Alle haben sie gejubelt. Das Feuilleton. Die NZZ. Der Primarschullehrer und Hobby-Kritiker von Oper aktuell. Der Merker. Ein Psychodrama spiele sich ab, beim aktuellen neuen Werther in Zürich. Viel Blabla um nichts, wie ich nach dem Besuch der gestrigen Vorstellung festgestellt habe. Denn der neue Züricher Werther ist nichts als schlechtestes Provinztheater, wie man es am kleinen Stadttheater im deutschen Wolkenkuckucksheim in höherer Qualität erleben kann - nur zu niedrigeren Preisen und nicht zu bis zu über 300 Franken.
Das Debut von Juan Diego Florez als Werther. Juhu. Nichts wie nach Zürich, wo bekannte Sängernamen mittlerweile selten geworden sind. Nur leider kann ein guter Rossini-Tenor noch lange keinen Werther. Und so wirkte Florez dünnstimmig, er war im zweiten Rang des Opernhauses zum Teil kaum zu hören. Das unter Cornelius Meister kräftig aufspielende Orchester deckte dieses Wertherchen, das sich den ganzen Abend lang vergeblich um Dramatik bemühte über weite Strecken komplett zu. Zwar gelang die zentrale Arie "Pourquoi me reveiller" einigermassen schönstimmig und lyrisch, aber insgesamt blieb Florez weitest hinter den grossen Rollenvorgängern als Werther zurück. Berührt wurde ich kein einziges Mal.
Eine absolute Frechheit war die übrige Besetzung: Eine schrill klingende Anna Stephany orgelte sich technisch unsauber mit störendem Vibrato durch die Charlotte, die grosse Arie zu Beginn des dritten Aktes war fast unerträglich. Melissa Petit als Sophie singt, wenn ich richtig gezählt habe, bereits die vierte grosse Partie in dieser Saison am Opernhaus Zürich. Diese dünnstimmige Piepse wirkte derart fehlbesetzt, dass man sich fragte, ob man nicht im falschen Film sei. So jemand sollte doch bitte den Pagen im Rigoletto singen, oder doch besser gleich ab in den Chor. Aber Madame Petit sieht gut aus, und passt deshalb in die derzeitige Regietheaterwelt. Audun Iversern war ein grobstimmiger unsauber intonierender Albert. Über den Rest der Besetzung hülle ich am Besten den Mantel des Schweigens.
Tatjana Gürbaca, auch bekannt als "La Garbaggia" lieferte eine Inszenierung ab, die verglichen mit ihren sonstigen Inszenierungen noch in gewisser Weise harmlos erscheint. Dennoch schüttelte man den Kopf über im Rollstuhl sitzende Ommas, welche von den Comprimari hin und her geschoben wurden. Die schlecht sitzenden Kostüme, aus den Dreissigerjahren waren eine Beleidigung für das Auge und brachten gegenüber dem 18. Jahrhundert, in dem die Handlung angesiedelt sein muss, null Mehrwert. Alles langweilig, leidenschaftslos und austauschbar.
Eine Schande für das Opernhaus Zürich. Die guten Rezis waren einmal mehr nichts als Fake News oder alternative Fakten. Die freie Platzwahl im Opernhaus sowie der insgesamt sehr müde Applaus waren Beweis des Abstieges des Opernhaus Zürich. Schade.