmack sogar etwas zu stark.



    Zitat

    einige Regieeinfälle waren ganz nett, [...] andere wiederum abgedroschen. (Kopfüber hängende, pseudotote Männerkörper gab es vor kurzem erst bei Himmelmanns "Don Carlo" an der Berliner Staatsoper...)


    Auch hier Widerspruch:


    Ich hab's oben schon mal gesagt, wiederhole mich aber bei diesem (nicht nur bezüglich dieser Inszenierung) oft kritisierten Punkt gern: Nur weil man bestimmte Bilder/Motive/Szenen schon in anderen Inszenierungen gesehen hat, sind sie noch nicht abgedroschen (sie können es natürlich sein und manchmal gibt es wirklich Einfälle, die 20-100mal durch die Mühle gedreht werden). Gerade in puncto Darstellung von Gewalt weist die Bildgeschichte einen erstaunlich stabilen und (relativ) begrenzten Vorrat von Motiven auf, die sich in abgewandelter Form permanent wiederholen.


    Zudem sind die kopfüber Aufgehängten nur ein Bestandteil eines weit umfassenderen Bildes, in dem ein Panoptikum von Gewalt und Leid entfaltet wird. Dass sowas ganz unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann (Ergriffenheit/Ekel/Gleichgültigkeit etc.) sieht man ja schon an unseren (Florians, Deinen, meinen) Statements.



    Zitat

    Die Fackelträger waren aber doch etwas daneben...Hat man etwa in der "Stadt der Bewegung" zu befürchten zum gemeinsamen Fackelmarsch vom Bürgerbräukeller zur Feldherrenhalle eingeladen zu
    werden? Ich hoffe doch nicht.


    (Nicht etwa in der Inszenierung: Gemeint sind die schon oben von Schiral erwähnten Fackelträger, die längs des am mittleren Eingang verlegten blauen Teppichs Spalier standen.)


    Die Nazi-Assoziation hatte ich auch sofort, obwohl sie selbstverständlich nicht beabsichtigt war (man kann Bachler ja einiges nachsagen, aber das zuallerletzt). Die Ikonographie des Fackelträgers ist schließlich weitaus vielfältiger, auch in München. Dämlich war's trotzdem.



    Zitat

    Gruppe Ommas aus dem hinteren Parkett ...vielen bunten Fummeln, vielen Audi-Funktionären...


    Tja... :D Ich habe mich auch nach Jahren nicht an das Münchner Opernpublikum gewöhnt. Aber lustig ist es manchmal...


    Wenn wir aber schon bei den Parerga sind: Was ich wirklich zum Kotzen finde (nicht nur in München, sondern z.B. auch in Salzburg oder Luzern), ist das Absperren eines sonst öffentlich zugänglichen Teils des Opernhauses (Königssaal oder Teil davon sowie ein Treppenaufgang) zugunsten von Sponsoren - hier die erwähnten Audi-Fuzzis. Wenn als nächste Premiere ausgerechnet Wozzeck auf dem Spielplan steht, werden solche Praktiken noch obszöner wirken...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Lieber Zwielicht,


    auch Lucic war rollendeckend besetzt, natürlich. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß Verdi in jenem besagten Brief der Lady geradezu befiehlt, nicht "schön" zu singen, vom Sänger des Macbeth indessen dies gerade nicht verlangt (mit einer Ausnahme) - aus gutem Grund. Denn den Reiz macht die stimmliche Kontrastwirkung aus. Hier die starke Frau, dort der schwache Mann, ausgeformt in unterschiedlichen Anforderungen an die Stimmen der Protagonisten. Dahinter steht wohl Verdis Absicht, die Triebstruktur des Bösen in ihren verschiedenen Facetten musikalisch-darstellerisch auszuleuchten. Wäre Macbeth eine zweite Lady, ginge dieser geniale Charakterisierungseffekt verloren; ein verdoppelter nicht-belkantesker Gesang würde, sozusagen "todsicher", den musikalischen Spannungsreiz abtöten. Verdi fordert allerdings eine Ausnahme: Im Duett soll sich Macbeth der Lady stimmlich angleichen.


    Verdi fordert explizit in einem Brief an den Textdichter Cammarano am 23.11.1848: "Ich möchte die Lady Macbeth häßlich und böse haben. ... ich möchte, daß die Lady nicht singt; ... ich möchte für die Lady eine rauhe, erstickte, hohle Stimme haben; ... die Stimme der Lady sollte etwas Teuflisches haben."


    Das bezieht sich also nicht nur auf die berühmte Nachtwandlerszene, sondern auf die gesamte Partie. Wie erinnerlich liest die Lady zu Beginn ihres ersten Auftritts laut einen Brief, um unmittelbar danach in den Gesang überzuleiten. Dabei soll die Protagnistin den rauhen, hohlen Ton ihrer Sprache in den Gesang übernehmen - genial erdacht vom Komponisten, doch auf der Bühne unheimlich schwer zu realisieren. Eine reine Arienkünstlerin ist da völlig überfordert - und ich habe schon einige überforderte Ladies erlebt.


    Und nochmals Verdi: "Macht darauf aufmerksam, daß die Hauptstücke der Oper diese beiden sind: das Duett zwischen der Lady und ihrem Mann und die Nachtwandlerszene. Wenn diese Stücke verlorengehen, ist die Oper erledigt; und diese Stücke dürfen absolut nicht gesungen werden. Man muß sie mit einer recht hohlen und verschleierten Stimme darstellen und deklamieren: Ohne das kann es keine Wirkung geben." In keiner anderen Oper hat Verdi die stimmlichen Anforderungen an seine Sänger derart radikal formuliert wie im "Macbeth".


    Beste Grüße
    Florian

  • Lieber Florian,
    ich glaube, daß Verdi seine Sänger in Macbeth motivieren wollte, möglichst viel Ausdruck zu geben, deshalb hat er es so drastisch formuliert. Die Arien und Duette, auch Die Nachtwandlerszene der Lady muß man schon vernünftig singen. Wenn man das, was Verdi gesagt hat zu wörtlich nähme, könnte man ja gleich Schauspieler singen lassen.


    (1847 waren die Sänger noch auf Belcanto getrimmt.)



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Körpersäfte, Unterwäsche und Kopulieren sind ja nun durchaus Realien bzw. Handlungen, die auch außerhalb von Kusej-Inszenierungen vorkommen... :D


    Im Ernst: Es ist ja kein Einzelfall, dass Regisseure und Bühnenbildner bestimmte Bilder und Vorgänge in ihren Inszenierungen wiederholen. Letztlich geht es hier wieder um die Grundsatzfrage, ob Regie und Bühnenbild bei einer Opernproduktion eine ästhetische Ebene eigenen Rechts darstellen. Wenn man das konzediert, ist es naheliegend, ja geradezu zwingend, dass Regisseure einen eigenen Stil entwickeln, und zwar einschließlich von Zitaten aus eigenen und fremden Inszenierungen. Wenn ich mir die von mir geschätzten Regisseure und Bühnenbildner anschaue, dann ist dieser Aspekt bei ihnen allen mehr oder weniger ausgeprägt - bei nicht wenigen sogar stärker als bei Kusej (z.B. Marthaler).


    Wer bereits Kušejs Inszenierung des Pendants von Schostakowitsch gesehen hat, sollte also nicht sonderlich verwundert darüber sein, was nun gezeigt wird. Interessant wäre diesmal höchstens, ob wieder irgendwo eine gut sichtbare Urinierszene in die Opernhandlung hineingepasst hat :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi
    Interessant wäre diesmal höchstens, ob wieder irgendwo eine gut sichtbare Urinierszene in die Opernhandlung hineingepasst hat :D


    :hello:
    Stefan


    Lieber Stefan,


    ob die U.sz. dort hineinpasst weiß ich bisher noch nicht aus eigener Erfahrung (meinen Stehplatz für heute Abend habe ich schon los gebracht) aber ich setze Dir mal den Teil des Berichts von Florian (ein Stück weiter oben) hier rein:


    Zitat


    florian

    War gestern in der dritten "Macbeth"-Vorstellung. Tumultarisches seitens des Publikums begab sich nicht - sieht man einmal davon ab, daß nach der Pause kurz Unruhe aufkam, als die Damen und Herren Chor-Doubles (der Chor singt größtenteils unsichtbar hinter der Szene), nur mit Unterhosen bekleidet, frontal zum Publikum hin zu urinieren begannen (jede bessere Feministin mußte geschockt sein, daß die Männer hier immer noch im Stehen pinkeln...).


    Einen schönen Sonntag wünscht Dir
    Ingrid

  • Liebe Ingrid,


    da hab ich dann doch tatsächlich was überlesen... :O
    Hab schon mitgekriegt, dass wieder sehr viel Nacktes (angeblich auch der Chor) vorkommt, aber dass sie sogar durch die Unterhose ( :P ) durchpullern war mir neu ;)


    Er scheint ein bisschen pathologisch zu sein in der Richtung - wohl in der neu entdeckten urinalen Phase stecken geblieben :D


    Nö im Ernst - die Lady Macbeth-Inszenierung (Dmitrij Sch.) war gar nicht übel und da würd mich doch fast mal dieses Skandaltheater interessieren :pfeif:
    (Wegen geringer Zeit hoffe ich wenigstens auf intensive Fernsehberichte 8o )


    :hello:
    Stefan,
    letzter verbliebener Tamino-Vertreter des Rechts auf Stehpinkeln :baeh01:

    Viva la libertà!

  • Auch wenn diese Bemerkung wahrscheinlich nichts nutzen wird: Die Fixierung auf tatsächliche oder angebliche Skandalszenen verstellt oft genug den Blick auf die gesamte Inszenierung und auf die Relation zwischen szenischer und musikalischer Interpretation.


    So wird man auch dieser Macbeth-Inszenierung nicht gerecht, wenn man sie auf das Pinkelbild reduziert. Das ist eine einzige Szene, die man je nach persönlicher Disposition als provozierend empfinden mag. Den ganzen "Rest" der Regie muss man nicht gut finden - "skandalös" ist er nicht, denn die relativ unverblümte Darstellung nackter Gewalt geht bestimmt nicht an Musik und Libretto der Oper vorbei.


    Dass sich die lautstarken Publikumsreaktionen auf die (von mir besuchte) Premiere beschränken und bereits bei der (von Florian besuchten) dritten Aufführung viel größere Gelassenheit herrscht, ist ja ohnehin der Regelfall.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Danke, Bernd, genauso ist es.
    Die „Pinkelszene“ dauert grade mal ein paar Minuten. Und bei dieser „Pinkel-“ (richtiger Hexen-) Szene spricht das Libretto doch davon, dass diese „un'opra senza nome“, ein namenloses Werk, verrichten. Das ist für mich durchaus schlüssig gezeigt, wenn auch nicht schön und natürlich gesucht provokant.
    Bei der von mir besuchten Vorstellung gab es hier ein überlanges und daher auch äußerst störendes Buhkonzert. Wie immer in solchen Fällen ging es den Störern auch primär nicht darum, ihr Missfallen zu bekunden, sondern in erster Linie um eine eklige Selbstdarstellung. Beim Schlussapplaus gefiel sich ein einzelner „Experte“ darin, den Auftritt Nadja Michaels durch anhaltendes Gebuhe zu kommentieren, auch von anderen Besuchern („halts Maul“) lies er sich davon nicht abbringen.
    Meines Erachtens besteht kein Anlass, den Münchner Macbeth nicht zu besuchen oder gar bereits gekaufte Eintrittskarten wieder zu verscheuern.
    Ein bekanntlich harter Stoff, stark bebildert, mit gesanglich (Lucic) und schauspielerisch (Michael) hervorragenden Hauptdarstellern, einem famosen Chor und einem luxuriös aufspielenden Orchester.

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

  • Hallo,


    war nun gestern endlich auch in dieser "Skandal"?-Inszenierung, die mich während der Vorstellung nicht wirklich traf. Es mag vielleicht auch die Ferne zum Bühnengeschehen gewesen sein (Galerie Seite), wo man doch einiges nicht so mitbekam, ich auch mehrmals zurückgelehnt die Musik auf mich einwirken ließ und deshalb in die Richtung: Langeweile tendierte. Trotzdem empfand auch ich Nadja Michael als rollendeckende und ideale Besetzung der Lady Macbeth in dieser Inszenierung und dem Applaus zu schließen, sahen es die anderen Besucher ähnlich, denn sie bekam wirklich den begeistertsten Zuspruch und kein einziges Buh. Erschreckend war dann aber doch, dass sich blitzschnell die Reihen lichteten und es gerade noch einen, oder waren es doch zwei, mühsam erklatschte Vorhänge gab.


    Vielleicht lag es auch ein wenig an dem angebotenen Publikumsgespräch, dass gleich im Anschluss vor der Königsloge stattfinden sollte und gut besucht war. Ich fand es eine tolle Idee und hoffentlich bietet man es auch bei weiteren Premieren an, evtl. auch etwas früher. Der junge Produktionsdramaturg Olaf Schmitt trat sehr couragiert auf und überzeugt von diesem Werk Kusejs ein, hatte auch einen "Gegenspieler" dabei, einen Kritiker, dessen Namen ich leider nicht mitbekam, und der mehr für die Seite des Publikums eintrat, die an den vielen verschiedenen Einfällen oder Mätzchen keinen so großes Gefallen fanden und sich auch deshalb die Langeweile bei einigen breit machte, da sie einfach nicht mehr willens waren, hinter die Gedankengänge des Regisseurs zu kommen. So war die Konfrontation vorprogrammiert, die aber jeweils gut aufgefangen wurde.... obwohl ich leider nicht bis zum Schluss bleiben konnte. Für mich überraschend waren doch einige sehr positive Stimmen, die von dieser Inszenierung sehr aufgerüttelt wurden und auch schon mehrere Vorstellungen besucht hatten. Gerade eine Dame brachte ihre Empfindungen sehr offen zum Ausdruck und wollte dann auch gehen, damit nicht alles zerredet werden würde. Ein Herr beklagte das dahinplätschernde Dirigat und meinte, dass er es ganz anders kennen würde. Ich persönlich habe auch eine gewisse Aversion dem Dirigenten gegenüber mit in die Vorstellung genommen, denn sein Premierenpausengespräch fand ich schon sehr abgehoben, wenn er davon sprach, dass das Orchester und wohl in erster Linie er, die Stimme Gottes wäre und das bei dieser Thematik. Bin wohl auch nicht ein so großer Verdi-Fan.


    Was mich aber inzwischen nachträglich richtig aufgerüttelt hat, war die erneute Lektüre der wirklich großartigen Rezension von Zwielicht und auch den anderen Beiträgen. Ich hätte sie direkt davor noch einmal gründlich lesen sollen, aber zum Glück haben sie nun doch noch Wirkung gezeigt, denn ich habe die Bilder inzwischen viel besser verstanden. Eine lesbare Übersetzung hätte natürlich auch noch ihre Wirkung getan und ist so doch total verpufft.


    Herzliche Grüße
    Ingrid

  • Deutschlandradio Kultur sendet am Samstag, den 29.11.08 nochmals die Aufzeichnung der Premiere vom 02. Oktober



    19.05 Konzert


    Euroradio-Opernsaison 2008/09
    Bayerische Staatsoper München
    Aufzeichnung vom 2.10.08


    Giuseppe Verdi
    »Macbeth«


    Zeljko Lucic, Bariton – Macbeth
    Roberto Scandiuzzi, Bass – Banco
    Nadja Michael, Sopran – Lady Macbeth
    Lana Kos, Mezzosopran – Kammerfrau
    Dimitri Pittas, Tenor – Macduff
    Fabrizio Mercurio, Tenor – Malcolm
    Rüdiger Trebes, Bass – Diener
    Steven Humes, Bass – Ein Doktor
    Christian Rieger, Bass – Ein Mörder
    Chor und Orchester der Münchener Staatsoper
    Leitung: Nicola Luisotti



    LG, Elisabeth

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